Verfahrensgang
OLG Hamburg (Beschluss vom 19.09.2007; Aktenzeichen 3 Vollz (Ws) 47/07) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), liegen nicht vor. Die angegriffenen Entscheidungen sind nach den geltenden Maßstäben für die Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f., 96≫; 106, 28 ≪45≫) in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
1. Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, dass das Strafvollzugsgesetz bei konkretem Anlass – wozu auch eine einschlägige Vorbelastung des betroffenen Strafgefangenen zähle – die Anordnung der Abgabe von Urinproben zum Nachweis eines eventuell vorausgegangenen Drogenkonsums zulässt und die Weigerung, einer solchen Anordnung Folge zu leisten, gemäß § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 82 Abs. 1 StVollzG disziplinarisch geahndet werden kann.
Diese Rechtsauffassung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. für die Untersuchungshaft BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. November 2007 – 2 BvR 1136/07 –, NStZ 2008, S. 292 f.). Sie entspricht der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (vgl., neben oder anstelle von § 56 Abs. 2 StVollzG, auf den die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts abstellt, § 101 Abs. 2 StVollzG heranziehend, OLG Koblenz, Beschluss vom 16. August 1989 – 2 Vollz (Ws) 28/89 –, ZfStrVo 1990, S. 51 ≪52 f.≫; OLG Rostock, Beschluss vom 2. Mai 2004 – VAs 1/04 –, StV 2004, S. 611; KG, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 5 Ws 16/06 Vollz, 5 Ws 630/05 Vollz –, juris; für die Untersuchungshaft OLG Oldenburg, Beschluss vom 14. Juni 2005 – 1 Ws 304/05 –, StV 2007, S. 88; vgl. auch Thür. OLG, Beschluss vom 31. Januar 2005 – 1 Ws 409/04 – ZfStrVo 2006, S. 118 f.; aus der Literatur zustimmend Arloth, StVollzG, 2. Aufl. 2008, § 56 Rn. 9; a.A.: Riekenbrauk, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Aufl. 2005, § 56 Rn. 8, sowie – einen über die Anlasstat hinaus konkreter begründeten Konsumverdacht fordernd – Boetticher/Stöver, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Aufl. 2006, § 56 Rn. 3; ebenso wohl OLG Dresden, Beschluss vom 12. Mai 2004 – 2 Ws 660/03 –, NStZ 2005, S. 588; für das Erfordernis eines konkreten Verdachts ohne Erläuterung, ob einschlägige Vorbelastung hierfür ausreichen soll, Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. 2008, § 56 Rn. 5). Insbesondere führt das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitende Verbot eines Zwangs zur Selbstbezichtigung (vgl. BVerfGE 55, 144 ≪150≫; 56, 37 ≪41 f.≫) nicht zu einem anderen Ergebnis (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. November 2007, a.a.O., S. 293; OLG Oldenburg, Beschluss vom 14. Juni 2005 – 1 Ws 304/05 –, StV 2007, S. 88 für die Untersuchungshaft; KG, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 5 Ws 16/06 Vollz, 5 Ws 630/05 Vollz –, juris für den Strafvollzug). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob sich die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Frage der Verwertbarkeit des Ergebnisses der Urinprobe für ein sich anschließendes Disziplinarverfahren wegen eines aufgrund der Urinkontrolle festgestellten Drogenkonsums ebenfalls noch in den Grenzen des verfassungsrechtlich Vertretbaren halten, oder ob dem Umstand, dass es sich um eine unter Zwang gewonnene Probe handelt, durch die Annahme eines Verwertungsverbotes sowohl in einem eventuellen späteren Strafverfahren (vgl. OLG Oldenburg, a.a.O., S. 88) als auch in dem aus Anlass eines positiven Testergebnisses durchgeführten vollzuglichen Disziplinarverfahren Rechnung zu tragen wäre (befürwortend insoweit Gericke, StV 2003, S. 305 ≪307≫; Pollähne, StV 2007, S. 89 ≪91≫). Die Ausführungen des Oberlandesgerichts hierzu haben keine entscheidungstragende Bedeutung, da im vorliegenden Fall nicht die Rechtmäßigkeit disziplinarischer Ahndung eines durch Urinkontrolle nachgewiesenen Drogenkonsums zu beurteilen war. Zur Prüfung gestellt war allein die disziplinarische Ahndung der Weigerung des Beschwerdeführers, an einer solchen Kontrolle durch Abgabe einer Urinprobe mitzuwirken.
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Voßkuhle, Mellinghoff, Lübbe-Wolff
Fundstellen