Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Beschluss vom 02.06.1997; Aktenzeichen 18 UF 49/96) |
AG Konstanz (Urteil vom 27.02.1996; Aktenzeichen 3 F 258/93) |
Tenor
- Ziffer 2 des Urteils des Amtsgerichts Konstanz vom 27. Februar 1996 – 3 F 258/93 – und der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe – Zivilsenate in Freiburg – vom 2. Juni 1997 – 18 UF 49/96 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 6 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 2 und aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Karlsruhe zurückverwiesen.
- Das Land Baden-Württemberg hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Durchführung des Versorgungsausgleichs unter Anwendung der Verordnung zur Ermittlung des Barwerts einer auszugleichenden Versorgung nach § 1587a Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Barwert-Verordnung). Hierbei kamen insbesondere auch die Tabellen zur Barwert-Verordnung in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 22. Mai 1984, die der Ermittlung des Wertes von Versorgungsanwartschaften dienen, zur Anwendung. Die Tabellen wurden inzwischen geändert.
1. Die 1969 geschlossene Ehe der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes wurde durch Verbundurteil des Amtsgerichts vom 27. Februar 1996 geschieden. Zum Ehezeitende hatte die Beschwerdeführerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Versorgungsanwartschaften in Höhe von 277,34 DM. Ihr Ehemann hatte Versorgungsanwartschaften bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von 203,96 DM. Darüber hinaus bestanden für ihn Anwartschaften bei der Bayerischen Versorgungskammer – Architektenversorgung – in Höhe von 1.411,10 DM, die das Amtsgericht als teildynamisch ansah und unter Anwendung der Barwert-Verordnung und der Tabellen in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 22. Mai 1984 in ein dynamisches monatliches Altersgeld in Höhe von 707,33 DM umrechnete. Das Gericht regelte den Versorgungsausgleich dahin, dass es zu Lasten der für den Ehemann bei der Bayerischen Versorgungskammer – Architektenversorgung – bestehenden Rentenanwartschaften auf dem Versicherungskonto der Beschwerdeführerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für diese Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 316,98 DM begründete.
Das Oberlandesgericht wies die nur gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin zurück. Im Wesentlichen begründete es seine Entscheidung damit, dass die Versorgung bei der Bayerischen Versorgungskammer – Architektenversorgung – zwar im Leistungs-, nicht aber im Anwartschaftsstadium volldynamisch sei. Deshalb sei die Versorgungsanwartschaft insgesamt unter Anwendung der Barwert-Verordnung in eine volldynamische Anwartschaft umzurechnen. Das Gericht ging unter anderem davon aus, dass die Anpassung der Architektenversorgung im Anwartschaftsstadium im Zeitraum zwischen 1988 und 1994 im linearen Durchschnitt 1,90 v.H. betragen habe, während im gleichen Zeitraum der lineare Durchschnitt der Anpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung 3,12 v.H. und in der Beamtenversorgung 3,03 v.H. betragen habe. Für die Ermittlung des Barwertes von Versorgungen, die in der Anwartschaftsphase teildynamisch und in der Leistungsphase volldynamisch seien, enthalte das Gesetz noch keine auf sie zugeschnittene Regelung. Eine individuelle versicherungsmathematische Berechnung könne nach § 1 Abs. 3 Barwert-Verordnung nicht vorgenommen werden. Die Voraussetzungen für eine Dynamisierung auf der Grundlage des Deckungskapitals lägen nicht vor.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes sowie eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG geltend. Die Gerichte hätten die Barwert-Verordnung, die verfassungswidrig sei, nicht anwenden, sondern den Barwert individuell bestimmen müssen. Die Gleichbehandlung von Anwartschaften, die in der Anwartschaftsphase teildynamisch seien, mit Anwartschaften, die in der Anwartschaftsphase statisch seien, sei nicht gerechtfertigt. Der unterschiedliche Grad der Dynamisierung erfordere eine differenzierte Behandlung der verschiedenen Gruppen, da der Barwert, würde er anhand eines fiktiven Deckungskapitals ermittelt, den nach der Barwert-Verordnung ermittelten Barwert bei weitem übersteigen würde. Durch die Umrechnung anhand der Tabellen der Barwert-Verordnung ergebe sich eine weitere Ungleichbewertung, weil ein Barwert (nur) für Anwartschaften wegen Alters und Invalidität gebildet werde, während in der gesetzlichen Rentenversicherung auch Anwartschaften auf Hinterbliebenenrenten entstünden. Um deren Kosten vermindere sich der Wert der entstehenden Anwartschaften wegen Alters und Invalidität. Die vom Verordnungsgeber genannten Ziele der Gleichbehandlung, nämlich eine einfache Ermittlung des Barwertes durch die Gerichte zu ermöglichen und eine Einholung versicherungsmathematischer Gutachten zu vermeiden, rechtfertigten die sich aus der Anwendung der Barwert-Verordnung ergebende erhebliche Fehlbewertung nicht.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat gemäß § 94 Abs. 3 BVerfGG Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Bundesministerium der Justiz hat sich dahingehend geäußert, dass das Recht des Versorgungsausgleichs in Bezug auf nicht volldynamische Versorgungsanrechte aus Sicht der Bundesregierung der Überarbeitung bedürfe; entsprechende Arbeiten seien aufgenommen. Der Deutsche Familiengerichtstag und die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht haben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Barwert-Verordnung a.F. veraltete biometrische Daten verwende; aktualisierte Richttafeln führten zu im Durchschnitt 20 v.H. höheren Werten. Eine Rechtfertigung für diese erhebliche Abweichung sei nicht ersichtlich. Weiter haben der Bundesgerichtshof, der Deutsche Juristinnenbund, der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht sowie die Bayerische Versorgungskammer – Architektenversorgung – Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Insoweit liegen auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung vor. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 und aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
1. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Frage von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).
Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, an denen sich der Versorgungsausgleich zu orientieren hat, sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt.
Insbesondere hat das Gericht entschieden, dass sich die hälftige Aufteilung des Versorgungsvermögens aus der aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG folgenden gleichen Berechtigung am in der Ehe erworbenen Vermögen rechtfertigt (vgl. BVerfGE 53, 257 ≪296≫). Der Versorgungsausgleich entspricht der grundgesetzlichen Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG, nach der zum Wesen der Ehe die grundsätzlich gleiche Berechtigung beider Partner gehört, die sich auch auf die vermögensrechtlichen Beziehungen der Eheleute nach Auflösung der Ehe auswirkt (vgl. BVerfGE 71, 364 ≪386≫). Da die Leistungen der Ehegatten, die sie im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisung erbringen, als gleichwertig anzusehen sind (vgl. BVerfGE 105, 1 ≪11≫), haben beide Ehegatten grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten, das ihnen zu gleichen Teilen zuzuordnen ist. Dies entfaltet seine Wirkung auch nach Trennung und Scheidung (vgl. BVerfGE 105, 1 ≪12≫). Demgemäß hat eine gerichtliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich die ehezeitbezogenen Versorgungswerte so gleichmäßig zwischen den Eheleuten aufzuteilen, dass jeder Ehegatte die Hälfte der in der Ehezeit erworbenen Vermögenswerte erhält (vgl. BVerfGE 66, 324 ≪330≫). Nur wenn der Versorgungsausgleich wirklich zu einer gleichen Aufteilung des Erworbenen führt, ist der Halbteilungsgrundsatz gewahrt (vgl. BVerfGE 87, 348 ≪356≫).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG und aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
a) Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen gegen den sich aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG ergebenden Halbteilungsgrundsatz.
aa) Allerdings liegt der Verstoß nicht in der Umwertung der Anwartschaften gemäß § 1587b Abs. 3 Satz 2 BGB durch fiktive Einzahlung eines Einmalbetrages in die gesetzliche Rentenversicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich mit seiner Bündelung der Versorgungsanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung für einen grundsätzlich geeigneten Weg erachtet, um die gleiche Berechtigung der Eheleute am Versorgungsvermögen zu realisieren (vgl. BVerfGE 63, 88 ≪109≫; 71, 364 ≪394≫; 87, 348 ≪356≫). Dies gilt, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, damit dem Ausgleichsberechtigten eine eigenständige soziale Absicherung zu schaffen, nach wie vor. Die mit der notwendigen Umwertung einhergehende Einpassung der zu übertragenden Anwartschaften in das Leistungsspektrum der gesetzlichen Rentenversicherung führt, wie der Bundesgerichtshof zu Recht ausgeführt hat, zur Begründung zwar nicht gleichartiger, aber gleichwertiger Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung, da etwaige “Transferverluste” durch anderweitige Vorzüge in der gesetzlichen Rentenversicherung kompensiert werden (vgl. BGH, FamRZ 2001, S. 1695 ≪1697≫). Sie liegen neben dem Erwerb von Ansprüchen der Hinterbliebenenversorgung insbesondere in der Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für Mütter und Väter und in der Ausbaufähigkeit eigener Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung mit Hilfe der hierher übertragenen Anwartschaftsrechte aus dem Versorgungsausgleich.
bb) Dagegen führt die Anwendung der alten Fassung der Tabelle der Barwert-Verordnung in den Entscheidungen zu einer Verletzung des Rechts aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG, weil hiermit das Ziel einer gleichen Aufteilung des Erworbenen verfehlt wird.
(1) In der Literatur (z.B. Glockner/Gutdeutsch, FamRZ 1999, S. 896 f.; Klattenhoff, FamRZ 2000, S. 1257 f.) wurde die Richtigkeit der alten Barwerte zu Recht in Zweifel gezogen, weil diese hinsichtlich des Sterbe- und Invaliditätsrisikos auf Annahmen aus den Jahren 1920 bis 1940 beruhten und die Lebenserwartung in der Zwischenzeit deutlich gestiegen ist. Eine gestiegene Lebenserwartung ist aber mit einer erhöhten Leistungsdauer verbunden. Deshalb bedarf es eines höheren Kapitalaufwandes, um eine Versorgung in gleicher Höhe zu finanzieren. Bei gleichem Nominalwert hat eine Anwartschaft bei längerer Leistungsdauer einen höheren Gesamtwert. Liegen der Barwert-Verordnung unzutreffende Daten über die Sterbewahrscheinlichkeit zu Grunde, so dass von einer geringeren Lebenserwartung als der tatsächlich gegebenen Leistungsdauer ausgegangen wird, hat dies zur Folge, dass der sich nach der Umwertung rechnerisch ergebende Betrag, der das für die Finanzierung des Anrechts notwendige Kapital darstellen soll, zu niedrig ist.
(2) In seiner Entscheidung vom 5. September 2001 (Az: XII ZB 121/99, FamRZ 2001, S. 1695) ist der Bundesgerichtshof dieser Kritik gefolgt und hat die Anwendung der Barwert-Verordnung im Kern aus diesem Grunde nur noch für eine Übergangszeit für hinnehmbar erachtet. Der Normgeber hat hierauf reagiert und die Tabellen der Barwert-Verordnung anhand der neuesten biometrischen Daten aktualisiert (Zweite Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 26. März 2003, BGBl I S. 728).
(3) Einer weiteren Überprüfung des Befundes, dass die alten Tabellenwerte der Barwert-Verordnung unzutreffend waren und ihre Anwendung zu einer Unterbewertung des Anrechts führte, bedarf es angesichts des Umstandes, dass der Verordnungsgeber auf die geäußerte Kritik hin die Barwerte novelliert und sich dabei auf im Jahre 1998 erstellte Rechnungsgrundlagen gestützt hat, nicht. Anhand der novellierten Tabellenwerte lässt sich die mit der Barwert-Verordnung verbundene Unterbewertung und die damit zwangsläufig verbundene Verkürzung des Ausgleichsanspruchs nachvollziehen: Anstelle des vom Oberlandesgericht zu Grunde gelegten Barwerts der Tabelle 1 (Lebensalter 55 Jahre) von 5,1 ist nunmehr ein Wert von 6,3 getreten (Zweite Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 26. März 2003, Tabelle 1). Zudem ist wegen des Bestehens einer Volldynamik in der Leistungsphase ein Erhöhungswert von 65 v.H. anstelle der bisherigen 60 v.H. vorgesehen. Hieraus resultiert ein Barwertfaktor von 10,395 anstelle von 8,16, wie er im Ausgangsverfahren ermittelt wurde. Bei Zugrundelegung der im Übrigen unveränderten Rechengrundlagen der angegriffenen Entscheidung errechnet sich nach der neuen Barwert-Verordnung eine dynamisierte Rente von 901,06 DM (anstelle von 707,33 DM). Unter Berücksichtigung der in die Saldierung sonst noch einfließenden Anrechte erhöht sich der Ausgleichsanspruch der Beschwerdeführerin um die Hälfte der Differenz der oben genannten Werte von 316,98 DM auf 413,84 DM. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs unter Zugrundelegung der alten Rechenwerte der Barwert-Verordnung hat insoweit nicht zu einem dem Halbteilungsgrundsatz entsprechenden Ergebnis führen können. Die Beschwerdeführerin wird infolge der durch die mit der Anwendung der alten Barwert-Verordnung verbundenen erheblichen Unterbewertung des Anrechts ihres Ehemannes aus der Bayerischen Architektenversorgung in ihrem Anspruch aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG auf gleiche Teilhabe am ehelichen Versorgungsvermögen verletzt.
b) Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen zudem gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Durch die Anwendung der Barwert-Verordnung werden teildynamische Anwartschaften unterschiedslos wie statische Anwartschaften behandelt. Dadurch werden unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt. Denn die Ermittlung des Barwertes teildynamischer Anrechte unter Berücksichtigung von Rechenfaktoren, die auf Anrechte mit einer geringeren Wertsteigerung (Statik statt Teildynamik) zugeschnitten sind, führt zu einer strukturell angelegten Unterbewertung der teildynamischen Anrechte, weil deren Wert infolge der durch die Dynamik vermittelten Steigerung der Leistung im Versorgungsfall höher ist.
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, unter steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber allerdings nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen können typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Anzahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Stehen die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Regelung jedoch in einem Missverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen, so genügt diese dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfGE 98, 365 ≪385≫). Gleiches gilt für Typsierungen, die aus Praktikabilitätsgründen erfolgen (vgl. BVerfGE 21, 12 ≪27 f.≫; 27, 220 ≪230≫; 40, 65 ≪82≫).
bb) Diese Voraussetzungen für eine Art. 3 Abs. 1 GG genügende Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte sind vorliegend nicht gegeben.
Zwar erfordert die Umwertung von Versorgungsanwartschaften anhand der Barwert-Verordnung eine gewisse Typisierung und Vereinfachung, da der Versorgungsausgleich ein Massenverfahren ist. Die völlige Nichtberücksichtigung der Teildynamik eines Anrechts kann jedoch erhebliche wirtschaftliche Folgen für den Ausgleichsberechtigten haben. Die Dynamik stellt auch nach der Konzeption des Gesetzgebers ein wichtiges Wert prägendes Merkmal von Versorgungsanwartschaften dar. Alle sonstigen qualitativen Unterschiede von Versorgungsrechten sind demgegenüber für die Durchführung des Versorgungsausgleichs unwesentlich. Eine Typisierung, die Anrechte mit einer nicht unwesentlichen Dynamik unterhalb einer Volldynamik gleichbehandelt mit statische Anrechten ohne jede Leistungssteigerung, führt zu erheblichen Nachteilen für den Ausgleichsberechtigten, die nicht mehr mit den Vorteilen der zu groben Typisierung gerechtfertigt werden können. Dies gilt umso mehr, als die Altersversorgung von Eheleuten regelmäßig (nur) aus dem Versorgungsvermögen sichergestellt wird, dieses also eine Existenz sichernde Bedeutung hat.
c) Eine Aufhebung der alten Barwert-Verordnung, auf der sich die gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Entscheidungen gründen, kommt nicht in Betracht, da diese Barwert-Verordnung inzwischen außer Kraft getreten ist. Wendete das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall die neue Barwert-Verordnung an, dürfte dies jedoch aller Voraussicht nach erneut zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen.
Denn die Versorgungsanwartschaft des geschiedenen Ehemannes der Beschwerdeführerin bei der Bayerischen Versorgungskammer – Architektenversorgung – ist in der Anwartschaftsphase teildynamisch, nach der Systematik der Barwert-Verordnung aber wie eine in dieser Phase statische Anwartschaft zu behandeln. Nach den Zahlen, von denen das Oberlandesgericht ausging, betrug die Anpassung der Anrechte in der Anwartschaftsphase in dem Zeitraum von 1988 bis 1995 im linearen Durchschnitt 1,90 v.H., während die Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung in diesem Zeitraum um durchschnittlich 3,12 v.H., die der Beamtenversorgung um durchschnittlich 3,03 v.H. angepasst worden seien. Ein volldynamisches Anrecht wäre mit dem vollen Betrag beim Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, ein statisches – nach der inzwischen erfolgten Änderung der biometrischen Daten verfassungsrechtlich unproblematisch – nach der Barwert-Verordnung zu bewerten. Schon aus einer sich hieran orientierenden überschlägigen Berechnung auf der Basis des Wertes der vom Oberlandesgericht ermittelten Teildynamik des umzurechnenden Anrechts ergibt sich, dass dessen wirklicher Wert den eines statischen Anrechts erheblich übersteigt und der damit im Versorgungsausgleich nicht berücksichtigte Mehrbetrag über dem liegt, der im Falle des § 10 a Abs. 2 Satz 2 VAHRG zu einer Abänderung einer Entscheidung berechtigen würde. Es liegt nahe, in solchen Fällen künftig zur Vermeidung verfassungswidriger Entscheidungen ein Gutachten zum Wert des umzuwertenden Anrechts einzuholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem
Fundstellen