Verfahrensgang
OLG Hamburg (Beschluss vom 12.04.2006; Aktenzeichen 2 Wx 47/05) |
LG Hamburg (Beschluss vom 03.05.2005; Aktenzeichen 329 T 18/05) |
Tenor
Der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 12. April 2006 – 2 Wx 47/05 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, soweit das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 3. Mai 2005 – 329 T 18/05 – dahingehend abändert, dass die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zurückgewiesen wird, soweit er die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung aufgrund der Haftanordnung vom 22. Januar 2005 bis zum Ablauf des 25. Januar 2005 begehrt.
Der Beschluss wird aufgehoben, soweit er über die Kosten entscheidet. Die Sache wird zur Entscheidung über die Kosten an das Hanseatische Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anforderungen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an die Anordnung von Verbringungshaft nach § 59 Abs. 2 AsylVfG.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist ein 30 Jahre alter türkischer Staatsangehöriger. Nach seiner Einreise im Jahr 1992 betrieb er erfolglos ein Asylverfahren. Seine Aufenthaltsgestattung war räumlich auf den Landkreis Uelzen beschränkt. Seit dem Abschluss des Asylverfahrens im Jahr 1994 wurde der Beschwerdeführer im Bundesgebiet geduldet. 1999 zog er in den Landkreis Lüchow-Dannenberg. Er reiste im Jahr 2003 mit seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern illegal über Norwegen nach Schweden, um sich eingeleiteten Abschiebungsmaßnahmen der deutschen Behörden zu entziehen.
2. Am 19. Januar 2005 informierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Ausländerbehörde des Landkreises Lüchow-Dannenberg über die für den 21. Januar 2005 geplante Rückführung des Beschwerdeführers, seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Kinder aus Schweden im Wege des Dublin-Verfahrens. Am 20. Januar 2005 bat der Landkreis Lüchow-Dannenberg die Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, in Amtshilfe einen Antrag auf Anordnung von Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 AufenthG zu stellen. Die Justizvollzugsanstalt Hannover-Langenhagen habe die Aufnahmebereitschaft signalisiert, der Transport des Beschwerdeführers könne am 25. Januar 2005 erfolgen.
3. Der Beschwerdeführer wurde am Vormittag des 21. Januar 2005 von Beamten des Bundesgrenzschutzes am Flughafen Hamburg vorläufig festgenommen. Am 22. Januar 2005 stellte die Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg einen Antrag auf Haftanordnung gemäß „§ 59 (Abs. 3) AsylVfG i.V.m. § 62 (2) AufenthG” bis zum 4. Februar 2005. Haftgründe nach § 62 Abs. 2 AufenthG lägen vor. Die Ausländerbehörde beabsichtige, den Beschwerdeführer abzuschieben bzw. in den Zuständigkeitsbereich des Landkreises Lüchow-Dannenberg zu verbringen.
4. Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 22. Januar 2005 gemäß § 59 Abs. 2 AsylVfG zur Durchsetzung der Verlassenspflicht Haft bis längstens zum 4. Februar 2005 an: Es sei beabsichtigt, den Beschwerdeführer in den Zuständigkeitsbereich des Landkreises Lüchow-Dannenberg zu verbringen. Die Dauer der Haft sei erforderlich, um die Verbringung organisatorisch durchführen zu können, wobei das Gericht davon ausgehe, dass eine schnelle Verbringung erfolge.
5. Nachdem der Beschwerdeführer am 31. Januar 2005 in den Landkreis Lüchow-Dannenberg verbracht und gegen ihn vom Amtsgericht Dannenberg Sicherungshaft angeordnet worden war, beantragte er mit der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg festzustellen, dass die Anordnung der Verbringungshaft rechtswidrig gewesen ist: Die Voraussetzungen der Haft nach § 59 Abs. 2 AsylVfG hätten nicht vorgelegen, da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Haftanordnung nicht mehr Asylbewerber gewesen sei. Im Übrigen habe er auch auf die Flugroute keinen Einfluss gehabt, so dass er selbst dann, wenn er gegen die ihm nicht ersichtliche Beschränkung seines Aufenthalts auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg verstoßen haben sollte, dies nicht willentlich getan habe. Dies müsse bei der Anordnung von Verbringungshaft berücksichtigt werden. Es habe keinen konkreten Anhaltspunkt dafür gegeben, dass der Beschwerdeführer seiner Verlassenspflicht nicht auch freiwillig nachgekommen wäre. Jedenfalls sei eine viel zu lange Haftdauer verfügt worden.
Das Landgericht gab der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 3. Mai 2005 statt und stellte die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung des Beschwerdeführers aufgrund der Haftanordnung des Amtsgerichts fest: § 59 Abs. 2 AsylVfG sei nur während des laufenden Asylverfahrens anwendbar. Eine Aufrechterhaltung der Haftanordnung in Form einer Abschiebehaftanordnung scheide aus, da es sich nicht um wesensgleiche Maßnahmen handele und Abschiebungshaft vom Antrag der Ausländerbehörde nicht gedeckt sei.
6. Die sofortige weitere Beschwerde der Freien und Hansestadt Hamburg, die im Wesentlichen mit dem Umstand begründet wurde, das Landgericht habe den Verweis von § 59 Abs. 2 AsylVfG auf § 56 Abs. 3 AsylVfG übersehen, der den Anwendungsbereich der Verbringungshaft auch auf den Kreis abgelehnter Asylbewerber erweitert habe, hatte teilweise Erfolg. Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 12. April 2006 änderte das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts ab und stellte im Ergebnis fest, dass die Inhaftierung des Beschwerdeführers ab dem 26. Januar 2005 rechtswidrig gewesen ist: § 59 Abs. 2 AsylVfG in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung finde auch auf abgelehnte Asylbewerber Anwendung. Es sei für die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung nicht relevant, dass der Beschwerdeführer sich den Zielort seiner Rückführung aus Schweden nicht habe aussuchen können. Aufgrund seines früheren Verhaltens sei mit einem Abtauchen in die Illegalität zu rechnen gewesen. Ohne Inhaftierung sei die freiwillige Erfüllung der Verlassenspflicht nicht gesichert gewesen. Soweit die Haft über den 26. Januar 2005 hinaus angeordnet gewesen sei, erweise sich die Entscheidung aber als unverhältnismäßig. Dem Amtshilfeersuchen des Landkreises Lüchow-Dannenberg sei zu entnehmen, dass ein Transport des Beschwerdeführers am 25. Januar 2005 möglich gewesen sei.
7. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 104 Abs. 1 GG geltend. Die Voraussetzungen von § 59 Abs. 2 AsylVfG lägen schon deshalb nicht vor, weil mit der Möglichkeit der Verbringungshaft Verzögerungen im Asylverfahren und der illegalen Binnenwanderung von Asylbewerbern vorgebeugt werden solle. Die vom Oberlandesgericht angewendete Fassung des § 59 Abs. 2 AsylVfG sei zum Zeitpunkt seiner Ausreise noch nicht anwendbar gewesen. Das Oberlandesgericht verstoße gegen das grundsätzliche Verbot der Rückwirkung, indem es haftbegründende Maßnahmen auf Sachverhalte ausdehne, die vor Inkrafttreten der Regelung abgeschlossen gewesen seien. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete schließlich, zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nicht willentlich gegen die räumliche Beschränkung verstoßen habe, da er die Flugroute für die Rückführung aus Schweden nicht selbst gewählt habe.
8. Die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zur Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei freiheitsentziehenden Maßnahmen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Der Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, soweit der Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die sofortige Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Haftanordnung zurückgewiesen wird.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdeführer beschwerdebefugt. Er hat die Möglichkeit einer Verletzung in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Es ist möglich, dass ein Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG vorliegt, weil die Haftanordnung in § 59 Abs. 2 AsylVfG keine Rechtsgrundlage finden konnte. Es spricht einiges dafür, dass die Fortgeltung der räumlichen Beschränkung einer Aufenthaltsgestattung nach deren Erlöschen gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG nur diejenigen räumlichen Beschränkungen erfasst, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung am 1. Januar 2005 (Art. 15 Abs. 3 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30. Juli 2004, BGBl I S. 1950) noch wirksam waren oder die später erstmals wirksam geworden sind. Das Fortwirken der dem Beschwerdeführer ursprünglich auferlegten Aufenthaltsbeschränkung ist von den Gerichten ebenso wenig erörtert worden wie die Frage, ob eine weiter wirkende räumliche Beschränkung ihre Wirksamkeit durch die Erteilung einer asylunabhängigen Duldung verloren haben könnte (vgl. dazu Zeitler, HTK-AuslR / § 56 AsylVfG / räumliche Beschränkung 03/2007). Vor diesem Hintergrund kommt in Betracht, dass zu Lasten des Beschwerdeführers der Vorbehalt des Gesetzes für Freiheitsentziehungen in verfassungswidriger Weise verkannt worden ist.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der Beschwerdeführer wird durch den angegriffenen Beschluss in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
a) Der Beschwerdeführer hat eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausdrücklich gerügt. Dies hindert das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht daran, seine Prüfung im Rahmen der Verfassungsbeschwerde hierauf zu erstrecken (vgl. BVerfGE 54, 117 ≪124≫; 58, 163 ≪167≫; 71, 202 ≪204≫; BVerfGK 6, 239 ≪241≫).
b) Die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ist ein besonders hohes Rechtsgut, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf (vgl. BVerfGE 10, 302 ≪322≫; 29, 312 ≪316≫). Geschützt wird die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor Eingriffen wie Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs (vgl. BVerfGE 22, 21 ≪26≫; 94, 166 ≪198≫; 96, 10 ≪21≫). Eingriffe in das Grundrecht auf Freiheit der Person müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der mit Verfassungsrang ausgestattet ist (vgl. BVerfGE 19, 342 ≪349≫; 20, 45 ≪49 f.≫; 20, 144 ≪148≫; 29, 312 ≪316≫; 35, 5 ≪9≫; 35, 185 ≪190≫; 36, 264 ≪270≫; 70, 297 ≪311≫; 90, 145 ≪172≫; 109, 190 ≪239 f.≫), genügen. Einfachgesetzlich ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Verbringungshaft in § 59 Abs. 2 AsylVfG im Erfordernis, dass ohne die Haftanordnung die Durchsetzung der Verlassenspflicht wesentlich erschwert oder gefährdet sein muss, verankert.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und dass der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (vgl. BVerfGE 17, 108 ≪117≫). Da bei der Prüfung der Angemessenheit dem Richter eine wertende Abwägungsentscheidung obliegt, kann das Bundesverfassungsgericht diese nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen (vgl. BVerfGE 27, 211 ≪219≫; 70, 297 ≪314 f.≫).
c) Nach diesen Maßstäben hält die Entscheidung des Oberlandesgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Anordnung von Verbringungshaft war offenkundig nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig zur Durchsetzung der vom Oberlandesgericht angenommenen asylrechtlichen Verlassenspflicht.
aa) Die Anordnung von Verbringungshaft nach § 59 Abs. 2 AsylVfG unterliegt der Prüfung der Unverhältnismäßigkeit auch im Hinblick auf eine damit verbundene Verlängerung der Dauer des mit der Durchsetzung der Verlassenspflicht verbundenen Eingriffs in die Freiheit der Person (vgl. Grünewald, in GK-AsylVfG, Stand: Januar 2005, § 59 AsylVfG Rn. 36).
bb) Dahin gestellt bleiben kann, ob das Oberlandesgericht von Verfassungs wegen gehalten war, auf die im Verfahren nicht erörterte Frage, auf welches Kreisgebiet der Aufenthalt des Beschwerdeführers während des Asylverfahrens beschränkt gewesen war, einzugehen und mit den ihm zustehenden Mitteln für Sachaufklärung zu sorgen. Nicht anders als bei Entscheidungen über Sicherungshaft sind bei Entscheidungen über Verbringungshaft die Ausländerakten regelmäßig beizuziehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Dezember 2007 – 2 BvR 1033/06 –, NVwZ 2008, S. 304 ≪305≫), um den hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die eigenständige richterliche Aufklärung und Feststellung der relevanten Tatsachen gerecht zu werden (vgl. BVerfGE 83, 24 ≪34 f.≫; Radtke, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 1. Februar 2008, Art. 104 GG Rn. 13). Aus diesen hätte sich hier ergeben, dass die Aufenthaltsgestattung des Beschwerdeführers räumlich auf den Landkreis Uelzen und nicht auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg beschränkt gewesen ist. Die Anordnung von Verbringungshaft zur Vorbereitung eines Transports in den Landkreis Lüchow-Dannenberg dürfte danach nicht in Betracht zu ziehen gewesen sein.
cc) Jedenfalls hat das Oberlandesgericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in verfassungsrechtlich erheblicher Weise verkannt. Zur Durchsetzung der – hier als zutreffend unterstellten – Verlassenspflicht des Beschwerdeführers hätte es genügt, ihn in das benachbarte Land Niedersachsen zu bringen und gegebenenfalls den dortigen Behörden zur weiteren Verbringung in den Landkreis Lüchow-Dannenberg zu übergeben, wozu keine längere Vorbereitung oder gar eine mehrtägige Inhaftierung des Beschwerdeführers notwendig gewesen wäre. Es ist durch nichts belegt, dass sich der Beschwerdeführer der Durchsetzung der Verlassenspflicht in einer Weise widersetzt hätte, dass eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Vorbereitung der Durchsetzung der Verlassenspflicht hätte erforderlich sein können. Die Erwägung des Oberlandesgerichts, aufgrund des früheren Verhaltens des Beschwerdeführers sei zu befürchten gewesen, dass er erneut in die Illegalität abtauchen würde, und deshalb habe davon ausgegangen werden dürfen, dass ohne die Inhaftierung die freiwillige Erfüllung der Verlassenspflicht nicht gesichert gewesen sei, verfehlt die maßgebliche Frage, ob die Beschränkung des räumlichen Aufenthalts im Fall des Beschwerdeführers gerade mit dem gravierenden Mittel einer mehrtägigen Freiheitsentziehung durchgesetzt werden durfte und nicht die sofortige Verbringung unter Anwendung unmittelbaren Zwangs das schonendere Mittel gewesen wäre.
Indem das Amtsgericht und ihm folgend das Oberlandesgericht in ihren Erwägungen zur Erforderlichkeit von Verbringungshaft an die im Haftantrag erwähnten notwendigen Vorbereitungen der Ausländerbehörde des Landkreises Lüchow-Dannenberg zur Verschubung des Beschwerdeführers in die Justizvollzugsanstalt Hannover-Langenhagen anknüpfen, beziehen sie Aspekte ein, die für die Haftanordnung gemäß § 59 Abs. 2 AsylVfG ohne Bedeutung sind. Die Möglichkeit einer Inhaftierung des Beschwerdeführers aufgrund der Anordnung von Sicherungshaft hat bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Verbringungshaft außer Betracht zu bleiben. Die Verbringungshaft dient nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung nicht der Vorbereitung einer sich anschließenden Sicherungshaft, sondern ist ausschließlich zur Durchsetzung der Verlassenspflicht bestimmt. Die Haftgründe nach § 59 Abs. 2 AsylVfG und § 62 AufenthG unterscheiden sich und können, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht wechselseitig substitutiert werden (zur strikten Bindung an die gesetzlichen Haftzwecke vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Mai 2007 – 2 BvR 2106/05 –, NVwZ 2007, S. 1296 ≪1297≫). Zum Zeitpunkt der Anordnung der Verbringungshaft war zudem über die Anordnung von Sicherungshaft gegen den Beschwerdeführer noch nicht entschieden, so dass die weitere Inhaftierung des Beschwerdeführers nicht hätte vorausgesetzt oder – etwa zum Zweck der Koordinierung der Haftanordnungen – berücksichtigt werden dürfen.
III.
1. Einer Aufhebung des angegriffenen Beschlusses bedarf es angesichts des hier festgestellten Verfassungsverstoßes nur hinsichtlich der getroffenen Kostenentscheidung (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Insoweit wird die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Auf die weiteren Grundrechtsrügen kommt es nicht an.
2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 2148348 |
InfAuslR 2008, 358 |