Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 17.04.2009; Aktenzeichen I-18 W 23/09) |
LG Duisburg (Beschluss vom 30.01.2009; Aktenzeichen 8 O 382/08) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Duisburg vom 30. Januar 2009 – 8 O 382/08 – und der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. April 2009 – I-18 W 23/09 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.
Die Sache wird zur Entscheidung an das Landgericht Duisburg zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 EUR (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen das Bundesland Nordrhein-Westfalen wegen menschenunwürdiger Unterbringung in Untersuchungshaft und damit eine vergleichbare Konstellation, wie sie einer Entscheidung der Kammer vom 22. Februar 2011 zugrunde lag (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 409/09 –, NJW-RR 2011, S. 1043 ff.).
1. Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2008 stellte der Beschwerdeführer Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe beim Landgericht Duisburg und überreichte unter Beweisangebot seines Vorbringens den Entwurf einer Amtshaftungsklage gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen menschenunwürdiger Unterbringung als Untersuchungshäftling in der Justizvollzugsanstalt D. über einen Zeitraum von 234 Tagen hinweg.
Er sei im Zeitraum vom 11. Januar 2006 bis 20. März 2006 im Haftraum 343 der Justizvollzugsanstalt untergebracht gewesen. Dieser habe, belegt mit vier Gefangenen, lediglich eine Grundfläche von 16 m², eine Höhe von 3 m und zwei Fenster zu je ca. 80 cm × 80 cm aufgewiesen. In den Hafträumen habe sich – neben der Grundausstattung – eine Toilette befunden, die nur durch eine verstellbare Holzwand (Schamwand) mit einer oben und unten zur Zelle hin geöffneten Sichtschutzfläche vom übrigen Raum abgetrennt gewesen sei. Über eine gesonderte Belüftungsanlage habe der Haftraum nicht verfügt. Die Belüftung der Toilette sei über die Zellenluft erfolgt.
Im Zeitraum vom 20. März 2006 bis 1. September 2006 sei er in den Hafträumen 330 und 336 der Justizvollzugsanstalt mit jeweils einem Mitgefangenen untergebracht gewesen. Beide Hafträume hätten jeweils über eine Grundfläche von 8 m² bei einer Raumhöhe von 3 m verfügt. In diesen Hafträumen habe sich jeweils – neben der Grundausstattung – eine Toilette befunden, die nur durch eine verstellbare Holzwand (Schamwand) mit einer kleinen Sichtschutzfläche von 1,50 m × 0,80 m vom übrigen Raum abgetrennt gewesen sei. Über eine gesonderte Belüftungsanlage haben die Hafträume nicht verfügt. Die Belüftung der Toiletten sei jeweils über die Zellenluft erfolgt.
Zum damit bedingten Verlust jeglicher Privatsphäre hinzu gekommen sei, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch sämtliche Mitgefangene starke Raucher gewesen seien, was in den kleinen Hafträumen zu einem unerträglichen Gemisch aus Rauch, Körperausdünstungen und Toilettengerüchen geführt habe. Der Beschwerdeführer habe wie auch die Mitgefangenen keine Arbeit gehabt und sei unter diesen Bedingungen dreiundzwanzig Stunden täglich zusammen mit den Mitgefangenen im jeweiligen Haftraum untergebracht gewesen. Duschmöglichkeiten seien für nicht arbeitende Gefangene nur zweimal wöchentlich vorhanden gewesen. Eine Lüftung des Raumes habe nur bei Einverständnis sämtlicher dort Gefangener erfolgen können.
Er, der Beschwerdeführer, habe bereits unmittelbar nach Verlegung in den Haftraum beantragt, ihn in einen Einzelhaftraum zu verlegen. Seitens der angesprochenen Beamten sei ihm jedoch mitgeteilt worden, dass keine Einzelhafträume frei seien, er deshalb auch nicht verlegt werden könne und auf eine Warteliste gesetzt würde.
Zu berücksichtigen sei, dass die Einzelunterbringung während der Untersuchungshaft gemäß § 119 Abs. 1 StPO (in der für das Verfahren maßgeblichen Fassung vom 7. April 1987, BGBl I S. 1074 ≪1095≫, gültig bis zum 31. Dezember 2009, geändert durch Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2274 ≪2275≫; im Folgenden: a.F.) in Verbindung mit Nr. 23 UVollzO gesetzlich angeordnet sei, es sei denn, der Gefangene stimme einer Gemeinschaftsunterbringung zu. Hierauf sei der Beschwerdeführer aber nicht hingewiesen worden. Einfachgesetzliche Regelungen wie § 18 Abs. 2 Satz 2 StVollzG oder § 201 StVollzG könnten an dieser rechtlichen Einordnung sowie am Anspruch eines Strafgefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nichts ändern. Die sogenannte Junktim-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 4. November 2004 – III ZR 361/03 –, NJW 2005, S. 58) nach der eine menschenunwürdige Unterbringung nicht in jedem Fall auch eine Geldentschädigung zur Folge haben müsse, habe eine Haftdauer von lediglich zwei Tagen betroffen. Dagegen sei der Beschwerdeführer viel länger menschenunwürdig untergebracht worden.
2. Mit Schreiben vom 13. November 2008 beantragte das Land, den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen.
Dabei widersprach es der seitens des Beschwerdeführers behaupteten räumlichen Ausgestaltung der Hafträume nicht. Es machte jedoch – im Hinblick auf die Unterbringungsdauer in widersprüchlicher Weise – geltend, dass die Dauer der Unterbringung nur „vom 12.08. bis zum 31.08.2006” bestanden habe und dass der Beschwerdeführer mit der genannten Unterbringung einverstanden gewesen sei, da er keinen Antrag auf anderweitige Unterbringung gestellt habe. Diesem hätte aber jederzeit entsprochen werden können, da während des gesamten Zeitraums Einzelhafträume frei gewesen wären. Insbesondere im Haftraum 343 sei eine Gemeinschaftsunterbringung in der Regel wegen des dort befindlichen anstaltseigenen Fernsehgeräts auch gewünscht. So habe sich auch im Zeitraum vom „12.01. bis zum 15.03.2006” dort ein Fernsehgerät befunden. Der Anspruch des Beschwerdeführers scheitere daher bereits an § 839 Abs. 3 BGB.
Wie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeige, bestehe zwischen einer Menschenwürdeverletzung und einem Anspruch auf Geldentschädigung auch kein zwingendes Junktim. Der Beschwerdeführer sei selbst Raucher, konkrete haftbedingte, gesundheitliche Beeinträchtigungen seien nicht erkennbar. Schließlich sei – eine rechtswidrige, menschenunwürdige Unterbringung unterstellt – ein Verschulden des Landes nicht gegeben, da sich dieses seit Jahren um Schaffung neuer Haftplätze bemühe.
3. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2008 erwiderte der Beschwerdeführer hierzu unter nochmaliger Benennung von Zeugen, dass er insgesamt sogar vom 11. Januar 2006 bis 10. Oktober 2006 ununterbrochen in der Justizvollzugsanstalt D. inhaftiert gewesen sei. Er habe zu keinem Zeitpunkt schriftlich eine Gemeinschaftsunterbringung beantragt. Nur bei entsprechendem schriftlichen Antrag könne aber nach § 119 Abs. 1 StPO a.F. in Verbindung mit Nr. 23 UVollzO von der Einzelunterbringung abgesehen werden. Die Gemeinschaftsunterbringung habe auch nicht seinem Willen entsprochen. Im Gegenteil habe er mehrfach bei einer Mitarbeiterin der Justizvollzugsanstalt um einen Einzelhaftraum nachgefragt. Diesen habe er – wie dort üblich – mit Beginn seiner Tätigkeit als Koch (entsprechend seinen Anträgen) zum 1. September 2006 erhalten.
Dass im fraglichen Zeitraum in der Justizvollzugsanstalt D. Einzelhaftplätze zur Verfügung gestanden haben, werde mit Nichtwissen bestritten.
Im Übrigen würden die Häftlinge über ihren Anspruch auf Einzelhaft und den ihnen insoweit zustehenden Rechtsbehelfen entgegen Part. II.30.1 EPR (European Prison Rules) auch nicht informiert.
