Verfahrensgang
Tenor
1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 2010 – 3 UF 350/08 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit ihr auferlegt wird, die bereits begonnene Psychotherapie bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, den das Jugendamt – in Abstimmung mit dem jeweiligen Therapeuten – als erforderlich ansieht.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main wird insoweit aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.
2. Das Land Hessen hat der Beschwerdeführerin ein Viertel ihrer notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
3. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für die Verfassungsbeschwerde wird auf 8.000 EUR (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer – bereits teilweise nicht zur Entscheidung angenommenen – Verfassungsbeschwerde unter anderem gegen die ihr im Rahmen eines Sorgerechtsverfahrens erteilte Auflage, eine bereits begonnene Psychotherapie nach Weisung des Jugendamtes fortzusetzen.
1. Die unverheiratete Beschwerdeführerin ist Mutter einer im Mai 2001 geborenen Tochter und eines im Januar 2005 geborenen Sohnes. Sie war für beide Kinder allein sorgeberechtigt. Mit Beschluss vom 4. November 2008 bestätigte das Amtsgericht im Rahmen eines vom Jugendamt angeregten Verfahrens nach §§ 1666 f. BGB seine zuvor ergangene einstweilige Anordnung, mit der der Beschwerdeführerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge sowie das Recht, Hilfen zur Erziehung zu beantragen, für ihren Sohn entzogen und auf das Jugendamt als Pfleger übertragen worden war. Zugleich traf es eine Umgangsregelung. Seit Dezember 2008 lebt der Sohn der Beschwerdeführerin in einer Dauerpflegefamilie.
Mit Beschluss vom 6. Mai 2010 wies das Oberlandesgericht die gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin zurück. Es änderte den amtsgerichtlichen Beschluss in der Umgangsregelung sowie dahingehend ab, dass der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre Tochter die Auflage erteilt wurde, „die bereits begonnene Psychotherapie bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, den das Jugendamt – in Abstimmung mit dem jeweiligen Therapeuten – als erforderlich ansieht”. Die Auflage sei auf Antrag von Jugendamt und Verfahrenspflegerin zu verhängen, um zum Wohle des Mädchens zu gewährleisten, dass die bereits begonnene Therapie fortgesetzt werde. Das erscheine aufgrund der Vorfälle der letzten zwei Jahre und wegen der eingeschränkten Erziehungsfähigkeit der Beschwerdeführerin als erforderlich.
2. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 4. November 2008 und des Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2010 Verfassungsbeschwerde eingelegt und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Mit Beschluss vom 13. Juli 2010 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sich die Beschwerdeführerin hiermit gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 4. November 2008 und gegen die Zurückweisung der hiergegen gerichteten Beschwerde sowie die Umgangsregelung im Beschluss des Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2010 gewandt hat. Damit hat sich zugleich ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.
3. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Auflage der Therapiefortsetzung im Beschluss des Oberlandesgerichts richtet, wurde sie der Regierung des Landes Hessen zugestellt. Diese hat von einer Stellungnahme abgesehen.
4. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Auflage, die begonnene Psychotherapie fortzusetzen, solange es das Jugendamt für erforderlich halte, verletze sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Es fehle an einer verfassungsrechtlich gebotenen klaren und unmissverständlichen gesetzlichen Grundlage für einen solch weitreichenden Eingriff. Eine solche könne insbesondere nicht in § 1666 BGB gesehen werden. Eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts ergebe sich zudem daraus, dass das Oberlandesgericht ausdrücklich auf eine Absprache des Jugendamtes mit dem Therapeuten abstelle und damit dem Jugendamt einen Auskunftsanspruch einräume.
5. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Auflage zur Fortsetzung der Psychotherapie im Beschluss des Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2010 richtet, und gibt ihr statt.
1. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen einer stattgebenden Kammerentscheidung sind gegeben (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Persönlichkeitsrecht sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits entschieden (vgl. BVerfGE 32, 373 ≪378 ff.≫; 44, 353 ≪372 f.≫; 65, 1 ≪41 f.≫; 78, 77 ≪84 f.≫; 84, 192 ≪194 f.≫; 89, 69 ≪82 ff.≫; 96, 56 ≪61≫; 121, 69 ≪90 f.≫). Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie sich gegen die Auflage der Fortsetzung der Psychotherapie richtet, zulässig und begründet.
a) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig.
Insbesondere hat die Beschwerdeführerin gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG hinreichend dargetan, dass die angegriffene Auflage zur Fortsetzung der Psychotherapie sie in ihrem Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzen könnte.
Der Beschwerdeführerin fehlt auch nicht etwa das Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerde, weil sie möglicherweise ohnehin gewillt ist, die Psychotherapie zu Ende zu führen. Dies schließt nicht aus, dass sich ihre Meinung im Laufe der Behandlung ändert und sie dann die Therapie aufgrund der gerichtlichen Anordnung gegen ihren Willen fortsetzen müsste. Ebenso wenig lässt der Umstand, dass die Anordnung mangels hinreichender Bestimmtheit der zu absolvierenden Therapie nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar ist, das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin entfallen. Denn die im Beschlusswege ergangene Anordnung hat gleichwohl verbindlichen Charakter und kann von der Beschwerdeführerin nicht ohne Rechtsverstoß missachtet werden.
b) Die Auflage, die begonnene Psychotherapie bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, den das Jugendamt – in Abstimmung mit dem jeweiligen Therapeuten – als erforderlich ansieht, verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
aa) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses Recht schützt die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfG 65, 1; 80, 367). Hierzu zählt auch der Schutz vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter des Einzelnen (vgl. BVerfGE 32, 373 ≪378 ff.≫; 44, 353 ≪372 f.≫; 65, 1 ≪41 f.≫; 78, 77 ≪84≫; 84, 192 ≪194 f.≫; 89, 69 ≪82≫). Der Schutz ist umso intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen, die als unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz beansprucht (vgl. BVerfGE 32, 373 ≪378 f.≫; 65, 1 ≪45 f.≫; 89, 69 ≪82 f.≫).
Ungeachtet der konkret angewandten Form der Psychotherapie besteht ihr Ziel darin, im Wege der Interaktion mit dem Therapeuten persönliche Verhaltensweisen und/oder bestimmte Persönlichkeitsstrukturen zu ändern, um psychische Störungen oder Leiden zu mindern oder zu beheben. Eine solche Behandlung erfordert regelmäßig eine stete Analyse der seelischen Verfassung und persönlichen Denkweisen des Patienten durch den Therapeuten und verlangt vom Patienten seinerseits eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst. Sie berührt damit den höchstpersönlichen, durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Lebensbereich des Betroffenen. Dieser umfasst auch den Willen und die Entscheidung des Einzelnen, sich einer psychotherapeutischen Einflussnahme auf die eigene Persönlichkeit zu unterwerfen oder aber dies nicht zu tun.
bb) Wird jemand kraft gerichtlicher Anordnung verpflichtet, sich einer Psychotherapie gegebenenfalls auch gegen seinen Willen zu unterziehen, greift dies in das Recht auf Achtung seiner Privatsphäre ein (vgl. BVerfGK 1, 167 ≪169 f.≫ zur Erzwingung einer psychologischen Begutachtung). Dabei ist nicht entscheidend, ob die erteilte Auflage im Falle einer Weigerung mit Zwangsmitteln durchsetzbar wäre. Bereits die gerichtlich verbindlich getroffene Anordnung beeinträchtigt den Betroffenen in seiner Entscheidungsbildung, zumal der verpflichtete Elternteil im Falle des Nichtbefolgens gleichwohl mit negativen Konsequenzen, etwa einem erneuten Verfahren nach §§ 1666 f. BGB rechnen muss.
Die angegriffene Auflage greift zudem auch insoweit in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin ein, als die Entscheidung über die Therapiedauer in das Ermessen des Jugendamtes „in Abstimmung mit dem jeweiligen Therapeuten” gestellt wird. Eine Abstimmung setzt einen Informationsaustausch zwischen Jugendamt und Therapeut zumindest über den bisherigen Erfolg der Therapie sowie die etwaige Notwendigkeit weiterer therapeutischer Maßnahmen und damit über dem Schutz von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unterfallende Sachverhalte voraus. Die Anordnung einer solchen Datenübermittlung durch das Gericht beschneidet das Recht der Beschwerdeführerin, grundsätzlich selbst über die Weitergabe grundrechtlich relevanter Informationen zu entscheiden.
cc) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht absolut geschützt. Vielmehr muss jeder Bürger staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 32, 373 ≪379≫; 65, 1 ≪44≫; 89, 69 ≪84≫; 96, 56 ≪61≫). Aus der gesetzlichen Grundlage müssen sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪44≫; 121, 69 ≪91≫; BVerfGK 1, 167 ≪170≫). In grundlegenden normativen Bereichen hat der Gesetzgeber dabei alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 61, 260 ≪275≫; 88, 103 ≪116≫).
(1) Für den erheblichen Eingriff einer gerichtlich angeordneten Psychotherapie zur Verbesserung der Erziehungsfähigkeit fehlt eine solcherart klare und unmissverständliche gesetzliche Grundlage. Die – hier allein in Betracht kommende – Vorschrift des § 1666 Abs. 1 und 3 BGB genügt diesen Anforderungen insoweit nicht (vgl. hierzu auch OLG Saarbrücken, Beschluss vom 19. Oktober 2010 – 6 UF 48/09 –, NJW-RR 2010, S. 146 ≪148≫, OLG Bremen, Beschluss vom 2. November 2009 – 4 UF 83/09 –, FamRZ 2010, S. 821 ≪822≫; zur zwangsweisen Begutachtung in Sorgerechtsverfahren vgl. außerdem: BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 – XII ZB 68/09 –, NJW 2010, S. 1351 ≪1352≫; sowie zur Zulässigkeit von Therapieauflagen im Rahmen von § 1684 (§ 1634 a.F.) BGB: BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1993 – XII ZB 88/92 –, FamRZ 1994, S. 158 ≪160≫; OLG Brandenburg, Beschluss vom 21. November 2001 – 9 UF 219/01 –, FamRZ 2002, S. 975 ≪977 f.≫; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Februar 2003 – 20 WF 152/02 –, FamRZ 2004, S. 56 ≪57≫; OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. Januar 2007 – 17 UF 190/06 –, NJW-RR 2007, S. 1083).
§ 1666 BGB erlaubt Eingriffe in die elterliche Sorge, wenn das Kindeswohl gefährdet ist und die Eltern in ihrer Schutzfunktion ausfallen. Die Regelung wurde durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4. Juli 2008 (BGBl I S. 1188) neu gefasst. Dabei wurde in Absatz 3 eine beispielhafte Aufzählung der Rechtsfolgen von § 1666 Abs. 1 BGB aufgenommen. Mit der Änderung sollte exemplarisch klargestellt werden, welche familiengerichtlichen Maßnahmen auch unterhalb der Schwelle der Sorgerechtsentziehung möglich sind (BTDrucks 16/6815, S. 11). Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung einer Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes oder seines Vermögens erforderlich sind, sofern die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören gemäß Absatz 3 der Regelung insbesondere Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen (Nr. 1), Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen (Nr. 2), Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält (Nr. 3), Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen (Nr. 4), die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge (Nr. 5) und die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge (Nr. 6).
(a) Die Anordnung, dass sich ein Elternteil selbst einer psychiatrischen Therapie zu unterziehen hat, lässt sich keinem der in Absatz 3 beispielhaft aufgeführten Maßnahmen zuordnen oder ist ihnen vergleichbar. Insbesondere handelt es sich bei der Aufnahme oder Weiterführung einer Psychotherapie weder um eine öffentliche Hilfe noch um eine Maßnahme der Gesundheitsfürsorge für das Kind im Sinne von Absatz 3 Nr. 1. Die im Interesse vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten des Gerichts weit gefasste Formulierung des § 1666 Abs. 1 BGB (vgl. BTDrucks 16/6815, S. 11) lässt jedenfalls nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit erkennen, dass die Aufnahme beziehungsweise Fortsetzung einer Psychotherapie durch ein Elternteil hiernach zulässigerweise zur Auflage gemacht werden kann. Gegen eine solche Auslegung spricht vielmehr der systematische Gesichtspunkt, dass die psychotherapeutische Behandlung der Eltern – anders als die in Absatz 3 genannten Ge- und Verbote – keine Maßnahme ist, die die sorgerechtlichen Beziehungen zum Kind berührt. Dieses ist nur insoweit mittelbar betroffen, als infolge der angestrebten Veränderung der elterlichen Persönlichkeitsstrukturen oder Verhaltensweisen des Elternteils eine Verbesserung seiner Erziehungsfähigkeit erreicht werden soll.
Die verbindliche Auflage, eine Psychotherapie durchzuführen beziehungsweise fortzusetzen, kann angesichts des hiermit verbundenen erheblichen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Elternteils zudem nicht etwa als milderes Mittel gegenüber dem in § 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB aufgeführten Sorgerechtsentzug angesehen werden. Auch der Entstehungsgeschichte lassen sich keine Hinweise dahingehend entnehmen, dass vom Regelungszweck der Vorschrift ein derartiger Eingriff in das nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Selbstbestimmungsrecht der Eltern umfasst sein sollte. Allerdings hindert der Umstand, dass nach alldem die verpflichtende Anordnung einer Psychotherapie der Eltern unzulässig ist, das Gericht nicht, dem betroffenen Elternteil die Aufnahme oder Weiterführung einer psychotherapeutischen Behandlung anzuraten, durch die eine Verbesserung seiner Erziehungsfähigkeit erreicht werden könnte. Besteht die Kindeswohlgefährdung fort, weil der Elternteil der Anregung nicht nachkommt oder aber die Therapie zu keiner hinreichenden Verbesserung der Erziehungsfähigkeit führt, bleibt dem Gericht als ultima ratio die Möglichkeit, gemäß § 1666 Abs. 1 und 3 Nr. 6 BGB dem Elternteil das Sorgerecht oder Teile hiervon zu entziehen.
(b) Soweit der angegriffene Beschluss eine Abstimmung des Jugendamtes mit dem jeweiligen Therapeuten über die Fortdauer der Psychotherapie vorsieht, fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. § 1666 BGB enthält keine Befugnis zur Anordnung derartiger Aufklärungsmaßnahmen durch das Jugendamt. Im Übrigen lässt das Oberlandesgericht unberücksichtigt, dass der Therapeut möglicherweise der Schweigepflicht nach § 203 StGB unterliegt und daher eine Abstimmung des Jugendamtes mit dem Therapeuten über die Erforderlichkeit der Therapiefortsetzung ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin gar nicht möglich ist.
(2) Die angegriffene Auflage, die Psychotherapie fortzusetzen, ist zudem unverhältnismäßig. Sofern die Beschwerdeführerin – wozu der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts keine Feststellungen enthält – die Psychotherapie selbst fortsetzen möchte, ist die beschlossene Auflage zur Abwehr der Gefährdung des Wohls des Kindes jedenfalls derzeit nicht erforderlich. Sollte die Beschwerdeführerin hingegen zu einer Weiterführung der psychiatrischen Therapie nicht bereit sein, bestehen erhebliche Zweifel, dass die zwangsweise verordnete Maßnahme den beabsichtigten Erfolg einer Verbesserung der Erziehungsfähigkeit der Beschwerdeführerin herbeiführen kann. Denn neben einem tragfähigen Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut wird der Erfolg einer Psychotherapie regelmäßig von der Bereitschaft des Betroffenen abhängig sein, sich auf die Analyse seiner Persönlichkeit und Verhaltensweisen einzulassen, an der Erarbeitung von Lösungsstrategien mitzuarbeiten und gegenüber Hilfestellungen durch den Therapeuten offen zu sein. Hieran dürfte es jedoch häufig fehlen, wenn sich ein Elternteil einer Psychotherapie nur widerwillig aufgrund gerichtlicher Verpflichtung unterwirft. Vor diesem Hintergrund hätte das Gericht zumindest näher darlegen müssen, woraus es seine Überzeugung schöpft, dass die angeordnete Maßnahme zur Gefahrenabwehr geeignet ist.
dd) Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem dargelegten Grundrechtsverstoß. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht bei Beachtung der Bedeutung und Tragweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts davon abgesehen hätte, die Beschwerdeführerin zu einer Fortsetzung der Therapie nach Weisung des Jugendamtes zu verpflichten.
2. Die Entscheidung über die teilweise Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin im Verfassungsbeschwerdeverfahren folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. In Anbetracht des Umfangs, in dem die Beschwerdeführerin mit ihrer Verfassungsbeschwerde erfolgreich ist, ist eine Erstattungsanordnung von einem Viertel ihrer Auslagen angemessen.
3. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪366 ff.≫).
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Paulus
Fundstellen