Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Anspruch eines in Polen lebenden Versicherten mit deutscher und polnischer Staatsangehörigkeit auf eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund von Zeiten der russischen Kriegsgefangenschaft im Anschluss an einen in der deutschen Wehrmacht geleisteten Kriegsdienst.
I.
1. a) Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war es notwendig geworden, die frühere gesamtstaatliche deutsche Sozialversicherung aufzuteilen. Während im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die reichsgesetzliche Sozialversicherung im Wesentlichen bestehen blieb, waren unter anderem in den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie neue Sozialversicherungssysteme geschaffen worden, die in ihrer Organisation, ihrem Leistungs- und Beitragsrecht und in ihrer Finanzierung von dem westdeutschen Recht abwichen und von der westdeutschen Sozialversicherung völlig abgetrennt worden waren (vgl. BTDrucks 1/4201, S. 19; BVerfGE 53, 164 ≪172≫).
b) Hinsichtlich der Gewährung von Rentenleistungen deutscher Versicherungsträger nach Polen unterschied sich die Rechtslage für Deutsche oder frühere deutsche Staatsangehörige im Sinne des Art. 116 GG erheblich, je nachdem ob sie in den früheren deutschen Ostgebieten oder in Zentralpolen wohnten. Während letztere – wie alle deutschen Versicherten, die sich gewöhnlich im Ausland aufhielten – einen (allerdings eingeschränkten) Anspruch auf Rentenzahlung hatten, ruhten die Rentenansprüche von Berechtigten mit gewöhnlichem Aufenthalt in den früheren deutschen Ostgebieten (vgl. §§ 1315 ff. Reichsversicherungsordnung – RVO – in der Fassung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz – FANG – vom 25. Februar 1960 ≪BGBl I S. 93≫).
c) Allerdings wurden in Polen bei der Rentenberechnung auch Beschäftigungszeiten in den früheren deutschen Ostgebieten und in dem Gebiet der freien Stadt Danzig vor deren Eingliederung in die Volksrepublik Polen berücksichtigt, bei der Feststellung des Anspruchs jedoch nur für Personen, die ihren Wohnsitz in Polen hatten (§ 1 der Verordnung vom 8. August 1968 betreffend die Beschäftigungszeiten im Gebiet des Polnischen Staates, GBl der Volksrepublik Polen Nr. 32/1968, Pos. 220 ≪vgl. Kurzprotokoll der 95. Sitzung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, 7. Wahlperiode – 752-2450, S. 15 f.; Poletzky, Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen, 1981, Anlage 5, S. 117≫). Zeiten der Kriegsgefangenschaft erkennt das polnische Rentenrecht jedoch nur bis zum 9. Mai 1945 als hinzurechenbare Zeiten an (vgl. Poletzky, a.a.O., S. 47).
2. a) Am 1. Mai 1976 trat das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (BGBl 1976 II S. 393 ≪396≫; im Folgenden: deutsch-polnisches Sozialversicherungsabkommen) in Kraft (BGBl II S. 463), dem das Eingliederungsprinzip (vgl. BVerfGE 95, 143 ≪146≫) zugrunde liegt. Art. 4 dieses Abkommens lautete:
(1) Renten der Rentenversicherung werden vom Versicherungsträger des Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt, nach den für diesen Träger geltenden Vorschriften gewährt.
(2) Der in Absatz 1 genannte Träger berücksichtigt bei Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so, als ob sie im Gebiet des ersten Staates zurückgelegt worden wären.
(3) Renten nach Absatz 2 stehen nur für die Zeit zu, in der die betreffende Person im Gebiet des Staates wohnt, dessen Versicherungsträger die Rente festgestellt hat. In dieser Zeit hat ein Rentenempfänger keinen Anspruch auf Grund von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellten Zeiten im anderen Staat gegenüber dem Versicherungsträger dieses Staates soweit nicht Artikel 15 oder 16 etwas anderes bestimmt.
b) Das deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1991 durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 (BGBl 1991 II S. 741 ≪743≫) abgelöst, welches das Leistungsexportprinzip an die Stelle des Eingliederungsprinzips setzte. Jeder Vertragsstaat leistet danach Renten nur noch für die Versicherungszeiten, die in seinem Hoheitsgebiet zurückgelegt worden sind und für die er Beiträge erhalten hat. Allerdings werden die Renten auch dann erbracht, wenn sich der Berechtigte im anderen Vertragsstaat aufhält. Für vor dem 1. Januar 1991 aufgrund des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 9. Oktober 1975 in einem Vertragsstaat erworbene Ansprüche und Anwartschaften blieb jedoch weiterhin das Abkommen von 1975 – und damit das Eingliederungsprinzip – maßgeblich (Art. 27 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Abkommens von 1990).
