Leitsatz (amtlich)
1. Einen vom Rentenversicherungsträger erteilten Versicherungsverlauf (DEVO § 17) kann der Versicherte, weil der Versicherungsverlauf kein die Beteiligten bindender Verwaltungsakt ist (DEVO § 17 Abs 3), weder mit einem Widerspruch noch mit einer Klage anfechten.
2. Lehnt der Rentenversicherungsträger einen Antrag des Versicherten ab, Beiträge, die im Versicherungsverlauf als freiwillige bezeichnet sind, als Pflichtbeiträge anzuerkennen, so kann der Versicherte dagegen, sofern er ein Rechtsschutzbedürfnis hat, Aufhebungs- und Verpflichtungsklage erheben (vgl BSG 1970-07-08 11 RA 164/67 = BSGE 31, 226, BSG 1976-08-19 11 RA 130/75 = BSGE 42, 159).
3. Hat der Rentenversicherungsträger einem Beamten zur Wiederverwendung in einem Rentenbescheid bestimmte Beiträge unter Außerachtlassung des G131 § 74 Abs 3 als Pflicht-, statt als freiwillige Beiträge angerechnet, so kann er seinen Irrtum in einem späteren Verfahren, in dem die Eigenschaft der Beiträge verbindlich geklärt werden soll, berichtigen; RVO § 1423 Abs 3 S 2 steht dem nicht entgegen.
4. Beiträge, die für einen Beamten zur Wiederverwendung in der Zeit vom 1945-05-08 bis zum 1951-03-31 aufgrund einer Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes im Bundesgebiet entrichtet worden sind, die dem Beamten aber nicht erstattet werden können, weil ihm daraus schon eine Regelleistung gewährt worden ist (G131 § 74 Abs 1 S 2), können dem Beamten nicht als Pflichtbeiträge angerechnet werden. Dies steht nicht im Widerspruch zu einer Entscheidung des BVerwG 1964-04-28 II C 182.60 = Buchholz 234 § 4b G 131 Nr 2 Leitsatz 2.
Normenkette
DEVO § 17 Abs. 3 Fassung: 1972-11-24; SGG § 54 Fassung: 1953-09-03, § 77 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1423 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1957-02-23; G131 § 74 Abs. 1 Fassung: 1953-08-19, Abs. 1 S. 2 Fassung: 1957-09-11, Abs. 3 Fassung: 1953-08-19
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 14. Juli 1976 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anrechnung von Beiträgen des Klägers als Pflichtbeiträge.
Der 1915 geborene Kläger war bis 1945 Beamter der Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen-Anhalt und wurde 1952 als Beamter zur Wiederverwendung von der beklagten LVA übernommen. Von Juni 1946 bis Oktober 1950 war er im Bundesgebiet außerhalb des öffentlichen Dienstes als Arbeiter und als Angestellter versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einer Tuberkuloseerkrankung erhielt er Rente wegen Berufsunfähigkeit und Invalidität vom März 1951 bis September 1953 und Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom August 1960 bis März 1964. In beiden Fällen rechnete die Beklagte die von 1946 bis 1950 entrichteten Beiträge als Pflichtbeiträge an.
In einem ihm von der Beklagten übersandten "Versicherungsverlauf" vom 20. August 1972 waren die genannten Beiträge dagegen als freiwillige Beiträge ausgewiesen (für die Zeit bis Ende 1946, in der sie mit einer Ersatzzeit zusammentrafen, als Beiträge der Höherversicherung). Der "Widerspruch" des Klägers, mit dem er eine Anrechnung der Beiträge als Pflichtbeiträge entsprechend dem "Anerkenntnis" der Beklagten in den früheren Rentenbescheiden beantragte, blieb ohne Erfolg. Nach Ansicht der Beklagten waren die Beiträge gemäß § 74 Abs 3 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (G 131) als freiwillige Beiträge anzusehen; auf ihr früheres, irrtümlich erteiltes Anerkenntnis könne sich der Kläger als versierter Rentenfachmann nicht berufen ("Widerspruchsbescheid" vom 21. Februar 1973).
Auf seine Klage hat das Sozialgericht (SG) den "Bescheid" der Beklagten vom 20. August 1972 und ihren "Widerspruchsbescheid" vom 21. Februar 1973 aufgehoben und sie verurteilt, die streitigen Beiträge als Pflichtbeiträge zu "behandeln" (Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Oktober 1975). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe eine Erstattung der Beiträge, die während seiner "amtslosen" Zeit entrichtet worden seien, nicht beantragt und auch nicht mehr beantragen können, nachdem ihm die Beklagte Regelleistungen in Gestalt von Renten gewährt habe (§ 74 Abs 1 G 131). Deshalb seien nach der gesetzlichen Fiktion in § 74 Abs 3 G 131 die Beiträge mit Recht als freiwillige Beiträge bzw. als Höherversicherungsbeiträge angesehen worden. Diese Fiktion gelte entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) auch in den Fällen, in denen, wie hier, ein Erstattungsantrag nach Bewilligung von Regelleistungen nicht mehr gestellt werden könne. Entscheidend sei allein, daß die Beiträge nicht erstattet worden seien. Für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fallgruppen, insbesondere für eine Besserstellung derjenigen Versicherten, die schon Leistungen aus der Rentenversicherung erhalten hätten, gebe es keinen Anhalt. An die frühere Anerkennung der Beiträge als Pflichtbeiträge sei die Beklagte bei Erteilung des neuen Bescheides nicht mehr gebunden gewesen (Urteil des LSG Niedersachsen vom 14. Juli 1976).
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und eine Verletzung des § 74 G 131 durch das LSG gerügt: Der in dieser Vorschrift vorgesehene Erstattungsantrag könne sich nur auf noch erstattungsfähige Beiträge beziehen; bestehe ein Antragsrecht dagegen nicht mehr, greife auch § 74 Abs 3 G 131 nicht ein. Die streitigen Beiträge seien deshalb - ebenso wie Beiträge, die Wiederverwendungsbeamte in der DDR entrichtet hätten - als Pflichtbeiträge zu berücksichtigen. In diesem Sinne habe auch das BVerwG entschieden. Wenn das Bundessozialgericht (BSG) von dessen Entscheidung abweichen wolle, müsse es den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anrufen. Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen. Ihrer Ansicht nach sieht § 74 G 131 nur die Möglichkeit der Erstattung der Beiträge oder ihre Anrechnung als freiwillige Beiträge vor; eine andere Möglichkeit - Anrechnung als Pflichtbeiträge - gebe es nicht. Der Gemeinsame Senat brauche nicht angerufen zu werden, weil das BVerwG über einen anderen Fall - Entrichtung von Pflichtbeiträgen in der damaligen sowjetischen Besatzungszone - entschieden habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die streitigen Beiträge sind, wie das LSG zutreffend entschieden hat, keine Pflichtbeiträge.
Der Kläger begehrt mit der Klage, die Beklagte zu verurteilen, bestimmte Beiträge außerhalb eines Rentenverfahrens als Pflichtbeiträge anzuerkennen. Diese Klage ist zulässig. Nicht zulässig ist dagegen die mit ihr verbundene Klage auf Aufhebung des "Bescheides" der Beklagten vom 20. August 1972, mit dem ihm die Beklagte seinen "Versicherungsverlauf" mitgeteilt hat. Dieser "Bescheid" ist kein Verwaltungsakt und deshalb weder mit einem Widerspruch noch mit einer Klage anfechtbar.
Nach § 17 der Verordnung über die Erfassung von Daten für die Träger der Sozialversicherung und für die Bundesanstalt für Arbeit (Datenerfassungs-Verordnung - DEVO -) vom 24. November 1972 (BGBl I, 2159) hat der für die Kontoführung zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen denjenigen Versicherten, für die er in maschineller Form ein Konto führt, mindestens alle drei Jahre einen Nachweis über die gespeicherten Daten (Versicherungsverlauf) zu übersenden. Dieser Versicherungsverlauf hat in zeitlicher Reihenfolge die von den Versicherten zurückgelegten Beitrags-, Ersatz- und Ausfallzeiten, die Höhe des in den einzelnen Zeiten versicherten beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts und eine Bezeichnung der zurückgelegten Zeiten zu enthalten. Ein erster Versicherungsverlauf ist spätestens bis zum 31. Dezember 1977 zu übersenden (Abs 1). Der Versicherte soll den Versicherungsverlauf auf Richtigkeit und Vollständigkeit hin überprüfen. Mängel sollen dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung innerhalb von drei Monaten nach Übersendung mitgeteilt werden. Der Mitteilung sind die zur Beseitigung der Mängel geeigneten Beweismittel beizufügen (Abs 2). Der Versicherungsverlauf ist kein die Beteiligten bindender Verwaltungsakt (Abs 3). Diese am 30. November 1972 in Kraft getretenen Bestimmungen (§ 24 DEVO) sind zwar auf den von der Beklagten am 20. August 1972 erteilten Versicherungsverlauf (noch) nicht unmittelbar anzuwenden; gegen ihre sinngemäße Anwendung bestehen hier jedoch keine Bedenken (vgl auch BSGE 39, 38, 39 unten). Deshalb war der dem Kläger von der Beklagten erteilte Versicherungsverlauf kein Verwaltungsakt, sondern eine lediglich der Unterrichtung des Klägers dienende Mitteilung. Als solche war sie nicht mit einem förmlichen, nur gegen Verwaltungsakte vorgesehenen Widerspruch anfechtbar (§ 84 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Durch den "Widerspruch" des Klägers ist mithin kein Widerspruchsverfahren anhängig geworden, so daß auch ein Widerspruchsbescheid der Beklagten nicht ergehen konnte.
Zugleich mit dem "Widerspruch" hat der Kläger jedoch bei der Beklagten beantragt, die fraglichen Beiträge als Pflichtbeiträge anzuerkennen. Nach Ablehnung dieses Antrags in dem "Widerspruchsbescheid" der Beklagten vom 21. Februar 1973 hat der Kläger gegen den ablehnenden Bescheid, einen Verwaltungsakt im Sinne des § 77 SGG, zulässig Aufhebungs- und Verpflichtungsklage erhoben (§ 54 Abs 1 SGG; vgl BSGE 31, 226, 227 und 42, 159, 160 für ähnlich zu beurteilende Klagen auf Eintragung oder Vormerkung einer Ersatz- oder Ausfallzeit). Durch eine solche Klage können schon vor Beantragung einer Rente die für ihre Berechnung maßgebenden Faktoren, soweit sie unter den Beteiligten streitig sind, verbindlich geklärt werden. Daran können vor allem Versicherte ein Interesse haben, die weitere freiwillige Beiträge entrichten und deren Zahl und Höhe von der Anrechnung der bisher entrichteten Beiträge als Pflicht- oder als freiwillige Beiträge abhängig machen wollen. Aber auch wenn solche Beiträge nicht mehr entrichtet werden sollen, kann den Versicherten nicht verwehrt werden, in Zweifelsfällen schon vor Stellung eines Rentenantrags die Eigenschaft bestimmter von ihnen geleisteter Beiträge, insbesondere ihre Anrechnung als Pflicht- oder als freiwillige Beiträge, gerichtlich klären zu lassen. Das gilt jedenfalls dann, wenn, wie hier, von der Eigenschaft der fraglichen Beiträge die Dauer einer anzurechnenden pauschalen Ausfallzeit abhängt (vgl Art 2 § 14 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes in der ursprünglichen Fassung vom 23. Februar 1957, BGBl I 45, und in der späteren Fassung des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965, BGBl I, 476). Ein Rechtsschutzbedürfnis für die vom Kläger erhobene Klage kann deshalb nicht verneint werden.
Da die vom Kläger erstrebte Anerkennung durch die Beklagte zweifelsfrei ein Verwaltungsakt ist, wird die Zulässigkeit der Klage auch nicht berührt von der Kontroverse um die Frage, ob eine Eintragung von Ersatz- oder Ausfallzeiten in eine Versicherungskarte ein feststellender oder ein lediglich beurkundender Verwaltungsakt ist (vgl dazu BSGE 39, 38, 39 ff und 42, 159, 160). Offen bleiben kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles ferner, ob nach der am 1. Januar 1975 in Kraft getretenen Neufassung des § 78 SGG durch das Gesetz vom 30. Juli 1974 (BGBl I, 1625, Art I Nr 6 und Art VI) auch bei Aufhebungs- und Verpflichtungsklagen der in Rede stehenden Art ein Vorverfahren stattfinden muß (vgl § 78 Abs 1 iVm Abs 3 SGG nF). Unentschieden läßt der Senat schließlich, ob ein Versicherter bei einer seiner Ansicht nach unrichtigen Eintragung in der Mitteilung über den Versicherungsverlauf uU auch eine selbständige Feststellungsklage nach § 55 SGG - unmittelbar oder nach Ablehnung einer von ihm beantragten Berichtigung durch den Versicherungsträger - erheben kann (vgl zur Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung einzelner Elemente eines Rechtsverhältnisses Meyer-Ladewig, SGG § 55 Anm 9 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Hier hat der Kläger sich auf eine entsprechende Verpflichtungsklage gegen die Beklagte beschränkt.
Zu der begehrten Anerkennung der streitigen Beiträge als Pflichtbeiträge ist die Beklagte nicht schon deswegen verpflichtet, weil sie die Beiträge in ihren früheren Rentenbescheiden als Pflichtbeiträge angerechnet hat. Nach § 77 SGG wird, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, nur der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes bindend (vgl Urteil des 11. Senats vom 15. Dezember 1977, SozR 1500 § 77 Nr 26, S 20 mit weiteren Nachweisen; vgl aber die Ausführungen im Urteil des 5. Senats vom 31. Mai 1978, 5 RJ 76/76). Bei einem Rentenbescheid gehört zum Verfügungssatz nur die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Rente, nicht dagegen die - lediglich der Begründung der Entscheidung dienende - Feststellung, welche Beiträge nach Art, Zahl und Höhe für den Versicherten entrichtet worden sind. Diese Begründungselemente des Bescheides erwachsen nicht mit in Bindung, es sei denn, daß der Versicherungsträger insoweit eine selbständige und der Bindungswirkung fähige Feststellung getroffen oder ein entsprechendes Anerkenntnis abgegeben hat.
Ob schon in der Anrechnung von Beiträgen in einem Rentenbescheid ein solches Anerkenntnis (im Sinne des § 1423 Abs 3 Satz 2 RVO) liegen kann, läßt der Senat unentschieden. Auch wenn die Frage grundsätzlich zu bejahen wäre (vgl Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamtes 1912, 676, und 1913, 406; Entscheidungen und Mitteilungen des Reichsversicherungsamtes, Bd 14, 287), so hätte die Beklagte hier durch die Anrechnung der streitigen Beiträge als Pflichtbeiträge in ihren früheren Rentenbescheiden nicht zugleich die künftige Anrechenbarkeit als Pflichtbeiträge anerkannt. Welche Tragweite eine Anerkennung der "Versicherungspflicht" durch den Versicherungsträger im Sinne der genannten Vorschrift hat, macht der vorhergehende Satz 1 des § 1423 Abs 3 RVO deutlich. Danach kann der Versicherte von dem Versicherungsträger, falls dieser nicht schon von sich aus ein entsprechendes Anerkenntnis abgegeben hat, "die Feststellung verlangen, daß während der in der Entgeltsbescheinigung eingetragenen oder mit Beitragsmarken belegten Zeiten ein gültiges Versicherungsverhältnis bestanden hat". Diese Feststellung - und ein Anerkenntnis als Unterfall einer solchen Feststellung - hat mithin nur den Inhalt, daß während der Zeit der Beitragsentrichtung ein gültiges Versicherungsverhältnis "bestanden hat". Feststellung und Anerkenntnis sagen dagegen nichts darüber aus, ob die gültig entrichteten Beiträge auch in der Folgezeit - ungeachtet späterer, nach der Entrichtung eingetretener Rechtsänderungen, die ihre Gültigkeit beeinflußt haben können - gültig geblieben sind. Im Falle des Klägers mag deshalb nach Anrechnung der fraglichen Beiträge in den früheren Rentenbescheiden (wie übrigens auch schon wegen des Ablaufs der Zehn-Jahres-Frist des § 1423 Abs.2 RVO) unter den Beteiligten feststehen, daß die Beiträge seinerzeit aufgrund eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als gültige Pflichtbeiträge entrichtet worden sind. Nicht festgestellt ist damit jedoch, daß sie auch nach dem Inkrafttreten des G 131 bzw seiner Novellen noch als Pflichtbeiträge anzurechnen sind. § 1423 RVO hat nach seinem Wortlaut und seinem erkennbaren Sinn nur die eingeschränkte Bedeutung, nach Ablauf einer bestimmten Zeit (10 Jahre) oder nach einer vom Versicherten beantragten Feststellung oder einem entsprechenden Anerkenntnis des Versicherungsträgers (Abs 2 und 3) das Vertrauen des Versicherten darauf zu schützen, daß Beiträge seinerzeit gültig - aufgrund eines versicherungspflichtigen Tatbestandes oder einer Versicherungsberechtigung - entrichtet worden sind und deshalb vom Versicherungsträger trotz irrtümlich angenommener Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung nicht mehr beanstandet werden können. Die Vorschrift hat dagegen nicht darüber hinaus den Zweck, sonstige, dem Versicherungsträger unterlaufene Irrtümer, insbesondere Fehler bei der Anrechnung von Beiträgen in einem Rentenbescheid, für die Zukunft "festzuschreiben". Anderenfalls wären Fehler, die die Anrechnung von Beitragszeiten betreffen, in weit stärkerem Maße als Fehler bei der Anrechnung der übrigen Versicherungszeiten (Ersatz- und Ausfallzeiten) einer Berichtigung entzogen, ohne daß für eine solche Privilegierung der Beitragszeiten ein sachlich einleuchtender Grund erkennbar wäre (ähnlich wie hier Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 8. Aufl, S 658 c oben, 658 e unten und 658 f oben).
Das LSG hat hiernach die Eigenschaft der streitigen Beiträge aufgrund der Vorschriften des G 131 mit Recht nochmals sachlich geprüft und ihren Charakter als Pflichtbeiträge im Ergebnis zutreffend verneint. Die Beiträge sind in den Jahren 1946 bis 1950 für Beschäftigungen des Klägers entrichtet worden, die er im Bundesgebiet außerhalb des öffentlichen Dienstes ausgeübt hat und die damals als versicherungspflichtig angesehen worden sind. Diese Beschäftigungen sind jedoch durch § 74 Abs 1 G 131 - idF des ersten Gesetzes zur Änderung des G 131 vom 19. August 1953 (BGBl I, 980), das die ursprüngliche Fassung des § 74 mit Wirkung vom 1. April 1951 ersetzt hat (Art V Abs 1 - nachträglich versicherungsfrei geworden.
Schon das G 131 in der ersten Fassung vom 11. Mai 1951 (BGBl I, 307) hatte dem Kläger rückwirkend, mit Ablauf des 8. Mai 1945, die Rechtsstellung eines Beamten zur Wiederverwendung verliehen (§ 5 Abs 2 iVm § 1 Abs 1 Nr 1 und iVm § 2 Abs 1 Nr 1 und Anlage A Nr 10). Es hatte aber an der Versicherungspflicht der außerhalb des öffentlichen Dienstes verrichteten Beschäftigungen nichts geändert; denn nach § 73 Abs 1 des G 131 in der ersten Fassung sollte auf eine außerhalb des öffentlichen Dienstes ausgeübte, nach Sozialversicherungsrecht versicherungspflichtige Beschäftigung eines Beamten zur Wiederverwendung die Vorschrift über die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag (§ 173 RVO) nicht anzuwenden sein. Versicherungsfreiheit wurde vielmehr zunächst nur für eine im öffentlichen Dienst in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum Inkrafttreten des G 131 (1. April 1951) ausgeübte Beschäftigung eines Wiederverwendungsbeamten angenommen (vgl dazu Anders, Kommentar zum G 131, 4. Aufl, § 74 Anm 1, und § 74 Abs 1 G 131 in der ersten Fassung). Nachdem jedoch bei Wiederverwendungsbeamten die "amtslose" Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. März 1951 in jedem Falle, insbesondere auch bei einer Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes, zur ruhegehaltsfähigen Dienstzeit geworden war (§ 35 Abs 3 Satz 2 G 131 idF des § 192 Nr 7 des Bundesbeamtengesetzes vom 14. Juli 1953, BGBl I, 551, entsprechend der für andere Beamte getroffenen Regelung in § 181 Abs 3 Satz 2) und sich Wiederverwendungsbeamte für Beschäftigungen außerhalb des öffentlichen Dienstes, soweit sie in die Zeit nach dem 31. März 1951 fielen, von der Versicherungspflicht befreien lassen konnten (§ 73 Abs 1 G 131 idF des ersten Änderungsgesetzes), wurden die vorher, dh bis zum 31. März 1951, außerhalb des öffentlichen Dienstes verrichteten Beschäftigungen den bis dahin innerhalb des öffentlichen Dienstes ausgeübten gleichgestellt (§ 74 Abs 1 idF des ersten Änderungsgesetzes: "... in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. März 1951 innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes beschäftigt gewesen ..."). Damit wurde rückwirkend "klargestellt", daß auch die bis zum 31. März 1951 außerhalb des öffentlichen Dienstes verrichteten Beschäftigungen von Wiederverwendungsbeamten versicherungsfrei gewesen waren (vgl BSGE 10, 163, 165; Urteil des 11. Senats des BSG vom 25. Oktober 1966, 11 RA 352/65, Die Rentenversicherung 1967, 42; Anders aaO § 73 Anm 1 und § 74 Anm 1). Die Versicherungsfreiheit der fraglichen Beschäftigungszeiten hatte zur Folge, daß die für diese Zeit entrichteten Pflichtbeiträge unwirksam waren. Der Gesetzgeber begründete deshalb insoweit einen Anspruch auf Erstattung der Beiträge, wobei er allerdings die Erstattung auf die Arbeitnehmeranteile beschränkte und sie ferner von einem bis zum 31. August 1954 bzw bis zum 30. September 1958 zu stellenden Antrag abhängig machte (§ 74 Abs 1 G 131 idF des ersten Änderungsgesetzes und des zweiten Änderungsgesetzes vom 11. September 1957, BGBl I, 1275).
Auch der Kläger hätte einen Anspruch auf Erstattung der streitigen Beiträge gehabt, wenn ihm nicht vorher "eine Regelleistung aus der Versicherung gewährt worden" wäre (§ 74 Abs 1 Satz 2 G 131 idF des zweiten Änderungsgesetzes). Durch die Gewährung einer solchen Leistung in Gestalt einer Rente für die Zeit von März 1951 bis September 1953 hatte er seinen Erstattungsanspruch verloren. Dieser Anspruchsverlust hat jedoch nichts an der Versicherungsfreiheit der bis zum 31. März 1951 ausgeübten Beschäftigungen und an der Unwirksamkeit der für sie entrichteten Beiträge geändert. Schon deswegen können dem Kläger diese Beiträge nicht, wie er begehrt, als wirksame Pflichtbeiträge angerechnet werden.
Der Umstand, daß dem Kläger die Beiträge bereits bei Inkrafttreten der Erstattungsvorschriften und vor Ablauf der darin bestimmten Antragsfristen nicht mehr erstattet werden konnten, steht allenfalls einer gesetzlichen Umdeutung der Beiträge in freiwillige nach § 74 Abs 3 G 131 idF des ersten Änderungsgesetzes ("... gelten ... als freiwillige Beiträge") entgegen, sofern nämlich eine solche Umdeutung eine Erstattungsfähigkeit der Beiträge voraussetzen würde. Dies hat in der Tat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 28. April 1964 angenommen (Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG, 234 G 131 § 4b, Nr 2 Leitsatz 2). Auch zu der vergleichbaren Vorschrift in § 1422 RVO - wonach Beiträge, die in der irrtümlichen Annahme der Versicherungspflicht entrichtet sind und nicht zurückgefordert werden, als für die freiwillige Versicherung entrichtet gelten, wenn das Recht dazu in der Zeit der Entrichtung bestand - wird im Schrifttum zum Teil eine ähnliche Auffassung vertreten und angenommen, daß bei Fehlen eines Rückforderungsrechts wegen Bewilligung einer Regelleistung (§ 1424 Abs 3 RVO, jetzt § 26 Abs 1 SGB IV) eine Umdeutung der Beiträge in freiwillige ausgeschlossen sei (Koch/Hartmann, Das Angestelltenversicherungsgesetz, 2. und 3. Aufl, Stand: April 1973, § 144 AVG, Anm B III 2 Buchst b, S V 871; für das frühere Recht: Kommentar zur RVO, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 5. Auflage, Stand: 1. März 1956, § 1446 Anm 3). Demgegenüber ist das BSG - in Übereinstimmung mit der Praxis der Versicherungsträger (vgl Koch/Hartmann aaO) - in einem Urteil vom 2. Juni 1970 zu § 1422 RVO (BSGE 31, 198) offenbar davon ausgegangen, daß trotz Fehlens eines Rückforderungsanspruchs eine Umdeutung der Beiträge an sich zulässig ist, sofern die Beiträge nicht, wie in dem entschiedenen Fall, an einen unzuständigen Versicherungsträger entrichtet worden sind. Der Senat hat für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits die Frage der Umdeutung der streitigen Beiträge in freiwillige Beiträge offenlassen können, da, wie ausgeführt, für den Kläger eine Anrechnung der Beiträge als Pflichtbeiträge in keinem Fall in Betracht kommt, der Kläger mithin nicht beschwert ist, wenn ihm die Beiträge - wie in dem von der Beklagten übersandten Versicherungsverlauf vom 20. August 1972 geschehen - auch künftig als freiwillige Beiträge angerechnet werden.
Da der Senat hiernach nicht von der genannten Entscheidung des BVerwG abweicht, braucht er den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht anzurufen. Das gilt auch dann, wenn das BVerwG, wie einige Wendungen in den Urteilsgründen vermuten lassen, der Meinung gewesen sein sollte, daß Beiträge iS des § 74 G 131, bei denen eine Umdeutungsmöglichkeit nach Abs 3 dieser Vorschrift ausscheidet, ihre frühere Eigenschaft als Pflichtbeiträge behalten haben; denn über die Eigenschaft der Beiträge als Pflichtbeiträge hatte das BVerwG in seinem Falle nicht zu entscheiden, nachdem es die Anwendung des § 74 Abs 3 G 131 und damit die Umdeutung der Beiträge in freiwillige verneint hatte. Im übrigen waren in dem vom BVerwG entschiedenen Fall die Beiträge in der Tat Pflichtbeiträge geblieben, wenn auch aus einem anderen als dem vom BVerwG angenommenen Grunde, weil sie nämlich an einen Versicherungsträger in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone (SBZ) entrichtet worden waren und das Gesetz 131 die in der SBZ geltende Versicherungspflicht nicht hatte ändern können (vgl hierzu SozR Nr 8 zu § 73 G 131, und Allgemeine Verwaltungsvorschriften Nr 1 zu § 74 G 131 vom 20. Februar 1968, Beilage zum Bundesanzeiger Nr 42). Wegen dieser Besonderheiten, die für Beiträge gelten, die auf Beschäftigungszeiten in der SBZ entfallen, kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, daß er gegenüber Beamten, die solche Beiträge entrichtet haben, unter Verletzung des Art 3 GG ungleich behandelt werde.
Da sich seine Revision gegen das angefochtene Urteil somit im Ergebnis als unbegründet erweist, hat der Senat ihr den Erfolg versagt und über die Kosten des Revisionsverfahrens nach § 193 SGG entschieden.
Fundstellen