Orientierungssatz
Sind § 98 Abs 2 iVm § 96 des AVG, beide idF des Art 3 Nr 5 vom 25. Februar 1960 (BGBl I, 1960, 93), mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit sie die Zahlung einer Rente für Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts in der DDR auch dann ausschließen, wenn der Rentenberechtigte aus den der Rente zugrundeliegenden, nach deutschem Recht zurückgelegten Zeiten keine Leistung erhält?
Normenkette
AVG § 41 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1264 Fassung: 1957-02-23; AVG § 40 Abs. 2 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1263 Abs. 2 Fassung: 1965-06-09; AVG § 98 Abs. 2 Fassung: 1960-02-25, § 96 Fassung: 1960-02-25; RVO § 1319 Abs. 2 Fassung: 1960-02-25, § 1317 Fassung: 1960-02-25; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 11.01.1980; Aktenzeichen L 1 An 73/80) |
SG Berlin (Entscheidung vom 14.02.1978; Aktenzeichen S 1 An 2738/77) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Auszahlung einer Hinterbliebenenrente in die DDR.
Die 1902 geborene, in der DDR wohnende Klägerin ist die Witwe des 1975 in München verstorbenen, dort auch - zuletzt wohnhaft gewesenen früheren Oberkellners und Versicherungsvertreters J J (J). Dieser, 1908 geboren, hatte von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) seit März 1974 Altersruhegeld im Betrag von zuletzt monatlich 581,-- DM aus 182 zum Teil in Sachsen und Thüringen, überwiegend jedoch im Gebiet der (heutigen) Bundesrepublik zurückgelegten Versicherungsmonaten bezogen.
Der Antrag der Klägerin auf Witwenrente nach Julius J ist in der DDR, wo die Klägerin Rente aus eigener Sozialversicherung bezieht, mit der Begründung zurückgewiesen worden, daß ihr Ehemann in der Bundesrepublik gelebt habe und dort auch verstorben sei.
Den im März 1976 auch bei der Beklagten angemeldeten Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach Julius J anerkannte die Beklagte mit dem streitigen Bescheid vom 4. Mai 1977 und dem dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 1977 dem Grunde nach, lehnte jedoch die Auszahlung der Rente ab: Die Rente ruhe nach § 96 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), weil sich die Klägerin außerhalb der Bundesrepublik und von Berlin (West) aufhalte.
Hiergegen hat die Klägerin den Rechtsweg ohne Erfolg beschritten. Mit der angefochtenen Entscheidung vom 11. Januar 1980 hat das Landessozialgericht (LSG) das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 14. Februar 1978 bestätigt und ausgeführt, eine Ausnahme von dem durch § 96 AVG angeordneten Ruhen der Witwenrente nach § 100 AVG aF liege nicht vor; die Klägerin halte sich in der DDR nicht in einem "auswärtigen Staat" auf.
Gegen dieses Urteil hat der Senat auf die Beschwerde der Klägerin die Revision zugelassen (Beschluß vom 25. Juni 1980).