c) Zum 1. Mai 2004 ist die Republik Polen der Europäischen Union beigetreten. Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen wurde die Fortgeltung des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens von 1975 unter den in Art. 27 Abs. 2 des Abkommens von 1990 festgelegten Bedingungen vereinbart (vgl. Akte betreffend den Beitritt der Republik Polen und anderer Staaten, Anhang III Nr. 84 a ≪ABlEU Nr. L 236 vom 23. September 2003, S. 185≫).
Entscheidungsgründe
II.
1. Der Beschwerdeführer, der sowohl die deutsche als auch die polnische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde 1926 in Oberschlesien geboren und wohnt dort heute noch. Ende März 1944 wurde er zum Militärdienst bei der Deutschen Wehrmacht eingezogen, der am 9. Mai 1945 endete. Anschließend befand sich der Beschwerdeführer in russischer Kriegsgefangenschaft, aus der er am 17. Januar 1950 zurückkehrte. Seit Dezember 1983 bezog er eine Invalidenrente und ab Oktober 1986 eine Altersrente des polnischen Sozialversicherungsträgers. Im Februar 1993 beantragte er bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, ihm Rentenleistungen wegen des in der Deutschen Wehrmacht geleisteten Kriegsdienstes sowie wegen der anschließenden Zeit der russischen Kriegsgefangenschaft zu bewilligen, da diese Zeiten vom polnischen Sozialversicherungsträger nicht berücksichtigt worden seien. Dieser Antrag wurde abgelehnt.
Die dagegen eingelegten Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg. Das Bundessozialgericht wies die vom Sozialgericht zugelassene Sprungrevision des Beschwerdeführers ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass das gemäß § 30 Abs. 2 SGB I vorrangig anzuwendende deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen von 1975 einen Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Rente gleich welcher Art gegen einen deutschen Rentenversicherungsträger ausschließe. Das dem Abkommen zugrunde liegende Eingliederungsprinzip sehe vor, dass Renten der Rentenversicherung ausschließlich vom Versicherungsträger des Wohnsitzstaates nach den dort geltenden Regeln erbracht würden. Dies sei verfassungsrechtlich, insbesondere im Hinblick auf Art. 3, Art. 14 und Art. 20 Abs. 1 GG, nicht zu beanstanden.
2. Der Beschwerdeführer hat gegen die sein Begehren ablehnenden Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen fristgerecht Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er eine Verletzung von Art. 3 GG rügt. Da der polnische Sozialversicherungsträger in der Zwischenzeit seine Kriegsdienstzeiten vor dem 9. Mai 1945 anerkannt hatte, macht der Beschwerdeführer allein die Zuerkennung einer Rente aufgrund der Zeiten seiner Kriegsgefangenschaft zum Gegenstand seiner Verfassungsbeschwerde. Insoweit trägt er vor, dass er im Verhältnis zu Versicherten mit der gleich Militärvita, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, schlechter behandelt werde.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne des § 93 a Abs. 2 BVerfGG sind nicht gegeben, denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 95, 143 ≪154 f.≫ 102, 41 ≪54≫; stRspr).
Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist allerdings weiter bemessen, wenn Regelungen zur Beseitigung der beim Zusammenbruch des Deutschen Reiches vorhandenen Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand und zur Beseitigung sonstiger Kriegsfolgelasten getroffen werden (vgl. BVerfGE 15, 167 ≪201≫; 27, 253 ≪286≫; 29, 413 ≪430≫; 53, 164 ≪177 f.≫; 71, 66 ≪76≫; 95, 143 ≪155≫). Dies gilt insbesondere für sozialrechtliche Normen, die mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Zusammenhang stehen. Denn dabei stand die Bundesrepublik vor sozialen Aufgaben, die nach Art und Ausmaß ohne Parallelen waren (vgl. BVerfGE 41, 126 ≪175≫; 53, 164 ≪178≫; 95, 143 ≪155≫).
