Entscheidungsstichwort (Thema)

Brautversorgung. besondere Härte

 

Orientierungssatz

Übt eine Braut ihren Beruf vor und nach der beabsichtigten Heirat unverändert aus und gibt sie ihm erst acht Jahre nach dem Kriegstod ihres Verlobten aus gesundheitlichen Gründen auf, so fehlt es am häuslichen Zusammenhang zwischen unterbliebener Heirat und wirtschaftlichem Schaden.

 

Normenkette

BVG § 89 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 16.12.1970)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Dezember 1970 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin war seit 1942 mit dem zum Kriegsdienst einberufenen Milchprüfer Karl S (S.) verlobt. Zunächst wollten die Verlobten, die sich aus beiderseitigen Mitteln eine Wohn- und Schlafzimmereinrichtung gekauft hatten, erst nach dem Kriege heiraten. Während des letzten Heimaturlaubs des S. im Mai 1944 beschlossen sie jedoch, sofort nach Beschaffung der erforderlichen Papiere die Ehe einzugehen. Nachdem die Klägerin die Papiere besorgt hatte, teilte sie dies ihrem Verlobten mit, damit er Heiratsurlaub beantragen konnte. Dazu kam es jedoch nicht mehr, denn S. fiel im September 1944 an der Ostfront. - Die Klägerin, die keinen Beruf erlernt hatte, war seit 1936 ununterbrochen als Arbeiterin beschäftigt, bis sie Ende 1952 an Lungentuberkulose erkrankte und erwerbsunfähig wurde.

Ein Anfang 1962 gestellter Antrag auf Hinterbliebenenrente ("Brautversorgung") im Wege des Härteausgleichs gemäß § 89 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) wurde mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin erfülle nicht die für die Gewährung dieser Leistung erforderliche Voraussetzung, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen sei. Der Widerspruch blieb erfolglos.

Im Februar 1968 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Brautversorgung und berief sich hierfür auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. Februar 1968 (BSG 27, 286). Dieser Antrag wurde durch Bescheid vom 19. September 1968 unter Hinweis auf die rechtsverbindliche Ablehnung des früheren Antrags wiederum abgelehnt. Der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 18. Juni 1969 mit der Begründung zurückgewiesen, der Klägerin sei durch die beabsichtigte Eheschließung und den vorzeitigen Tod des S. kein wirtschaftlicher Schaden entstanden, denn sie habe damals ihr Vorhaben, das Arbeitsverhältnis zu lösen, nicht verwirklicht; der jetzt vorliegende wirtschaftliche Schaden infolge der krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit stehe mit der Verlobung und dem Tod des S. nicht in Zusammenhang. Die vom Bundesminister für Arbeit (BMA) im Rundschreiben vom 21. Oktober 1968 (BVBl 1968, 150) für die Anerkennung einer besonderen Härte aufgeführten Voraussetzungen seien somit nicht gegeben.

Die Klägerin macht mit ihrer hiergegen erhobenen Klage geltend, sie sei infolge der durch den Tod ihres Verlobten verhinderten Eheschließung in eine Lage geraten, die der einer Kriegerwitwe gleiche; die dürftigen Verhältnisse, in denen sie jetzt als Erwerbsunfähige leben müsse, wären ihr erspart geblieben, wenn S. aus dem Feld zurückgekommen wäre, denn dieser würde als Milchprüfer gut verdienen, außerdem hätte er nach dem Kriege wahrscheinlich einen Bauernhof geerbt, wodurch der Unterhalt der Klägerin jetzt gesichert wäre; die gemeinsam mit ihrem Verlobten angeschafften Möbel benütze sie heute noch. Das Sozialgericht Nürnberg hat durch Urteil vom 3. Dezember 1969 die Klage abgewiesen.

Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 16. Dezember 1970 (Amtsbl. Bay. AM 1971, Teil B, Seite 18 f.) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Vereitelung der Absicht, alsbald zu heiraten, durch den Tod des S. habe die Klägerin seinerzeit nicht in eine wirtschaftliche Lage gebracht, die der einer Witwe gleiche und ihren Ausschluß von der Versorgung als besondere Härte erscheinen lasse. Die als Ausnahme zu betrachtende Brautversorgung sei nur dort berechtigt, wo die Verlobte vorweg zu ihrem materiellen Nachteil erhebliche Maßnahmen von wirtschaftlicher Bedeutung getroffen, insbesondere Pflichten und Lasten auf sich genommen habe, für die regelmäßig erst unmittelbar vor, wenn nicht gar erst nach Abschluß der Ehe ausreichender Anlaß bestehe. - Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 28. Januar 1971 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Februar 1971 Revision eingelegt und sie innerhalb der nach § 164 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verlängerten Frist folgendermaßen begründet: Das LSG habe den Begriff der besonderen Härte einengend ausgelegt und dabei die Vorschrift des § 89 Abs. 1 BVG verletzt. Anknüpfend an die Rechtsprechung (insbesondere BSG 27, 286) hätte das LSG aufgrund des festgestellten Sachverhalts zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die Klägerin durch das Verlöbnis und den nachfolgenden Kriegstod des S. einen wirtschaftlichen Schaden erlitten habe und dadurch in eine Lage geraten sei, die der einer versorgungsberechtigten Witwe nahekomme. Das LSG habe verkannt, daß die besondere Härte darin liege, daß es allein wegen des kriegsbedingten Todes des Verlobten nicht mehr zur Eheschließung gekommen sei und die Braut dadurch des ihr sonst sicheren Status der Witwe mit dem sich daraus ergebenden Anspruch auf Versorgung (zumindest in Höhe der Grundrente) verlustig gegangen sei. Auf den Umstand, daß der Beginn der Erwerbsunfähigkeit erst 1952 und nicht schon früher eingetreten sei, könne es nicht entscheidend ankommen, wenn im übrigen - wie hier - ein Bedürfnis für die Härteversorgung der Braut unzweifelhaft bestehe. Die Klägerin beantragt

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats einen neuen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erteilen.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).

II

Die zulässige Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß § 89 Abs. 1 BVG nicht verletzt ist, weil die Vereitelung der Heiratsabsicht durch den Kriegstod des Verlobten in diesem Fall keine besondere Härte im Sinne der genannten Vorschrift darstellt. Der unbestimmte Rechtsbegriff "besondere Härte" wurde zu der Zeit, als die Klägerin erstmals Versorgung beantragte, hinsichtlich der Brautversorgung noch mit der Einschränkung verstanden, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen sein müsse, für das die unverheiratete Mutter zu sorgen habe (vgl. BMA Rundschreiben vom 11.7.1966, BVBl 1966, 82 Nr. 43). Dieser Einschränkung hat jedoch die Rechtsprechung (BSG 27, 286, 289) nicht beigepflichtet, vielmehr das ausschlaggebende Kriterium darin erblickt, daß die Braut wegen ihrer Verlobung mit dem später Gefallenen in eine Lage geraten ist, die der einer versorgungsberechtigten Witwe nahekommt (aaO. Seite 288). Das wird zwar in der Regel, jedoch nicht ausschließlich beim Vorhandensein eines aus dem Verlöbnis hervorgegangenen Kindes zu bejahen sein; in Betracht zu ziehen sind vielmehr auch andere Fallgestaltungen, bei denen eine Braut nach dem Kriegstode ihres Verlobten in eine ähnliche Lage wie eine Witwe geraten ist. Diese allgemeinen Grundsätze der Rechtsprechung sind sodann auch vom BMA im Rundschreiben vom 21. Oktober 1968 (BVBl 1968, 150) gebilligt worden.

Als sonstige Tatsachen, bei deren Vorliegen eine besondere Härte anzunehmen ist, werden im Urteil vom 1. Februar 1968 (BSG 27, 290; siehe auch BMA Rundschreiben vom 21. Oktober 1968 aaO) die Fälle angeführt, in denen die Braut im Hinblick auf die geplante Eheschließung ihren Beruf (wohl auch eine begonnene Ausbildung) oder eine andere Erwerbsquelle aufgegeben hat, bei deren Beibehaltung ihr künftiger Lebensunterhalt gesichert geblieben wäre, so daß der Kriegstod des Verlobten ihr einen wirtschaftlichen Schaden zugefügt hat; gleichermaßen wären die Fälle zu beurteilen, in denen eine Braut wegen langdauernder Pflege des schwer verwundeten Verlobten Vermögen aufgewendet oder eigene Erwerbsaussichten hintangesetzt hat. Bei der Klägerin scheidet die letztgenannte Alternative von vornherein aus. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG kann aber auch ein wirtschaftlicher Schaden aufgrund eines Geschehensablaufs der erstgenannten Art nicht angenommen werden. Denn die Klägerin hat ihre seit der Vorkriegszeit verrichtete Berufsarbeit nicht einmal vorübergehend im Hinblick auf die bevorstehende Heirat unterbrochen, sondern blieb im unveränderten Ausmaß berufstätig, bis sie schließlich 8 Jahre nach dem Tode des S. erwerbsunfähig wurde. Daß ihr die finanziellen Aufwendungen zum gemeinsamen Erwerb des Wohn- und Schlafzimmers keinen nennenswerten wirtschaftlichen Schaden gebracht haben, durfte das LSG bedenkenfrei annehmen, da die Klägerin diese Einrichtungsgegenstände fortan selbst benutzt hat.

Die Aufzählung der Fallgestaltungen, in denen eine besondere Härte anzuerkennen wäre, haben freilich das BSG und der BMA (aaO) als nicht abschließend, sondern nur beispielhaft bezeichnet. Das Begehren der Klägerin ist also nicht allein deshalb unbegründet, weil hier keines der beispielsweise angeführten Tatbestandsmerkmale vorliegt. Das hat indessen auch das LSG nicht verkannt. Seine Erwägungen berücksichtigen andererseits zutreffend, daß der Kreis der versorgungsberechtigten Hinterbliebenen (§ 38 BVG) nicht im Widerspruch zum Gesetz auf alle Bräute, bei denen eine ernsthafte Heiratsabsicht durch den Kriegstod des Verlobten vereitelt wurde, erstreckt werden darf; der Umstand allein, daß es wegen des kriegsbedingten Todes des Verlobten nicht mehr zur Eheschließung gekommen ist und die hinterbliebene Braut dadurch den ihr ohne den vorzeitigen Todesfall sicheren Status einer Kriegerwitwe mit dem hierauf beruhenden Versorgungsanspruch nicht erlangen konnte, reicht keinesfalls aus, um ausgleichsbedürftige wirtschaftliche Nachteile anzuerkennen, aufgrund deren die Braut in eine Lage geraten ist, die der einer Kriegerwitwe ähnelt (vgl. SozR Nr. 6 zu § 89 BVG; BSG Urteil vom 14.3.1972 - 9 RV 254/71 -). Hier nun handelt es sich nach den getroffenen Feststellungen gerade um einen solchen Fall, in dem seinerzeit das Verlöbnis und der Kriegstod des Verlobten ohne nennenswerte wirtschaftliche Auswirkungen auf die Lebenshaltung der Klägerin geblieben waren. Die Klägerin selbst macht ausschließlich Umstände geltend, die mit ihrer Verlobung und der vereitelten Eheschließung nicht unmittelbar zusammenhängen, sondern sich erst viel später ergeben haben und von ihrer 1952 eingetretenen wirtschaftlichen Notlage her rückschauend es als nachteilig erscheinen lassen, daß im Kriege ihre geplante Heirat mit S. nicht mehr zustande kam. Insoweit hat aber der BMA am Schluß seines Rundschreibens vom 21. Oktober 1968 (aaO) zutreffend ausgeführt, die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze ließen es nicht zu, bei einer aus Alters- oder Krankheitsgründen nunmehr wirtschaftlich bedürftig gewordenen Braut allein unter dem Gesichtspunkt des durch den Kriegstod des Verlobten entgangenen ehelichen Unterhalts eine besondere Härte im Sinne des § 89 Abs. 1 BVG zu bejahen.

Die Vorinstanzen und die Versorgungsverwaltung haben somit den Begriff der besonderen Härte richtig gehandhabt und die Voraussetzungen für die Gewährung von Brautversorgung mit zutreffenden Erwägungen verneint. Die Revision ist unbegründet und muß zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648732

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge