Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG. BVerfG Az: 1 BvL 31/87
Orientierungssatz
Zur Frage, ob § 112 Abs 5 Nr 3 des AFG, idF des Art 1 § 1 Nr 40 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22.12.1981 (BGBl I 1981, 1497) und des Art 17 Nr 17 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1983, 1532), mit dem GG vereinbar ist, soweit hiernach für die Bemessung des Arbeitslosengeldes auch dann nicht ein übertarifliches Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werden darf, wenn dieses auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung üblicherweise gezahlt wird und der Arbeitslose beim Ehegatten ein noch höheres Arbeitsentgelt erzielt hat.
Vorlagebeschluß erledigt durch Rücknahme der Revision.
Normenkette
AFG § 112 Abs 5 Nr 3 Fassung: 1981-12-22; AFG § 112 Abs 5 Nr 3 Fassung: 1983-12-22; AFG § 112 Abs 7; GG Art 3 Abs 1; GG Art 6 Abs 1
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg).
Die Klägerin war bis zum 31. März 1984 als Arzthelferin beschäftigt, und zwar seit 1950 in der Praxis ihres Ehemannes. Ihr Gehalt betrug im März 1984 bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche brutto 4.950, -- DM. Auf ihren Antrag gewährte die Beklagte der Klägerin ab 2. April 1984 Alg in Höhe von 250,80 DM wöchentlich nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 560, -- DM (Bescheid vom 16. April 1984, Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1984), das die Klägerin bis zum 31. März 1985 bezogen hat. Das gerundete wöchentliche Arbeitsentgelt hatte die Beklagte nicht aus dem erzielten Gehalt, sondern aus einem Monatsgehalt von 2.426, -- DM entwickelt, das der Gehaltstarif für Arzthelferinnen vom 8. Juni 1983 vom 26. Berufsjahr an vorsieht. Dieser Tarifvertrag ist von der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen einerseits und dem Berufsverband der Arzthelferinnen, dem Verband der weiblichen Angestellten und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft andererseits, abgeschlossen worden.
Das Sozialgericht (SG) hat den genannten Bescheid idF des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab Antragstellung Alg unter Berücksichtigung des um 20 vH erhöhten maßgeblichen tariflichen Entgelts zu zahlen; im übrigen hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. März 1985). Es hat ua angenommen, die Bemessung des Alg nach einer Beschäftigung beim Ehegatten anhand der tariflichen Vergütung sei an sich nach § 112 Abs 5 Nr 3 und Abs 7 AFG gerechtfertigt. Das Arbeitsentgelt nach Abs 7 sei allerdings dann nicht zugrunde zu legen, wenn der Arbeitslose ein Arbeitsentgelt erzielt habe, das auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung nicht nur in Ausnahmefällen gezahlt werde (§ 112 Abs 5 Nr 3 Satz 2 AFG). Angesichts des Gehalts von 4.950, -- DM könne hier zwar davon keine Rede sein, obschon Arzthelferinnen tatsächlich in der Regel 10 bis 20 vH über dem Tarif liegende Gehälter gezahlt würden. Indessen dürfe der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, daß sie ein wesentlich höheres als das übliche übertarifliche Entgelt erzielt habe; sie sei so zu stellen, als ob sie wie alle anderen Arzthelferinnen die übliche übertarifliche Bezahlung erhalten hätte. Dabei sei im Falle der Klägerin von einem Zuschlag von 20 vH auszugehen, weil sie mehr als 26 Jahre bei ihrem Ehemann tätig gewesen sei und letztlich die gesamte Praxis verwaltet habe.
Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 17. Januar 1986). Das LSG teilt die Rechtsauffassung des SG: Werde familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung zwar üblicherweise ein übertarifliches Arbeitsentgelt, jedoch in geringerer Höhe als dem Ehegatten gezahlt, sei jedenfalls in dieser Höhe das Arbeitsentgelt des Ehegatten nach § 112 Abs 2 AFG zugrundezulegen. Das Alg nach dem fiktiven Arbeitsentgelt des § 112 Abs 7 AFG zu berechnen, weil der arbeitslose Ehegatte ein höheres als das übliche übertarifliche Arbeitsentgelt erzielt habe, würde Sinn und Zweck der Vorschrift des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG nicht entsprechen. Diese Rechtsauffassung erlege der Beklagten auch keine zusätzliche, über die ohnehin erforderliche Aufklärung hinausgehende unzumutbare Prüfungspflicht auf.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 112 AFG. Nach § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 AFG sei bei der Feststellung des Arbeitsentgelts für die Zeit einer Beschäftigung beim Ehegatten das Arbeitsentgelt nach Abs 7 zugrunde zu legen. Dies gelte nach § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 2 AFG nicht, wenn der Arbeitslose für eine Beschäftigung ein Arbeitsentgelt erzielt habe, das auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung nicht nur in Ausnahmefällen gezahlt werde. Unstreitig werde familienfremden Arzthelferinnen nicht annähernd das Arbeitsentgelt von 4.950, -- DM gezahlt, so daß die Bemessung des Alg nach § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 und Abs 7 AFG zu erfolgen habe. Es sei daher das tarifliche Arbeitsentgelt von 2.426, -- DM zugrunde zu legen. Gegen die Rechtsauffassung des LSG spreche auch, daß in einer Vielzahl von Fällen das grundsätzlich maßgebende und leicht feststellbare Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG unmaßgeblich wäre und stattdessen detaillierte Feststellungen darüber getroffen werden müßten, ob und ggfs in welcher Häufigkeit und welcher Höhe übertarifliche Vergütungen gezahlt würden. Diese Problematik werde ansatzweise in der vom SG beigezogenen Stellungnahme der Landesärztekammer deutlich, die sich lediglich auf einen Prozentsatz zwischen 10 und 20 festlege, ohne genaue Beträge zu nennen.
Die Beklagte beantragt,
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die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die |
Klage abzuweisen. |
Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
Sie teilt die Rechtsansicht der Vorinstanzen und hält es für unbillig, von dem tariflichen Arbeitsentgelt auszugehen. Ergänzend weist sie darauf hin, daß der Tarifvertrag für Arzthelferinnen nicht verbindlich sei; die in ihm enthaltenen Regelungen gelten nur, wenn sie ausdrücklich vereinbart worden seien. Ältere Arzthelferinnen bezögen grundsätzlich ein höheres Gehalt, als in dem Tarifvertrag vorgesehen. Nach § 112 Abs 7 AFG müsse die Beklagte auch sonst, wenn eine tarifliche Regelung nicht bestehe, das ortsübliche Arbeitsentgelt ermitteln.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat nach Art 100 Abs 1 Grundgesetz (GG) die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen, weil er die im anstehenden Rechtsstreit anzuwendende Vorschrift des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG für verfassungswidrig hält, soweit nach dieser Vorschrift für die Bemessung des Alg auch dann nicht ein übertarifliches Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werden darf, wenn dieses auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung üblicherweise gezahlt wird und der Arbeitslose beim Ehegatten ein noch höheres Arbeitsentgelt erzielt hat.
1. Der Revision wäre stattzugeben und die Klage auch insoweit, als das SG sie nicht schon abgewiesen hat, gänzlich abzuweisen, wenn der Entscheidung die in § 112 Abs 5 Nr 3 AFG vorgesehene Rechtsfolge zugrunde zu legen wäre.
Nach § 111 Abs 1 AFG in der hier maßgebenden Fassung, die die Vorschrift durch Art 17 Nr 16 HBegleitG 1984 und durch Art 1 Nr 23 des Siebten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) erhalten hat, beträgt das Alg 63 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG), sofern weder der Arbeitslose noch sein Ehegatte ein Kind iS des § 32 Abs 1, 4 und 5 Einkommensteuergesetz hat. Arbeitsentgelt iS des § 112 AFG, um dessen Höhe der Streit geht, ist grundsätzlich das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG). Abweichend hiervon ist nach § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 AFG, eingefügt durch das AFKG, bei der Festsetzung des Arbeitsentgelts für die Zeit einer Beschäftigung bei dem Ehegatten, wie sie hier gegeben war, oder einem Verwandten gerader Linie das Arbeitsentgelt nach Abs 7, höchstens das Arbeitsentgelt der Beschäftigung zugrunde zu legen. Dies gilt nach dem durch das HBegleitG 1984 angefügten Satz 2 des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG allerdings nicht, wenn der Arbeitslose für diese Beschäftigung ein Arbeitsentgelt erzielt hat, das auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung nicht nur in Ausnahmefällen gezahlt wird. Ein solcher Fall, in dem das Arbeitsentgelt nach den allgemeinen Regeln, also grundsätzlich nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG zu bestimmen ist, ist hier nicht gegeben. Nach den vom LSG übernommenen Feststellungen des SG, die auch die Klägerin nicht beanstandet hat, wurden zwar familienfremden Arzthelferinnen bei einer Beschäftigung, wie sie die Klägerin ausgeübt hat, nicht nur in Ausnahmefällen zu dem Tarifgehalt Zuschläge von 20 vH gezahlt. Die Klägerin hat im März 1984 indessen mit 4.950, -- DM ein Monatsgehalt bezogen, das mehr als das Doppelte des tariflichen Gehalts von 2.426, -- DM ausmachte. Daß solche Gehälter auch familienfremden Arzthelferinnen gezahlt wurden, hat sich nicht feststellen lassen.
Ist ein Fall des § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 2 AFG nicht gegeben, gilt Satz 1. Nach dem klaren Wortlaut, der Gesetzessystematik und auch dem Sinn der Sondervorschrift des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG, wie er sich aus dem Gesamtzusammenhang des § 112 AFG erschließt, ist in einem solchen Falle das Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG, höchstens das erzielte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.
Das um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, nicht verminderte Arbeitsentgelt des § 112 AFG, nach dem sich der wöchentliche Alg-Satz richtet, soll einem Bruttoarbeitsentgelt entsprechen, das der Arbeitslose bei Arbeitsaufnahme in der Woche verdienen würde. Für den Regelfall wird das Bemessungsentgelt berechnet, indem ein durchschnittlicher Stundenverdienst mit der Zahl der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsstunden vervielfacht wird. Diese beiden Bemessungsfaktoren werden aus den Bedingungen entwickelt, die für das zuletzt erzielte gewöhnliche Arbeitsentgelt prägend waren (§ 112 Abs 2 bis 4 AFG). Diesem Verfahren, das eine oftmals unsichere und verwaltungsaufwendige Einstufung der Verdienstmöglichkeiten des Arbeitslosen überflüssig macht, liegt der Gedanke zugrunde, daß der Arbeitslose im allgemeinen auch in Zukunft in etwa das zuletzt gewöhnlich verdiente Arbeitsentgelt verdienen kann.
Die Regelung des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG, die bei ihrer Einführung damit begründet worden ist, es müsse Manipulationen des für die Bemessung des Alg maßgebenden Arbeitsentgelts - etwa durch Erhöhung des Arbeitsentgelts gegen Ende des Arbeitsverhältnisses durch den Ehegatten-Arbeitgeber - entgegengewirkt werden (vgl BT-Drucks 9/799 S 42 und 9/846 S 43), ist letztlich auf die Erwägung zurückzuführen, daß erzielte Entgelte, die nicht wiedergeben, was der Arbeitslose auf dem Arbeitsmarkt erzielen kann, nicht geeignet sind, der Bemessung des Alg zugrunde gelegt zu werden. Im Falle des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG in der jetzt geltenden Fassung nimmt das Gesetz dies immer dann an, wenn das Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung bei dem Ehegatten oder einem Verwandten gerader Linie erzielt worden ist, sofern das erzielte Arbeitsentgelt nicht innerhalb dessen geblieben ist, was für gleichartige Beschäftigungen auf dem Arbeitsmarkt üblich war. Dabei stellt der durch das HBegleitG 1984 angefügte Satz 2, durch den nach dem im Gesetzgebungsverfahren angegebenen Gründen Härten beseitigt werden sollten, die sich bei der Anwendung der Vorschrift gezeigt hatten (vgl Begründung zu Art 15 Nr 16 HBegleitG 1984, BT-Drucks 10/691 S 28), nach der Gesetzessystematik nur eine Ausnahme zu Satz 1 dar. In allen Fällen, in denen die Ausnahmevorschrift nicht greift, verbleibt es somit bei der Regel des Satzes 1, wonach bei der Festsetzung des Arbeitsentgelts für die Zeit einer Beschäftigung bei dem Ehegatten bzw bei einem Verwandten gerader Linie das Arbeitsentgelt nach Abs 7, höchstens das Arbeitsentgelt der Beschäftigung zugrunde zu legen ist. Hiernach ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt (§ 112 Abs 7 AFG).
Hätte der Gesetzgeber bisher bei dem Ehegatten bzw bei einem Verwandten Beschäftigten als Bemessungsentgelt das Arbeitsentgelt einräumen wollen, das nicht nur in Ausnahmefällen für gleichartige Beschäftigungen gezahlt wird, höchstens das Arbeitsentgelt der Beschäftigung, hätte eine einfache Bestimmung dieses Inhalts genügt; sie ist nicht erfolgt. Wortlaut, Systematik und Sinn der Regelung verbieten es daher, im Falle des § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 AFG von einem Teil des erzielten Arbeitsentgelts auszugehen, nämlich soweit dieses Arbeitsentgelt das Arbeitsentgelt, das auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung nicht nur in Ausnahmefällen gezahlt wird, nicht übersteigt, wie dies die Vorinstanzen getan haben, oder, was auf das gleiche hinausliefe, anstelle eines vorhandenen tariflichen Arbeitsentgelts ein höheres Arbeitsentgelt, nämlich das übliche Arbeitsentgelt, zugrunde zu legen, soweit es das erzielte Arbeitsentgelt nicht übersteigt. Nach § 112 Abs 5 Nr 3 AFG ist entweder das Arbeitsentgelt nach Abs 7, das zwar nicht tariflich sein muß, niemals aber ein übertarifliches Arbeitsentgelt sein kann, oder das erzielte Arbeitsentgelt der Bemessung zugrunde zu legen, in keinem Fall aber ein Teil des erzielten Arbeitsentgelts. Die Auslegung des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG durch die Vorinstanzen überschreitet die durch das Gesetz den Gerichten gezogenen Grenzen, auch im Hinblick auf die noch zu erörternden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Da die Voraussetzungen des § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 2 AFG nicht vorliegen, ist § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 iVm Abs 7 AFG mit der Folge anzuwenden, daß grundsätzlich von dem am Wohnsitz des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen Arbeitsentgelts auszugehen ist. Letzteres hat die Beklagte getan. Nach dem Gesetz erweist sich die Klage daher als unbegründet.
2. Der Revision wäre daher stattzugeben, wenn § 112 Abs 5 Nr 3 AFG mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Das aber ist nach der Überzeugung des Senats nicht der Fall. Die in Satz 1 vorgesehene Rechtsfolge ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG) unvereinbar. Die Vorschrift benachteiligt Arbeitslose, die zuletzt bei ihrem Ehegatten bzw einem Verwandten gerader Linie beschäftigt waren, in einem durch ihren Zweck nicht gebotenen Ausmaß. An der in dem nicht veröffentlichten Urteil des Senats vom 20. Juni 1984 - 7 RAr 79/83 - vertretenen gegenteiligen Ansicht kann nach erneuter Prüfung nicht festgehalten werden.
a) Ein Verstoß gegen ein aus dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) und dem besonderen staatlichen Schutz, unter dem Ehe und Familie stehen (Art 6 Abs 1 GG), abzuleitendes Verbot, Arbeitslose allein deshalb zu benachteiligen, weil sie mit dem Arbeitgeber verheiratet oder verwandt waren, dürfte allerdings nicht schon darin zu sehen sein, daß § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 AFG den betroffenen Arbeitslosen zu dessen Nachteil von der Regel ausnimmt, daß die Höhe des Alg an das Arbeitsentgelt angebunden wird, das der Arbeitslose zuletzt in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tatsächlich erzielt hat, und diese Ausnahme an das Band der Ehe bzw der Verwandtschaft anknüpft. Selbstverständlich verwehrt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber nicht, der Gefahr einer mißbräuchlichen Ausnutzung oder der nicht gerechtfertigten Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung durch eine sachgerechte Sondervorschrift entgegenzutreten. Das gilt auch, soweit Gefahren dieser Art durch Beschäftigungsverhältnisse zwischen Ehegatten oder Verwandten drohen (vgl BVerfGE 6, 55, 84; 9, 237, 245; 13, 290, 316 f; 13, 318, 327; 18, 366, 375 f; 20, 379, 381 f). Freilich ist insoweit die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch die Grundsatznorm des Art 6 Abs 1 GG eingeschränkt (BVerfGE 13, 290, 298 f; 17, 210, 217; 18, 257, 269); sie verbietet eine an Ehe oder Familie anknüpfende benachteiligende Sonderbehandlung, soweit nicht ein besonderer Rechtfertigungsgrund anzuerkennen ist.
Der § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 AFG ist bei seiner Einführung lediglich damit begründet worden, es solle Manipulationen des für die Bemessung des Alg maßgebenden Arbeitsentgelts entgegengewirkt werden. Die Regelung erfaßt indessen auch Fälle, in denen von einer beabsichtigten Benachteiligung der Arbeitslosenversicherung keine Rede sein kann, der familienangehörige Arbeitnehmer unter den besonderen Bedingungen seines Arbeitsplatzes vielmehr ein Arbeitsentgelt erzielt hat, das seiner besonderen Leistung durchaus entsprochen hat, aber nach den Arbeitsbedingungen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich sind, nicht erzielbar ist. Die Vorschrift schließt damit die Anknüpfung des Bemessungsentgelts an Arbeitsentgelte aus, die der Arbeitslose nicht mehr erzielen kann, was nach dem Grundgedanken des Bemessungsentgelts nicht sachwidrig ist. Gegen die Vorschrift in der ursprünglichen Fassung des AFKG war einzuwenden, daß sie unabhängig von der Höhe des erzielten Arbeitsentgelts gewissermaßen bei jeder Beschäftigung bei dem Ehegatten oder einem Verwandten in gerader Linie unterstellte, daß der Arbeitnehmer das erzielte Arbeitsentgelt auf einem anderen Arbeitsplatz nicht erzielen könne. Nachdem dem § 112 Abs 5 Nr 3 AFG durch das HBegleitG 1984 der Satz 2 angefügt worden ist, sind diese Bedenken entfallen; denn nunmehr ist das Alg von Arbeitslosen, die bei ihrem Ehegatten bzw bei Verwandten in gerader Linie beschäftigt gewesen sind, in gleicher Weise wie das anderer Arbeitnehmer zu bemessen, wenn die erzielten Arbeitsentgelte den für gleichartige Tätigkeiten üblicherweise an familienfremden Arbeitnehmern gezahlten Arbeitsentgelten entsprechen. Nur wenn das nicht der Fall ist, sich also nicht nachweisen läßt, daß sich das erzielte Arbeitsentgelt auch ohne familienhafte Bindungen hätte erzielen lassen, ist das erzielte Arbeitsentgelt nicht zugrunde zu legen. Die Regelung des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG stellt damit nicht mehr allein darauf ab, daß eine Beschäftigung bei dem Ehegatten oder einem Verwandten gerader Linie vorlag.
Allerdings gilt auch für andere als Beschäftigungen beim Ehegatten bzw bei Verwandten gerader Linie, daß Arbeitsentgelte erzielt werden, die der Arbeitnehmer anderswo nicht zu erzielen vermag. So dürfte zB ein Arbeitnehmer, der über Jahre eine Vertrauensstellung innegehabt hat und deshalb besonders gut bezahlt worden ist, nach Verlust dieses Arbeitsplatzes Schwierigkeiten haben, eine gleich gut bezahlte Stelle zu finden. Die Gefahr einer mißbräuchlichen Beeinflussung des Arbeitsentgelts, mit der die Einführung des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG begründet worden ist, ist ferner nicht auf Arbeitsverhältnisse unter Ehegatten und Verwandten gerader Linie beschränkt. Eine mißbräuchliche Beeinflussung des Arbeitsentgelts ist vielmehr bei jedem Beschäftigungsverhältnis möglich und eine entsprechende Gefahr bei der Beschäftigung von Geschwistern, Schwiegereltern und -kindern sowie Partnern nicht ehelicher Gemeinschaften nicht von der Hand zu weisen. In keinem dieser Fälle bietet das AFG eine Handhabe das in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erzielte Arbeitsentgelt entgegen § 112 Abs 2 bis 4 AFG nicht der Alg-Bemessung zugrunde zu legen, weil es nicht marktüblich ist; jedoch ist bei der Beschäftigung von Ehegatten und Verwandten allgemein eher als bei der Beschäftigung von anderen Personen mit der Möglichkeit zu rechnen, daß Arbeitsentgelte vereinbart und gezahlt werden, die der Arbeitnehmer anderweit nicht erzielen kann. Das dürfte es rechtfertigen, wie hier an die Ehe bzw die Verwandtschaft mit dem Arbeitgeber anknüpfend besondere Regelungen zu treffen.
b) Indessen ist die Rechtsfolge des § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 AFG, die den Arbeitslosen auf das Arbeitsentgelt des § 112 Abs 7 AFG verweist und die Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts, das für gleichartige Beschäftigungen nicht nur in Ausnahmefällen gezahlt wird, selbst dann nicht zuläßt, wenn der Arbeitslose beim Ehegatten bzw Verwandten ein darüberliegendes Arbeitseinkommen erzielt hat, zu beanstanden.
Wenn der Arbeitslose bei seinem Ehegatten bzw Verwandten gerader Linie ein Arbeitsentgelt erzielt hat, das familienfremden Arbeitnehmern in gleichartigen Beschäftigungen nicht gezahlt wird, so ist es zwar sachlich gerechtfertigt, daß das erzielte Arbeitsentgelt in voller Höhe der Bemessung nicht zugrunde gelegt wird. Das vermag indessen nicht zu begründen, weshalb ein solcher Arbeitsloser allein auf das Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG verwiesen werden muß, das in der Regel ein tarifliches ist und damit im allgemeinen unter den erzielbaren marktüblichen Entgelten liegt. Dem Anliegen des Gesetzes, das Alg nicht nach überhöhten, am Markt nicht üblichen Arbeitsentgelten zu bemessen, würde schon genügt, wenn statt des überhöhten erzielten das marktübliche Arbeitsentgelt der Bemessung zugrunde zu legen wäre. Hierauf aber hätte sich das Gesetz beschränken müssen. Schon durch den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist der Gesetzgeber gehalten, von einer vom Gesetz selbst gewählten Regelung (hier: die Bemessung nach dem erzielten Arbeitsentgelt) nur in dem Umfange abzuweichen, als die für die Abweichung sprechenden Gründe dies erfordern. Insbesondere aber müssen Regelungen, die an das Band der Ehe bzw der Verwandtschaft anknüpfen, sich auf das Unumgängliche, das schonendste Mittel beschränken, weil sie sonst Ehe und Familie diskriminieren, was nach Art 6 Abs 1 GG nicht zulässig ist. Für eine Verweisung des zuletzt bei seinem Ehegatten bzw einem Verwandten beschäftigten Arbeitslosen auf das Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG fehlt es an einer Rechtfertigung für die an Ehe und Familie anknüpfende Sonderbehandlung, die § 112 Abs 5 Nr 3 AFG darstellt.
Gegen das Gleichheitsgebot des Art 3 Abs 1 GG verstößt § 112 Abs 5 Nr 3 AFG ferner, wenn nach Satz 2 für Arbeitslose, die beim Ehegatten bzw einem Verwandten ein Arbeitsentgelt erzielt haben, das im Arbeitsleben üblich ist, das erzielte und übliche Arbeitsentgelt für die Bemessung maßgebend ist, während für Arbeitslose, die für gleichartige Beschäftigungen beim Ehegatten bzw beim Verwandten mehr als das marktübliche Entgelt erzielt haben, das geringere tarifliche Arbeitsentgelt der Alg-Bemessung zugrunde zu legen ist. Das Gesetz behandelt damit zwei Gruppen von Arbeitslosen, die bei einem Ehegatten bzw Verwandten beschäftigt waren, unterschiedlich, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Beurteilung vermag nämlich der Umstand, daß das erzielte Arbeitsentgelt des einen Arbeitslosen marktüblich gewesen ist, das höhere Arbeitsentgelt des anderen dagegen nicht, nicht zu begründen, weshalb jenem das Alg nach dem erzielbaren marktüblichen Arbeitsentgelt eingeräumt wird, dem Arbeitslosen mit dem höheren Arbeitsentgelt dagegen nur das niedrigere Alg nach dem tariflichen Arbeitsentgelt; denn weshalb soll der eine ein marktübliches Arbeitsentgelt erzielen können, der andere aber nicht? Dabei ist zu berücksichtigen, daß schon ein verhältnismäßig geringfügiger Betrag, um den das erzielte Arbeitsentgelt das marktübliche Arbeitsentgelt übersteigt, zur Folge haben kann, daß das tarifliche Arbeitsentgelt der Bemessung des Alg zugrunde gelegt werden muß, das ggf erheblich unter dem marktüblichen Arbeitsentgelt liegt.
Erwägungen derart, daß das Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG unschwer den Tarifverträgen entnommen werden kann, marktübliche Entgelte dagegen schwieriger zu ermitteln sind, rechtfertigen die in § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 AFG ausgesprochene Rechtsfolge nicht. Hat der Arbeitslose das Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum beim Ehegatten oder einem Verwandten gerader Linie erzielt, ist die Beklagte schon nach § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 2 AFG zur Prüfung verpflichtet, ob der Arbeitslose ein Arbeitsentgelt erzielt hat, das auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung nicht nur in Ausnahmefällen gezahlt wird; im Regelfalle muß daher sowieso festgestellt werden, wie hoch das marktübliche Entgelt ist.
Fundstellen