Ob auf eine gerichtliche Entscheidung hin der Beschwerdeführer sofort in eine Einzelzelle verlegt worden wäre, stehe ferner nicht fest. Das Land ignoriere mangels räumlicher Kapazitäten kontinuierlich gerichtliche Entscheidungen. In der Vergangenheit hätten die Anstaltsleitungen gerichtliche Entscheidungen auch nach Monaten nicht umgesetzt. Dem Beschwerdeführer seien insofern mehrere Fälle aus der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen namentlich bekannt.
Dass die Hafträume im konkreten Fall menschenunwürdig seien, sei dem Land auch bekannt gewesen und von ihm billigend in Kauf genommen worden. Dazu zitierte der Beschwerdeführer aus der Strafvollzugsstatistik für Mehrfachbelegung in den Justizvollzugsanstalten des Landes.
4. Mit angegriffenem Beschluss vom 30. Januar 2009 verweigerte das Landgericht dem Beschwerdeführer die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der Klage.
Zum einen sei auf § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG zu verweisen, der bei Altbauten, um die es sich hier handele, eine gemeinschaftliche Unterbringung in Vier- beziehungsweise Zweipersonenzellen gestatte.
Zum anderen sei für eine Geldentschädigung das Mindestmaß an Schwere nicht erreicht. Der geltend gemachte körperliche Kontakt ergebe sich von selbst aus der gemeinschaftlichen Unterbringung. Die Toilette habe über eine Schamwand verfügt, der Beschwerdeführer sei selbst Raucher gewesen.
Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer keinen formellen Antrag auf Verlegung gestellt habe. Hieraus dürfe gefolgert werden, dass er seine Situation nicht als so belastend empfunden habe.
Schließlich treffe das Land aufgrund deren Bemühungen um eine Verbesserung der Haftunterbringung kein vorwerfbares Verschulden.
5. Mit Schriftsatz vom 4. März 2009 legte der Beschwerdeführer hiergegen sofortige Beschwerde ein und trug zu den bisherigen Schriftsätzen noch ergänzend vor, dass ein wesentlicher Unterschied darin bestehe, ob eine Person als Raucher entscheide, wann sie rauche und lüfte, oder ob mehrere Personen rauchen, der Haftraum dadurch permanent mit Rauch belastet sei und auch eine Lüftung des Raumes nur bei entsprechender Gemeinschaftsentscheidung erfolge. Der Beschwerdeführer habe einen Antrag bei Gericht auf Verlegung in einen Einzelhaftraum schlicht in Unkenntnis der Rechtsschutzmöglichkeiten nicht gestellt. Die behaupteten Bemühungen des Landes Nordrhein-Westfalen bezögen sich auf einen der Unterbringung des Beschwerdeführers zeitlich nachfolgenden Zeitraum. Für das Land habe zum Zeitpunkt der Unterbringung des Beschwerdeführers auch keine Notsituation vorgelegen. Das Land bestimme sowohl Anzahl der Hafträume als auch Anzahl der Häftlinge, die zum Haftantritt geladen werden. Gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sei daher Prozesskostenhilfe zwingend zu bewilligen gewesen, da ansonsten vor Durchführung der Beweisaufnahme das summarische Verfahren an Stelle des Hauptsacheverfahrens trete. Insbesondere schwierige und ungelöste Rechts- und Tatfragen dürften nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden. Dass von einer ungeklärten Rechtsfrage auszugehen sei, ergebe sich allein schon aufgrund der divergierenden Rechtsprechung im Land Nordrhein-Westfalen. So habe das Oberlandesgericht Hamm unter anderem mit Beschluss vom 13. Juni 2008 – 11 W 78/08 – in einem gleichgelagerten Fall Prozesskostenhilfe bewilligt.
6. Mit angegriffenem Beschluss vom 17. April 2009 wies das Oberlandesgericht die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zurück.
Bei § 119 Abs. 1 Nr. 1 StPO a.F. handele es sich um eine Bestimmung des einfachen Rechts. Dass für Untersuchungshäftlinge andere Maßstäbe als für Strafgefangene bei Bewertung der Fragen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts, der Menschenwürde und der Erheblichkeitsschwelle, ab der eine Entschädigung in Betracht komme, gelten, folge daraus nicht.
Die Erheblichkeitsschwelle sei hier jedoch nicht überschritten. Der Antragsteller habe lediglich bei Vollzugsbeamten um einen Einzelhaftraum gebeten. Wer sich aber in seinen Anträgen auf diese einfachste Hierarchieebene beschränke, mit deren Antworten zufrieden gebe, nicht einmal einen förmlichen Antrag bei der Anstaltsleitung stelle, und über weitere Rechtsschutzmöglichkeiten nicht erkundige, habe die Situation aber offenbar selbst nicht als unerträglich empfunden. Dies mache bereits den angestrebten Anspruch unschlüssig und sei keine Frage des Ausschlusses der Ersatzpflicht nach § 839 Abs. 3 BGB.
Die Voraussetzungen, unter denen Verletzungen des Art. 1 Abs. 1 GG zu einem Entschädigungsanspruch führen, seien durch das sogenannte Junktim-Urteil auch höchstrichterlich geklärt. Dass diese Grundsätze im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führten, liege in der Natur der Sache. Der vom Beschwerdeführer genannten Entscheidung des Oberlandesgericht Hamm vom 13. Juni 2008 – 11 W 78/08 – liege insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dort zumindest ein Antrag bei der Anstaltsleitung gestellt worden sei und der Toilettenvorhang keinen hinreichenden Sichtschutz geboten habe, während hier undurchscheinende Materialien benutzt worden seien.
7. Mit seiner am 13. Mai 2009 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer – unter anderem – eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
8. Nach Ergehen eingangs zitierter Entscheidung der Kammer vom 22. Februar 2011 zu einem vergleichbaren Sachverhalt (BVerfG, a.a.O.) beantragte der Beschwerdeführer auf schriftlichen Hinweis des Bundesverfassungsgerichts in vorliegender Angelegenheit erneut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, nachdem mangels materieller Rechtskraft einer – wenngleich im Übrigen unanfechtbaren – Versagung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe einer bedürftigen Partei eine nochmalige Antragstellung nicht verwehrt ist und das Gericht bei Prüfung der Erfolgsaussicht und Bedürftigkeit auch nicht an seine frühere Beurteilung gebunden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2004 – IV ZB 43/03 –, NJW 2004, S. 1805 ≪1806≫). Das Landgericht Duisburg wies mit Beschluss vom 27. April 2011 diesen Antrag als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig zurück. Betreffend die Erfolgsaussichten hielt es daran fest, dass sich an den Entscheidungsgrundlagen der angegriffenen Beschlüsse nichts geändert habe.
9. Dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. In seiner Stellungnahme erklärte es unter anderem, dass nach Abschluss der laufenden Neu- und Erweiterungsbaumaßnahmen im Justizvollzug Ende 2011 / Anfang 2012 das Land Nordrhein-Westfalen über rund 1.000 zusätzliche Haftplätze verfügen werde, die zu einer deutlichen Entspannung der Belegungssituation führen würden. Die Akte des Ausgangsverfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies insoweit zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen zu Inhalt und Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪356 ff.≫; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Mai 1997 – 1 BvR 296/94 –, NJW 1997, S. 2745 ≪2746≫; vom 14. April 2003 – 1 BvR 1998/02 –, NJW 2003, S. 2976 ≪2977≫; vom 1. Juli 2009 – 1 BvR 560/08 –, juris, Rn. 13; vom 5. Februar 2003 – 1 BvR 1526/02 –, NJW 2003, S. 1857 ≪1858≫; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. November 2004 – 1 BvR 2095/04 –, NJW-RR 2005, S. 500 ≪501≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Mai 2006 – 1 BvR 430/03 –, juris, Rn. 17). Insbesondere hat es diese Fragen auch bereits weitgehend für die vorliegende Konstellation geklärt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 409/09 –, NJW-RR 2011, S. 1043 ≪1044≫).
2. Soweit der Beschwerdeführer durch die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.
3. In dem vorgenannten Umfang ist sie auch im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll allerdings nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪356 f.≫).
Es läuft dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn ein Fachgericht § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren „durchentschieden” werden können (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪359≫). Dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit widerstrebt es daher, wenn ein Fachgericht § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass es eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage – obwohl dies erheblichen Zweifeln begegnet – als einfach oder geklärt ansieht und sie deswegen bereits im Verfahren der Prozesskostenhilfe zum Nachteil des Unbemittelten beantwortet (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪359 f.≫). Ein solcher Verstoß ist erst recht anzunehmen, wenn das Fachgericht bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur abweicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 5. Februar 2003 – 1 BvR 1526/02 –, NJW 2003, S. 1857 ≪1858≫; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. November 2004 – 1 BvR 2095/04 –, NJW-RR 2005, S. 500 ≪501≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Mai 2006 – 1 BvR 430/03 –, juris, Rn. 17).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen halten die angegriffenen, Prozesskostenhilfe vollumfänglich versagenden Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts einer Überprüfung anhand von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht stand.
aa) Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht haben die Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage ausschließlich in Bezug auf die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der Menschenwürdeverletzung und der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorgenommen und diese abweichend von der verfassungs- und obergerichtlichen Rechtsprechung verneint.
(1) Bei Belegung und Ausgestaltung der Hafträume sind dem insoweit grundsätzlich bestehenden Ermessen der Justizvollzugsanstalt durch das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG Grenzen gesetzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 – 2 BvR 553/01 –, NJW 2002, S. 2699 ≪2700≫). Die grundlegenden Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz des Menschen müssen auch dann erhalten bleiben, wenn der Grundrechtsberechtigte seiner freiheitlichen Verantwortung nicht gerecht wird und die Gemeinschaft ihm wegen begangener Straftaten die Freiheit entzieht. Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgt die Verpflichtung des Staates, den Strafvollzug menschenwürdig auszugestalten, mithin das Existenzminimum zu gewähren, das ein menschenwürdiges Dasein überhaupt erst ausmacht (vgl. BVerfGE 45, 187 ≪228≫; 109, 133 ≪150≫; BVerfGK 7, 120 ≪122 f.≫). Die Menschenwürde ist unantastbar und kann deshalb auch nicht auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung eingeschränkt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 – 2 BvR 553/01 –, NJW 2002, S. 2699 ≪2700≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 409/09 –, NJW-RR 2011, S. 1043 ≪1044≫).
Als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizieren, kommen in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, in Betracht, wobei als ein die Haftsituation abmildernder Faktor die Verkürzung der täglichen Einschlusszeiten berücksichtigt werden kann.
So wird nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Unterbringung in einem mehrfach belegten Haftraum ohne das Hinzutreten weiterer Umstände als Verstoß gegen die Menschenwürde angesehen, wenn eine Mindestfläche von 6 m² und 7 m² pro Gefangenen nicht eingehalten wird und die Toilette nicht abgetrennt beziehungsweise nicht gesondert entlüftet ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Juli 2003 – 3 Ws 578/03 –, NJW 2003, S. 2843 ≪2845≫; OLG Naumburg, Beschluss vom 3. August 2004 – 4 W 20/04 –, NJW 2005, S. 514; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Juli 2005 – 12 U 300/04 –, NJW-RR 2005, S. 1267; OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 – 1 U 43/04 –, juris, Rn. 49; OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006 – 1 U 1286/05 –, juris, Rn. 11 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Januar 2006 – 1 Ws 147/05 –, juris, Rn. 2; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2008 – 11 W 78/07 –, juris, Rn. 20 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 18. Februar 2009 – 11 U 88/08 –, juris, Rn. 48). Der Bundesgerichtshof ließ die rechtliche Würdigung der Instanzgerichte unbeanstandet, nach der die Unterbringung von fünf Gefangenen in einem 16 m² großen Haftraum mit integrierter Toilette ohne räumliche Abtrennung menschenunwürdig sei (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2004 – III ZR 361/03 –, NJW 2005, S. 58 ≪59≫). In einer weiteren Entscheidung erkannte der Bundesgerichtshof als einen die Haftsituation abmildernden Faktor die Verkürzung der täglichen Einschlusszeit an (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2006 – III ZB 89/05 –, NJW 2006, S. 3572). Ähnlich erachtete der Berliner Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung die Unterbringung eines Gefangenen in einer Einzelzelle mit einer Grundfläche von 5,25 m² ohne räumliche Abtrennung der in die Zelle integrierten, nicht gesondert gelüfteten Toilette über drei Monate hinweg als Verstoß gegen die Menschenwürde (vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 3. November 2009 – 184/07 –, juris, Rn. 2, Rn. 22 ff.). Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen die Unterbringung von Gefangenen bei Nichteinhaltung der genannten Mindestflächen ohne räumliche Abtrennung der in die Zelle integrierten Toilette als Verstoß gegen die Menschenwürde qualifiziert (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 – 2 BvR 553/01 –, NJW 2002, S. 2699 ≪2700≫; vom 13. März 2002 – 2 BvR 261/01 –, NJW 2002, S. 2700 ≪2701≫; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. November 2007 – 2 BvR 2201/05 –, juris, Rn. 16 f.).
(2) Landgericht und Oberlandesgericht sind bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage in Bezug auf die anspruchsbegründende Voraussetzung der Menschenwürdeverletzung von der geschilderten fach- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen.
Denn die vom Landgericht und Oberlandesgericht als gegeben unterstellten räumlichen Haftbedingungen erfüllen die oben genannten Kriterien für eine Menschenwürdeverletzung, da in den vom Beschwerdeführer bewohnten Hafträumen die üblicherweise veranschlagten Mindestflächen pro Gefangenen unterschritten wurden und die jeweils in die Zelle integrierte Toilette nicht räumlich abgetrennt und belüftet war. Allein der Umstand, dass durch eine verstellbare, nicht durchscheinende Holzwand wenigstens eine Sichtschutzmöglichkeit bei Verrichtung der Notdurft zur Verfügung gestellt worden war, lässt nach obigen Maßstäben eine Menschenwürdeverletzung nicht entfallen. Das Grundrecht der Menschenwürde gebietet insofern auch keine Unterscheidung zwischen Strafhaft und Untersuchungshaft. Ebenso wenig von Belang ist, dass der Beschwerdeführer – wie seine Mitgefangenen auch – Raucher war. Dies mag zwar möglicherweise für die Frage eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit Bedeutung erlangen, nicht jedoch für die Frage eines Eingriffs in die Menschenwürde nach den aufgezeigten Maßstäben.
Landgericht und Oberlandesgericht durften die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens auch nicht mit der Begründung scheitern lassen, der Beschwerdeführer könne subjektiv nicht erheblich betroffen gewesen sein, weil er keinen förmlichen Verlegungsantrag bei der Anstaltsleitung auf Verlegung gestellt habe, sondern lediglich bei den Vollzugsbeamten um einen Einzelhaftraum gebeten habe. Zunächst einmal lässt allein der Umstand, keinen förmlichen Antrag auf Änderung eines Zustandes gestellt zu haben, keinen zwingenden Rückschluss auf den Zustand selbst zu, der die Durchführung einer Beweisaufnahme in einem Hauptverfahren entbehrlich machte. Vor dem Hintergrund der geschilderten, die Menschenwürde berührenden, unstreitigen Haftbedingungen widerspricht diese Argumentation ferner dem hohen Schutzgehalt der Menschenwürde. In letzter Konsequenz hieße dies nämlich, einen Eingriff in die Menschenwürde durch einen staatlichen Hoheitsakt von vornherein auszuschließen, wenn gegen diesen kein förmlicher Rechtsbehelf eingelegt wird. Deutet man die Ausführungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts aber dahin, dass der Beschwerdeführer konkludent in die räumlichen Haftbedingungen eingewilligt habe und mithin auf sein Grundrecht auf Menschenwürde verzichtet habe, ist dies ebenfalls nicht tragfähig. Zum einen haben Landgericht und Oberlandesgericht nicht geprüft, ob die Annahme einer konkludenten Einwilligung des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als Untersuchungsgefangener schon einfachrechtlich durch § 119 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F. verstellt war beziehungsweise ob die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an eine konkludente Einwilligung des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als Strafgefangener erfüllt waren (vgl. OLG Celle, Urteil vom 2. Dezember 2003 – 16 U 116/03 –, NJW-RR 2004, S. 380 ≪381≫; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Juli 2005 – 12 U 300/04 –, NJW-RR 2005, S. 1267 ≪1268≫). Zum anderen haben Landgericht und Oberlandesgericht nicht geprüft, ob die Menschenwürde überhaupt ein disponibles Grundrecht ist, das einen Grundrechtsverzicht zulässt (vgl. ablehnend: BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2000 – BVerwG 2 WD 12/00, 13/00 –, NJW 2001, S. 2343 ≪2344≫; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 11 AL 11/08 –, juris, Rn. 25). Auch diese Rechtsfragen können nicht als hinreichend – zu Lasten des Beschwerdeführers – geklärt im Sinne des oben erörterten Maßstabes der Rechtsschutzgleichheit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe angesehen werden.
Das Landgericht verkennt darüber hinaus noch, dass die Menschenwürde nicht aufgrund gesetzlicher Bestimmungen eingeschränkt werden kann und folglich § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG nicht als gesetzliche Rechtfertigungsgrundlage herangezogen werden kann. Ferner wird es den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht, indem es – entgegen grundsätzlich anderslautender obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2004 – III ZR 361/03 –, NJW 2005, S. 58 ≪59≫; OLG Celle, Urteil vom 2. Dezember 2003 – 16 U 116/03 –, NJW-RR 2004, S. 380 ≪381≫; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2008 – 11 W 54/08 –, juris, Rn. 42 u. 65) – ein Verschulden des Antragsgegners, bezogen auf die konkrete, möglicherweise menschenunwürdige Unterbringung des Beschwerdeführers, allein durch pauschale Verweisung auf dessen Vortrag über seine Bemühungen zur Verbesserung der allgemeinen Haftsituation im Land ohne nähere Prüfung im Hauptverfahren bereits im Prozesskostenhilfeverfahren verneint.
bb) Indem Landgericht und Oberlandesgericht von vornherein der beabsichtigten Amtshaftungsklage jegliche Erfolgsaussicht abgesprochen haben, haben sie mithin den Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit verletzt.
c) Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auch auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass Landgericht und Oberlandesgericht bei der erforderlichen Beachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe in der Sache zumindest teilweise zu einer anderen Entscheidung gelangt wären.
4. Weiterhin steht auch nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit fest, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫), weil er es möglicherweise gemäß § 839 Abs. 3 BGB vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
a) Denn zum einen kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Schadensersatzpflicht gemäß § 839 Abs. 3 BGB nur dann vollumfänglich verneint werden, wenn die Einlegung eines gebotenen Rechtsbehelfs den Eintritt des Schadens gänzlich verhindert hätte. Wenn die Einlegung eines Rechtsbehelfs erst von einem bestimmten Zeitpunkt an weitere Schäden verhindert hätte, entfällt der Schadensersatzanspruch nur für diesen späteren Schäden, bleibt jedoch für die bereits vorher entstandenen Schäden bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1986 – III ZR 77/84 –, NJW 1986, S. 1924; speziell für eine Amtshaftungsklage wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen: OLG München, Beschluss vom 10. August 2006 – 1 W 1314/06 –, NJW 2007, S. 1986).
b) Zum anderen ist für die Kausalität zwischen der Nichteinlegung des Rechtsbehelfs und dem Schadenseintritt der Schädiger beweispflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – III ZR 342/02 –, NJW 2004, S. 1241 ≪1242≫; Urteil vom 11. März 2010 – III ZR 124/09 –, NJW-RR 2010, S. 1465) und bei der Frage, welchen Verlauf die Sache genommen hätte, wenn der Rechtsbehelf eingelegt worden wäre, ist grundsätzlich auch zu berücksichtigen, wie nach der wirklichen Rechtspraxis entschieden worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – III ZR 342/02 –, NJW 2004, S. 1241 ≪1242≫). Vorliegend hat der Beschwerdeführer aber ausdrücklich bestritten, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs den Schaden sofort und damit gänzlich verhindert hätte, und, obwohl ihm diesbezüglich nicht die Darlegungslast zufiel, auch konkrete tatsächliche Anhaltspunkte hierfür aufgezeigt, namentlich aus der Strafvollzugsstatistik zur Mehrfachbelegung in den Justizvollzugsanstalten des Landes zitiert, Beispielsfälle von Strafgefangenen aus einem benachbarten Oberlandesgerichtsbezirk des Landes benannt sowie auf eine Reihe von Beschlüssen des benachbarten Oberlandesgerichts verwiesen, die ein entsprechendes Vollzugsdefizit der Justizvollzugsanstalten mangels räumlicher Kapazitäten konstatierten (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 13. Juni 2008 – 11 W 54/08, 11 W 86/07, 11 W 77/07, 11 W 78/07, 11 W 85/07 –, juris). Danach wäre es an dem Land gewesen substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen und – hierbei allerdings unter Berücksichtigung des einstweiligen Rechtsschutzes – ab welchem Zeitpunkt diese im Hinblick auf die Haftbedingungen des Beschwerdeführers praktische Wirkung entfaltet hätten.
c) Schließlich gelangt man auch nicht zu einer anderen Prognose, wenn man die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hypothetischen Kausalität im Rahmen des § 839 Abs. 3 BGB bei Amtshaftungsklagen wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung berücksichtigt, in der der Bundesgerichtshof an die aus dem Gebot der Achtung der Menschenwürde folgende rechtliche Erwägung anknüpft, dass die Strafvollstreckung notfalls zu unterbrechen sei, wenn und solange eine weitere Unterbringung nur unter menschenunwürdigen Bedingungen in Betracht komme, und er hieraus folgert, dass vor diesem Hintergrund die Feststellung, dass ein Rechtsmittel an der Haftsituation nichts ändern könne, rechtsfehlerhaft sei (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 – III ZR 124/09 –, NJW-RR 2010, S. 1465 ≪1466≫). Denn wie das Bundesverfassungsgericht insofern bereits festgestellt hat, geht mit dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zwingend einher, dass ein Rechtsbehelf zum maßgeblichen Zeitpunkt in der Rechtspraxis auch effektiv umgesetzt worden wäre und damit das Ergreifen der Rechtsschutzmöglichkeiten möglich, zumutbar und erfolgversprechend gewesen wäre (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 409/09 –, NJW-RR 2011, S. 1043 ≪1046 f.≫).
d) Ob ein Rechtsbehelf in der vorliegenden Konstellation möglich, zumutbar und erfolgversprechend gewesen wäre und ob und inwieweit die Nichteinlegung eines Rechtsbehelfs bereits in der Vergangenheit entstandene Ansprüche aus § 839 BGB tangiert, wird sich mithin nur mithilfe der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens klären lassen.
e) Hieran ändert auch die vom Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen im Verfassungsbeschwerdeverfahren nach Ende der Stellungnahmefrist erstmals vorgelegte Kopie der „Anlage zur Aufnahmeverhandlung” nichts, ausweislich welcher der Beschwerdeführer am 12. Januar 2006 unter anderem eine Einverständniserklärung mit der gemeinsamen Unterbringung mit anderen Gefangenen unterzeichnet haben soll. Denn diese war zum Zeitpunkt der angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen nicht Verfahrensgegenstand. Ob und inwieweit der Sachvortrag insofern im Ausgangsverfahren noch ergänzt wird, ist Sache der Antragsgegner. Den Fachgerichten obläge es dann zu prüfen, inwieweit diese Einverständniserklärung zur gemeinsamen Unterbringung oder die Nichtrücknahme der Einverständniserklärung nach Kenntnisnahme der konkreten Haftbedingungen gemäß § 119 Abs. 2 Satz 2 StPO a.F. – etwa im Rahmen des § 839 Abs. 3 BGB oder des § 254 BGB – Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten des geltend gemachten Amtshaftungsanspruches haben können.
5. Im Hinblick auf die Rügen der Verletzung weiterer Grundrechte wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
6. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 3 BVerfGG.
7. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪366 ff.≫).
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Masing
Fundstellen
GuT 2011, 499 |
StV 2012, 354 |