1. Einfluss des Güterrechts
Rz. 23
Gesetzlicher Güterstand ist die eheliche Errungenschaftsgemeinschaft. Sachen und dingliche Rechte (str. bei Kontoguthaben), welche die Ehegatten während der Ehe durch gemeinsamen Beitrag i.w.S. erworben haben, stehen gem. Art. 21 FamKodex beiden Ehepartnern zur gesamten Hand zu – unabhängig davon, wer sie erworben hat und wer in der Urkunde als Inhaber erscheint. Der gemeinsame Beitrag wird widerlegbar vermutet, so dass die Regeln der Errungenschaftsgemeinschaft nicht zum Zuge kommen, wenn der eine Ehegatte einen Vermögenswert durch Schenkung erwirbt oder einen vorher im Alleineigentum stehenden Vermögenswert veräußert, um während der Ehe einen anderen Vermögenswert zu erwerben. Hingegen ist die Erwerbstätigkeit der Ehepartner belanglos. Ein gemeinsamer Beitrag liegt selbst dann vor, wenn ein Ehegatte keinen Beruf ausübt, sondern etwa den Haushalt führt.
Rz. 24
Das gemeinsame Vermögen, also das Errungenschaftsgut, gehört zum sog. besonderen anteillosen Miteigentum der Ehegatten. Eine Auseinandersetzung darüber ist während der Ehedauer nur ausnahmsweise zulässig (vgl. Art. 29 Abs. 2 und 3 FamKodex). Verfügungsgeschäfte können nur beide Ehegatten gemeinsam wirksam vornehmen. Mit dem Tod eines Ehegatten endet die Errungenschaftsgemeinschaft und wandelt sich eo ipso in eine Bruchteilsgemeinschaft um. Das besondere anteillose Miteigentum wird zum Bruchteilseigentum, bestehend aus zwei – im Prinzip – gleichen Teilen (Art. 28 FamKodex): Der eine Teil steht dem überlebenden Ehegatten aufgrund des Güterrechts zu. Der andere Teil entspricht dem restlichen Bruchteil, welchen der verstorbene Ehegatte mit seinem Tod erworben hat; dieser fällt in seinen Nachlass; von diesem Bruchteil bekommt der überlebende Ehegatte aufgrund des Erbrechts und damit in seiner Eigenschaft als Erbe eine Quote. Der andere auf der Grundlage des Güterrechts erworbene Bruchteil wird sein persönliches Eigentum.
2. Erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten
Rz. 25
Erbrechtlich ist nur diejenige Ehe relevant, die im Augenblick des Todes des Erblassers bestanden hat. Der Ehegatte erhält eine besondere erbrechtliche Stellung: Er erbt neben den Erben der ersten, zweiten und dritten Erbordnung und schließt die Erben der vierten Ordnung aus. Vor der Bestimmung des Erbrechts des überlebenden Ehegatten bedarf es allerdings der Feststellung, ob und wieviel ihm nach dem Ehegüterrecht zusteht; erst danach ermittelt man seinen Erbanteil. Denn diese Feststellung wirkt sich auf das Erbrecht der übrigen Erben aus.
Rz. 26
Neben Erben der ersten Ordnung erbt der Ehegatte mit Kindern des Erblassers zu gleichen Teilen.
Beispiel:
A hinterlässt die Kinder B (verstorben, zwei Kinder B1 und B2), C, D und Ehefrau E. Erben sind B1 und B2 zu je ⅛, C, D und E zu je ¼.
Rz. 27
Neben Erben der zweiten Ordnung erbt der Ehegatte bei einer Ehedauer von weniger als zehn Jahren die Hälfte des Nachlasses. Bei einer Ehedauer von mindestens zehn Jahren beträgt seine Erbquote ⅔des Nachlasses.
Rz. 28
Dasselbe gilt, wenn der Ehegatte neben Erben der dritten Ordnung erbt und diese entweder der ersten oder der zweiten Gruppe zuzuordnen sind. Sollte es Erben der zwei Gruppen zugleich geben, so steht dem überlebenden Ehegatten folgende Erbquote zu:
▪ |
bei einer Ehe, die weniger als zehn Jahre bestanden hat: ⅓des Nachlasses; |
▪ |
bei einer Ehedauer von mindestens zehn Jahren:½ des Nachlasses. |
Beispiel:
Erblasser A und Ehefrau E haben im Laufe einer 20-jährigen Ehe ein Haus im Wert von 200 erworben und ein Sparguthaben im Wert von 100 angespart. Die Ehe ist kinderlos. Die Hinterbliebenen sind die Mutter des Erblassers, seine Ehefrau und seine zwei Schwestern. Die Hälfte des Vermögens wird durch den Tod von A aufgrund des Ehegüterrechts persönliches Bruchteilseigentum von E. Die andere Hälfte fällt in den Nachlass und verteilt sich wie folgt: E erbt ⅔, die Mutter erbt ⅓, die Schwestern sind vom Erbe ausgeschlossen. Vom ursprünglichen Errungenschaftsvermögen (300) stehen der Ehefrau insgesamt 250 zu: 150 als Eigenbruchteil an der aufgelösten Errungenschaftsgemeinschaft (auf der Grundlage des Güterrechts) und 100 als Erbe mit einer Erbquote von ⅔ des Nachlasses (auf der Grundlage des Erbrechts). Die Mutter erbt 50.