Rz. 63
Die kontradiktorische Scheidung setzt gem. Art. 49 Abs. 1 FamKodex eine tiefgreifende und unheilbare Zerrüttung der Ehe voraus. Der Richter prüft nur die vorgebrachten Gründe. Bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung nicht in den Prozess eingeführte Zerrüttungsgründe unterliegen bei deren Kenntnis durch die Partei(en) der Präklusion (Art. 322 Abs. 1 S. 2 ZPO). Die Trennung der Ehegatten ist ein Indiz für die tiefgreifende und unheilbare Zerrüttung der Ehe. Übereinstimmende Erklärungen der Ehegatten dagegen, ihre Ehe sei zerrüttet, binden nicht das Gericht; indes fehlt dann das Rechtsschutzbedürfnis. Allerdings ist ein Übergang zur einvernehmlichen Scheidung jederzeit möglich. Von da an wechselt die Prozessart vom streitigen Scheidungsverfahren in das Verfahren der einvernehmlichen Ehescheidung (Art. 321 Abs. 5 Alt. 2 ZPO). Damit stehen nur solche Gründe der Scheidung entgegen, die nach Rechtskraft des Beschlusses über die Zulassung der einvernehmlichen Scheidung entstanden sind.
Rz. 64
Gemäß Art. 49 Abs. 3 FamKodex hat das Gericht auf Antrag eines Ehegatten über das Verschulden am Scheitern der Ehe zu entscheiden. Der Schuldausspruch wirkt sich in vielerlei Hinsicht aus: So hat nur derjenige Ehegatte einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, der an der Scheidung der Ehe nicht schuld ist (Art. 145 Abs. 1 FamKodex). Auch für die Zuweisung des Nutzungsrechts an der Familienwohnung nach der Scheidung ist die Verschuldensfrage bedeutsam (Art. 56 Abs. 5 FamKodex). Die Kosten des Scheidungsverfahrens sind gem. Art. 329 Abs. 1 S. Alt. 1 ZPO dem schuldigen Ehegatten aufzuerlegen; dieser Teil des Urteils ist nicht allein anfechtbar. Andernfalls werden sie gegeneinander aufgehoben (Art. 329 Abs. 1 S. 2 ZPO). Der Schuldausspruch entfällt bei einer einvernehmlichen Ehescheidung mit der Vorlage einer Scheidungsfolgenvereinbarung i.S. des Art. 51 FamKodex.
Rz. 65
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen eines Verschuldens am Scheitern der Ehe ist die (objektive wie subjektive) Einstellung der Ehegatten zueinander und zu den Kindern; Verstöße gegen den Pflichtenkatalog der Art. 15–17 FamKodex stehen dabei im Vordergrund. Eine Einigung der Ehegatten über die Verschuldensfrage ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Rz. 66
Das persönliche Erscheinen beider Prozessparteien im ersten Gerichtstermin ist zwingend. Liegen keine Entschuldigungsgründe für das Fernbleiben des Antragstellers vor, wird das Verfahren eingestellt (Art. 321 Abs. 1 S. 2 ZPO). Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt des Antragstellers im Ausland ihn genügend entschuldigt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab. Ist die Ehefrau schwanger oder das Kind jünger als zwölf Monate, so wird das Verfahren auf ihren Antrag hin ausgesetzt (Art. 320 ZPO).
Rz. 67
Stirbt der Antragsteller während des streitigen Scheidungsverfahrens, so können seine gesetzlichen Erben ersten und zweiten Grades den Prozess binnen zwei Wochen ab gerichtlicher Aufforderung fortsetzen (Art. 327 Abs. 1 S. 1 ZPO). Nicht erforderlich dafür ist, dass diese die Erbschaft angenommen haben. Jeder berufene Erbe ist aktivlegitimiert; das Scheidungsurteil bindet aber alle zur Verfahrensfortsetzung berechtigten Miterben. Streitgegenstand ist dann die Feststellung des Verschuldens am Scheitern der Ehe durch den überlebenden Ehegatten (vgl. Art. 52 Abs. 2 FamKodex). Etwaige Schuld des verstorbenen Ehegatten ist hingegen ohne Bedeutung. Wird dem Antrag stattgegeben, so verliert der überlebende Ehegatte sein gesetzliches Ehegattenerbrecht; ist er testamentarisch bedacht, so behalten die Verfügungen nur bei ausdrücklicher Anordnung des Testators ihre Gültigkeit (Art. 54 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2, Art. 52 Abs. 2 FamKodex). Diese Grundsätze gelten selbst dann, wenn der Antragsgegner während des Scheidungsverfahrens nach dem Antragsteller stirbt. Bei einem gemeinsamen Tod der Ehegatten findet dagegen Art. 10a ErbG Anwendung. Danach wird widerlegbar vermutet, dass der jüngere Ehegatte den älteren überlebt habe.
Bei Tod des Antragsgegners dagegen können seine gesetzlichen Erben ersten und zweiten Grades das Verfahren nur dann fortführen, wenn ein Ehehindernis i.S. des Art. 7 FamKodex den Streitgegenstand bildet und der überlebende Ehegatte bei der Eheschließung bösgläubig gewesen ist (Art. 328 ZPO).
Rz. 68
Gegen die Schuldfeststellung kann isoliert Berufung eingelegt werden. Der restliche, nicht angegriffene Teil des Scheidungsurteils erwächst in Rechtskraft (Art. 325 ZPO).