Rz. 10
Nach bulgarischem Recht bestehen vier gesetzliche Erbordnungen. Es genügt ein Erbe einer vorrangigen Erbordnung, um alle Erben aus den darauffolgenden Erbordnungen auszuschließen.
1. Erste Erbordnung
Rz. 11
Die erste Erbordnung besteht aus den Kindern des Erblassers. Diese erben zu gleichen Teilen. Ist ein Kind des Erblassers vor dem Erbfall gestorben oder erbunwürdig geworden sein, so greift das Repräsentationsprinzip ein: Es erben die hinterbliebenen Abkömmlinge dieses Kindes anteilig anstatt seiner.
Beispiel:
A hat drei eigene Kinder (B, C und D) und ein Adoptivkind (E). Jedes Kind hat jeweils zwei lebende Kinder (B1 und B2, C1 und C2 etc.). Vor dem Erbfall ist B gestorben und C durch einen Mordversuch an A erbunwürdig geworden. Erben des A sind D zu ¼, E zu ¼, B1, B2, C1 und C2 zu je ⅛.
Rz. 12
Unerheblich ist, ob die Kinder ehelicher oder nichtehelicher Abstammung sind, da für nichteheliche Kinder weder erbrechtliche Nachteile noch Privilegien bestehen. Einzige Voraussetzung ist, dass die Abstammung feststeht. Hierzu gelten nach bulgarischem Familienrecht folgende Regeln:
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Die Abstammung mütterlicherseits wird durch die Geburt bestimmt und in der Geburtsurkunde festgelegt. Die genetische Herkunft (z.B. fremde Eizelle) ist unerheblich. |
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Die Abstammung väterlicherseits wird ebenfalls in der Geburtsurkunde festgelegt. Für die rechtliche Vaterschaft ist die biologische Vaterschaft entscheidend, es sei denn, der rechtliche Vater hat sein schriftliches Einverständnis zur künstlichen Befruchtung der Mutter mit fremdem genetischem Material abgegeben. Die Vaterschaft des Ehegatten wird vermutet, wenn das Kind während der Ehe oder binnen 300 Tagen nach ihrer Beendigung zur Welt kommt. Wird innerhalb dieser 300 Tage eine neue Ehe geschlossen, greift die Vaterschaftsvermutung für die Ehe ein, welche zur Zeit der Geburt besteht. Die Vaterschaftsvermutung ist widerlegbar. Zum Schutz des Kindes gelten hinsichtlich der Widerlegung kurze Fristen. So kann z.B. der rechtliche Vater innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Geburt die Vaterschaftsvermutung durch Klage anfechten. Nach Ablauf des Jahres ist die Widerlegung der Vermutung ausgeschlossen, selbst wenn zu einem späteren Zeitpunkt definitiv (z.B. durch DNA-Analyse) feststünde, dass sie den faktischen Verhältnissen nicht entspräche. |
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Wenn die Mutterschaft und/oder Vaterschaft nicht in der Geburtsurkunde niedergelegt wurde oder aufgehoben worden ist, kann die Feststellung der Abstammung durch Anerkennung durch den Elternteil erfolgen. Die Anerkennung ist durch keine Fristen eingeschränkt. Erforderlich ist eine notariell beglaubigte Erklärung gegenüber dem Standesamt. |
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Wenn die Abstammung nicht festgestellt ist, kann das Kind Feststellungsklagen erheben gegen die Mutter (ohne zeitliche Beschränkung bezüglich der Zulässigkeit) oder den Vater (zulässig bis zum Ablauf von drei Jahren ab Volljährigkeit). |
Rz. 13
Den leiblichen Kindern des Erblassers sind seine Adoptivkinder gleichgestellt. Nach bulgarischem Recht können nur Kinder adoptiert werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Volljährigenadoption ist also nicht zulässig. Vorausgesetzt wird ein Altersabstand zum Adoptivelternteil von mindestens 15 Jahren. Nur ein Ehepaar kann ein Kind adoptieren. Es bestehen zwei Formen der Adoption:
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Die volle Adoption beendet die rechtlichen Beziehungen des Kindes zu den natürlichen Eltern und Verwandten und ersetzt sie durch gleichwertige rechtliche Beziehungen zu den Adoptiveltern und deren Verwandten. Nach der Adoption scheidet deshalb eine Vererbung kraft gesetzlicher Erbfolge im Rahmen des Familienkreises der natürlichen Abstammung aus. Eine gesetzliche Erbfolge kann es nur noch betreffs der Adoptivverwandten geben. Dabei kann das Kind von allen Adoptivverwandten erben und sie umgekehrt von ihm. |
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Bei der Teiladoption gelten andere Regeln. In der Adoptivfamilie entsteht eine rechtliche Beziehung lediglich zwischen dem Adoptivelternteil und dem Adoptivkind, so dass sie sich gegenseitig beerben können. Im Übrigen bleiben die rechtlichen Beziehungen zu den Blutverwandten bestehen. |
2. Zweite Erbordnung
Rz. 14
Die zweite Erbordnung schließt die Eltern des Erblassers ein. Die lebenden Elternteile erben zu gleichen Teilen, gesetzt den Fall, der Erblasser hinterlässt keine Abkömmlinge.
Beispiel:
A hat keine Abkömmlinge hinterlassen, dafür Mutter, Großmutter, Großvater und Geschwister. Alleinerbin ist die Mutter.
3. Dritte Erbordnung
Rz. 15
Die dritte Erbordnung schließt zwei Gruppen von Erben ein:
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Geschwister des Erblassers und ihre Abkömmlinge und |
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Verwandte des Erblassers in gerader aufsteigender Linie (Großeltern, Urgroßeltern etc.). |
Rz. 16
Innerhalb der ersten Gruppe erben Geschwister, welche dieselben Elternteile wie der Erblasser haben (vollbürtige Geschwister), einen doppelt so hohen Anteil wie Geschwister, die lediglich einen Elternteil mit dem Erblasser gemeinsam haben (Halbgeschwister). Innerhalb der zweiten Gruppe schließen nähere Verwandte alle Verwandte entfernteren Grades vom Erbe aus. Sind Erben der beid...