2. Der Beschwerdeführer wird insoweit zu seinem Nachteil anders als Versicherte mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland behandelt, als er für die Dauer seines gewöhnlichen Aufenthaltes in Polen lediglich Anspruch auf eine Rente gegen den polnischen Rentenversicherungsträger nach den Vorschriften des polnischen Rentenrechts und damit ohne die Berücksichtigung von Zeiten der Kriegsgefangenschaft hat. Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, es sei mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Bewältigung der Kriegsfolgen, auch im Hinblick auf die Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BVerfGE 53, 164 ≪176 f.≫; 71, 66 ≪76 f.≫), unter Anknüpfung an den ständigen Aufenthalt und an die unterschiedlichen Lebensverhältnisse die Zahlung von Renten an die in den ehemaligen deutschen Ostgebieten lebenden Versicherten durch innerstaatliche Vorschriften ausgeschlossen und sich vornehmlich auf die Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen, die in die Bundesrepublik und nach Berlin (West) gekommen waren, in die deutsche Rentenversicherung konzentriert hat (vgl. BVerfGE 53, 164 ≪178 f.≫).
b) Aus den gleichen Gründen ist es im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Bundesrepublik Deutschland durch den Abschluss eines am Eingliederungsprinzip ausgerichteten Sozialversicherungsabkommens mit der Volksrepublik Polen darauf verzichtet hat, in Zukunft einseitig durch eine Änderung des deutschen Rechts eine Verbesserung der rentenrechtlichen Situation der deutschen Versicherten in Polen zu erreichen.
aa) Es ist bereits fraglich, ob der Gesetzgeber durch das Grundgesetz verpflichtet wird, eine unter dem Gesichtspunkt der Kriegsfolgenbeseitigung getroffene, verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelung zu einem späteren Zeitpunkt zu überprüfen, in dem die Kriegsfolgen weitgehend beseitigt sind. Eine solche Verpflichtung hat das Bundesverfassungsgericht nur für außergewöhnliche Fälle erwogen. Denn bei Regelungen, die der Kriegsfolgenbeseitigung dienten, stand nicht die Bereinigung der Vergangenheit, sondern die Schaffung einer Grundlage für die Zukunft ganz im Vordergrund. Mit solchen Grundsätzen vertrüge es sich nicht, wollte man den Gesetzgeber von Verfassungs wegen als verpflichtet ansehen, die verfassungsmäßig getroffene Regelung wegen gewandelter wirtschaftlicher Verhältnisse wieder zu ändern (vgl. BVerfGE 53, 164 ≪180≫).
bb) Selbst wenn die Lage der in den Oder-Neiße-Gebieten verbliebenen versicherten Deutschen Anlass zu einer solchen Überprüfung hätte geben können, hat der Gesetzgeber mit dem Zustimmungsgesetz zu dem hier maßgeblichen deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen von 1975 nicht den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum bei außenpolitischen Angelegenheiten (vgl. BVerfGE 40, 141 ≪178≫; 53, 164 ≪182≫; 95, 39 ≪46≫) überschritten. Durch den Abschluss des Abkommens haben die Organe der Bundesrepublik Deutschland beträchtliche Verbesserungen für diesen Personenkreis herbeigeführt. Den vorher nach reichsgesetzlichen Vorschriften Versicherten erwuchs erstmals ein vertraglich abgesicherter Rechtsanspruch auf ihre Einbeziehung in das polnische Sozialversicherungssystem. Zudem erhielten sie das Recht auf Anrechnung ihrer im Bereich des Deutschen Reiches zurückgelegten Versicherungsjahre, wenn auch nach Maßgabe des polnischen Systems (vgl. BVerfGE 53, 164 ≪180 f.≫; vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Staatssekretärs Eicher vor dem Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages, Kurzprotokoll der 90. Sitzung des Ausschusses vom 3. Dezember 1975, S. 25 f. sowie die von dem Abgeordneten Sund in der 202. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 26. November 1975, S. 13986 genannten Beispiele).
cc) Es begegnet insbesondere auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Organe der Bundesrepublik Deutschland angesichts der Unterschiede in den Wirtschafts- und Lebensverhältnissen, aber auch der Sozialversicherungssysteme in den beiden Ländern erwarteten, ein Sozialversicherungsabkommen auf der Grundlage des Eingliederungsprinzips, wie es bereits für die Renten der Vertriebenen und Flüchtlinge nach dem innerstaatlichen Fremdrentenrecht galt, würde zu einem gerechteren Ergebnis als ein Export von Rentenleistungen führen. Er konnte insbesondere davon ausgehen, dass die aus Polen exportierten Renten, die niedriger waren als die deutschen, in aller Regel nicht für einen angemessenen Lebensstandard in der Bundesrepublik ausreichen würden (vgl. die Stellungnahme des Staatsekretärs Eicher in der 425. Sitzung des Bundesrates vom 7. November 1975, S. 331 f.). Die nach Polen gezahlten Renten wären dagegen nicht selten höher ausgefallen als die dortigen Arbeitnehmereinkommen (vgl. die Stellungnahme des Abgeordneten Sund in der 202. Sitzung des Bundestages am 26. November 1975, S. 13984 f.) und hätten dort zu sozialen Spannungen führen können. Überdies hatte die polnische Delegation im Laufe der Vertragsverhandlungen immer wieder deutlich gemacht, dass Polen eine unter diesem Gesichtspunkt unterschiedliche Behandlung von Deutschen und Polen auf seinem Staatsgebiet nicht zulassen könne (vgl. Haase, BArbBl 1976, S. 211 ≪213≫).
c) Auch unter Berücksichtigung der gegenüber den deutschen Versicherten bestehenden Schutzpflicht der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerfGE 53, 164 ≪182≫) ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers durch das deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen von 1975 nicht überschritten. Dies gilt auch, wenn als Folge der Anwendung des Eingliederungsprinzips möglicherweise für die Gruppe der ehemaligen Angehörigen der Deutschen Wehrmacht, die nach Kriegsende in Kriegsgefangenschaft geraten waren, Lücken in ihrem Versicherungsverlauf entstanden sind, die im Einzelfall zu einer niedrigeren Rente führen. Der einzelne Versicherte kann von der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages nicht die Durchsetzung einer bestimmten sachlichen Regelung zu seinen Gunsten verlangen. Es ist in diesem Zusammenhang verfassungsrechtlich nicht geboten, die Interessen Einzelner dem Interesse aller Versicherten, insbesondere aber dem politischen Gesamtinteresse des Staates, vorzuordnen (vgl. BVerfGE 40, 141 ≪178≫). Zum damaligen Zeitpunkt stand die Aussöhnung mit dem polnischen Volk im Vordergrund, nicht zuletzt, um auf diesem Wege auch die Lebensverhältnisse der in Polen lebenden Deutschen zu verbessern und den ausreisewilligen Deutschen die Übersiedlung in die Bundesrepublik zu ermöglichen. Immerhin wurde durch das im Zusammenhang mit dem Sozialversicherungsabkommen von 1975 stehende deutsch-polnische Protokoll (vgl. Bulletin vom 10. Oktober 1975, S. 1199) die Grundlage für die Ausreise von 120.000 bis 125.000 deutschstämmigen Personen in die Bundesrepublik Deutschland geschaffen (vgl. BVerfGE 53, 164 ≪181≫).
d) Im Übrigen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Organe der Bundesrepublik Deutschland auch nach dem Abschluss des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens von 1975 immer wieder für die Belange gerade der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen eingesetzt haben. So konnte mit der „Gemeinsamen Erklärung über die Anwendung und Durchführung des Abkommens vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung” vom 19. Dezember 1995 die Zusage Polens erreicht werden, zukünftig auch deutsche Wehrdienstzeiten vor dem 9. Mai 1945 in der polnischen Rentenleistung zu berücksichtigen. Dabei war, wie sich aus dem von dem Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben des Bundesinnenministeriums vom 6. Mai 1998 ergibt, in den der Erklärung vorausgegangenen Verhandlungen sowie in der Nachfolgezeit immer wieder auch das Problem der deutschen Wehrmachtsangehörigen angesprochen worden, die nach dem 9. Mai 1945 in Kriegsgefangenschaft geraten waren. Die polnische Regierung sah sich jedoch nicht in der Lage, auch zu diesen Zeiten eine entsprechende Zusage abzugeben. Solche politischen Realitäten dürfen bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung eines völkerrechtlichen Vertrages wie dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen von 1975 nicht aus dem Blick verloren werden (vgl. BVerfGE 4, 157 ≪168≫).
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 1436082 |
www.judicialis.de 2005 |