Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 16.07.2010; Aktenzeichen 707 XVII 4192/10) |
Tenor
1. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 16. Juli 2010 – 707 XVII 4192/10 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht München zurückverwiesen.
2. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 EUR (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens über ihn im Rahmen eines Betreuungsverfahrens beauftragt wurde.
1. a) Der 1938 geborene Beschwerdeführer wurde mit Anordnung der Kreisverwaltungsbehörde der Stadt M. vom 29. April 2010 gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG vorläufig gegen seinen Willen in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung eines Klinikums untergebracht.
Zur Begründung wurde angeführt, der Beschwerdeführer habe in den letzten Monaten gehäuft mitgeteilt, in seiner Wohnung seien fremde Personen. Aus diesen und weiteren Umständen sei zu schließen, dass der Beschwerdeführer eine psychische Krankheit entwickelt habe, die ihn daran hindere, die Realität angemessen wahrzunehmen. Die zuständige Ärztin im Klinikum habe ausgeführt, bei der Untersuchung am 29. April 2010 sei der Beschwerdeführer laut und aufgebracht und weder zu Ort, Zeit noch Person orientiert gewesen. Die Ärztin diagnostizierte eine Demenz mit psychotischem Erleben bei völliger Krankheitsuneinsichtigkeit. Es bestehe erhebliche Selbst- und Fremdgefahr, weshalb die sofortige Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik zwingend erforderlich sei. Diesem Bericht schloss sich die Kreisverwaltungsbehörde an und ordnete die Unterbringung des Beschwerdeführers an.
Am 30. April 2010 wurde der Beschwerdeführer in der nichtöffentlichen Anhörung in Gegenwart eines Richters am Amtsgericht, eines Sachverständigen, seiner Ehefrau und seines Verfahrensbevollmächtigten angehört. Bei der Anhörung konnte der Beschwerdeführer weder das Datum noch sein Alter korrekt angeben, war sich jedoch bewusst, sich in einer Anstalt zu befinden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers erklärte, die Unterbringung sei willkürlich erfolgt. Der Beschwerdeführer erklärte, er besitze rechtmäßigerweise eine Gaspistole. Er befinde sich nicht in Behandlung. Die Behauptung, dass fremde Personen in seine Wohnung eindringen würden, sei „Quatsch”. Der Richter und der Sachverständige waren sich nach ausführlicher Diskussion einig, dass keine akute Selbst- und Fremdgefahr vorliege. Eine Behandlung des Beschwerdeführers sei allerdings sinnvoll. Der Beschwerdeführer verlasse die Klinik gegen ärztlichen Rat.
b) Mit einem Schreiben des Sozialreferats – Betreuungssachbearbeitung – vom 9. Juli 2010 wurde beim Amtsgericht München angeregt, ein Betreuungsverfahren einzuleiten. Der Beschwerdeführer sei zu zwei Terminen zu einem Gespräch bei der Betreuungsstelle nicht erschienen. Ein Telefonat mit der Tochter des Beschwerdeführers habe ergeben, dass dieser sich vor einigen Wochen hilfesuchend an sie gewandt habe, weil es Probleme mit dem Besitz seiner Waffen gegeben habe. Sie habe ihm anschließend geholfen, seine Waffen abzugeben. Für Juni 2010 sei ein Gerichtstermin wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz anberaumt. Die Tochter meinte, ihr Vater sei ein sehr aggressiver Mensch, der schon immer Gewalt gegenüber anderen, auch innerhalb der Familie, angewendet habe. Er sei „unberechenbar”. Zunehmend leide ihr Vater an Wahnvorstellungen, sehe Personen, die nicht vorhanden seien. Wiederholt habe sie Anzeichen für Demenz an ihm bemerkt. Einen Betreuer würde er mit Sicherheit ablehnen, vermutete die Tochter, da er in keiner Weise krankheitseinsichtig sei.
Ein Mitarbeiter des Bezirkssozialamts habe angegeben, die Behörde sei durch eine Polizeimeldung über Probleme des Beschwerdeführers aufmerksam geworden. Der sozialpsychiatrische Dienst habe versucht, mit ihm in Kontakt zu treten, dies sei jedoch trotz mehrerer Versuche nicht gelungen. Ein Telefonat mit der örtlichen Polizeiinspektion habe ergeben, dass es seit der Unterbringung Ende April 2010 zu keinen weiteren Vorfällen mit dem Beschwerdeführer gekommen sei.
Das Schreiben der Behörde endete mit dem Fazit, dass der Beschwerdeführer wohl eine Betreuung ablehne und extrem aggressiv sei. Die Einrichtung einer Betreuung erschiene vor diesem Hintergrund kaum als möglich und sinnvoll. Eine Abklärung der medizinisch-psychiatrischen Seite sei jedoch erforderlich. Es sei zu erwarten, dass der Beschwerdeführer nicht freiwillig zu einem Anhörungstermin erscheinen würde, so dass eine Zwangsvorführung überlegt werden müsse.
c) Mit richterlicher Verfügung vom 14. Juli 2010 wurde das Betreuungsverfahren eingeleitet. Eine Information an den Beschwerdeführer mit einer Aufforderung zur Stellungnahme erging vor dem Beschluss vom 16. Juli 2010 nicht.
d) Am 16. Juli 2010, eingegangen am 28. Juli 2010, fasste das Amtsgericht München einen Beschluss (707 XVII 4192/10), in dem ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens zu den medizinischen Voraussetzungen der Anordnung der Betreuung des Beschwerdeführers beauftragt wurde. In der angefügten Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass der Beschluss nicht anfechtbar sei.
Unter dem 30. Juli 2010 erhob der Beschwerdeführer mit anwaltlichem Schriftsatz Beschwerde. Sein Recht auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. Das Gericht hätte vor Erteilung des Gutachtenauftrags dem Beschwerdeführer beziehungsweise seinem Verfahrensbevollmächtigten Gelegenheit geben müssen, sich zum Akteninhalt zu äußern. Daher beantrage er erneut Akteneinsicht. Ein vorheriger Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht sei erfolglos geblieben, weil die Akten bereits an den Gutachter versandt worden seien.
Mit Schreiben des Sachverständigen vom 28. Juli 2010 wurde der Beschwerdeführer gebeten, ihn am 10. August 2010 zur Untersuchung in seiner Praxis aufzusuchen. Unter dem 10. August 2010 wurde ein neuer Termin für den 6. September 2010 bestimmt.
Unter dem 11. August 2010 teilte die Geschäftsstelle des Amtsgerichts München in richterlichem Auftrag mit, dass die Beschwerde nicht statthaft sei und damit auch keine Abhilfeentscheidung ergehen könne. Akteneinsicht werde nach Rückruf der Akte vom Sachverständigen gewährt.
2. Mit Schreiben vom 19. August 2010, eingegangen am 20. August 2010, erhebt der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde und rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Dem Beschwerdeführer sei vor der Zustellung des Beschlusses vom 16. Juli 2010 keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu einem Antrag auf Einrichtung einer Betreuung und zur Beauftragung eines Gutachters gegeben worden. Nach der Entlassung aus der Klinik sei der Beschwerdeführer davon ausgegangen, dass die Angelegenheit abgeschlossen gewesen sei. Er lebe mit seiner juristisch vorgebildeten Ehefrau zusammen, die ihn bei der Erledigung seiner täglichen Aufgaben und Besorgungen unterstütze. Die Einrichtung einer Betreuung sei daher keineswegs erforderlich. Die Anhörung habe auch nicht deshalb unterbleiben dürfen, weil eine Anhörung im April 2010 stattgefunden habe. Bei dieser Anhörung sei die Zwangsunterbringung des Beschwerdeführers Gegenstand des Verfahrens gewesen. Das Betreuungsverfahren stelle demgegenüber ein neues Verfahren dar. Beide Verfahren wiesen auch eine unterschiedliche Zielsetzung auf. Während im Unterbringungsverfahren zu entscheiden sei, ob eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliege, sei es Zweck des Betreuungsverfahrens festzustellen, ob der Beschwerdeführer zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten in der Lage sei. Damit seien sein Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, sein Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und sein Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
3. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 17. September 2010 eine einstweilige Anordnung erlassen. Darin wurde die Wirksamkeit des Beschlusses des Amtsgerichts München vom 16. Juli 2010 – 707 XVII 4192/10 – einstweilen bis zur Entscheidung der Hauptsache, längstens für sechs Monate ausgesetzt.
4. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen. Die Regierung des Freistaates Bayern hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hat aber von einer Stellungnahme abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers geboten ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 BVerfGG.
Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts München vom 16. Juli 2010 – 707 XVII 4192/10 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise zulässig.
a) Soweit der Beschwerdeführer sinngemäß eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG und der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht in der gebotenen Weise substantiiert begründet worden.
Das Begründungserfordernis verlangt neben der Bezeichnung des angeblich verletzten Grundrechts auch die substantiierte Darlegung des die Verletzung enthaltenen Vorgangs (vgl. BVerfGE 81, 208 ≪214≫). Es reicht nicht aus, die Verletzung von Grundrechten nur pauschal zu rügen (vgl. BVerfGE 79, 203 ≪209≫). Der Beschwerdeführer muss insbesondere vortragen, weshalb die angegriffene Entscheidung die Verfassung missachtet und in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungsgründe eingehen (vgl. BVerfGE 82, 43 ≪49≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Dezember 2009 – 1 BvR 2797/09 –, FamRZ 2010, S. 186 ≪187≫).
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Rüge von Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG nicht. Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass man ihm die Möglichkeit hätte geben müssen, Stellung zu nehmen, bevor ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde, stellt Art. 103 Abs. 1 GG das speziellere und daher vorrangig zu prüfende Grundrecht dar. Inwiefern neben einer Verletzung des rechtlichen Gehörs noch eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz und der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommen sollte, hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer nicht dargelegt. Er behauptet lediglich, dass eine solche Grundrechtsverletzung vorliegt, ohne beispielsweise die Rüge zu erheben, dass der Ausschluss des Beschwerderechts eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz darstellt.
b) Hinsichtlich der Rüge des Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG hat der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde jedoch hinreichend substantiiert.
c) Der Beschwerdeführer hat auch den Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft.
aa) Zunächst muss der Bürger die behauptete Grundrechtsverletzung durch das Einlegen von Rechtsbehelfen vor den Fachgerichten abzuwenden versuchen (BVerfGE 68, 376 ≪380≫; 70, 180 ≪186≫), wie es der Beschwerdeführer durch Einlegung einer Beschwerde auch angestrebt hat. Die Anordnung der Untersuchung ist als nicht instanzabschließende Zwischenentscheidung jedoch gemäß § 58 Abs. 1 FamFG nicht anfechtbar.
bb) Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich eine Anhörungsrüge gemäß § 44 FamFG erhoben hat. Es kann hier dahinstehen, ob es sich bei der Beauftragung eines Gutachters um eine – bei verfassungskonformer Auslegung von § 44 Abs. 1 Satz 2 FamFG – einer Anhörungsrüge zugängliche Zwischenentscheidung handelt. Denn der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers hat sinngemäß eine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, über die zu entscheiden das Amtsgericht abgelehnt hat. Damit ist der Intention des Gesetzgebers bei Aufnahme von § 44 FamFG entsprochen worden, dass bei unanfechtbaren Entscheidungen das die Entscheidung erlassende Gericht über eine etwaige Verletzung des rechtlichen Gehörs befinden soll.
3. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Für das Gericht erwächst aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht, vor dem Erlass einer Entscheidung zu prüfen, ob den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt wurde (BVerfGE 36, 85 ≪88≫). Der Anspruch auf rechtliches Gehör fordert, dass das erkennende Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (vgl. BVerfGE 83, 24 ≪35≫; 96, 205 ≪216≫; stRspr). Maßgebend für diese Pflichten des Gerichts ist der Gedanke, dass der Verfahrensbeteiligte Gelegenheit haben muss, die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Dezember 2009 – 1 BvR 2797/09 –, FamRZ 2010, S. 186 ≪187≫).
b) Diesen Voraussetzungen genügt der Beschluss vom 16. Juli 2010 nicht. Ausweislich der Verfügungen vom 14. und 16. Juli 2010 wurde der Beschwerdeführer weder schriftlich noch mündlich von der beabsichtigten Prüfung der Einrichtung einer Betreuung informiert. Er konnte sich dementsprechend nicht äußern, bevor der Gutachter beauftragt wurde.
Dagegen spricht auch nicht, dass in dem Beschluss noch keine zwangsweise Untersuchung und Vorführung des Beschwerdeführers angeordnet worden ist. Der Bundesgerichtshof hat zwar zu §§ 19, 68b FGG a.F. ausgeführt, dass ein Beschluss, der sich darauf beschränkt, einen Sachverständigen mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens über die Betreuungsbedürftigkeit eines Betroffenen zu beauftragen, den Betroffenen jedoch nicht verpflichtet, sich zum Zwecke der Begutachtung untersuchen zu lassen, nicht anfechtbar ist, weil es sich nicht um eine Endentscheidung handele, die in die Rechte des Betroffenen eingreife. Zwar setze ein solcher Beschluss eine Untersuchung voraus, das bedeute jedoch nicht, dass der Betroffene zur Mitwirkung verpflichtet werde (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 – XII ZB 209/06 –, FamRZ 2008, S. 774 ≪775 f.≫).
Aus dem Beschluss des Amtsgerichts München ergibt sich jedoch nicht, dass die Mitwirkung an der Erstellung des Gutachtens für den Beschwerdeführer eine freiwillige ist. Ein rechtsunkundiger Bürger wird, wenn eine solche Beauftragung im Wege des Beschlusses erfolgt, davon ausgehen, dass er zu einer Mitwirkung bei der Untersuchung verpflichtet ist. Bei einer Verweigerung der freiwilligen Untersuchung muss der Betroffene auch damit rechnen, aufgrund eines erneuten Beschlusses zwangsweise vorgeführt und untersucht zu werden. Im Übrigen hat bereits die Beauftragung eines Gutachters zur Prüfung einer möglichen Betreuungsbedürftigkeit eine stigmatisierende Wirkung, wenn Dritte von ihr Kenntnis erlangen. Nach geltendem Recht, das vorliegend verfassungsrechtlich nicht zu prüfen ist, ist ein Rechtsmittel gegen die Beauftragung des Gutachters nicht vorgesehen. Insofern erhält die vor der Beauftragung zu erfolgende Anhörung des Betroffenen zum Schutz seiner Rechte besondere Bedeutung.
c) Die unterbliebene Anhörung wurde auch nicht durch ein späteres Handeln des Gerichts geheilt. Zwar hat der Beschwerdeführer sich über seinen Rechtsanwalt über den Beschluss und insbesondere die unterlassene Anhörung geäußert. Das Amtsgericht ist darauf aber nicht eingegangen, sondern hat mitteilen lassen, sich nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, und erklärt, auch Akteneinsicht werde erst nach der Erstattung des Gutachtens gewährt.
d) Der Beschluss des Amtsgerichts München beruht auch auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer trägt vor, seine Ehefrau sei juristisch versiert und würde ihn in allen Angelegenheiten unterstützen. Er sei davon ausgegangen, nach der Entlassung aus der Klinik, bei der eine Eigen- und Fremdgefährdung verneint wurde, komme auch die Einrichtung einer Betreuung nicht mehr in Frage. Eine Mitteilung an den Beschwerdeführer über die angeregte Betreuung und beabsichtigte Begutachtung mit der ihm Gelegenheit zur Stellungnahme hätte eingeräumt werden können, war deshalb angebracht. Zudem war die Betreuungsbehörde selbst davon ausgegangen, dass die Einrichtung einer Betreuung wahrscheinlich weder sinnvoll noch möglich sei. Insofern hätte nahegelegen, vorab zu prüfen, ob die Einrichtung einer Betreuung überhaupt ein probates Mittel ist, der Aggressivität des Beschwerdeführers, die allerdings seit seinem Klinikaufenthalt nicht mehr zu Auffälligkeiten geführt zu haben scheint, zu begegnen.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Paulus
Fundstellen
Haufe-Index 2620822 |
FF 2011, 175 |