Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. November 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) während des Studiums der Rechtswissenschaft.
Der 1971 geborene Kläger war von September 1988 bis Oktober 1991 als Maschinenschlosser beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag zum 6. Oktober 1991.
Am 22. Oktober 1992 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Er gab dazu an, seit Oktober 1991 zu studieren und Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu beziehen. Durch Lehrveranstaltungen sei er erst ab 12.00 Uhr in Anspruch genommen. Es sei ihm möglich, 45 Stunden wöchentlich und zwar in der Zeit von Montag bis Sonntag 5.00 Uhr bis 11.30 Uhr erwerbstätig zu sein. Mit Schreiben vom 23. November 1993 teilte er der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) mit, er stehe künftig der Arbeitsvermittlung ab 14.00 Uhr zur Verfügung, sei aber in der Lage, täglich eine volle Schicht zu arbeiten. Unter dem 14. Juli 1994 erklärte er, er wolle künftig seine Zeit ungeteilt für Examensvorbereitungen nutzen. Bereits für die zurückliegenden drei Monate Vorlesungszeit sei er arbeitszeitlich auf die Wochenenden eingeschränkt gewesen. Zwischen Oktober 1992 und August 1994 hat der Kläger sechsmal beim Arbeitsamt vorgesprochen. Über die amtliche Arbeitsvermittlung hinaus hat er eigene Bemühungen, einen Arbeitsplatz zu finden, nicht unternommen.
Mit Bescheid vom 4. Januar 1993 lehnte die BA den Antrag ab, da die Verteilung der Arbeitszeit nicht den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes entspreche. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 1994 zurück, weil eine Beschäftigung während eines Studiums nur beitragspflichtig sei, wenn die Beschäftigung dem Erscheinungsbild des Betroffenen das Gepräge gebe. Wegen der Inanspruchnahme des Klägers durch das Studium sei dieses für den Kläger die Hauptsache, so daß eine Beitragspflicht und damit Verfügbarkeit nicht gegeben sei. Im übrigen komme eine Arbeitsvermittlung in der Zeit von 5.00 Uhr bis 11.30 Uhr nicht in Betracht.
Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat die Ansicht vertreten, bei der dem Kläger obliegenden Konzentration auf das Studium habe er eine beitragspflichtige Beschäftigung nicht ausüben können (Urteil vom 2. Februar 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, dem Kläger stehe Alg nicht zu, weil er während seines Studiums nicht bereit gewesen sei, eine Beschäftigung aufzunehmen. Mit der Aufnahme des Studiums sei er aus dem Kreis der Arbeitnehmer ausgeschieden und in den Kreis der Studenten eingetreten. Die für die Beitragspflicht und damit objektive Verfügbarkeit von Studenten maßgebende Unterscheidung zwischen dem Erscheinungsbild des Arbeitnehmers und des Studenten sei auch zur Würdigung der Bereitschaft des Klägers heranzuziehen, eine Beschäftigung aufzunehmen. Der Kläger habe das typische Verhalten eines Studenten gezeigt bei dem nicht wirklich Bereitschaft bestehe, eine ihm möglicherweise angebotene Arbeit auch wirklich anzutreten: Beim Arbeitsamt habe er in der Zeit von Oktober 1992 bis August 1994 nur sechsmal vorgesprochen. Die Unterlagen der Bewerberangebotskarte ließen nicht den Willen erkennen, so beraten zu werden, daß er baldmöglichst einen Arbeitsplatz finde. Über die verbale Beteuerung hinaus sei der Wille, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, nachprüfbar zu objektivieren. Über die Arbeitslosmeldung hinaus habe der Kläger eigene Bemühungen zur Arbeitssuche nicht entfaltet. Auch habe der Kläger der Arbeitsvermittlung keinen Hinweis darauf gegeben, daß er in der vorlesungsfreien Zeit von nahezu sechs Monaten jährlich ohne Beschränkung der Lage der Arbeitszeit hätte arbeiten können. Unter diesen Umständen stellten seine Äußerungen zur Verfügbarkeit nur verbale Beteuerungen dar. Tatsächlich sei er nicht bereit gewesen, während seines Studiums eine Arbeit aufzunehmen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 103 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Das LSG dehne ohne gesetzliche Grundlage die gegen die objektive Verfügbarkeit von Studierenden sprechende Vermutung des § 103a Abs 1 AFG auf ihre Arbeitsbereitschaft aus. Auch die Obliegenheit, eigene Initiativen zur Arbeitssuche zu entfalten, sei ohne gesetzliche Grundlage. Eine solche sei auch nicht mit der ausdehnenden Auslegung der Rechtsprechung zum Erscheinungsbild von Studenten zu gewinnen. Der fehlende Hinweis auf die Arbeitszeitsituation während der vorlesungsfreien Zeit sei unerheblich, zumal dem Arbeitsamt der Semestermodus bekannt sei. Im übrigen hätten Studenten während der vorlesungsfreien Zeit Hausarbeiten und andere Nacharbeiten zu erledigen. Eine Erweiterung der Verfügbarkeit sei für diese Zeit nicht in Betracht gekommen. Auch wenn Alg kein Instrument der Arbeitsförderung sei, lasse der Bezug von Leistungen nach dem BAföG Schlüsse auf die subjektive Verfügbarkeit von Studierenden nicht zu. Im übrigen sei diese Leistung voraussichtlich in voller Höhe des Alg zu erstatten. Hinsichtlich der objektiven Verfügbarkeit habe er den Gegenbeweis nach § 103a Abs 2 AFG geführt.
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. November 1995 und das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Februar 1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 1994 aufzuheben,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 22. Oktober 1992 Arbeitslosengeld im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und die Vermutung des § 103a Abs 1 AFG nicht für widerlegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung. Dem Kläger steht nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG Alg ab Oktober 1992 nicht zu.
Anspruch auf Alg hat nach § 100 Abs 1 AFG – unter weiteren Voraussetzungen – nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Dieses Anspruchsmerkmal erfüllt nach der konkretisierenden Regelung des § 103 Abs 1 Satz 1 AFG ua, wer (1.) eine zumutbare nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, sowie (2.) bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf.
Das LSG hat den für die Zeit ab 22. Oktober 1992 geltend gemachten Anspruch auf Alg verneint, weil es sich nach dem aktuellen Verhalten des Klägers nicht die Überzeugung hat bilden können, er sei während seines Studiums bereit gewesen, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Die Überzeugungsbildung zur inneren Tatsache der Arbeitsbereitschaft hat das LSG auf eine Reihe von objektiven Anhaltspunkten gestützt. Dieses Vorgehen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, denn das LSG hat sich im Rahmen der den Tatsachengerichten auferlegten Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) gehalten. Revisionsrügen gegen die vom LSG festgestellten objektiven Anhaltspunkte für seine Überzeugungsbildung hat die Revision nicht vorgebracht, so daß der Senat an diese Feststellungen gebunden ist (§ 163 SGG). Das LSG hat ausgeführt, die gänzlich fehlende Eigeninitiative zur Arbeitssuche, die geringfügige Inanspruchnahme der Arbeitsvermittlung (sechs Vorsprachen in der Zeit von Oktober 1992 bis August 1994), der fehlende Hinweis auf die freieren Gestaltungsmöglichkeiten einer Beschäftigung während der vorlesungsfreien Zeit und schließlich die existenzielle Absicherung des Klägers während des Studiums durch Leistungen nach dem BAföG deuteten darauf hin, daß der Arbeitssuche nicht eine wirkliche Arbeitsbereitschaft, sondern nur eine verbale Beteuerung zugrunde liege. Diese Ausführungen lassen Denkfehler nicht erkennen.
Zu Unrecht wendet die Revision ein, daß LSG habe seine Entscheidung auf nicht ausgewiesene Erfahrungssätze und gesetzlich nicht begründete Obliegenheiten des Klägers gestützt. Es hat zur Feststellung der inneren Tatsache „Arbeitsbereitschaft” für einen bestimmten Zeitraum Umstände des Einzelfalls gewürdigt, ohne generalisierende Aussagen für die rechtlichen Voraussetzungen der Arbeitsbereitschaft iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG zu treffen. Das LSG hat seine Entscheidung gerade nicht auf den Rechtssatz gestützt, ein Arbeitsloser, der nach seinem Erscheinungsbild Student und nicht Arbeitnehmer sei, sei nicht arbeitsbereit iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG, obwohl eine solche Begründung naheliegend gewesen wäre. Das LSG hat auch keine Obliegenheit über die Häufigkeit von Vorsprachen bei der Arbeitsvermittlung aufgestellt, sondern lediglich die geringe Intensität der Arbeitssuche des Klägers als Indiz dafür gewertet, daß er während des Studiums nicht arbeitsbereit gewesen sei. Schließlich ist das LSG auch hinsichtlich der Belastung von Studenten während der vorlesungsfreien Zeit nicht von unzutreffenden Vorstellungen ausgegangen. Es hat nämlich nicht darauf abgestellt, der Kläger sei während dieser Zeit durch sein Studium nicht in Anspruch genommen. In die Beweiswürdigung ist lediglich die Erwägung eingegangen, während der Semesterferien bestehe „die vorlesungs- und übungsbedingte Beschränkung der Lage der Arbeitszeit nicht”. Dieses Vorgehen läßt Rechtsfehler nicht erkennen, so daß die Revision des Klägers zurückzuweisen ist.
Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob die Arbeitsbereitschaft des Klägers schon deshalb zu verneinen ist, weil er sich lediglich für Arbeiten bereit erklärt hat, die nicht die Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung nach § 168 AFG und damit die objektive Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung begründen. Allerdings hat das Bundessozialgericht (BSG) ausgesprochen, die Arbeitsbereitschaft Arbeitsloser müsse als Voraussetzung des Leistungsanspruchs grundsätzlich auch alle der objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen umfassen (BSGE 57, 10, 11 = SozR 4100 § 103 Nr 35). Danach liegt es nahe, die Arbeitsbereitschaft iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG nur anzunehmen, wenn sie sich auf Beschäftigungen bezieht, die die Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung begründen. Das erscheint im Falle des Klägers zweifelhaft, weil trotz des Umfangs der von ihm angegebenen Beschäftigungsmöglichkeiten nach der Verteilung der in Betracht kommenden Arbeitszeiten das Studium die Hauptsache und die Erwerbstätigkeit die Nebensache sein dürfte, so daß er das Erscheinungsbild eines Studenten und nicht eines Arbeitnehmers bietet. Unter solchen Voraussetzungen nimmt die Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten des § 6 Abs 1 Nr 3 SGB V und des § 169b Satz 1 Nr 2 AFG Beitragsfreiheit von Studenten an (sog Werkstudentenprivileg) (BSGE 72, 206, 208 f = SozR 3-4100 § 103a Nr 1 mwN; BSG SozR 3-4100 § 103a Nr 2; BSG Urteil vom 21. Mai 1996 – 12 RK 77/94 – mwN – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen