Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz. Unterbrechung des Heimweges. Unfall unter Alkoholeinfluß. Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration. Resorptionsdauer
Orientierungssatz
1. Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des BGH im Beschluß vom 11.12.1973 - 4 StR 130/73 = BGHSt 25, 246 zur Berechnung des Abbauwertes nach der Blutprobeentnahme an. Er hält es für geboten, die wissenschaftlichen Erfahrungen und Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Errechnung des Ausmaßes der Alkoholeinwirkung zur Tatzeit (Unfallzeit) aus nachträglich ermittelten Blutalkoholwerten für die Frage der Verkehrstüchtigkeit von Kraftfahrern im Interesse der Rechtsgleichheit (vgl BSG vom 31.8.1972 - 2 RU 152/70 = BSGE 24, 261 und BSG vom 28.6.1979 - 8a RU 98/78 = BSGE 48, 228) - auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu verwerten.
2. Eine Rückrechnung iS der Hochrechnung zuungunsten des Verletzten aus dem für die Zeit der Blutentnahme ermittelten Wert auf den Wert zur Unfallzeit ist nicht zulässig, wenn mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen über den Zeitpunkt des Trinkenden nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Resorptionsdauer von 120 Minuten abgeschlossen war und eine aufgrund der Verhältnisse des Falles kürzere Resorptionsphase nicht ohne Anhörung eines Sachverständigen zugrunde zu legen ist.
3. Nach einer Unterbrechung des Heimweges wegen privater Verrichtungen lebt der Unfallversicherungsschutz nur in Ausnahmefällen - wenn aus Art und Dauer der Unterbrechung auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit zu schließen ist - nicht wieder auf.
4. Die den endgültigen Verlust des Unfallversicherungsschutzes bewirkende Lösung des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit ist nach den gesamten Umständen, die die private Verrichtung nach Art und Dauer im Einzelfall kennzeichnen, zu beurteilen; bei einer Unterbrechung des Heimweges bis zu zwei Stunden wird - auch wenn lediglich private Gründe Art und Dauer im Einzelfall kennzeichnen, zu beurteilen; bei einer Unterbrechung des Heimweges bis zu zwei Stunden wird - auch wenn lediglich private Gründe Art und Dauer der Unterbrechung bestimmt haben - im allgemeinen keine endgültige Lösung vom Betrieb anzunehmen sein.
5. Mit dem Erreichen einer Blutalkoholkonzentration (BAG) von 1,3 Promille ist jeder Kraftfahrer, unabhängig von sonstigen Beweisanzeichen, unbedingt (absolut) fahruntüchtig; diese Fahruntüchtigkeit liegt auch vor, wenn der Kraftfahrer im Zeitpunkt des Unfalls eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer BAK von 1,3 Promille oder darüber führt.
Normenkette
RVO § 550 Abs 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 28.09.1977; Aktenzeichen L 3 U 43/77) |
SG Speyer (Entscheidung vom 22.10.1976; Aktenzeichen S 16 U 220/74) |
Tatbestand
Der am 25. Juni 1955 geborene Kläger zog sich am 29. Juni 1973 - 4 Tage nach dem Erwerb des Führerscheins Klasse 3 - als Fahrer eines Pkw bei einem Unfall unter Alkoholeinfluß eine schwere Gehirnerschütterung und einen Bruch am rechten Oberarm zu. Er war Lehrling in einem Kraftfahrzeugreparaturbetrieb, in dem am Unfalltag nach offiziellem Arbeitsende ein neues Pkw-Modell besprochen wurde; der Arbeitgeber gab der Belegschaft einige Flaschen Bier aus. Auf der anschließenden Fahrt zu seinem Wohnort erlitt der Kläger den Unfall auf einer 4,80 m breiten Kreisstraße dadurch, daß sein Pkw ins Schleudern geriet, gegen einen Baum am rechten Straßenrand prallte und von dort aus in einen Graben neben der linken Straßenseite geschleudert wurde. Eine gegen 20.40 Uhr dem Kläger entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,87 Promille.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 28. Oktober 1974 die Gewährung einer Entschädigung ab: Im Unfallzeitpunkt habe der Kläger nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Nach Beendigung der Arbeitstätigkeit um 17.00 Uhr sei er zur Feierabendbeschäftigung übergegangen, der ursächliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit sei beim Beginn der Heimfahrt - 2 Stunden später - gelöst gewesen. Darüber hinaus liege ein Arbeitsunfall nicht vor, weil die Alkoholbeeinflussung des Klägers die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen sei. Zur Unfallzeit habe die BAK des Klägers 0,95 Promille betragen; demnach sei der Kläger relativ fahruntüchtig gewesen. Da der Kläger sich alkoholtypisch verhalten habe, sei nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises anzunehmen, daß allein der Alkoholeinfluß den Unfall verursacht habe.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat nach Beweisaufnahme (Ortsbesichtigung und Zeugenvernehmungen) durch Urteil vom 22. Oktober 1976 die Beklagte verurteilt, "das Ereignis des Klägers vom 29. Juni 1973 als Wegeunfall anzuerkennen": Selbst wenn man von dem offiziellen Ende der Arbeitszeit um 17.00 Uhr ausgehe, habe die Unterbrechung bis zum Antritt der Heimfahrt um 19.00 Uhr oder kurz danach nur 2 Stunden betragen, so daß eine Lösung vom Betrieb nicht eingetreten sei. Die Alkoholbeeinflussung von etwa 1 Promille im Unfallzeitpunkt (etwa um 19.15 Uhr, da das DRK den Beginn der Krankentransportfahrt mit 19.20 Uhr angegeben habe) sei nicht die allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen, vielmehr hätten ua auch mangelnde Verkehrserfahrung, mangelndes Vertrautsein mit dem Fahrzeug sowie die Straßenverhältnisse mitgewirkt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. September 1977). Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Eine endgültige Lösung von der betrieblichen Tätigkeit habe bei Beginn der Heimfahrt entgegen der Auffassung der Beklagten zwar keineswegs vorgelegen. Der Unfall sei jedoch auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers als der rechtlich allein wesentlichen Ursache zurückzuführen. Auch bei einer niedrigeren BAK als 1,3 Promille könne der Alkoholeinfluß die allein wesentliche Unfallursache sein. Bei einer BAK von 0,5 Promille sei die psychophysische Leistungstätigkeit eines Kraftfahrers meßbar gestört, bei einer BAK von 1 Promille bereits so beeinträchtigt, daß die meisten Menschen ein Kraftfahrzeug nicht mehr verkehrssicher führen könnten. Bei dem Kläger habe im Zeitpunkt der Blutentnahme (20.40 Uhr) eine BAK von 0,87 Promille vorgelegen. Dies bedeute, daß im Unfallzeitpunkt etwa eine Stunde vorher wahrscheinlich mit einem noch höheren Wert gerechnet werden müsse. Damit sei jedenfalls von einer erheblichen Alkoholbeeinflussung des Klägers auszugehen, der Kläger sei folglich nach allgemeinen wissenschaftlichen Erfahrungen durch den Alkoholgenuß in seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt gewesen. Eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers ergebe sich entgegen der Auffassung des SG auch aus den sonstigen Umständen des Falles. Andere Unfallursachen als die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit schieden - wiederum entgegen der Auffassung des SG - aus.
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision trägt der Kläger ua vor: Aus der gegen 20.40 Uhr am Unfalltag entnommenen Blutprobe hätte das LSG nicht auf eine höhere BAK zur Unfallzeit schließen dürfen; nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Strafsachen könne ein Kraftfahrer durch Hochrechnung für die ersten 120 Minuten nach Trinkende beschwert sein. Das LSG sei aufgrund seiner fehlerhaften Feststellung von einer erheblichen, also starken Alkoholbeeinflussung des Klägers ausgegangen. Dies habe seine Entscheidung entscheidend beeinflußt, andere Unfallursachen als unerheblich zu werten. Insoweit weiche das Urteil des LSG auch von der Entscheidung des BSG vom 22. Januar 1976 (SozSich 1976, 188 - 2 RU 239/73 -) ab, nach der die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ein umso stärkeres Gewicht erhalte, je höher die BAK sei. Das LSG habe auch verkannt, daß der Kläger bei dem von seinem Arbeitgeber veranlaßten Alkoholgenuß als Auszubildender unter einem psychologischen Zwang gestanden habe und daher von einer betriebsbedingten Alkoholbeeinflussung auszugehen sei. Schließlich beruhten die ohne eigene Beweisaufnahme abweichend vom SG getroffenen Feststellungen des LSG, daß andere als alkoholbedingte Umstände den Unfall nicht mit verursacht hätten, auf einer Verletzung des § 128 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); jedenfalls hätte das LSG ein verkehrsmedizinisches Gutachten einholen müssen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des SG Speyer - Zweigstelle Mainz - vom
22. Oktober 1976 zurückzuweisen mit der Maßgabe,
daß die Beklagte verurteilt wird, unter Aufhebung
ihres Bescheides vom 28. Oktober 1974 dem Kläger
wegen der Folgen seines Unfalls vom 29. Juni 1973
Entschädigung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Das LSG hat zwar im Tatbestand seines Urteils ua berichtet, der Unfall des Klägers habe sich "gegen 19.30 Uhr" ereignet. In den Entscheidungsgründen ist es davon ausgegangen, daß sich der Unfall etwa eine Stunde vor der um 20.40 Uhr entnommenen Blutprobe ereignet habe. Eigene Feststellungen zum Unfallzeitpunkt hat es nicht getroffen. Weshalb es diesen für die Entscheidung uU erheblichen Zeitpunkt des Unfalls abweichend vom SG, daß von dem Unfall "um oder kurz nach 19.00 Uhr" ausgegangen ist, für zutreffend hält, hat es jedoch ohne eigene Beweiswürdigung und ohne auf die Beweiswürdigung des SG einzugehen, nicht dargelegt. Es fehlt außerdem ua an Feststellungen darüber, wann am Unfalltag die Arbeit beendet war, bis wann anschließend und auf wessen Veranlassung unter den Betriebsangehörigen ein neues Pkw-Modell besprochen wurde, wann der Kläger zuletzt Alkohol zu sich nahm und wann er die Arbeitsstätte verlassen hat. Für die angefochtene Entscheidung des LSG und deren Überprüfung im Revisionsverfahren kommt es jedoch ua auf diese Feststellungen an.
Nach der Auffassung des LSG stand der Kläger, als er von der Betriebsstätte aus seinen Heimweg antrat, grundsätzlich nach § 550 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unter Versicherungsschutz. Es hat hierzu ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob das Verbleiben des Klägers im Betrieb nach Arbeitsschluß bis zum Beginn der Heimfahrt in vollem Umfang oder nur teilweise als betriebliche Tätigkeit oder betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gelten könne; selbst wenn der Versicherungsschutz zeitweise nicht bestanden hätte, sei eine endgültige Lösung von der betrieblichen Tätigkeit und ein Übergang zur Freizeitbeschäftigung keineswegs eingetreten. Diese Auffassung ist zutreffend und steht in Einklang mit der Rechtsprechung des BSG, sofern der Kläger nach Beendigung der Arbeit, dem Wechsel der Kleidung, der Körperreinigung und sonstigen vor Antritt der Heimfahrt erforderlichen oder üblichen Betätigungen sowie eventuell nach einer der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Erörterung technischer Probleme nicht mehr als 2 Stunden für rein private Verrichtungen verwendet hat.
Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 28. April 1976 (SozR 2200 § 550 Nr 12) näher dargelegt hat, ist auch bei einer lediglich durch private Gründe bestimmten Unterbrechung des Weges von dem Ort der versicherten Tätigkeit und bei der diesem Fall gleichzustellenden Verzögerung der Heimfahrt (s ua BSG SozR Nr 7 zu § 543 RVO aF; BSG SozR 2200 § 550 Nr 6 und Nr 42) der Versicherungsschutz auf dem weiteren bzw anschließenden Weg nicht ausgeschlossen, wenn die Unterbrechung bzw Verzögerung nicht mehr als 2 Stunden ausmacht (zustimmend der 8. Senat des BSG in SozR 2200 § 550 Nr 27). Aus dem Akteninhalt ergeben sich zwar Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger beim Antritt der Heimfahrt nach den angeführten Erwägungen gemäß § 550 Abs 1 RVO versichert war. Es fehlen jedoch im Urteil des LSG die erforderlichen Feststellungen für eine Entscheidung dieser Frage.
Für den Fall, daß der Kläger aufgrund der nachzuholenden Feststellungen des LSG beim Antritt der Fahrt vom Ort der versicherten Tätigkeit bis zur Unfallstelle gemäß § 550 Abs 1 RVO unter Versicherungsschutz stand, ist sein Entschädigungsanspruch gleichwohl nicht begründet, wenn der Unfall rechtlich wesentlich allein durch eine auf Alkoholgenuß zurückzuführende nicht betriebsbedingte Fahruntüchtigkeit verursacht worden ist (ständige Rechtsprechung des BSG seit der Entscheidung in BSGE 12, 242; vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-9. Aufl, S 487 f, g mwN; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 548 Anm 70).
Bei der Prüfung der Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholeinwirkung - dh der alkoholbedingten Unfähigkeit, ein Kraftfahrzeug verkehrssicher zu führen - ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß mit dem Erreichen einer BAK von 1,3 Promille jeder Kraftfahrer, unabhängig von sonstigen Beweisanzeichen, unbedingt (absolut) fahruntüchtig ist (s BSGE 34, 261 im Anschluß an BGHSt 21, 157). Der 8. Senat des BSG hat in seinem - erst nach der angefochtenen Entscheidung des LSG ergangenen - Urteil vom 28. Juni 1979 in Fortentwicklung von BSGE 34, 261 und im Anschluß an BGHSt 25, 246 (= NJW 1974, 246 mit Anm von Händel) entschieden, daß ein Kraftfahrer absolut fahruntüchtig auch ist, wenn er im Zeitpunkt des Unfalls eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer BAK von 1,3 Promille oder darüber führt (BSGE 48, 228). Die Voraussetzungen einer absoluten Fahruntüchtigkeit des Klägers hat das LSG nicht als gegeben angesehen. Es hat jedoch aufgrund der BAK von 0,87 Promille, die sich bei der um 20.40 Uhr am Unfalltag entnommenen Blutprobe ergab, angenommen, für den Unfallzeitpunkt etwa eine Stunde vorher sei wahrscheinlich mit einem noch höheren Alkoholwert zu rechnen, so daß jedenfalls von einer erheblichen Alkoholbeeinflussung auszugehen und der Kläger daher nach allgemeinen wissenschaftlichen Erfahrungen durch den Alkoholgenuß in seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei. Den weiteren Ausführungen des LSG ua zu dem als alkoholtypisch angesehenen Fahrverhalten des Klägers - im Rahmen der Prüfung, ob neben der Alkoholbeeinflussung auch andere, der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Umstände den Unfall wesentlich mitbedingt haben - könnten zwar darauf schließen lassen, daß das LSG eine Fahruntüchtigkeit des Klägers nicht nur aufgrund der unter dem Grenzwert liegenden BAK angenommen hat. Dies würde dem Umstand gerecht, daß nicht allein aus einer den Grenzwert nicht erreichenden BAK, sondern nur zusammen mit anderen Beweisanzeichen - wie Fahrweise und Reaktion in der Unfallsituation - auf eine relative Fahruntüchtigkeit wie auch darauf geschlossen werden kann, daß die Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Unfallursache war (s BSG Urteil vom 13. März 1975 - 2 RU 9/73 -; Brackmann aaO S 487 x, y mwN). Mit Recht wendet sich die Revision aber dagegen, daß das LSG - ohne Anhörung eines Sachverständigen und ohne den Zeitpunkt des Trinkendes sowie des Unfalls möglichst genau festzustellen - für den Unfallzeitpunkt eine zwar nicht ziffernmäßig bezeichnete, jedoch über 0,87 Promille liegende BAK angenommen hat.
Im Ergebnis hat das LSG, indem es von einer höheren BAK zur Unfallzeit als derjenigen zur Zeit der Blutentnahme ausgegangen ist, zuungunsten des Klägers eine Rückrechnung im Sinne der "Hochrechnung" vorgenommen. Der BGH hat jedoch unter Bezugnahme auf den Erfahrungsstand der ärztlichen Wissenschaft in seinem Beschluß vom 11. Dezember 1973 (BGHSt 25, 246, 251) bereits ua ausgeführt, daß die BAK zur Tatzeit (Unfallzeit) uU sogar unterhalb derjenigen im Blutentnahmezeitpunkt gelegen haben kann, und zwar dann, wenn der Vorfall im Verhältnis zur jeweils benötigten Resorptionsdauer nur relativ kurze Zeit nach dem Trinkende liegt (s auch BSGE 48, 228, 231). Wie der BGH (aaO) näher dargelegt hat, ist eine Rückrechnung vom Blutentnahmewert auf den Tatzeitwert nur durchführbar, wenn das Ende der Resorptionsphase feststeht. Da die Feststellung dieses Zeitpunktes im Einzelfall schwierig oder unmöglich sein kann, hält der BGH eine Schematisierung nicht für zulässig. Bei erwiesenem "normalem Trinkverlauf" (0,5 bis 0,8 g Alkohol je kg Körpergewicht stündlich) könne jedoch von einem Resorptionszeitraum von 120 Minuten nach Trinkende ausgegangen werden, um mit Sicherheit jede Benachteiligung eines Kraftfahrers auszuschließen. Eine von diesem Richtsatz abweichende kürzere Resorptionsdauer im konkreten Fall werde sich kaum ohne Anhörung eines Sachverständigen feststellen lassen. Nach dem Ende der Resorptionsdauer dürfe nach forensischen medizinischen Erkenntnissen bei einer Rückrechnung (Hochrechnung) für die gesamte Dauer der Eliminationsphase grundsätzlich nur ein gleichbleibender Stundenwert von 0,1 Promille als statistisch gesicherter Mindestabbauwert angewendet werden.
Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des BGH an. Er hält es für geboten, die wissenschaftlichen Erfahrungen und Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Errechnung des Ausmaßes der Alkoholeinwirkung zur Tatzeit (Unfallzeit) aus nachträglich ermittelten Blutalkoholwerten für die Frage der Verkehrstüchtigkeit von Kraftfahrern - im Interesse der Rechtsgleichheit (s BSGE 34, 261, 264; 48, 228, 230) - auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu verwerten.
Eine Rückrechnung im Sinne der Hochrechnung zuungunsten des Klägers aus dem für die Zeit der Blutentnahme um 20.40 Uhr ermittelten Wert (0,87 Promille) auf den Wert zur Unfallzeit war hiernach nicht zulässig, da mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen über den Zeitpunkt des Trinkendes nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Resorptionsdauer von 120 Minuten um 20.40 Uhr abgeschlossen war und eine aufgrund der Verhältnisse des Falles kürzere Resorptionsphase nicht ohne Anhörung eines Sachverständigen zugrunde zu legen ist (vgl Jagusch, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl 1980, § 316 StGB Rdn 59 mN). Das Ausmaß der Alkoholeinwirkung im Unfallzeitpunkt ist für die hier zu entscheidende Frage, ob der Kläger relativ fahruntüchtig war, von wesentlicher Bedeutung (s BSGE 18, 101, 105; BSG SozSich 1976, 188, Urteil vom 1976-01-22 - 2 RU 239/73 zur Frage der Unfallursache). Es erhält - in Verbindung mit sonstigen, vom LSG im Zusammenhang mit der Wertung der Unfallursachen berücksichtigten Umständen - ein stärkeres Gewicht, je näher die BAK an den Grenzwert von 1,3 Promille heranreicht. Deshalb muß für die Beurteilung, ob der Kläger alkoholbedingt fahruntüchtig war - aber auch für die Frage, ob darin die rechtlich allein wesentliche Unfallursache lag - die vom LSG nicht zutreffend ermittelte BAK zur Unfallzeit unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles zunächst festgestellt werden. Das BSG kann diese Feststellung nicht selbst treffen.
Die Sache ist deshalb an das LSG zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten - auch des Revisionsverfahrens - bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen