Leitsatz (redaktionell)

Angleichungsvorschriften aus der Zeit vor 1945, nach denen es den Versicherungsträgern ausdrücklich verboten war, ihren Dienstordnungsangestellten höhere Bezüge als den Reichsbeamten zu gewähren, sind jedenfalls für den Bereich der bundesunmittelbaren Versicherungsträger überholt.

Auch wenn die Dienstordnung grundsätzlich auf die Besoldungsbestimmungen für Bundesbeamte verweist, kann je nach ihrem Wortlaut neben der Zahlung einer Weihnachtszuwendung (Sonderzuwendung) in Höhe der Zuwendung für Bundesbeamte noch die Möglichkeit der Zahlung eines weitergehenden Betrages der Weihnachtszuwendung (Sonderzuwendung) eingeräumt werden.

Der Beschluß des zuständigen Selbstverwaltungsorgane, die Weihnachtszuwendungen (Sonderzuwendungen) seiner Bediensteten (Dienstordnungs- und Tarif-Angestellten) von 75 % eines Monatsgehalts auf ein volles Monatsgehalt zu erhöhen, verletzt weder Gesetz und Satzung noch das auch für die öffentlich-rechtlichen Versicherungsträger geltende Gebot einer wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung; die einen solchen Beschluß aufhebende Anordnung der Aufsichtsbehörde ist ein unzulässiger Eingriff in das Recht der Selbstverwaltung.

Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eV braucht sich entsprechend der Regelung für Körperschaften und Behörden (SGG § 166 Abs 1) im Verfahren vor dem BSG nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten zu lassen; Prozeßkosten werden ihm in entsprechender Anwendung des SGG § 193 Abs 4 nicht erstattet.

 

Normenkette

RVO § 690 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 30 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30; SGG § 166 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 193 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 13. Juni 1967 und des Sozialgerichts Hamburg vom 23. November 1966 sowie die Anordnung der Beklagten vom 28. Oktober 1965 werden aufgehoben.

 

Gründe

I

Die Klägerin gewährt ihren Bediensteten seit 1949 Weihnachtszuwendungen. Diese betrugen bis zum Jahre 1962 ein halbes Monatsgehalt, 1963 und 1964 drei Viertel eines Monatsgehalts. Dies wurde von der Beklagten nicht beanstandet. Am 14. Oktober 1965 beschloß der Vorstand der Klägerin, einer Empfehlung des Vorstandes des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (BGen) e. V. folgend, vom Jahre 1965 an eine Weihnachtszuwendung in Höhe eines Monatsgehalts zu gewähren. Im einzelnen sah der Beschluß vor:

"1. Die am 1. Dezember in ungekündigter Stellung befindlichen aktiven Bediensteten der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft erhalten vom Jahre 1965 neben ihren Dienst- und Tarifbezügen eine jeweils nach dem 15. November zu zahlende Zuwendung in Höhe der ihnen für Monat Dezember zustehenden Dienst- oder Tarifbezüge.

Bei den dienstordnungsmäßig Angestellten umfaßt dieser Betrag

a) die aufgrund gesetzlicher Vorschrift den Beamten des Bundes gewährte und daher nach der Dienstordnung (§ 5 Abs. 1 des Dienstordnungsmusters) den DO-Angestellten zustehende Sonderzuwendung,

b) eine Weihnachtszuwendung in Höhe des jeweiligen Unterschiedsbetrages zwischen der zu a) genannten Sonderzuwendung und dem vollen Monatsgehalt solange, bis die Sonderzuwendung den Betrag der für den Monat Dezember zu zahlenden vollen Dienst- oder Tarifbezüge erreicht hat.

2. Die bisher geltende Regelung über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen fällt weg, soweit die Höhe der Zuwendung in Betracht kommt. Die Sonderzuwendungen, die den DO-Angestellten aufgrund der für die Bundesbeamten geltenden, auf dienstordnungsmäßig Angestellte anzuwendenden Regelungen gewährt werden, sind in die Regelung zu 1) einbezogen. Sofern sich aus der bisherigen Gesamtregelung etwa Zuwendungen von über 100 v. H. der Dezemberbezüge ergeben, fällt der 100 v. H. übersteigende Betrag weg".

Die Beklagte beanstandete diesen Beschluß mit Anordnung vom 28. Oktober 1965; die Überschreitung des bisherigen Höchstsatzes von 75 v. H. eines Monatsgehalts verstoße erheblich gegen die Grundsätze einer zulässigen Mittelverwendung. Eine ausreichende Rechtsgrundlage sei hierfür nicht vorhanden.

Gegen diese Verfügung, die eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht enthält, hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Hamburg Klage mit der Begründung erhoben, daß sie gegen § 30 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verstoße.

Das Sozialgericht (SG) hat den Hauptverband der gewerblichen BGen e. V. beigeladen. Es hat durch Urteil vom 23. November 1966 die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat die Berufung durch Urteil vom 13. Juni 1967 zurückgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Beklagte habe den Beschluß des Vorstandes der Klägerin zu Recht beanstandet, weil er, soweit er Weihnachtszuwendungen an DO-Angestellte betreffe, gegen die Dienstordnung (DO) verstoße und im übrigen dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zuwiderlaufe. Die Bindung der Klägerin an die bundesgesetzliche Regelung über Sonderzuwendungen an Beamte ergebe sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - zwar nicht aus § 5 DO, weil diese Sonderzuwendung bewußt außerhalb des Bundesbesoldungs- und Beamtenrechts geregelt worden und daher kein Dienstbezug, sondern ein Bezug besonderer Art sei. Hiervon weiche § 5 DO, der das Besoldungsgefüge und die Rechtsverhältnisse der DO-Angestellten in jeder Weise an das Beamtenrecht angleichen wolle, nicht ab. Zudem folge aus § 5 Abs. 2 DO, der ausdrücklich auf § 7 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) hinweise, mittelbar, daß § 5 in erster Linie die Vorschriften des BBesG und daneben allenfalls noch andere bundesrechtliche Vorschriften über Dienstbezüge im Sinne des Beamtenrechts meine. Die Klägerin sei jedoch durch § 6 Abs. 1 DO an die für Bundesbeamte getroffene Regelung über Sonderzuwendungen gebunden. Der beanstandete Beschluß begründe ein Rechtsverhältnis i. S. dieser Bestimmung, weil eine einheitliche laufende Weihnachtszuwendung zugesagt werde. Auch wenn dadurch ein Anspruch der DO-Angestellten nicht begründet worden sei, könne er beanstandet werden, weil er den ersten Schritt zur Entstehung eines Anspruches durch die wiederholte vorbehaltlose Gewährung darstelle.

Diese Aufsichtsverfügung sei auch insoweit gerechtfertigt, als sie die Tarif-Angestellten betreffe. Die Klärung dieser Frage sei - entgegen der Ansicht der Beklagten - deshalb notwendig, weil § 6 Abs. 1 DO nicht für diese Gruppe von Angestellten gelte. Diesen könnten jedoch die vorgesehenen Weihnachtszuwendungen nicht gewährt werden, weil das der von der Klägerin beabsichtigten Gleichbehandlung aller ihrer Bediensteten zuwiderlaufe. Abgesehen davon verstoße die Gewährung eines vollen Monatsgehalts gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Nach Abschnitt I § 1 des Gesetzes zur Erhaltung und Hebung der Kaufkraft vom 24. März 1934 (RGBl I S. 235) sei die Klägerin zu sparsamer und wirtschaftlicher Finanzgebarung verpflichtet. Die Bindung an diesen Grundsatz taste den Wesensgehalt des Selbstverwaltungsrechts nicht an, sei vielmehr dessen Bestandteil. Eine unterschiedliche Behandlung der beiden Angestelltengruppen sei nicht gerechtfertigt; sie widerspreche einer sachgerechten Geschäftsführung sowie einer ordnungsmäßigen Personalpolitik und laufe dem Bestreben der Aufsichtsbehörde, die Besoldungsverhältnisse nach Möglichkeit zu vereinheitlichen, entgegen. Die Gewährung von höheren Zuwendungen an einzelne Angestelltengruppen sei wegen der abwerbenden Wirkung und unerwünschten personalpolitischen Konkurrenzsituation oder Unruhe auch nicht wirtschaftlich. Dem stehe nicht entgegen, daß der Bundesgesetzgeber die Sonderzuwendungen als erste Stufe zur Gewährung eines dreizehnten Monatsgehalts ansehe. Auch das Günstigkeitsprinzip, dem keine Verfassungsqualität zukomme, schließe die Bindung an das staatliche Besoldungsgefüge, die in dem inhaltsgleichen Tarifvertrag für die Tarif-Angestellten seinen Ausdruck finde, nicht aus. Die Gewährung eines vollen Monatsgehalts würde das einheitliche Besoldungsgefüge noch mehr ins Wanken bringen und damit dem Grundsatz der Sparsamkeit widersprechen.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt und es wie folgt begründet:

Das LSG habe den beanstandeten Beschluß mit Recht nicht als gegen § 5 DVO verstoßend angesehen; die bundesgesetzlich geregelten Sonderzuwendungen seien keine Dienstbezüge i. S. dieser Bestimmung. Das Bundessozialgericht (BSG) habe ausgesprochen (BSG 8, 291, 296), daß der in der Gesetzessprache nicht immer eindeutige Begriff nur die laufenden Bezüge umfasse. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe das den Beamten gewährte Weihnachtsgeld nicht als durch Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) garantiert und damit nicht als Dienstbezug angesehen. Deshalb seien diese Zuwendungen kein Teil der Besoldung, deren Bestandteile in § 2 Abs. 1 BBesG definiert seien. Auch wenn man mit dem Begriff "Bezüge" die regelmäßig wiederkehrenden Bezüge, auf die ein Rechtsanspruch bestehe, verstehe, könnten die von der Klägerin beschlossenen Weihnachtszuwendungen nicht hierzu gezählt werden. Der beanstandete Vorstandsbeschluß begründe keinen Rechtsanspruch. Ferner habe der Bundesgesetzgeber den Anspruch auf Sonderzuwendungen bewußt außerhalb des Besoldungsgesetzes geregelt und damit zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht als Teil der Dienstbezüge zu gelten hätten. Bei der Auslegung des Begriffs Dienstbezüge in § 5 DO seien zudem die Vorstellungen der Beteiligten bei der Fassung dieser Bestimmung, deren tatsächliche Voraussetzungen und die langjährige Übung bei der Anwendung bedeutsam. Entstehungsgeschichte und Kotiv des § 5 DO zeigten, daß sich die Verweisung nur auf die beamtenrechtliche Besoldung nach dem Stand des Erlasses der DO (27. März 1958) und nicht auch auf die damals für die Bundesbeamten noch nicht absehbaren Weihnachts- und Sonderzuwendungen habe beziehen können; von der Klägerin seien bereits seit Jahren Weihnachtszuwendungen gezahlt worden, obwohl derartige Leistungen nach dem Bundesbeamtenrecht nicht oder nur in geringerem Umfang zulässig gewesen seien. Die Gewährung dieser Zuwendungen sei unbeanstandet geblieben. Hierin zeige sich die allgemeine Rechtsüberzeugung, daß die Weihnachtszuwendungen nicht Bestandteile der Dienstbezüge i. S. des § 5 DO seien. Da schließlich die DO gemäß § 695 RVO nur die Mindestgehälter festzulegen habe, werde die Klägerin durch die DO nicht gehindert, weitergehende Leistungen zu gewähren.

Der vom LSG angenommene Verstoß gegen § 6 Abs. 1 DO bestehe nicht. Das LSG habe verkannt, daß § 6 Abs. 1 DO nur für Rechtsverhältnisse in Betracht komme, der Vorstandsbeschluß als interner Organakt jedoch kein Rechtsverhältnis begründet habe. Ein einklagbarer Anspruch sei nicht entstanden; erst die wiederholte vorbehaltlose Zahlung lasse den Anspruch auf Auszahlung eines vollen Monatsgehalts entstehen. Freiwillige Leistungen würden durch § 6 Abs. 1 DO nicht ausgeschlossen. Da ein Rechtsverhältnis im Sinne dieser Bestimmung nicht begründet worden sei, sei der Vorstandsbeschluß allenfalls insoweit beanstandungsfähig, als er die Gewährung eines vollen Monatsgehalts nicht mit dem Vorbehalt der Freiwilligkeit und des späteren Wegfalls ausgestattet habe. Bei einer derartigen Einschränkung könnten, das Entstehen eines Rechtsanspruchs verhindert und die Gefahr eines verspäteten und sozialen Mißklänge bewirkenden Eingreifens der Aufsichtsbehörde gebannt werden. Für Erwägungen, welche später befürchtete soziale Härten beträfen, sei im Rahmen der Rechtsaufsicht kein Raum.

Selbst wenn die Klägerin über den § 6 DO an das Sonderzuwendungsgesetz gebunden sei, könne hieraus eine Beschränkung der Weihnachtszuwendungen ihrer Höhe nach nicht gefolgert werden. Die Klägerin sei befugt, eigenständige Regelungen neben und außerhalb der beamtenrechtlichen Vorschriften zu treffen. Die Verweisung in § 6 Abs. 1 DO habe die Klägerin nicht gehindert, Weihnachtszuwendungen zu zahlen, als eine bundesgesetzliche Regelung über entsprechende Zuwendungen noch nicht bestanden habe. Ebensowenig wie früher der Ausschluß derartiger Leistungen durch den Bundesgesetzgeber die Klägerin gebunden habe, schränke bei unveränderter Weitergeltung der DO jetzt die positive beamtenrechtliche Regelung die Befugnisse zur Gewährung von Weihnachtszuwendungen ein. Es gehe nicht an, aus § 6 Abs. 1 DO eine allgemeine Verweisung auf das Beamtenrecht herauszulesen. Die Dienstordnung enthalte keine erschöpfende und ausschließliche Regelung für die Rechtsverhältnisse der DO-Angestellten; wesentliche Umstände würden durch den Anstellungsvertrag geregelt (§ 692 RVO" § 2 Abs. 4 DO). Zudem seien in der DO nur die Mindestgehälter, d. h. die regelmäßig zu zahlenden Bezüge, festzulegen. Darüber hinaus gelte die Verweisung in § 6 Abs. 1 DO nur insoweit, als in der DO nicht etwas anderes bestimmt sei. Die anderweitige Regelung über Dienstbezüge finde sich jedoch in § 5 DO. Obwohl diese Bestimmung Weihnachtszuwendungen nicht betreffe, würden diese nicht von § 6 Abs. 1 DO erfaßt, da die dortige allgemeine Verweisung eine Anpassung an das Bundesbeamtenrecht nur hinsichtlich der regelungsbedürftigen Rechtsverhältnisse vornehme. Hierzu gehörten die Weihnachtszuwendungen jedoch nicht.

Die Ansicht des LSG, der Vorstandsbeschluß verletze den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, treffe nicht zu. "Sparsamkeit" und "Wirtschaftlichkeit" seien Wertbegriffe, die so allgemein seien, daß ihre Handhabung nur in gewissen Grenzen gebunden sei. Eine allein richtige Antwort auf die Frage, ob die Gewährung eines Monatsgehalts als Weihnachtszuwendung wirtschaftlich und sparsam sei, gebe es nicht, wie an gegenteiligen Gerichtsentscheidungen deutlich werde. Wegen des Selbstverwaltungsrechts der Klägerin sei nicht entscheidend, was die Aufsichtsbehörde als wirtschaftlich und sparsam ansehe. Eine Beanstandung könne nur erfolgen, wenn die Maßnahme eindeutig unwirtschaftlich und unsparsam sei. Die Ansicht der Beklagten, eine Maßnahme sei nur wirtschaftlich, wenn der Aufwand zur Erreichung eines bestimmten Zieles möglichst gering, und nur sparsam, wenn er notwendig sei, verkenne den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 1 GG), der es verbiete, Zuwendungen an Arbeitnehmer fürsorgerischer und sozialer Art nur nach ihrer Unabweisbarkeit zu beurteilen. Die Gewährung eines vollen Monatsgehalts sei auch durch das Bestreben gerechtfertigt, durch einen höheren materiellen Anreiz eine weitere Abwanderung von Arbeitskräften zu verhindern und jüngere Fachkräfte für den berufsgenossenschaftlichen Dienst zu gewinnen. Die Ungleichheit in der Besoldung verstoße nicht gegen den Grundsatz der Sparsamkeit. Die unterschiedliche Regelung der Rechtsverhältnisse bei DO- und Tarif-Angestellten rechtfertige auch die Gewährung voneinander abweichender Weihnachtszuwendungen an die beiden Angestelltengruppen. Eine Bindung an das staatliche Besoldungsgefüge bestehe nicht. Für besoldungspolitische Erwägungen sei im Rahmen der Rechtsaufsicht (§ 30 RVO) kein Raum.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen und die Anordnung der Beklagten vom 28. Oktober 1965 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die vorinstanzliche Entscheidung im Ergebnis für zutreffend, meint jedoch, daß der Vorstandsbeschluß auch gegen § 5 DO verstoße.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er unterstützt die Ausführungen der Klägerin mit dem Hinweis, daß die beschlossenen Weihnachtszuwendungen weder Dienstbezüge i. S. des § 5 Abs. 1 DO seien noch von der Verweisung in § 6 Abs. 1 DO erfaßt würden.

II

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Gegenstand der nach § 54 Abs. 3 SGG zulässigen Klage ist die Anordnung der Beklagten vom 28. Oktober 1965, durch welche es der Klägerin untersagt worden ist, ihren Bediensteten eine Weihnachtszuwendung von mehr als 3/4 eines Monatsgehalts zu gewähren. Der Beschluß des Vorstandes der Klägerin vom 14. Oktober 1965, welcher die Gewährung eines ganzen Monatsgehalts vorsieht, ist nach der Auffassung des erkennenden Senats im Ergebnis zu Recht ergangen. Er verletzt weder Gesetz noch Satzung. Die Beklagte hat durch ihre Aufsichtsanordnung in das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin eingegriffen und damit ihre Aufsichtsbefugnis überschritten (§ 30 RVO). Die von der Beklagten angeordnete Begrenzung der von der Klägerin ihren DO- und Tarif-Angestellten im Jahre 1965 bewilligten Weihnachtszuwendungen auf 75 v. H. eines Monatsgehalts findet, wie der erkennende Senat in dem heute gefällten, zur Veröffentlichung bestimmten Urteil in der Sache 2 RU 222/67 näher ausgeführt hat, weder im Recht des öffentlichen Dienstes noch in sonstigen Rechtsnormen eine Stütze.

Danach sind die DO-Angestellten keine Beamten im staatsrechtlichen Sinn, obwohl die DO als in seiner Wirkung der Satzung gleichstehendes autonomes Recht des Versicherungsträgers die Rechtsgrundlage für den mit dem einzelnen Angestellten abzuschließenden Dienstvertrag bildet (§ 692 RVO). Durch die DO wird lediglich die sinngemäße Anwendung beamtenrechtlicher Vorschriften auf ein privatrechtliches Rechtsverhältnis vollzogen. Das nur für die unmittelbaren und mittelbaren Bundesbeamten geltende Bundesbeamtenrecht, dessen Anwendung hier in Frage kommt, weil es sich bei der Klägerin um einen bundesunmittelbaren Versicherungsträger handelt, erstreckt sich somit nicht auf DO-Angestellte. Von seiner nach Art. 73 Nr. 8 GG gegebenen ausschließlichen Kompetenz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen hat der Bund auch nach der Änderung des Art. 75 GG durch das 22. Gesetz zur Änderung des GG vom 12. Mai 1969 (BGBl. I S. 363) keinen weitergehenden Gebrauch in dem Sinne gemacht, daß er die DO- und Tarif-Angestellten der bundesunmittelbaren Versicherungsträger mit einbezog, obwohl diese Grundgesetzänderung der Verwirklichung der Bestrebungen nach einer Vereinheitlichung des Rechts des öffentlichen Dienstes in Bund und Ländern, welches nach 1945 eine unterschiedliche Entwicklung genommen hat, dienen soll. Ebensowenig gelten das Gesetz über Weihnachtszuwendungen vom 16. April 1964 (BGBl. I S. 278) und das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung vom 15. Juli 1965 (BGBl. I S. 609) für die DO- und Tarif-Angestellten der bundesunmittelbaren Versicherungsträger; ihr Geltungsbereich umfaßt ebenfalls nur die Bundesbeamten. Angleichungsvorschriften aus der Zeit vor 1945, durch die das Dienstrecht der Sozialversicherungsträger dem Recht der Reichsbeamten angeglichen worden und nach denen es den Versicherungsträgern ausdrücklich verboten war, ihren Bediensteten höhere Leistungen als den Reichsbeamten zu gewähren (vgl. AN 1940, 348; 1942, 244, 246), sind jedenfalls für den Bereich der bundesunmittelbaren Versicherungsträger durch die Rechtsentwicklung überholt.

Die §§ 690 ff RVO überlassen es den Selbstverwaltungsorganen der Versicherungsträger, die allgemeinen Anstellungsbedingungen und Rechtsverhältnisse ihrer Angestellten zu regeln, und zwar angemessen (§ 690 Abs. 1 RVO). Damit ist kraft Gesetzes den Organen der Selbstverwaltung ein gewisser Spielraum eingeräumt. Die aus dem Selbstverwaltungsrecht sich ergebende Befugnis zur autonomen Rechtsetzung bedeutet, daß die Klägerin mangels einschränkender Normen des Bundesrechts - allerdings vorbehaltlich des § 700 Abs. 2 RVO und des noch zu erörternden Grundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit - nicht gehindert wäre, in ihrer DO die Gewährung von Weihnachtszuwendungen ausdrücklich vorzusehen. Von ihrer langjährigen Übung, ihren Bediensteten Weihnachtsgratifikationen zu gewähren, ist die Klägerin - ebenso wie die übrigen gewerblichen BGen - nicht abgegangen, als die Aufsichtsbehörde im Jahre 1957 das Muster einer DO erließ, welches die Gewährung von Weihnachtszuwendungen nicht vorsah. Das BVA hat damals wie auch später, als es den Unfallversicherungsträgern gestattete, ein abgewandeltes Muster bei der Aufstellung ihrer DO zugrunde zu legen, gegenüber Trägern und Verbänden der gesetzlichen Unfallversicherung erklärt, daß Leistungen dieser Art auch künftig nicht ausgeschlossen seien. Angesichts dieser übereinstimmenden Willensbildung der Beteiligten, welche an der Gestaltung der DO der Klägerin vom 27. März 1968, die sich vorwiegend an das im Jahre 1957 erlassene DO-Muster, nach ihrer Änderung vom 26. Juni 1963 teilweise an das abgewandelte Muster einer DO anlehnt, mitgewirkt haben, hat sich die Klägerin nicht ihres Rechts begeben, weiterhin Weihnachtszuwendungen zu gewähren.

Der aus der Entstehungsgeschichte der DO der Klägerin eindeutig erkennbare objektivierte Wille des Normgebers darf bei der Auslegung der einzelnen Bestimmungen der DO nicht unberücksichtigt bleiben. Unter Beachtung der in Rechtsprechung und Schrifttum für die Rechtsauslegung entwickelten Grundsätze ergibt eine Auslegung der §§ 5 und 6 der DO der Klägerin, daß diese sich in diesen Bestimmungen nicht speziellen Bindungen an das Bundesbeamtenrecht unterworfen hat, soweit es sich um Weihnachtszuwendungen handelt.

Die in § 5 DO verwendeten Begriffe "Besoldung" und "Dienstbezüge" sind nicht anders auszulegen als im BBesG. § 5 Abs. 1 verweist hinsichtlich des Besoldungsdienstalters und der Höhe der Dienstbezüge auf die jeweiligen Vorschriften für Bundesbeamte. Er nimmt damit auf Begriffe Bezug, welche im BBesG näher erläutert sind. Nichts anderes gilt für den Absatz 2 des § 5, welcher insoweit eine besondere Regelung trifft.

Der gegenteiligen Meinung der Beklagten steht ferner entgegen, daß die Weihnachts- und Sonderzuwendungen, auf welche die Bundesbeamten kraft besonderer Gesetze einen Rechtsanspruch haben, kein Bestandteil der Beamtenbesoldung sind. Sowohl die Entstehungsgeschichte dieser Gesetze als auch ihre Systematik sprechen für einen selbständigen Charakter dieser Leistungen.

Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, daß der Begriff "Dienstbezüge" nicht in sämtlichen beamtenrechtlichen Vorschriften dieselbe Bedeutung hat. So ist er in den §§ 87 ff BBG entsprechend der besonderen Zwecksetzung dieser Vorschriften weit auszulegen; er umfaßt hier alle Leistungen aus dem Dienstverhältnis, somit auch Beihilfen und Unterstützungen sowie Sonderzuwendungen. Diese weite Auslegung findet sich jedoch nur im Zusammenhang mit Vorschriften des BBG. Für den Bereich des Besoldungsrechts, auf den § 5 Abs. 1 DO verweist, gilt dagegen die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 BBesG. Unter den dort bezeichneten Dienstbezügen sind Weihnachtszuwendungen nicht aufgeführt.

Die Übereinstimmung der in § 5 DO und in § 2 Abs. 1 BBesG verwendeten Rechtsbegriffe ist nicht dadurch aufgehoben worden, daß die Klägerin annimmt, ihre DO-Angestellten hätten einen Anspruch auf die den Bundesbeamten kraft Gesetzes zustehende Sonderzuwendung. Die Frage, ob nach dem Arbeitsrecht ein Anspruch auf die regelmäßige Gewährung einer Weihnachtszuwendung vorliegt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es darum, ob die Klägerin gehindert ist, ihren Bediensteten eine höhere Weihnachtszuwendung als 75 v. H. eines Monatsentgelts zu gewähren. Die Entscheidung dieser Frage wird nicht dadurch berührt, daß die Klägerin meint, ihre DO-Angestellten könnten einen Teil der ihnen zugedachten Weihnachtszuwendungen in sinngemäßer Anwendung der für die Bundesbeamten geltenden gesetzlichen Regelung beanspruchen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klägerin bei der Entscheidung über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen an ihre DO-Angestellten auch nicht durch § 6 Abs. 1 ihrer DO an das für die Bundesbeamten jeweils geltende Recht gebunden. Nach dieser Bestimmung, welcher das von der Aufsichtsbehörde im Jahre 1957 erlassene DO-Muster zugrunde liegt, gelten, soweit nicht durch besondere gesetzliche Vorschriften oder in der DO etwas anderes bestimmt ist, für die Rechtsverhältnisse der Angestellten einschließlich ihres Anspruchs auf Versorgung die jeweiligen Vorschriften und Bestimmungen für Bundesbeamte entsprechend. Diese Fassung weicht allerdings vom Muster einer DO ab, welches die Aufsichtsbehörde später zugelassen hat. § 6 Abs. 1 des abgewandelten DO-Musters enthält eine Aufzählung einzelner Sachgebiete, welche im wesentlichen im BBG und dazu erlassenen Gesetzen, aber nicht im BBesG geregelt sind und auf die Rechtsverhältnisse der DO-Angestellten entsprechende Anwendung finden sollen. Werden jedoch, wie der erkennende Senat in dem in der Sache 2 RU 222/67 erlassenen Urteil ausgeführt hat, durch den § 6 Abs. 1 einer DO, dem das abgewandelte DO-Muster zugrundeliegt, Weihnachtszuwendungen nicht erfaßt, so gilt für die allgemein gehaltene kürzere Fassung des § 6 Abs. 1 DO der Klägerin nichts anderes. Wie sich aus dem Erlaß des Musters einer DO ergibt, ist die Aufsichtsbehörde auf eine möglichst einheitliche Gestaltung des Inhalts der DO der Unfallversicherungsträger bedacht gewesen. Die Genehmigung verschiedener Fassungen des § 6 Abs. 1 durch die Aufsichtsbehörde begründet deshalb den Schluß, daß diese Bestimmung trotz des nicht übereinstimmenden Wortlauts nicht unterschiedlich auszulegen ist. Durch den § 6 Abs. 1 ihrer DO war die Klägerin somit nicht gehindert, höhere Weihnachtszuwendungen zu bewilligen, als sie jeweils den Bundesbeamten zustehen.

Die Beklagte kann schließlich ihre Aufsichtsanordnung nicht damit rechtfertigen, daß die Gewährung von Weihnachtszuwendungen in der beschlossenen Höhe gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoße.

Das Gebot einer wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung gilt wegen seiner überragenden und grundsätzlichen Bedeutung für die öffentliche Finanzwirtschaft nach der Auffassung des erkennenden Senats auch in den Bereichen der öffentlichen Verwaltung, in denen seine Beachtung nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. In der gesetzlichen Unfallversicherung hat es in den §§ 25 ff, 724, 752 ff seinen Niederschlag gefunden.

Die Aufsichtsbehörde hat im Rahmen ihres Aufsichtsrechts sicherzustellen, daß dieses Gebot durch die Versicherungsträger eingehalten wird. Hierbei entsteht ein natürliches Spannungsfeld zwischen den Befugnissen der Aufsichtsbehörde und der dem Selbstverwaltungsrecht der Versicherungsträger immanenten Personal- und Finanzhoheit. Eine den Bedürfnissen der Praxis gerecht werdende Lösung bietet sich nach der Auffassung des erkennenden Senats dahin, daß die Aufsichtsbehörde zum Einschreiten nur berechtigt, aber auch verpflichtet ist, wenn die Ausgaben des Versicherungsträgers nicht mehr im Rahmen vernünftigen Verwaltungshandelns liegen. Dies ist allerdings nicht schon, wie die Beklagte meint, der Fall, wenn die Grenzen des Notwendigen nicht eingehalten sind, was nach Ansicht der Beklagten schlechthin zutreffen soll, wenn ein Versicherungsträger höhere Weihnachtszuwendungen gewährt, als der Bund seinen Beamten zugesteht. Eine derartige schematische Betrachtungsweise würde den bei der einzelnen Körperschaft des öffentlichen Rechts gegebenen Verhältnissen nicht Rechnung tragen und deshalb zu Unbilligkeiten führen können (vgl. z. B. die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bayer. LSG vom 17. Dezember 1969, veröffentlicht in Breithaupt 1970, 552: Eine Krankenkasse war infolge ihrer angespannten Finanzlage genötigt, den Beitragssatz um ein ganzes Prozent auf den Höchstsatz von 11 v. H. zu erhöhen). Eine Rechtsschranke für die Ausübung des Selbstverwaltungsrechts ergibt sich auch aus der Notwendigkeit, Rücksicht auf die Besoldungsverhältnisse im gesamten öffentlichen Dienst zu nehmen (BVerfG 4, 115, 140; BSG 23, 206, 209; BVerwG 18, 135, 140). Die den Versicherungsträgern somit gezogene Grenze war nach der Auffassung des erkennenden Senats im Falle der Klägerin mit der Erhöhung der Weihnachtszuwendungen auf ein volles Monatsgehalt indessen noch nicht überschritten.

Der beanstandete Beschluß des Vorstandes der Klägerin ist sonach nicht rechtswidrig. Daher waren die Urteile der Vorinstanzen sowie die angefochtene Aufsichtsanordnung aufzuheben.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (§ 193 Abs. 4 SGG). Dies gilt auch für den beigeladenen Hauptverband der gewerblichen BGen e. V., obwohl dieser weder eine Behörde noch eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ist. Er erfüllt aber, wenngleich er seiner Rechtsform nach ein eingetragener Verein ist, Aufgaben des öffentlichen Rechts (s. z. B. Art. 3 § 6 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes idF des Art. 2 § 4 des Finanzänderungsgesetzes vom 21. Dezember 1967). Seine Aufgabenstellung ist der des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen (VdAK), welcher ebenfalls als juristische Person des Privatrechts gebildet ist, vergleichbar. Der 6. Senat des BSG hat entschieden, daß der VdAK wegen seiner Aufgabenstellung sich vor dem BSG nicht durch einen nach § 166 Abs. 2 SGG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten zu lassen braucht, diese privilegierte Rechtsstellung jedoch zur Folge hat, daß auf ihn § 193 Abs. 4 SGG anzuwenden ist (BSG 11, 102, 105 ff; SozR Nr. 8 zu § 193 SGG). Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß für den Hauptverband der gewerblichen BGen dasselbe gilt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669581

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