A. Internationales Erbrecht
I. Anwendbarkeit der EuErbVO
Rz. 1
Seit dem 1.1.2007 ist Bulgarien Mitglied der Europäischen Union. Für internationale Erbfälle, in welchen der Erblasser Mitglied der Europäischen Union war und die sich ab dem 17.8.2015 ereignen, gelten daher anstatt der nationalen IPR-Vorschriften die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 (Erbrechtsverordnung, EuErbVO).
II. Anknüpfung des Erbstatuts für vor dem 16.8.2015 eingetretene Erbfälle
Rz. 2
Für sog. Altfälle ist der im Jahr 2005 in Kraft getretene Kodex über das Internationale Privatrecht Bulgariens einschlägig (IPRG). Art. 14 IPRG begründet die internationale Zuständigkeit bulgarischer Gerichte und Staatsorgane für Verfahren in erbrechtlichen Angelegenheiten, soweit der Erblasser bulgarischer Staatsangehöriger war, sich zum Zeitpunkt des Todes gewöhnlich in Bulgarien aufgehalten hat oder sich ein Teil seines Vermögens in Bulgarien befindet.
Rz. 3
Das Erbstatut wird gem. Art. 89 IPRG in Bulgarien gespalten angeknüpft. Bulgarisches materielles Erbrecht ist anwendbar in Bezug auf die beweglichen Sachen eines Erblassers, dessen gewöhnlicher Aufenthaltsort zur Zeit seines Todes in Bulgarien war. Hinsichtlich der unbeweglichen Sachen ist das bulgarische materielle Erbrecht bei Belegenheit des Immobiliarvermögens in Bulgarien anwendbar.
Rz. 4
Der Erblasser konnte in seinem Testament das materielle Recht des Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit er im Augenblick der Testamentserrichtung besaß. Unzulässig war es jedoch, dass durch diese Rechtswahl die Pflichtteilsansprüche beeinträchtigt wurden, die sich aufgrund der Geltung bulgarischen Rechts ergeben hätten, soweit dieses Recht ohne erfolgte Rechtswahl einschlägig gewesen wäre.
Rz. 5
Die Testierfähigkeit sowie die Formanforderungen an die Errichtung und den Widerruf eines Testaments richteten sich gem. Art. 90 IPRG alternativ nach dem Recht des Landes,
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in dem das Testament errichtet wurde, |
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dessen Staatsangehöriger der Erblasser im Augenblick der Testamentserrichtung oder seines Todes war, |
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in dem sich der Testierende im Augenblick der Testamentserrichtung oder seines Todes gewöhnlich aufgehalten hatte oder |
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in dem sich die unbewegliche Sache befand, die Gegenstand des Testaments war. |
B. Gesetzliche Erbfolge
Rz. 6
Es gibt drei Anknüpfungspunkte, die nach bulgarischem Recht die gesetzliche Erbfolge begründen:
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die Blutverwandtschaft, |
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die Adoption und |
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die Ehe. |
I. Erbfähigkeit, Erbunwürdigkeit
Rz. 7
Erbfähig ist gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 ErbG der Nasciturus, also der schon Gezeugte, vorausgesetzt, er wird lebend und überlebensfähig geboren. Beim Erbfall während der Schwangerschaft wird darum das noch nicht geborene Kind erbrechtlich mitberücksichtigt.
Rz. 8
Erbunwürdigkeit schließt zu Lebzeiten die Erbfähigkeit aus. Erbunwürdig ist gem. Art. 3 ErbG,
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wer den Erblasser, seinen Ehegatten oder das Kind des Erblassers vorsätzlich getötet hat oder versucht hat, diese Personen zu töten, |
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wer den Erblasser zu Unrecht einer Straftat bezichtigt hat, die mit Freiheitsstrafe bedroht ist, |
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wer den Erblasser durch Gewalt oder List daran gehindert hat, bei der Errichtung, Abänderung oder dem Widerruf eines Testamens den eigenen Testierwillen frei auszuüben, oder ihn dazu verleitet hat, entgegen den eigenen Testierwillen zu testieren, oder |
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wer das Testament des Erblassers verheimlicht, vernichtet, gefälscht oder sich wissentlich eines gefälschten Testaments bedient hat. |
Rz. 9
Der Erbunwürdige kann nur dann Erbe werden, wenn der Erblasser ihm in einer notariell beglaubigten Urkunde oder in seinem Testament die Erbfähigkeit wieder zuspricht. Fehlt es daran, ist der Erbunwürdige aber trotzdem im Testament des Erblassers bedacht worden, so erhält er das testamentarisch Zugewendete als Vermächtnis.
II. Erbrecht der Verwandten
Rz. 10
Nach bulgarischem Recht bestehen vier gesetzliche Erbordnungen. Es genügt ein Erbe einer vorrangigen Erbordnung, um alle Erben aus den darauffolgenden Erbordnungen auszuschließen.
1. Erste Erbordnung
Rz. 11
Die erste Erbordnung besteht aus den Kindern des Erblassers. Diese erben zu gleichen Teilen. Ist ein Kind des Erblassers vor dem Erbfall gestorben oder erbunwürdig geworden sein, so greift das Repräsentationsprinzip ein: Es erben die hinterbliebenen Abkömmlinge dieses Kindes anteilig anstatt seiner.
Beispiel:
A hat drei eigene Kinder (B, C und D) und ein Adoptivkind (E). Jedes Kind hat jeweils zwei lebende Kinder (B1 und B2, C1 und C2 etc.). Vor dem Erbfall ist B gestorben und C durch einen Mordversuch an A erbunwürdig geworden. Erben des A sind D zu ¼, E zu ¼, B1, B2, C1 und C2 zu je ⅛.
Rz. 12
Unerheblich ist, ob die Kinder ehelicher oder nichtehelicher Abstammung sind, da für nichteheliche Kinder weder erbrechtliche Nachteile noch Privilegien bestehen. Einzige Voraussetzung ist, dass die Abstammung feststeht. Hierzu gelten nach bulgarischem Familienrecht folgende Regeln:
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Die Abstammung mütterlicherseits wird durch die Geburt bestimmt und in der Geburtsurkunde festgelegt. Die genetische Herkunft (z.B. fremde Eizelle) ist unerheblich. |
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Die Abstammung väterlicherseits wird ebenfalls in der Geburtsurkunde festgelegt. Für die rechtliche Vaterschaft ist die biologische Vaterschaft entscheidend, es ... |