Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 WEG, § 15 WEG
Kommentar
1. Ein Büro-Teileigentum ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Arbeitsraum, in dem z.B. geschrieben, telefoniert und verwaltende Tätigkeit ausgeübt wird. Ferner werden in Büroräumen geschäftliche Besprechungen abgehalten, und auch Publikumsverkehr ist dem Begriff des Büros nicht fremd, beispielsweise beim "Rechtsanwaltsbüro" oder "Steuerberaterbüro".
Als "Praxis" bezeichnet der Verkehr im Allgemeinen die Arbeitsräume eines Arztes, Rechtsanwalts, Steuerberaters oder eines krankengymnastischen Betriebes. Werden Räume als "Praxis" genutzt, so ist damit regelmäßig Publikumsverkehr verbunden.
Ob man mit dem OLG Stuttgart (NJW 87, 385; a.A. Bielefeld, Der Wohnungseigentümer, 5. Aufl., Seite 134) annehmen kann, dass die von Büroräumen ausgehenden Beeinträchtigungen grundsätzlich anderer und geringerer Art sind als die durch die Ausübung einer Praxis entstehenden, und dass deshalb - generell - die Ausübung einer Arztpraxis mit der Zweckbestimmung als "Büro" unvereinbar ist, brauchte der Senat hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Nutzung von Büroräumen als Kinderarztpraxis zu treffen. Die von einer Kinderarztpraxis ausgehenden Störungen der anderen Eigentümer sind in der Regel schon deshalb größer als bei einem Büro, weil die Besucherfrequenz höher ist. Kranke Kinder, die den Arzt aufsuchen, erscheinen im allgemeinen mit einer Begleitperson. Dies ist z.B. anders bei den Klienten eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters. Weiterhin ist bei einer Kinderarztpraxis von einem höheren Geräuschpegel auszugehen, als er bei einem durchschnittlichen Büro erwartet werden kann. Die Beeinträchtigung entsteht bereits bei der - notwendigen - Inanspruchnahme des Hausflures. Beim Kinderarzt sind auch in Übereinstimmung mit der Meinung des Landgerichts andere Bewohner des Hauses Krankheitserregern ausgesetzt, da hier auch Kinder mit ansteckenden Krankheiten behandelt werden.
Gesichtspunkte der ärztlichen Versorgungslage "in diesem Gebiet" müssten i. Ü. bei der rechtlichen Würdigung des Verhältnisses der Wohnungseigentümer untereinander außer Betracht bleiben.
Das Landgericht konnte auch zu Recht dem betreffenden Eigentümer über die Nutzungsunterlassungspflicht hinaus aufgeben, das bestehende Mietverhältnis mit dem Kinderarzt zu kündigen. Etwaige sich aus der fristlosen Kündigung ergebende Probleme finden im Erkenntnisverfahren keine Berücksichtigung.
2. Keine außergerichtliche Kostenerstattung in III. Instanz bei Geschäftswertansatz von 20.000 DM.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.09.1995, 3 Wx 259/95= NJW-RR 96, 267)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer