Entscheidungsstichwort (Thema)
Rehabilitierung auf DDR-Entscheidungen
Beteiligte
Rechtsanwälte Pünder und Koll. |
Verfahrensgang
Thüringer OLG (Zwischenurteil vom 08.03.1996; Aktenzeichen 2 Ws - Reha 35/95) |
LG Gera (Zwischenurteil vom 22.12.1993; Aktenzeichen 6 (4) Reha 464/92) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
1. a) (1) Das Landgericht Rudolstadt verurteilte den Beschwerdeführer am 10. November 1950 in seiner Abwesenheit wegen fortgesetzten Verbrechens nach der Wirtschaftsstrafverordnung und dem Kontrollratsgesetz Nr. 50 sowie wegen fortgesetzten Vergehens nach der Kriegswirtschaftsverordnung und der Verbrauchsregelungsstrafverordnung zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und drei Monaten Zuchthaus sowie zu einer Geldstrafe von 10.000 DM. Sein Vermögen und die Rosenbrauerei, die von einer Kommanditgesellschaft betrieben wurde, deren Komplementär der Beschwerdeführer war, wurden eingezogen. Außerdem wurde dem Beschwerdeführer jede leitende Tätigkeit im Brauereigewerbe auf die Dauer von fünf Jahren untersagt. Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, Lagerbestände verheimlicht und dem ordnungsgemäßen Wirtschaftsablauf entzogen zu haben. Außerdem habe er Düngemittel ohne Bezugsberechtigung gekauft und abgegeben. Die Taten seien strafbar nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 in Tateinheit mit § 6 Abs. 1 Ziff. 1 WStrVO, Art. 1 des Kontrollratsgesetzes Nr. 50, § 1 a Abs. 1 Ziff. 2 Kriegswirtschaftsverordnung und § 1 Abs. 1 Ziff. 1 Verbrauchsregelungsstrafverordnung.
(2) Die Revision des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht Erfurt mit Urteil vom 4. Mai 1951 verworfen.
b) Bereits mit Urteil des Landgerichts Rudolstadt vom 9. August 1949 – KLs 51/49 – war der Beschwerdeführer wegen Verbrechens und Vergehens nach der Wirtschaftsstrafverordnung zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt und im Übrigen freigesprochen worden. Mit der damaligen Anklage war dem Beschwerdeführer unter anderem zur Last gelegt worden, Dieselöl, Waschbenzin und Testbenzin ohne Bezugsberechtigung bezogen und bei Seite geschafft zu haben.
2. Im Jahre 1953 beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 15 in Verbindung mit § 2 des Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. Mai 1953 (BGBl I S. 161) – RHG –, die Vollstreckung des Urteils des Landgerichts Rudolstadt vom 10. November 1950 für unzulässig zu erklären. Gegen den ablehnenden Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 1956 – 1 Ws 567/56 – erhob der Beschwerdeführer erfolgreich Verfassungsbeschwerde (Beschluss des Zweiten Senats vom 31. Mai 1960 – 2 BvR 234, 235, 236/60 –, BVerfGE 11, 150).
3. Dem Antrag des Beschwerdeführers, im Wege der Kassation die Aufhebung der Vermögenseinziehung im Urteil des Landgerichts Rudolstadt vom 10. November 1950 auszusprechen, entsprach das Bezirksgericht mit Beschluss vom 18. Juli 1991.
4. Den weiteren Antrag des Beschwerdeführers, das Urteil des Landgerichts Rudolstadt vom 10. November 1950 im Übrigen aufzuheben, wies das Landgericht Gera mit Beschluss vom 22. Dezember 1993 zurück. Zur Begründung führte es aus, dass die Verurteilung keiner politischen Verfolgung gedient habe, sondern eine nach dem Grundsatz des Art. 18 Abs. 1 des Einigungsvertrags zu respektierende Entscheidung darstelle. Eine Katalogtat gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG liege nicht vor. Der Umstand, dass die angegriffene Verurteilung Straftatbestände betreffe, die den Schutz des planwirtschaftlich ausgerichteten sozialistischen Wirtschaftssystems der DDR bezweckten, sei nicht geeignet, eine Rehabilitierung zu begründen. Die strafbewehrten Ausprägungen des DDR-Wirtschaftssystems seien den Vertragsschließenden des Einigungsvertrags bekannt gewesen. Gleichwohl hätten sie in Art. 18 Abs. 1 des Einigungsvertrags den Grundsatz aufgestellt, dass rechtskräftige Urteile der DDR-Strafgerichte wirksam blieben.
Dieser Grundsatz sei durch das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz für den Bereich des DDR-Wirtschaftsstrafrechts nicht eingeschränkt worden.
Nach dem Grundlagenvertrag der damaligen Bundesrepublik Deutschland mit der damaligen DDR sei die DDR als eigenständiger souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts anzusehen und als solcher befugt gewesen, auf den Schutz der sozialistischen Planwirtschaft zugeschnittene Gesetze und Vorschriften zu erlassen und ihre Verletzung strafrechtlich zu sanktionieren. Die Bestrafung wegen Zuwiderhandlung gegen die DDR-Wirtschaftsordnung schützende Gesetze sei daher ohne Hinzutreten darüber hinausgehender besonderer Umstände nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 StrRehaG rechtsstaatswidrig und keine Maßnahme politischer Verfolgung. Dementsprechend sei die vorliegende Verurteilung im Schuldspruch nicht zu beanstanden, denn derartige Besonderheiten seien nicht erkennbar. Die Verurteilung sei wegen Verletzung von wirtschaftslenkenden Melde- und Warenbezugsvorschriften erfolgt, deren Aufstellung in Not- und Mangelzeiten per se keineswegs rechtsstaatswidrig sei. Vergleichbare Warenbewirtschaftungsregelungen habe es in der Nachkriegszeit auch in den damaligen Westzonen gegeben.
Die Entscheidungen im Rechtshilfeverfahren entfalteten für das Verfahren nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz keinerlei Bindungswirkung. Im Rechtshilfeverfahren sei es um die Frage der Zulässigkeit der Vollstreckung nach den Grundsätzen des § 2 RHG gegangen, während im Rehabilitierungsverfahren die Rechtsstaatswidrigkeit nach § 1 StrRehaG unter Berücksichtigung der durch den Grundlagenvertrag und den Einigungsvertrag veränderten Rechtslage zu beurteilen sei.
Ausreichende Anhaltspunkte für eine auf Ermöglichung der Verurteilung zielende unzutreffende Tatsachenfeststellung durch das DDR-Gericht seien nicht zu erkennen. Soweit sich dies aus den erhaltenen Unterlagen ablesen lasse, sei eine umfängliche Beweisaufnahme durchgeführt worden; die Feststellungen basierten weitgehend auf dem umfassenden Geständnis des Mitverurteilten. Die Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers, der durch einen Rechtsanwalt verteidigt worden sei, sei strafprozessual zulässig gewesen.
Die angeordneten Rechtsfolgen stünden auch nicht in grobem Missverhältnis zu der zu Grunde liegenden Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG. Dass die Bestrafung zu drei Jahren und drei Monaten Zuchthaus und 10.000 DM Geldstrafe sicherlich härter ausgefallen sei als sie durch ein Gericht der Bundesrepublik – die Strafbarkeit unterstellt – zu erwarten gewesen wäre, begründe keinen Rehabilitierungsanspruch. Der Rechtsstaatswidrigkeit der Einziehung der Brauerei und des Vermögens des Beschwerdeführers sei bereits durch die Entscheidung des Bezirksgerichts vom 18. Juli 1991 Rechnung getragen worden.
5. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers, der die Generalstaatsanwaltschaft beitrat, änderte das Oberlandesgericht die landgerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 8. März 1996 ab. Es erklärte das Urteil des Landgerichts Rudolstadt für rechtsstaatswidrig und hob es auf, soweit gegen den Beschwerdeführer eine höhere als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt worden war, und stellte einen entsprechenden Anspruch auf Erstattung der Kosten und Auslagen aus dem DDR-Strafverfahren fest. Die weiter gehende Beschwerde wies es zurück.
Zur Begründung führte es aus: Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass sich allein aus der Verurteilung wegen Verstoßes gegen die Wirtschaftsstrafverordnung, das Kontrollratsgesetz Nr. 50, die Kriegswirtschaftsverordnung und die Verbrauchsregelungsstrafordnung eine Unvereinbarkeit mit wesentlichen rechtsstaatlichen Grundsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 StrRehaG noch nicht ergebe.
Das Landgericht sei auch zu Recht von den damals getroffenen tatsächlichen Feststellungen ausgegangen. Aus der grundsätzlichen Bestandskraft von DDR-Urteilen folge, dass die Rehabilitierungsgerichte in aller Regel von den damals festgestellten Tatsachen auszugehen hätten, es sei denn, eine Würdigung der gesamten Umstände des damaligen Strafverfahrens im Freibeweis ergäbe, dass die Sachverhaltsfeststellungen ihrerseits nicht rechtsstaatlich zustande gekommen seien.
Auch die Verurteilung des Beschwerdeführers in Abwesenheit verstoße nicht gegen wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze. Die erweiterte Möglichkeit der Verhandlung gegen Abwesende sei zwar in der Bundesrepublik 1950 wieder abgeschafft worden, während sie in der DDR bestehen geblieben sei. Der Beschwerdeführer sei hier jedoch durch zwei Wahlverteidiger vertreten gewesen, die auch in seinem Auftrag Revision eingelegt hätten. Unter diesen Voraussetzungen würden auch andere rechtsstaatliche Ordnungen, etwa die französische, eine Verhandlung gegen Abwesende selbst dann kennen, wenn mehrjährige Haftstrafen drohten.
Eine Rechtsstaatswidrigkeit folge auch nicht aus einem Verstoß des angegriffenen Urteils gegen den Grundsatz „ne bis in idem”. Ausweislich der Gründe des Urteils des Landgerichts Rudolstadt vom 9. August 1949 sei der dortige Teilfreispruch deshalb erfolgt, weil die vermeintlichen verheimlichten Bestände an Dieselöl und Benzin sich bei einer chemischen Analyse als Fußbodenöl bzw. als Petroläther herausgestellt hätten. Solche Feststellungen hätten sich, abgesehen von den nicht übereinstimmenden Mengen, hinsichtlich der der angegriffenen Verurteilung von 1950 zugrunde gelegten Mengen ausweislich der damaligen Urteilsgründe nicht treffen lassen. Der Senat gehe daher hinsichtlich des Vorwurfs des Hortens von Dieselöl und Benzin in dem angegriffenen Urteil davon aus, dass es sich nicht um die Flüssigkeiten gehandelt habe, die dem Tatvorwurf zugrunde gelegen hätten, von dem der Beschwerdeführer mit Urteil vom 9. August 1949 freigesprochen worden sei. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Strafklageverbrauchs werde daher „nicht für gegeben erachtet”.
Der Umfang der Verurteilung könne indes keinen Bestand haben. Die Begleitumstände des seinerzeitigen Strafverfahrens ergäben nämlich, dass gezielt nach einem Vorwand zur Verstaatlichung der Rosenbrauerei gesucht worden sei. Der Beschwerdeführer habe aus seinem Unternehmen herausgedrängt werden sollen. Es habe eine Pogromstimmung geherrscht, die bewirkt habe, dass der Beschwerdeführer wunschgemäß geflüchtet sei und nicht gewagt habe, in die DDR zurückzukehren, um sich dem Strafverfahren zu stellen. Bei der vorzunehmenden Teilrehabilitierung sei das Strafmaß zugrundezulegen, auf das ein DDR-Gericht in Ansehung der dort deutlich härteren Strafpraxis, aber ohne die rechtsstaatswidrigen Einflüsse, erkannt hätte. Der Senat erachte unter Berücksichtigung der Vorverurteilung des Beschwerdeführers, seines Tatbeitrags sowie des im Urteil festgestellten betriebsbezogenen Motivs eine Freiheitsstrafe von einem Jahr als rechtsstaatlich noch hinnehmbar.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts im Rehabilitierungsverfahren und rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG und seiner grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie Art. 103 Abs. 3 GG.
1. Die den Beschwerdeführer belastende Entscheidung im Rehabilitierungsverfahren sei als Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG nur gerechtfertigt, wenn § 1 Abs. 1 StrRehaG verfassungsgemäß sei und auch verfassungsgemäß ausgelegt und angewendet werde. Daran fehle es. Die Wirtschaftsstrafverordnung widerspreche insgesamt wesentlichen rechtsstaatlichen Grundsätzen und verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Sie verkörpere einen Missbrauch des Strafrechts zur politisch-ideologisch motivierten Verfolgung Andersdenkender. Das Bundesverfassungsgericht habe dies in seinem Beschluss vom 31. Mai 1960 ausdrücklich bestätigt.
Diese Entscheidung beziehe sich zwar auf die Zulässigkeit einer Vollstreckung und nicht auf eine etwaige Rehabilitierung. Prüfungsmaßstab sei in beiden Fällen aber die im Grundgesetz festgeschriebene verfassungsmäßige Ordnung. Für die Rehabilitierung könne daher nichts anderes gelten als für die Vollstreckung.
2. Das Oberlandesgericht habe den Beschwerdeführer auch in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt. Es habe darauf verzichtet, überhaupt die Richtigkeit der Feststellungen des Landgerichts zu überprüfen. Das Landgericht sei aber lediglich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen in dem angegriffenen Urteil ausgegangen und habe dem Beschwerdeführer sogar den Umstand angelastet, dass nahezu sämtliche Verfahrensakten der Prozesse von 1949 und 1950 nicht mehr auffindbar seien. Es habe die Sachverhaltsaufklärung pflichtwidrig verweigert und dem Beschwerdeführer damit effektiven Rechtsschutz versagt.
3. Darüber hinaus habe es das Verbot der Mehrfachbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) missachtet. Es habe verkannt, dass das Landgericht Rudolstadt in seiner Entscheidung von 1950 einen geschichtlichen Vorgang abgeurteilt habe, der bereits Gegenstand des Verfahrens von 1949 gewesen sei. Es sei zumindest nicht auszuschließen, dass der Tatvorwurf hinsichtlich des Öls und des Benzins im Verfahren von 1950 identisch mit dem Tatvorwurf hinsichtlich des Dieselöls, Waschbenzins und Testbenzins im Verfahren von 1949 gewesen sei. Soweit sich das Oberlandesgericht außer Stande gesehen habe, die Frage der Tatidentität abschließend zu beurteilen, hätte es nach dem Grundsatz in dubio pro reo, dem Verfassungsrang zukomme, von dem Sachverhalt ausgehen müssen, der für den Beschwerdeführer der günstigere gewesen wäre.
4. Schließlich habe das Oberlandesgericht verkannt, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers in Abwesenheit durch das Landgericht Rudolstadt gegen Art. 103 Abs. 1 GG und das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Recht auf ein faires Verfahren verstoßen habe. Das Oberlandesgericht wähle einen verfassungsrechtlich unrichtigen Prüfungsmaßstab, wenn es auf andere rechtsstaatliche Ordnungen, etwa die französische, verweise, weil nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 StrRehaG die Entscheidungen der DDR-Gerichte an der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu messen seien.
Bereits das einfache Gesetzesrecht, nämlich § 234 StPO, stelle klar, dass auch bei anwaltlicher Vertretung die Abwesenheit des Angeklagten nur unschädlich sei, wenn auch sonst in Abwesenheit hätte verhandelt werden dürfen.
Das sei hier aber gerade nicht der Fall. Der Angeklagte habe sich auch nicht freiwillig der Möglichkeit der persönlichen Teilnahme an der Hauptverhandlung begeben. Das Oberlandesgericht habe zutreffend von einer Pogromstimmung gesprochen, die bewirkt habe, dass der Beschwerdeführer es nicht gewagt habe, sich dem Strafverfahren in der DDR zu stellen.
Entscheidungsgründe
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ihr keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt und die Annahme auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
Soweit sie sich gegen den landgerichtlichen Beschluss insgesamt und damit auch gegen den vom Oberlandesgericht aufgehobenen Teil richtet, ist sie mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. a) Die Versagung einer Rehabilitierung ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht gleichzusetzen mit einem Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG. Sie bedeutet nicht etwa die Erneuerung der angegriffenen DDR-Verurteilung (Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999 – 2 BvR 1533/94 –, NJW 2000, S. 418). Vielmehr betrifft die Rehabilitierung die Wiedergutmachung judikativen Unrechts der DDR und damit des Unrechts einer fremden Staatsgewalt, für das die Bundesrepublik Deutschland nicht verantwortlich ist und für das sie nicht einzustehen hat (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999, a. a. O., S. 418/420).
b) § 1 Abs. 1 StrRehaG, insbesondere die dort vorgesehene Beschränkung der Rehabilitierung auf DDR-Entscheidungen, die mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind, ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999, a. a. O., S. 419).
c) Die Annahme der angegriffenen Entscheidungen, die Tatsache der Verurteilung nach Vorschriften der Wirtschaftsstrafverordnung, des Kontrollratsgesetzes Nr. 50, der Kriegswirtschaftsverordnung und der Verbrauchsregelungsstrafverordnung genüge nicht, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 StrRehaG zu bejahen, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
(1) Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die hier angewandten Normen des Wirtschaftsstrafrechts der DDR die in der Völkerrechtsgemeinschaft allgemein anerkannten Menschenrechte in schwerwiegender Weise missachteten (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 9. Juli 1998 – 4 StR 599/97 –, JURIS) und die Verurteilung des Beschwerdeführers deshalb unter der Wertordnung des Grundgesetzes keinen Bestand haben könne (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999, a. a. O., S. 419). Insbesondere das Landgericht hat ausführlich dargelegt, dass die DDR als souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts befugt gewesen sei, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln und damit auch ihre planwirtschaftlich ausgerichtete Wirtschaftsordnung durch entsprechende Gesetze und Vorschriften zu schützen und deren Verletzung strafrechtlich zu sanktionieren. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag (vgl. BVerfGE 36, 1 ≪22≫) und sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. auch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999, a. a. O., S. 419).
(2) Die Rehabilitierungsgerichte mussten sich von Verfassungs wegen auch nicht bei der Auslegung von § 1 Abs. 1 StrRehaG an der Rechtsprechung zum Rechtshilfegesetz, insbesondere der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Rechtshilfeverfahren des Beschwerdeführers, orientieren. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist durch die Ablehnung der Rehabilitierung nicht verletzt. Schon nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften ist für die Rehabilitierung einerseits und die Rechtshilfe andererseits ein unterschiedlicher Prüfungsmaßstab anzulegen: § 2 RHG spricht vom Einklang mit bzw. Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen, während § 1 Abs. 1 StrRehaG die Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung voraussetzt. Aber gerade auch der verfassungsrechtliche Kontext der Rehabilitierung einerseits und der Rechtshilfe andererseits ist nicht vergleichbar: Die Rehabilitierung betrifft, wie ausgeführt, die Wiedergutmachung von Unrecht einer fremden Staatsgewalt, während die Rechtshilfe zur Vollstreckung einer DDR-Verurteilung mit Hilfe bundesdeutscher Behörden führte und damit einen Grundrechtseingriff der Bundesrepublik Deutschland darstellte (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999, a. a. O., S. 420).
2. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ist nicht verletzt. Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht haben sich an die Tatsachenfeststellungen des DDR-Gerichts gebunden gesehen (vgl. dazu Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999, a. a. O., S. 421).
Die Ausführungen des Landgerichts lassen vielmehr erkennen, dass es geprüft hat, ob das DDR-Gericht unzutreffende Tatsachen zur Ermöglichung einer Verurteilung des Beschwerdeführers festgestellt hat. Ausreichende Anhaltspunkte hierfür hat das Landgericht verneint. Dass solche Anhaltspunkte vorhanden gewesen und in verfassungswidriger Weise nicht berücksichtigt worden wären, ist nicht ersichtlich und auch dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Seine schlichte Behauptung, ihm sei die Unauffindbarkeit nahezu sämtlicher Verfahrensakten der Prozesse von 1949 und 1950 angelastet worden, gibt dafür nichts her. Auch seinem Vorbringen zu dem behaupteten Verstoß des DDR-Gerichts gegen das Verbot der Mehrfachbestrafung ist nicht zu entnehmen, dass die Rehabilitierungsgerichte Ansatzpunkte für eine weitere Sachverhaltsaufklärung übergangen hätten.
Das Oberlandesgericht ist ebenfalls nicht von einer Bindung an die Feststellungen der DDR-Gerichte ausgegangen. Vielmehr hat es ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, dass diese Feststellungen nicht rechtsstaatlich zustandegekommen sein können, und damit seine verfassungsrechtliche Prüfungspflicht anerkannt, die eine schlichte Übernahme der Tatsachenfeststellungen beim Vortrag politischer Verfolgung verbietet (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999, a. a. O., S. 420 f.).
3. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 3 GG liegt nicht vor.
Das Urteil des DDR-Gerichts ist nicht unmittelbar am Grundgesetz zu messen; das Grundgesetz ist nach dem Beitritt nicht rückwirkend im Gebiet der ehemaligen DDR in Kraft gesetzt worden (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 30. Oktober 1993 – 1 BvL 42/92 – DtZ 1994, S. 148).
Im Übrigen hat das Oberlandesgericht die Frage einer Doppelbestrafung des Beschwerdeführers durch die angegriffene DDR-Verurteilung geprüft und aus tatsächlichen Gründen verneint. Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht war entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht gehalten, nach dem Grundsatz „in dubio pro reo” – für den nicht entschieden ist, ob ihm Verfassungsrang zukommt (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 23. September 1987 – 2 BvR 814/87 –, NJW 1988, S. 477;
2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 4. Februar 1997 – 2 BvR 122/97 –, JURIS) – vom Vorliegen einer Doppelbestrafung auszugehen. Abgesehen davon, dass nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts gar kein Zweifelsfall vorlag, handelt es sich bei dem Satz „in dubio pro reo” um einen strafverfahrensrechtlichen Grundsatz, der zu Gunsten eines Angeklagten Anwendung findet. Das Rehabilitierungsverfahren nach dem StrRehaG, das eine diesem Grundsatz vergleichbare Regelung nicht enthält (vgl. Bruns/Schröder/Tappert, StrRehaG, Kommentar, 1993, § 10, Rn. 34; Herzler/Ladner/Peifer/Schwarze/Wende, Rehabilitierung, Potsdamer Kommentar, 2. Aufl., § 1 StrRehaG, Rn. 54), ist aber kein Strafverfahren; der Antragsteller im Rehabilitierungsverfahren hat auch keine dem Angeklagten im Strafverfahren vergleichbare Stellung. Im Rehabilitierungsverfahren geht es, wie bereits ausgeführt, nicht um die Verurteilung oder die Erneuerung einer Verurteilung des Antragstellers, sondern um die Wiedergutmachung des Unrechts einer fremden Staatsgewalt.
4. Schließlich sind auch Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG in der Ausprägung als Recht auf ein faires Verfahren nicht verletzt. Dies käme nur in Betracht, wenn die Rehabilitierungsgerichte bei der Auslegung von § 1 StrRehaG Bedeutung und Tragweite dieser grundrechtsgleichen Rechte verkannt hätten (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫).
Das ist nicht der Fall. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht haben sich mit der Tatsache der Verurteilung des Beschwerdeführers in seiner Abwesenheit – auf die er seine Rüge der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG stützt – auseinander gesetzt und einen Verstoß gegen wesentliche Grundsätze einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung im Sinne des § 1 StrRehaG verneint. Das Oberlandesgericht hat dies nachvollziehbar damit begründet, dass der Beschwerdeführer durch zwei Wahlverteidiger vertreten gewesen sei, die auch in seinem Auftrag Revision eingelegt hätten. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis des Oberlandesgerichts auf andere rechtsstaatliche Ordnungen wie die französische ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sind die Entscheidungen der DDR-Gerichte nach dem Wortlaut von § 1 StrRehaG nicht an der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, sondern an der Vereinbarkeit „mit wesentlichen Grundsätzeneiner freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung” zu messen (vgl. auch Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 12/1608, S. 16). Dafür, dass die Regelung des § 234 StPO, auf die sich der Beschwerdeführer beruft, von Verfassungs wegen zu den wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung im Sinne des § 1 StrRehaG zu zählen wäre, ist nichts ersichtlich oder vorgetragen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Hassemer, Di Fabio
Fundstellen
Haufe-Index 565362 |
VIZ 2002, 169 |