I. Testamentsformen
1. Allgemeines
Rz. 29
Wie im deutschen Erbrecht kennt das bulgarische Recht das eigenhändige und das öffentliche (notarielle) Testament. Beide Formen entfalten identische Rechtsfolgen. Hat der Erblasser zu Lebzeiten mehrere Testamente errichtet, so gilt das zeitlich späteste Testament – unabhängig von der Form, die der Erblasser dafür gewählt hat. Im Unterschied zum deutschen Recht sind dem bulgarischen Recht keine Sonderformen der testamentarischen Verfügung geläufig, die in Anbetracht einer bei besonderen Umständen unmittelbar drohenden Todesgefahr erleichterte Wirksamkeitsanforderungen beinhalten (Nottestamente).
2. Das eigenhändige Testament
Rz. 30
Das eigenhändige Testament hat der Erblasser gem. Art. 25 ErbG selbst eigenhändig zu verfassen. Der Erblasser und die testamentarisch Bedachten müssen identifizierbar sein. Zur Wirksamkeit des Testaments ist es unerlässlich, dass der Testator den gesamten Text handschriftlich verfasst und unterschreibt. Ein vom Erblasser eigenhändig unterschriebener maschinell oder elektronisch verfasster Textausdruck genügt dem Formerfordernis nicht und ist nichtig. Weitere zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung ist die Bezeichnung des Datums und des Orts der Testamentserrichtung. Verfügungen, die nach oder unter der Unterschrift platziert sind, gelten als ungeschrieben.
Rz. 31
Ein eigenhändiges Testament kann einem Notar zur Aufbewahrung anvertraut werden. Die Abgabe erfolgt in einem geschlossenen undurchsichtigen Umschlag. Der Notar notiert darauf ein Übergabeprotokoll, das er in ein Sonderregister des Notars einträgt.
Rz. 32
Dem Erblasser steht es jederzeit zu, vom Notar die Rückgabe eines solchen Testaments zu verlangen. Hierfür wird ein zweites Übergabeprotokoll angefertigt und im Testamentsregister des Notars vermerkt. Bei der Rückgabe ist die Mitwirkung von zwei Zeugen erforderlich, die den Rückgabevermerk im Sonderregister des Notars mitunterzeichnen müssen.
Rz. 33
Die Vorschriften über die Aufbewahrung eines eigenhändigen Testaments bei einem Notar bedeuten nicht, dass es verboten sei, Privaten (z.B. den eingesetzten Erben) Testamente zur Aufbewahrung anzuvertrauen. Solche Personen verpflichtet das Erbgesetz allerdings, unverzüglich nach Kenntnisnahme vom Tod des Erblassers einen Notar um die sog. Eröffnung des Testaments zu ersuchen. Die Eröffnung des Testaments erfolgt derart, dass der Notar ein Protokoll erstellt, in welchem er den Zustand der Testamentsurkunde und die Verlesung festhält. Dieses Protokoll unterschreiben der Notar und die Person, die das Testament vorgelegt hat. Das Testament wird Bestandteil dieses Protokolls, indem es an dieses befestigt und von der vorlegenden Person sowie vom Notar auf jeder Seite paraphiert wird.
Rz. 34
Inhaber eines rechtlichen Interesses stattet das Gesetz mit einem Anspruch auf Fristsetzung zur Vorlage eines Testaments aus. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Privatperson, in deren Besitz die testamentarische Urkunde vermutet wird. Die örtliche Zuständigkeit liegt beim Rayongericht am letzten Wohnsitz des Erblassers.
3. Das notarielle Testament
Rz. 35
Das notarielle Testament wird vom Notar in Anwesenheit von zwei Zeugen angefertigt, die namentlich in der Urkunde erwähnt werden. Der Notar beurkundet den mündlich vorzutragenden Testierwillen des Erblassers. Nach Bezeichnung des Errichtungsdatums und des Errichtungsorts wird die Urkunde vom Notar laut vorgelesen und mit den Unterschriften aller Beteiligten versehen. Sollte der Erblasser zur Unterzeichnung des Testaments außer Stande gewesen sein, so hat er den Grund hierzu dem Notar zur Aufnahme in die Urkunde mitzuteilen.
4. Testierfähigkeit
Rz. 36
Die Testierfähigkeit tritt nach bulgarischem Recht gem. Art. 13 ErbG mit Eintritt der Volljährigkeit ein, also mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Indes darf die testierende Person nicht unter volle Vormundschaft gestellt und muss in der Lage sein, vernünftig zu handeln.
Rz. 37
Durch Testament kann der Erblasser über sein ganzes Vermögen verfügen. Jedoch kann er dadurch den gesetzlichen Pflichtteil nicht wirksam beeinträchtigen.
5. Widerruf des Testaments
Rz. 38
Der Erblasser kann den Widerruf eines Testaments entweder durch eine notariell beurkundete Willenserklärung oder durch ein neues Testament bewirken. Erforderlich ist eine ausdrückliche Äußerung des Aufhebungswillens. Sollte sie einmal ausbleiben, dann bestimmt Art. 39 ErbG, dass ein späteres Testament das ältere nur im Hinblick auf diejenigen Verfügungen abändert, die mit den Verfügungen im neuen Testament nicht vereinbar seien. Ein durch ein neues Testament widerrufenes älteres Testament kann durch faktische Umstände, z.B. durch den zwischenzeitlichen Tod des eingesetzten neuen Erben oder durch Ausschlagen des Erbes, nicht wieder wirksam werden. Vermächtnisse, die sich auf Sachen beziehen, über die der Erblasser nach Errichtung des Testaments durch einen rechtlichen oder faktischen Akt verfügt hat, inkl. der faktischen Verfügung durch wesentliche Verarbeitung der fraglichen Sache, gelten als widerrufen.
Rz. 39
Die komplizierten Regeln zur Rückgabe eines bei einem Notar deponierten Testaments bedeut...