Die Klägerin hat die Revision eingelegt. Sie bringt vor, die §§ 96 und 100 Abs 1 AVG verstießen gegen Art 3 und 14 des Grundgesetzes (GG). Die im Ausland lebenden Deutschen erhielten nach den jüngsten Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ihre deutschen Renten ausbezahlt; das gleiche geschehe bei einem in der Bundesrepublik lebenden Ausländer, und ein im Ausland lebender Ausländer erhalte zumindest seine deutschen Beiträge zurück. Dagegen bekomme ein in der DDR lebender Deutscher weder seine Rente, noch erhalte er die Beiträge erstattet. Konsequenterweise hätte das LSG die DDR als Inland oder doch als quasi-Inland einstufen und ihr, Klägerin, die Rente auszahlen müssen. Eine Doppelversorgung finde vorliegend nicht statt; in der DDR erhalte sie keine Hinterbliebenenrente nach ihrem verstorbenen Mann.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom
4. Mai 1977 idF des Widerspruchsbescheides vom
21. Oktober 1977 die Urteile des Landessozialgerichts
Berlin vom 11. Januar 1980 und des Sozialgerichts
Berlin vom 14. Februar 1978 aufzuheben;
die Beklagte zu verurteilen, ihr die
Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres
verstorbenen Mannes in vollem Umfang in die DDR
auszubezahlen; der Beklagten die Kosten des
Verfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, Hinterbliebenenrenten genössen nicht den Eigentumsschutz des Art 14 GG. Art 3 GG sei nicht verletzt, weil die Klägerin in das vollständig ausgebildete Rentensystem der DDR einbezogen sei; bei gebotener generalisierender Betrachtung sei unerheblich, daß die Klägerin in der DDR keine Hinterbliebenenrente nach Julius J erhalte. Jedenfalls sei die Klägerin in der DDR nicht von ihren nach Rentenrecht erworbenen Ansprüchen ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat aus folgenden Gründen das Verfahren nach Art 100 Abs 1 GG ausgesetzt und die Entscheidung des BVerfG eingeholt:
Die Klägerin hat nach §§ 41, 40 Abs 2 AVG (= §§ 1264, 1263 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) nach dem Tode ihres rentenberechtigt gewesenen Ehemannes gegen die Beklagte Anspruch auf Witwenrente. Diesen Rentenanspruch der Klägerin hat die Beklagte in dem streitigen Bescheid vom 4. Mai 1977 und den ihn bestätigenden Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 1977 im Grundsatz bereits bindend (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) anerkannt; sie hat dort ausdrücklich allein die Auszahlung der Rente in die DDR - wegen angeblichen Ruhen des Anspruchs - verweigert.
Dem Auszahlungsanspruch der Klägerin steht, was vorweg zu prüfen Anlaß besteht, trotz der in der DDR geltenden Vorschriften über den Devisenverkehr nicht entgegen, daß die Beklagte im Ergebnis nicht zum Erlaß eines Verwaltungsakts verurteilt werden darf, "den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann" (§ 40 Abs 2 Nr 3 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - -SGB X-; § 44 Abs 2 Nr 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes -VwVfG-; sogenannte tatsächliche Unmöglichkeit, vgl dazu auch zB Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl 429; Wallrath, Allgemeines Verwaltungsrecht, 178). Zwar ist das Recht der DDR - hier das Recht des Devisenverkehrs - nach § 162 SGG vor dem Bundessozialgericht (BSG) grundsätzlich nicht revisibel. Indessen hat der erkennende Senat entschieden, daß das BSG entscheidungserhebliche Vorfragen aus dem Recht der DDR jedenfalls dann - erstmals - entscheiden darf, wenn dies die Vorinstanzen - wie hier - nicht getan haben (Urteil vom 18. Februar 1981 - 1 RA 7/80 -). Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, wie die im DDR-Devisengesetz vom 19. Dezember 1973 (DDR-GBl I, 574, geändert durch Gesetz vom 28. Juni 1979 - DDR-GBl I, 174) verfügten Beschränkungen des Zahlungsverkehrs ua mit der Bundesrepublik Deutschland (vgl § 11 Abs 2 aaO) auszulegen sind. Auf der Grundlage der Vereinbarung zwischen dem Bundesminister der Finanzen (BMF) der Bundesrepublik Deutschland und dem Minister der Finanzen der DDR über den Transfer von Guthaben in bestimmten Fällen vom 25. April 1974 (Bundesanzeiger vom 15. Mai 1974, Nr 70 S 1 = DDR-GBl II, 282) - sogenannte Sperrguthabenvereinbarung - ist die Zahlung einer deutschen Rente in die DDR möglich geworden. Das ergibt auch die Auskunft, die der BMF am 28. August 1981 dem erkennenden Senat zur Frage der tatsächlichen Anwendungsbreite der Sperrguthabenvereinbarung erteilt hat und die den Beteiligten in Abdruck zugegangen ist. Danach können DDR-Bürger von Sperrkonten in der Bundesrepublik monatlich bis zu 1.000,-- DM in die DDR transferieren; daneben bestehen weitere Verfügungsmöglichkeiten über Guthaben in der Bundesrepublik. Das Begehren der Klägerin auf Zahlung einer Rente aus der Bundesrepublik in die DDR richtet sich mithin nicht auf etwas, was der Beklagten faktisch unmöglich wäre.
Die hiernach erforderliche Prüfung der Vorschriften über das Ruhen der Rente eines Deutschen nach §§ 96 ff AVG idF des Art 3 Nr 5 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (= §§ 1317 ff RVO) ergibt, daß diese zumindest in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht verfassungsgemäß sind.
Nach § 96 AVG ruht die Rente ua eines Deutschen im Sinne des Art 116 Abs 1 GG, solange er sich außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes aufhält. Die Klägerin ist in diesem Sinne Deutsche; hieran hat ihr ständiger Aufenthalt in der DDR nichts geändert (BVerfGE 36, 2, 30, 31). Die Witwenrente der Klägerin würde jedoch trotz ihres Aufenthalts außerhalb des Geltungsbereichs des AVG dann nicht ruhen, wenn sich im Sinne des ersten Teilsatzes des § 96 aaO "aus den nachfolgenden Vorschriften ... anderes" ergäbe.
Nach § 98 Abs 2 Satz 1 AVG (= § 1319 Abs 2 Satz 1 RVO idF aaO) wird die Rente grundsätzlich - unter den näheren Voraussetzungen des Satzes 2 aaO und mit bestimmten Einschränkungen, wie unten noch näher ausgeführt werden wird - für Zeiten auch des gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland gezahlt. Nun lebt die Klägerin, vom Standpunkt des Rechtsanwenders in der Bundesrepublik, in der DDR nicht im Ausland (BVerfGE 11, 150, 158; 36, 1, 17, 31). Sie hält sich vielmehr, wie § 96 AVG es ausdrückt, "außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes" auf. Andererseits bedarf es keiner Begründung, daß sich "außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes" auch derjenige Deutsche aufhält, der im Ausland lebt. Der erste Teilsatz des § 96 AVG macht dies im übrigen unmißverständlich klar, wenn er die ihm "nachfolgenden Vorschriften" der §§ 97 und 98 aaO, die sich ausschließlich mit dem Aufenthalt des Rentenberechtigten im Ausland befassen, ausdrücklich für geeignet erklärt, den allgemein für den Aufenthalt "außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes" aufgestellten Grundsatz des Ruhens der Rente zu durchbrechen. Der Aufenthalt im Ausland ist nach Wortlaut und Systematik der §§ 97, 98 aaO ein Unterfall des Aufenthalts außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes im Sinne von § 96 aaO.
Deshalb kann bei Beachtung des Verfassungsgebots der rechtlichen Gleichbehandlung aller gleichliegenden Sachverhalte (Art 3 Abs 1 GG) nicht zweifelhaft sein, daß das, was nach §§ 97 und 98 AVG begünstigend für einen im Ausland lebenden Deutschen gilt - Zulässigkeit der Zahlung der Rente -, erst recht und gerade auch für einen Deutschen gelten muß, der - in der DDR - in Deutschland (BVerfGE 36, 1, 17) lebt. Es stellt mithin eine verfassungswidrige "Benachteiligung" (BVerfGE 53, 164, 178 = SozR 2200 § 1318 Nr 5) und "Ungleichbehandlung" (aaO, 182) dar, daß die §§ 97, 98 AVG keine Zahlung der Rente an einen Deutschen mit Aufenthalt ua in der DDR zulassen.
In einem Fall der vorliegenden Art läßt sich ein Verstoß des Gesetzgebers gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht ausnahmsweise deswegen verneinen, weil Rentenberechtigte mit Aufenthalt in der DDR in bezug auf ihre rentenrechtlichen Leistungsansprüche im Wohnsitzstaat "grundsätzlich anders und besser gesichert (wären) als Deutsche im Ausland" (BVerfGE aaO, 183); das könnte grundsätzlich nur dann der Fall sein, wenn der "Wohnsitzstaat die ... mit Beiträgen bei deutschen Versicherungsträgern belegten Zeiten anrechnete" (BVerfGE aaO). Dem wäre im Sozialversicherungssystem der DDR genügt, wenn und soweit in ihm "auch Versicherungszeiten in vollem Umfang berücksichtigt werden können, die im Reichsgebiet bis 1945 oder im Bundesgebiet zurückgelegt sind" (BVerfGE aaO mit Hinweis auf BVerfGE 28, 104, 114).
Mit dem Gedanken einer sonst eintretenden Doppelversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik einerseits und aus dem Wohnsitzstaat "außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes" andererseits läßt sich das Ruhen des der Klägerin bereits zuerkannten Anspruchs auf Hinterbliebenenrente indessen nicht stützen: Der Klägerin steht in der DDR nämlich Witwenrente nach ihrem versichert gewesenen Ehemann nicht zu. Ihr ist vom zuständigen Versicherungsträger ihres Wohnsitzes Hinterbliebenenrente versagt worden. Dies entspricht der in der DDR geltenden Rechtslage. Nach § 19 Abs 1 der DDR-Rentenverordnung (RentenVO) vom 4. April 1974 (DDR-GBl I, 201) besteht Anspruch auf Witwenrente ua nur dann, "wenn der Verstorbene ... zum Zeitpunkt seines Todes die Voraussetzungen zum Bezug einer Alters-, Invaliden- oder Kriegsbeschädigtenrente erfüllt hatte". Zu diesen Voraussetzungen zählt nach § 1 Abs 1 Buchst a aaO, daß er Bürger der DDR gewesen war und dort auch seinen ständigen Wohnsitz hatte. Das traf auf den Ehemann der Klägerin nicht zu; er wohnte schon lange vor seinem Tode in der Bundesrepublik.
Mithin läßt sich vorliegend im Sinne der Ausführungen des BVerfG (aaO) nicht davon sprechen, daß die Klägerin im Hinblick auf ihren Anspruch auf Hinterbliebenenrente und den ihn stützenden, teils im Gebiet der heutigen DDR, teils im Bereich der heutigen Bundesrepublik zurückgelegten Versicherungszeiten in ihrem Aufenthaltsstaat DDR anders oder sogar besser gesichert wäre als ein im Ausland lebender Deutscher.
Der Argumentation der Beklagten, die Tatsache, daß die Klägerin in der DDR Witwenrente nicht erhalte, sei angesichts des Umstandes unschädlich, daß sie - was genüge - immerhin einen Rentenanspruch aus allen eigenen deutschen Versicherungszeiten habe, kann nicht beigetreten werden. Die Hinterbliebenenversorgung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Sozialversicherung (BVerfGE 28, 324, 348; 48, 346, 360; 51, 1, 22 = SozR 2200 § 1315 Nr 5). Eine "generalisierende Betrachtung" eines Sachverhalts der vorliegenden Art erlaubt nicht zu ignorieren, daß das DDR-Recht Leistungen aus einem "wesentlichen Bestandteil der deutschen Sozialversicherung" überhaupt nicht bereithält. Im übrigen handelt es sich bei "der Rente", die nach § 96 AVG ruht oder auf Grund der nachfolgenden Ausnahmevorschriften der §§ 97, 98 AVG nicht ruht, um eine konkrete, vom Versicherungsträger in der Bundesrepublik häufig sogar schon in bestimmter Höhe bindend (§ 77 SGG) bewilligte Rente. Allein in bezug auf sie ist daher die verfassungsrechtliche Betrachtung aus Art 3 Abs 1 GG anzustellen. Es ist deshalb unzulässig, das Verfassungsgebot der Gleichbehandlung als gewahrt anzusehen, weil die Klägerin in der DDR eine Rente aus der eigenen Versicherung erhält. Schließlich versagt der Gedanke der Doppelversorgung mit der von der Beklagten gegebenen Begründung auch deshalb, weil die Klägerin Anspruch auf Witwenrente neben dem Anspruch auf Rente aus eigener Versicherung hat (vgl § 57 Abs 1 AVG = § 1280 Abs 1 RVO); die Rente aus eigener Versicherung kann daher dem Anspruch auf Auszahlung der Witwenrente aus dem Versicherungsverhältnis des verstorbenen versicherten Ehemannes nicht nachteilig entgegengehalten werden.
Nach der dargestellten Interpretation des § 97 AVG - und damit zugleich des § 98 Abs 2 aaO: beide Vorschriften unterscheiden sich im Grundsatz nur bezüglich des Umfangs der Versicherungszeiten, die im Geltungsbereich des Gesetzes zurückgelegt sind - durch das BVerfG ist die in diesen Vorschriften verfügte Begünstigung für Deutsche mit Aufenthalt im Ausland unter dem Verfassungsgebot des Art 3 Abs 1 GG auf Rentenberechtigte zu erstrecken, die sich - zB in der DDR - ebenfalls außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes aufhalten; anderes wäre ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn die soziale Sicherung am Aufenthaltsort eine Doppelversorgung des Rentenberechtigten bewirkte.
Da nun der Gesetzgeber ua in § 98 Abs 2 AVG aus dem Kreis der außerhalb des Geltungsbereichs des AVG lebenden deutschen Rentenberechtigten nur diejenigen durch Zulassung der Rentenzahlung begünstigt, die sich im Ausland aufhalten, hat er selbst diejenigen sonstigen außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes wohnenden Rentenberechtigten von dieser Vergünstigung ausgeschlossen, die im Wohnsitzstaat keine entsprechende Versorgung erhalten. Dies verstößt gegen den Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG; § 98 Abs 2 iVm § 96 AVG sind verfassungswidrig. Da die von dem verstorbenen Versicherten und Ehemann der Klägerin zurückgelegten Zeiten nicht auf Zeiten einer beitragslosen Beschäftigung nach § 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) entfallen und sie im übrigen auch überwiegend im Geltungsbereich des AVG zurückgelegt sind (vgl § 98 Abs 2 Satz 1 und 2 Buchst a aaO), kommt es bei der vom Senat über den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente zu treffenden Entscheidung auf die Gültigkeit der verfassungswidrig erachteten Vorschrift an. Gemäß Art 100 Abs 1 GG war zu beschließen wie geschehen.
Dem stand nicht entgegen, daß Art 3 Nr 8 des Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1982 vom 1. Dezember 1981 (BGBl I, 1205) in das AVG einen neuen § 96 eingefügt hat, nach welchem derjenige Rentenberechtigte keine Leistungen der Rentenversicherung der Angestellten erhält, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes in dem Gebiet hat, in dem ein deutscher Träger der gesetzlichen Rentenversicherung seinen Sitz hat. Diese Vorschrift ist für den Anspruch der Klägerin zweifelsfrei noch ungünstiger als die oben abgehandelte, für verfassungswidrig gehaltene Regelung nach den §§ 96 AVG ff aF. Indessen hat der Senat keinen Anlaß, die neue Vorschrift auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Die vorliegende Streitsache fällt nicht unter § 96 AVG nF: Zwar verfügt Art 20 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes aaO, daß ua § 96 AVG nF schon rückwirkend, nämlich mit Wirkung vom 1. Juni 1979 in Kraft tritt. Inhalt und Wirkung sozialrechtlicher Vorschriften beurteilen sich jedoch nach dem Recht, das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses oder Umstandes gegolten hat, sofern nicht später in Kraft Gesetzes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt (allgemeine Meinung, vgl aus der jüngeren Rechtsprechung des BSG zB SozR Nr 1 zu § 9 der 7. BKVO und die Entscheidungen des erkennenden Senats in BSGE 44, 231, 232 = SozR 2200 § 1236 Nr 3 und in BSGE 45, 213, 214 = SozR 2200 § 182 Nr 29). Anspruchsbegründendes Ereignis ist in aller Regel der Versicherungsfall. Für den vorliegend streitigen Anspruch auf Hinterbliebenenrente ist der Versicherungsfall des Todes (§ 40 Abs 2 AVG) im Jahre 1975 eingetreten. Für diesen Anspruch gelten, da im Gesetz vom 1. Dezember 1981 nichts Gegenteiliges bestimmt ist, die §§ 96 ff AVG aF, zumal der Anspruch auf Auszahlung einer Rente mit dem Rentenanspruch als solchen unlösbar verknüpft ist. Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, wie die auf den 1. Juni 1979 rückwirkende Schlechterstellung der von §§ 97 und 98 AVG aF Begünstigten verfassungsrechtlich zu bewerten ist.
über die Kosten des Verfahrens wird in dem die Sache abschließenden Urteil entschieden werden.
Fundstellen