Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch der Krankenkasse. Behandlung in Kur- oder Spezialeinrichtungen. Badekur. versorgungsrechtliche Heilbehandlung. Krankenbehandlung für Hinterbliebene von Versorgungsberechtigten
Orientierungssatz
Stationäre Badekuren für Hinterbliebene gehören nicht zu den Leistungen der Krankenbehandlung in der Kriegsopferversorgung; es besteht daher auch kein Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegen die Versorgungsverwaltung.
Normenkette
BVG § 10 Abs 4, § 12 Abs 1, § 11 Abs 1 S 1 Nr 5, § 11 Abs 1 S 5; RVO § 184a; BVG § 20
Verfahrensgang
SG Ulm (Entscheidung vom 21.10.1987; Aktenzeichen S 3 V 706/85) |
Tatbestand
Die klagende Krankenkasse gewährte einer Kriegswitwe, die bei ihr krankenversichert ist, im Jahre 1985 zur Behandlung eines Wirbelsäulensyndroms und einer Polyarthrose eine Badekur in einem Moorsanatorium. Sie verlangt Erstattung ihrer Kosten in Höhe von 2.882,-- DM von dem Träger der Kriegsopferversorgung. Der Beklagte lehnte dies ab, weil stationäre Badekuren für Hinterbliebene nicht zu den Versorgungsleistungen zählten; die Ermessensvorschrift des § 11 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) über Badekuren für Beschädigte sei nicht - wie die sonstigen Leistungen der Heilbehandlung - in den Leistungskatalog der Krankenbehandlung für Hinterbliebene in § 12 BVG einbezogen worden. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. Oktober 1987). Dagegen richtet sich die zugelassene Sprungrevision der Klägerin.
Sie rügt eine Verletzung der §§ 10 Abs 4, 12 Abs 1 iVm § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 5 und Satz 5 BVG sowie des § 184a Reichsversicherungsordnung (RVO). Das SG habe zu Unrecht angenommen, daß die Versicherte nach den Vorschriften des BVG keinen Anspruch auf die gewährte Badekur gehabt habe. Entgegen der Auffassung des SG sei die Kur nicht unter § 11 Abs 2 BVG einzuordnen, denn sie habe nicht dazu gedient, einen Heilerfolg zu sichern oder einer in absehbarer Zeit zu erwartenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder dem Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Die Badekur sei notwendig gewesen, Gesundheitsstörungen zu bessern. Diese Leistung müsse unter § 11 Abs 1 Nr 5 BVG, nämlich Krankenhausbehandlung eingeordnet werden, die als Heilbehandlung auch Hinterbliebenen zu gewähren sei. Dem stehe nicht entgegen, daß es sich krankenversicherungsrechtlich nicht um eine Krankenhausbehandlung iS von § 184 RVO, sondern um eine Behandlung in einer Kur- oder Spezialeinrichtung iS von § 184a RVO gehandelt habe. Dazu sei sie nur subsidiär verpflichtet gewesen; ihre Leistungspflicht werde durch die Leistungspflicht des Beklagten verdrängt. Deshalb habe sie nur nach den Vorschriften des BVG, nämlich § 18c Abs 1 Satz 3 BVG, gehandelt, so daß sich ihr Erstattungsanspruch auf § 20 BVG stütze. Soweit auch die Leistungen des Beklagten für Hinterbliebene gemäß § 10 Abs 7 Buchst d BVG bei Bestehen anderweitiger Sozialversicherungsansprüche subsidiär seien, gelte dies nicht gegenüber § 184a RVO. Diese Vorschrift sei die jüngere und deshalb die "subsidiärere".
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, 2.882,-- DM zuzüglich 8 % Verwaltungskosten zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, daß der Beklagte die Kosten der Badekur nicht zu erstatten hat.
Ob § 19 oder § 20 BVG oder eine andere Rechtsgrundlage für den erhobenen Erstattungsanspruch in Betracht kommt, kann offenbleiben. Alle Anspruchsgrundlagen setzen voraus, daß die Klägerin Leistungen erbracht hat, zu denen auch die Versorgungsverwaltung verpflichtet gewesen wäre. Das ist aber nicht der Fall.
Zuzugeben ist der Klägerin allerdings, daß der Leistungskatalog des § 11 Abs 1 BVG in der bis zum 31. Dezember 1988 gültigen Fassung (aF), die durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) geändert worden ist, nicht als abschließend verstanden werden durfte. So hat der erkennende Senat mit Urteilen vom 27. April 1989 (9/9a RV 44/87, 9 RV 42/88 und 9 RV 43/88) entschieden, daß die Versorgungsverwaltung über den Leistungskatalog des § 11 Abs 1 BVG aF hinaus verpflichtet war, stationäre Heilbehandlung in einer Spezialeinrichtung zu gewähren, wenn sie zur Rehabilitation des Beschädigten erforderlich ist. Der Senat hat dies aus dem Leistungszweck und der Entwicklungsgeschichte der Kriegsopferversorgung hergeleitet, die schon vor dem Inkrafttreten des Rehabilitationsangleichungsgesetzes (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881) eine umfassende und vielgestaltige Rehabilitation entwickelt hatte, die durch das RehaAnglG noch erweitert und mit den übrigen Rehabilitationsgebieten vereinheitlicht, nicht aber eingeschränkt werden sollte. Daß eine stationäre medizinische Rehabilitation in einer Spezialeinrichtung anstelle einer Krankenhausbehandlung seitdem auch von Versicherungsträgern zu erbringen sei, schließe die entsprechende Verpflichtung der Versorgungsträger gegenüber Beschädigten nicht aus.
Daraus ist aber nicht herzuleiten, daß dies auch für Badekuren von Kriegswitwen gelten müsse, denen gemäß § 10 Abs 4 Buchst c BVG Krankenbehandlung gewährt wird, um Gesundheitsstörungen oder die durch sie bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, eine Zunahme des Leidens zu verhüten, körperliche Beschwerden zu beheben oder die Folgen der Behinderung zu erleichtern. Den Umfang der Krankenbehandlung regelt zwar § 12 Abs 1 BVG durch den Hinweis auf den Umfang der Heilbehandlung nach § 11 Abs 1 BVG. Der Leistungskatalog dieser Vorschrift ist aber nicht um die Badekur zu erweitern. Denn für Badekuren hatte das BVG schon immer Sondervorschriften außerhalb des Katalogs der Heilbehandlung, und daran hat sich auch durch das GRG im Prinzip nichts geändert.
Nach § 11 Abs 2 BVG idF vom 22. Januar 1982 (BGBl I 21) wird stationäre Behandlung in einer Kureinrichtung (Badekur) Beschädigten gewährt, wenn sie notwendig ist, um den Heilerfolg zu sichern oder um einer in absehbarer Zeit zu erwartenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder dem Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Diese Leistung war von Anfang an im BVG vorgesehen, wenn auch in der ursprünglichen Fassung des § 11 Abs 2 vom 20. Dezember 1950 (BGBl 791) neben Heilanstaltspflege und Heilstättenbehandlung. Nach der Neufassung des BVG vom 20. Januar 1967 (BGBl I 141) aufgrund des 3. Neuordnungsgesetzes wurden die Heilanstaltspflege (nunmehr als Krankenhausbehandlung) und die Heilstättenbehandlung in den Leistungskatalog des § 11 Abs 1 aufgenommen, während die Badekur als Ermessensleistung weiterhin in Absatz 2 geregelt blieb. Das 3. Anpassungsgesetz (AnpG-KOV) vom 16. Dezember 1971 (BGBl I 1985) erstreckte für den Beschädigten Kurmaßnahmen auch auf Nichtschädigungsfolgen und führte außerdem für Ehegatten und Eltern von Pflegezulageempfängern die Badekur als Leistung zur Erhaltung ihrer Pflegefähigkeit ein. Diese Leistung wurde durch das 5. AnpG-KOV vom 18. Dezember 1973 (BGBl I 1909) auf sonstige Personen, die die unentgeltliche Wartung und Pflege übernommen haben, und durch das 10. AnpG-KOV vom 10. August 1978 (BGBl I 1217) auf eine Zeitdauer bis zu fünf Jahren nach dem Tode des Pflegezulageempfängers ausgedehnt, wenn sie notwendig war, um den Heilerfolg zu sichern oder um einer in absehbarer Zeit zu erwartenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder dem Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Für die Durchführung dieser Badekuren war gemäß § 18c Abs 1 Satz 1 BVG stets die Versorgungsverwaltung zuständig. Das GRG hat schließlich durch Art 37 Nr 3 Buchst c Leistungen zur Gesundheitsvorsorge in Form einer Kur in entsprechender Anwendung der Vorschriften, die für Krankenkassen gelten, eingeführt.
