Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung. Berufskrankheit. Todesursache. Kausalzusammenhang
Orientierungssatz
Der nach § 589 Abs 2 S 1 RVO vermutete Ursachenzusammenhang zwischen einer entschädigungspflichtigen Silikose (mit einer MdE um mindestens 50 %) und dem Tod des Versicherten liegt dann iS des § 589 Abs 2 S 2 RVO offenkundig nicht vor, wenn die Silikose mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit nicht rechtlich wesentliche Ursache des Todes des Versicherten ist (vgl BSG 1968-03-14 5 RKn 92/66 = SozR Nr 4 zu RVO § 589).
Normenkette
RVO § 589 Abs. 2 Sätze 1-2
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 06.07.1971) |
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 29.09.1970) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli 1971 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Unter den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen hat, weil ihr am 11. März 1966 im 68. Lebensjahr verstorbener Ehemann (Versicherter) an einer entschädigungspflichtigen Quarzstaublungenerkrankung gelitten hat.
Wegen einer Silikose bezog der Versicherte vom 16. November 1948 an Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H., vom 29. Juni 1951 an nach einer solchen um 60 v. H., vom 28. Oktober 1955 an nach einer solchen von 70 v. H. und vom 1. Oktober 1965 an nach einer MdE um 80 v. H.. In einem Gutachten des Facharztes Dr. B vom 11. Oktober 1961 heißt es:
"Die röntgenologischen Befunde der vergangenen Jahre ließen im rechten Lungenoberfeld eine flächenhafte Bedeckung erkennen, bei der es sich um eine Schwielenbildung gehandelt hat. Diese Bedeckung hat sich in den letzten Jahren nach Größe und Form nur geringfügig geändert. An der Stelle dieser Bedeckung findet sich jetzt jedoch eine ausgedehnte Verschattung. Daß diese durch eine derartig schnelle einseitige Ausdehnung einer Schwiele entstanden ist, dürfte ganz ungewöhnlich sein. Zur möglichst weitgehenden Klärung der Natur dieser Verschattung im rechten Oberfeld ist eine stationäre Beobachtung mit Schichtaufnahmen in der medizinischen Klinik der Berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalten B erforderlich."
Bei der nachfolgenden stationären Untersuchung wurde ein Bronchialkarzinom festgestellt. Dr. W und Dr. S von den Berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalten G erklärten in ihrem Gutachten vom 13. Dezember 1961 u. a.:
"Wir neigen zu der Auffassung, daß der Bronchialkrebs unabhängig von der Silikose entstanden ist. Die Aussagemöglichkeit des Klinikers ist in einem derartigen Fragenkomplex allerdings begrenzt."
In einem Arztbrief vom 27. Juli 1964 vertraten Privatdozent Dr. R und Dr. V die Ansicht, das Lungenkarzinom sei auf dem Boden einer silikotischen Schwielenbildung entstanden. Dr. W und Dr. J von den Berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalten G erklärten in einer Gutachtlichen Stellungnahme vom 11. Juni 1965, der röntgenologisch sichtbare Schatten des Lungenkrebses habe sich im Jahre 1961 an einer Stelle gezeigt, an der in den Jahren vorher eine wohl mit Recht als silikotische Schwiele gedeutete Verschattung vorhanden gewesen sei. Mit Ausdehnung des Geschwulstprozesses sei schließlich der ursprüngliche Schatten des Staubknotens nicht mehr zu erkennen gewesen. So würde aufgrund des optischen Eindrucks die Deutung verständlich, der Krebs habe sich in der Schwiele entwickelt und diese gleichsam überwuchert. Dr. W und Dr. J glauben, daß diese Folgerung insofern zu weitgehend sei, als zur Lokalisation der Lungenverschattung seitliche Aufnahmen erst nach Feststellung des ausgedehnten Tumors angefertigt worden seien, die eine räumliche Trennung der Silikoseschwiele und des Entstehungsortes der Krebserkrankung nicht mehr zuließen. Deshalb könne man auch nicht von vornherein unterstellen, daß der Ursprungsort des Karzinoms in der Schwiele gewesen sei. Von pathologisch-anatomischer Seite sei der ursächliche Zusammenhang von Bronchialkrebs und Silikose in Einzelfällen dann anerkannt worden, wenn der Krebs vom metaplastischen Epithel von Bronchien, die in die Schwielen einbezogen seien, oder von epithelialisierten Cavernenwänden ausgegangen sei. Ob bei den Versicherten diese Gegebenheiten vorliegen, könne man aufgrund des vorhandenen Röntgenmaterials nicht entscheiden. In einem Gutachten vom 22. Dezember 1965 vertrat der Facharzt für Innere Medizin Dr. S die Ansicht, es sei zwar möglich, daß eine enge räumliche Verflechtung zwischen der silikotischen Schwiele und dem Auftreten der bösartigen Zellenneubildung bestanden habe, es sei aber auch möglich, daß auf den angefertigten Aufnahmen lediglich die in der Lunge in unterschiedlicher Tiefe befindlichen Gegebenheiten auf eine Fläche projiziert worden seien. Da die erforderlichen speziellen Aufnahmen nicht gemacht worden seien, könne man mit der für versicherungsrechtliche Entscheidungen notwendigen Wahrscheinlichkeit nicht beweisen, daß sich der Bronchialkrebs auf dem Boden einer silikotischen Schwiele entwickelt habe. Daher könne das Leiden ursächlich nicht mit der für versicherungsrechtliche Entscheidungen notwendigen Wahrscheinlichkeit auf die Berufskrankheit zurückgeführt werden.
Nach dem Tode des Versicherten lehnte die Klägerin eine Obduktion ab. Nach einem Gutachten des Facharztes für Innere Krankheiten Dr. R vom 5. Mai 1967 ist das unabhängig von der Silikose bestehende Bronchialkarzinom mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit als allein wesentliche Todesursache anzusehen. Mit Bescheid vom 23. August 1967 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung aus Anlaß der Quarzstaublungenerkrankung des Versicherten ab.
In dem nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erstatteten Prof. Dr. M und Dr. M vom Pathologischen und Gewerbepathologischen Institut G ein Gutachten vom 23. Oktober 1968. Hiernach ist die wahrscheinlichste Todesursache ein akutes Herz-Kreislaufversagen infolge eines Bronchialkarzinoms. Da silikotische Schwielen Blutzirkulationsstörungen und sog. Plattenepithelmetaplasien der Bronchialhaut hervorriefen, könnten sich auf dem Boden solcher Veränderungen bösartige Tumoren entwickeln. Ein solcher Zusammenhang sei jedoch nicht die Regel, sondern im Gegenteil eine absolute Ausnahme. Um einen Zusammenhang zwischen einer Silikose und einem Bronchialkrebs mit ausreichender Wahrscheinlichkeit begründen zu können, müsse man zumindest zwei Faktoren mit absoluter Gewißheit sichern können: 1. müßten die Quarzstaublungenveränderungen ein beträchtliches Ausmaß haben und vor dem Eintreten der bösartigen Geschwulst ausreichend bestanden haben und 2. müßte der positive Nachweis erbracht werden können, daß sich das Karzinom in einem durch silikotische Schwielen veränderten Bronchialwandstück entwickelt habe. Auch die Erfüllung beider Bedingungen wäre noch kein absolut schlüssiger Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang, man könne diesen dann lediglich als ausreichend wahrscheinlich ansehen. Die Möglichkeit eines zufälligen Zusammentreffens sei auch in diesem Falle nicht gering. Die Silikose habe, als der Tumor festgestellt worden sei, bereits etwa 12 Jahre in erheblichem Ausmaße bestanden. Diese Zeit wäre für die Entscheidung einer bösartigen Geschwulst ausreichend lang. Dagegen bestehe für einen örtlichen Zusammenhang zwischen der Silikose und dem Krebsleiden kein schlüssiger Beweis. Auch die bei einer feingeweblichen Untersuchung eines durch Blindpunktion gewonnenen Lungenmaterials isoliert vom Tumorgewebe festgestellten anthrako-silikotischen Gewebsbröckel könnten nicht als Beweis dafür angesehen werden, daß sich das Karzinom in einer anthrako-silikotischen Schwiele entwickelt habe, da bei einer durch die äußere Haut blind durchgeführten Punktion immer auch Gewebsanteile aus der weiteren Umgebung der eigentlichen Probepunktionsstelle mitentnommen würden. Da ein schlüssiger Nachweis eines örtlichen Zusammenhangs zwischen Quarzstaublungenveränderungen und dem Primärherd des Tumors nicht erbracht werden könne, müsse der Fall nach den allgemeinen medizinischen Erfahrungen beurteilt werden. Hiernach sei jedoch ein Zusammenhang zwischen einer Quarzstaublungenerkrankung und einem Bronchialkarzinom in hohem Grade unwahrscheinlich Zusammenfassend kommen die Gutachter zu dem Ergebnis, daß die Quarzstaublungenerkrankung des Versicherten mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit nicht die unmittelbare oder die mittelbare Ursache des Todes des Versicherten gewesen sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. September 1970 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 6. Juli 1971 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, es stehe fest, daß der Versicherte an Bronchialkrebs erkrankt gewesen und an dieser Krankheit verstorben sei. Dennoch könne rein theoretisch ein Zusammenhang des Todes mit der Silikose darin bestehen, daß die Silikose den Tod des Versicherten im medizinischen Sinne mitverursacht oder ihn wenigstens um ein Jahr beschleunigt habe. Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen rechtfertige sich jedoch die Feststellung, daß mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit keine dieser Zusammenhangsbeziehungen bestehe. Hinsichtlich der möglichen Verursachung des Bronchialkrebses durch eine Quarzstaublungenerkrankung könne einmal die Entstehung des Krebses aus einer silikotischen Schwiele und zum andern eine Silikosebedingtheit des Bronchialkrebses schlechthin erwogen werden. Es hätten zwar zu Lebzeiten des Versicherten Gutachter an eine Entstehung des Bronchialkrebses aus einer silikotischen Schwiele gedacht, doch habe schon damals Dr. Sch erklärt, ein solcher Zusammenhang könne nicht mit der für versicherungsrechtliche Entscheidungen notwendigen Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Nach dem Tode des Versicherten habe Dr. R in seinem Gutachten vom 5. Mai 1967 dargetan, daß sich nach Auswertung der bis in das Jahr 1949 zurückreichenden Röntgenbildserie die silikotischen Lungenveränderungen - mit Ausnahme der Entwicklung einer länglichen Schwiele im linken Ober- und Mittelfeld - in den letzten Jahren weitgehend stationär verhalten hätten. Das Bronchialkarzinom dagegen sei im Ober- und Mittelfeld der rechten Lunge diagnostiziert worden. Prof. Dr. M sei in seinem Gutachten zu dem Schluß gekommen, das Bronchialkarzinom müsse mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit als silikoseunabhängiges Leiden angesehen werden. Die Auffassung von Prof. Dr. B, der die Möglichkeit einer Silikosebedingtheit des Bronchialkrebses schlechthin bejahe, sei durch die gegenteiligen Standpunkte zahlreicher namhafter ärztlicher Sachverständiger widerlegt. Das Bronchialkarzinom sei als silikoseunabhängiges Leiden anzusehen und habe die Silikose in ihrer ursächlichen Bedeutung für den Todeseintritt so eindeutig überwogen, daß es bei sachgerechter Abwägung aller Umstände als die allein wesentliche Ursache für den Todeseintritt anzusprechen sei; auch ohne die Silikose wäre der Versicherte kein Jahr älter geworden. Damit rechtfertige sich die Feststellung, daß die Silikose mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit den Tod des Versicherten im medizinischen Sinne nicht erheblich mitverursacht und ihn auch mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit nicht um wenigstens ein Jahr beschleunigt habe. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.
Mit der von der Klägerin eingelegten Revision macht sie geltend, die Annahme, der Tod des Versicherten sei ohne jeden ernsthaften Zweifel nicht durch die Silikose verursacht worden, sei nur möglich, wenn lediglich eine ganz entfernte, rein theoretische Möglichkeit bestehe, daß die Silikose den Tod verursacht habe. Entgegen der Auffassung des LSG sprächen aber nach den vorliegenden Gutachten Gründe für eine ernstliche Möglichkeit der Entstehung des Bronchialkarzinoms aus einer silikotischen Schwiele.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29. September 1970 und des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli 1971 und des Bescheids der Beklagten vom 23. August 1967 zu verurteilen, der Klägerin eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für richtig.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen wird.
Nach § 589 Abs. 2 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) steht der Tod eines Versicherten, dessen Erwerbstätigkeit durch die Folgen einer Silikose um 50 oder mehr v. H. gemindert war, dem Tod durch Arbeitsunfall gleich. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin war eine entschädigungspflichtige Silikose als Berufskrankheit anerkannt, für die zuletzt eine Rente nach einer MdE um 80 v. H. gezahlt worden war. § 589 Abs. 2 Satz 1 RVO gilt allerdings nicht, wenn offenkundig ist, daß der Tod mit der Silikose nicht in ursächlichem Zusammenhang gestanden hat (§ 589 Abs. 2 Satz 2 RVO). Im vorliegenden Fall kommt es daher darauf an, ob es offenkundig ist, daß die Silikose nicht eine rechtlich wesentliche Ursache des Todes des Versicherten gewesen ist. Das bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage der Kausalität, daß die Silikose den Tod offenkundig nicht in medizinisch erheblichem Maße mitverursacht oder zumindest diesen offenkundig nicht um mehr als ein Jahr beschleunigt haben darf.
Wie der Senat bereits entschieden hat (SozR Nr. 4 zu § 589 RVO), hat der Begriff "offenkundig" in § 589 Abs. 2 Satz 2 RVO nicht die gleiche Bedeutung wie in § 291 der Zivilprozeßordnung. Es kann sich nicht um eine allgemeinkundige oder gerichtskundige Tatsache handeln, weil die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Kausalzusammenhanges zwischen einer Berufskrankheit und dem Tod fast niemals ohne Hinzuziehung medizinischer Sachverständiger entschieden werden kann. Da der Gesetzgeber als Beweismittel für eine derartige Feststellung nur die Leichenausgrabung ausschließt, geht er erkennbar davon aus, daß zur Beweiserhebung über diese Frage alle anderen Beweismittel zulässig sind. Daher kann es sich in § 589 Abs. 2 Satz 2 RVO nur darum handeln, die Anforderungen an die für die Bildung der Überzeugung des Richters von dem Bestehen oder Nichtbestehen der Kausalität normalerweise genügende Wahrscheinlichkeit zu verstärken. Da bei der Bildung der Überzeugung von dem Nichtbestehen des Kausalzusammenhangs eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nicht erreichbar ist, hat der Senat in dem oben angegebenen Urteil entschieden, daß die Voraussetzungen des Begriffs "offenkundig" im Sinne des § 589 Abs. 2 RVO dann vorliegen, wenn die Silikose mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit den Tod des Versicherten in medizinischem Sinne nicht erheblich mitverursacht und ihn mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit auch nicht um wenigstens ein Jahr beschleunigt hat. Ein offenkundiges Nichtvorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Silikose und Tod ist nach dieser Rechtsauffassung anzunehmen, wenn lediglich eine ganz entfernte, d. h. eine lediglich mehr oder weniger theoretische Möglichkeit besteht, daß die Silikose den Tod des Versicherten in dem oben angegebenen Sinne verursacht haben könnte. Es kommt also in dem vorliegenden Falle bei der Anwendung des § 589 Abs. 2 RVO nicht darauf an, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Bronchialkrebs und der Silikose genügend wahrscheinlich gemacht werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob ein solcher ursächlicher Zusammenhang mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit nicht besteht. Wenn ein Gutachter in den abschließenden Schlußfolgerungen seines Gutachtens erklärt, die als Berufserkrankung mit einer MdE von 80 v. H. anerkannt gewesene. Silikose sei mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit nicht die unmittelbare oder die mittelbare Ursache des Todes des Versicherten, muß das Gericht prüfen, ob auch die sonstigen Ausführungen in seinem Gutachten diesen Schluß zulassen und auch nach diesen Ausführungen lediglich nur eine ganz entfernte, d. h. eine lediglich mehr oder weniger theoretische Möglichkeit besteht, daß die Silikose den Tod des Versicherten verursacht oder wesentlich mitverursacht hat. Das Vorbringen der Klägerin in der Revision läßt erkennen, daß sie als wesentlichen Verfahrensfehler ein Überschreiten des Rechts auf freie Beweiswürdigung (Verstoß gegen § 128 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) rügen will. Diese Rüge ist begründet, denn das Urteil des LSG läßt erkennen, daß es die Silikose als Ursache des Bronchialkrebses jedenfalls dann nicht ausschließen will, wenn der Krebs aus einer silikotischen Schwiele entstanden ist. Es kommt dann aber zu dem Ergebnis, die nach dem Tode des Versicherten durchgeführten Ermittlungen sprächen gegen eine ernstliche Möglichkeit der Entstehung des Bronchialkrebses aus einer silikotischen Schwiele. Dieses Ergebnis läßt sich aber aus den nach dem Tode des Versicherten von Dr. R und Prof. Dr. M/Dr. M erstatteten Gutachten nicht herleiten. Wenn Dr. R in seinem Gutachten darlegt, nach der vorliegenden Röntgenverlaufserie, die bis in das Jahr 1949 zurückreiche, sei davon auszugehen, daß sich die silikotischen Lungenveränderungen mit Ausnahme der Entwicklung einer länglichen Schwiele im linken Ober- und Mittelfeld in den letzten Jahren weitgehend stationär verhalten hätten, und dann auf die Entwicklungsstadien des in der rechten Lunge im Bereich des Ober- und Mittelfeldes gelegenen Bronchialkarzinom eingeht, so kann daraus nicht - wie das LSG meint - geschlossen werden, der Bronchialkrebs sei nicht aus einer silikotischen Schwiele entstanden. Zur Frage, ob der Krebs aus einer silikotischen Schwiele entstanden ist, schließt sich Dr. R den von Dr. W/Dr. J im Gutachten vom 11. Juni 1965 gemachten Ausführungen an, die aber nur darauf hinweisen, aus der Tatsache, daß sich der röntgenologisch sichtbare Schatten des Lungenkrebses im Jahre 1961 an einer Stelle gezeigt hätte, an der vorher eine silikotische Schwiele erkennbar gewesen sei, könne beim Fehlen seitlicher Aufnahmen nicht geschlossen werden, daß der Lungenkrebs in dem Segment der silikotischen Schwiele entstanden sei. Silikotische Schwiele und die Entstehung des Lungenkrebses könnten sich in unterschiedlicher Tiefe entwickelt haben und nur auf der Röntgenaufnahme auf eine Ebene projiziert worden sein. Daher könne man aufgrund des vorhandenen Röntgenmaterials nicht davon ausgehen, daß sich der Lungenkrebs aus einer silikotischen Schwiele entwickelt habe. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von Prof. Dr. M/Dr. M erstatteten Gutachten vom 23. Oktober 1968. Die Ausführungen in diesem Gutachten gehen davon aus, daß für eine Anerkennung eines Zusammenhangs zwischen einer Silikose und einem Bronchialkarzinom der positive Nachweis erbracht werden müsse, daß sich das Karzinom in einem durch silikotische Schwielen veränderten Bronchialwandstück entwickelt habe. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die Anerkennung eines solchen Zusammenhangs, sondern um die Frage, ob ein solcher Zusammenhang offensichtlich nicht besteht. Diese Frage kann aber jedenfalls dann nicht bejaht werden, wenn der Bronchialkrebs möglicherweise in einem durch silikotische Schwielen veränderten Bronchialwandstück entstanden ist. Da diese Möglichkeit nach den eingeholten Gutachten besteht, kann aus ihnen nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, daß die Quarzstaublungenerkrankung nicht das Krebsleiden und damit den Tod des Versicherten nicht mittelbar verursacht oder wesentlich mitverursacht hat. Prof. M und Dr. M haben diese Frage in ihrem Gutachten vom 23. Oktober 1968 nur deshalb bejaht, weil sie unrichtigerweise davon ausgingen, diese Frage könne bei der Anwendung des § 589 Abs. 2 Satz 2 RVO nur dann verneint werden, wenn ein schlüssiger Beweis dafür vorhanden sei, daß die Krebserkrankung in einem von der Silikose betroffenen Lungenteil entstanden ist.
Vor einer Ablehnung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche hätte das LSG außerdem noch zusätzlich prüfen müssen, ob der Ted des Versicherten auch offenkundig in keinem unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit der Silikose gestanden hat. Es wäre immerhin möglich, daß eine Silikose dieses Schweregrades neben dem Krebsleiden, ohne daß dieses durch die Silikose beeinflußt worden ist, das Herzversagen des Versicherten wesentlich mitverursacht haben könnte. Diese Möglichkeit hat das LSG nicht in Betracht gezogen.
Da es möglich ist, daß das LSG bei einer richtigen Würdigung der medizinischen Gutachten zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre oder eine weitere medizinische Sachaufklärung für erforderlich gehalten hätte, war das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem endgültigen Urteil vorbehalten.
Fundstellen