Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Untersagung des Vollzugs einer Abschiebung
Beteiligte
Rechtsanwalt Sebastian Kreibig |
Verfahrensgang
OVG Berlin (Zwischenurteil vom 16.10.2000; Aktenzeichen OVG 8 SN 164.00) |
VG Berlin (Zwischenurteil vom 17.07.2000; Aktenzeichen VG 10 A 173.00) |
Tenor
Dem Landeseinwohneramt Berlin (Ausländerbehörde) wird einstweilen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde untersagt, die in ihrem Bescheid vom 9. Februar 2000 angedrohte Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei zu vollziehen.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG zulässig und begründet.
Gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Gemäß der Sicherungsfunktion der einstweiligen Anordnung ist für deren Erlass im Rahmen eines Verfassungsbeschwerde-Verfahrens allerdings kein Raum, wenn davon auszugehen ist, dass die Verfassungsbeschwerde gemäß den §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung anzunehmen sein wird (stRspr.; vgl. BVerfGE 7, 367 ≪371≫; 68, 233 ≪235≫; 71, 158 ≪161≫; 79, 379 ≪383≫). Das ist hier nicht der Fall.
Nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage kann nicht festgestellt werden, dass die von dem Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen fachgerichtlichen Beschlüsse richtet, unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Die Verfassungsbeschwerde wirft u.a. die Frage auf, inwieweit die nach dem Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) in den §§ 1626 Abs. 3, 1684 Abs. 1 BGB zum Ausdruck gekommene Bedeutung des Umgangsrechts eines (nichtehelichen) Kindes auf die Anwendung und Auslegung der Bestimmungen in den §§ 23 Abs. 1, 2. Halbsatz, 17 Abs. 1 AuslG unter dem Blickwinkel des materiellen Gehalts insbesondere von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG von Einfluss ist.
Die danach gebotene Abwägung (vgl. BVerfGE 68, 233 ≪235≫; 94, 334 ≪347≫; 96, 120 ≪128 f.≫; stRspr) führt zu folgendem Ergebnis: Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, erweist sich die Verfassungsbeschwerde später jedoch als begründet, so entstünde dem Beschwerdeführer durch den Vollzug der Abschiebung ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Nachteil. Ergeht die einstweilige Anordnung und erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später als erfolglos, so wögen die damit verbundenen Nachteile durch den auf überschaubare Zeit verlängerten Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland weniger schwer.
Unterschriften
Sommer, Osterloh, Di Fabio
Fundstellen
Haufe-Index 567632 |
FamRZ 2001, 1137 |
FuR 2001, 305 |
InfAuslR 2001, 431 |