Aus dieser Entwicklung ergibt sich, daß die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit stationärer Badekuren vom Gesetzgeber wiederholt überprüft worden ist und für den Beschädigten solche Badekuren schon immer in einem Umfang zur Verfügung gestellt worden sind, wie sie zur Heilung und auch Vorbeugung einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes erforderlich waren. Wäre die hier streitige Badekur von einem Beschädigten durchgeführt worden, so wäre sie unzweifelhaft eine Maßnahme iS des § 11 Abs 2 BVG und keine Krankenhausbehandlung gewesen. Der Auffassung der Klägerin, daß es sich nicht um eine Kur, sondern um eine Heilmaßnahme gehandelt habe, weil sie nicht dazu gedient habe, einen Heilerfolg zu sichern, sondern den Gesundheitszustand zu bessern, kann nicht gefolgt werden. Diese Unterscheidung nach dem Zweck einer stationären Maßnahme ist schon praktisch kaum möglich. Entscheidend ist vielmehr die Art der Maßnahme, was das BSG zur Unterscheidung von Krankenhauspflege und Pflege in einer Kur- oder Spezialeinrichtung bereits entschieden hat (BSGE 46, 41). Es besteht kein Anlaß anzunehmen, daß die der Kriegerwitwe in einem Moorbad erbrachten Leistungen anderer Art waren als die üblicherweise dort erbrachten Leistungen einer Badekur. Davon ist auch das SG ausgegangen. Wenn die Klägerin meint, es hätte festgestellt werden können, daß nicht Kurmaßnahmen, sondern Heilmaßnahmen erbracht worden sind, so hätte sie dies nur mit der Berufung, nicht mit der Sprungrevision geltend machen können (vgl § 161 Abs 4 SGG). Die Auffassung der Klägerin ist aber vor allem deshalb nicht richtig, weil es sonst auch für Beschädigte stationäre Behandlung in Kureinrichtungen geben müßte, für die nicht die Versorgungsverwaltung, sondern - weil sie dann nur unter den Begriff der Krankenhausbehandlung iS des § 11 Abs 1 Nr 5 BVG einzuordnen wären - die Krankenkasse der durchführende Träger wäre (§ 18c Abs 1 Satz 3 BVG). Das würde aber dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widersprechen, alle Badekuren, mit Ausnahme der durch das GRG neu eingeführten Vorsorgekuren gemäß § 12 Abs 4 BVG, in der Trägerschaft der Versorgungsverwaltung zu belassen (vgl § 18c Abs 1 Satz 2 idF des GRG), die zu diesem Zweck versorgungseigene Einrichtungen oder vertraglich gebundene Kurkliniken bereithält (vgl Nr 31 der vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebene Kurrichtlinien vom 24. April 1978 - BVBl S 31 Nr 10).
Fällt aber die von der Kriegswitwe durchgeführte Badekur ihrer Art nach unter § 11 Abs 2 BVG, so verweist § 12 Abs 1 BVG für den Umfang der Krankenbehandlung auch nicht sinngemäß auf Abs 2, sondern lediglich auf Abs 1 des § 11 BVG. Diese eingeschränkte Verweisung ist - wie die wiederholte gesetzliche Überarbeitung der einschlägigen Vorschriften zeigt - kein gesetzgeberisches Versehen. Sie steht auch nicht in Widerspruch zu dem Gedanken einer umfassenden Rehabilitation in der Kriegsopferversorgung. Denn dieser besagt nur, daß den Beschädigten alle Leistungen zugute kommen müssen, die zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit und ihrer Wiedereingliederung in Gesellschaft und Beruf erforderlich sind. Für Angehörige und Hinterbliebene von Beschädigten gilt dieser auf dem Aufopferungsgedanken beruhende Grundsatz nicht. Ihnen werden vielmehr die Leistungen der Krankenbehandlung als Versorgungsleistungen - eher systemfremd - unter fürsorgerischen Gesichtspunkten gewährt. Auch wenn nach der Neufassung des § 12 Abs 1 BVG durch das GRG ausdrücklich medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation zum Umfang der Krankenbehandlung gehören, besagt dies nicht, daß sich diese Leistungen mit den entsprechenden Leistungen für Beschädigte decken müssen. Das gilt besonders, wie hier, im Bereich von Ermessensleistungen. Daß stationäre Badekuren für Hinterbliebene nicht in den Aufgabenbereich der Kriegsopferversorgung übernommen worden sind, sondern gemäß § 26 BVG durch die Kriegsopferfürsorge erbracht werden können, liegt vielmehr nur im Rahmen der gesetzlichen Systematik.
Weil stationäre Badekuren für Hinterbliebene nicht zu den Leistungen der Krankenbehandlung in der Kriegsopferversorgung gehören, kommt es auf die Frage, wie sich die subsidiären Leistungsverpflichtungen nach § 10 Abs 7 Buchst d BVG und § 184a RVO aF zueinander verhalten, nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen