Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Beschluss vom 28.06.2006; Aktenzeichen 4 Bf 382/04) |
VG Hamburg (Urteil vom 14.10.2004; Aktenzeichen 13 K 2702/04) |
Tenor
Der Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2006 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 14. Oktober 2004 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Hamburg zurückverwiesen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Abweisung einer Fortsetzungsfeststellungsklage durch das Verwaltungsgericht Hamburg und die Ablehnung des dagegen gerichteten Antrags auf Zulassung der Berufung durch das Hamburgische Oberverwaltungsgericht. Der Rechtsstreit betraf eine versammlungsrechtliche Auflage, die jegliche Musikdarbietungen durch Musikgruppen im Rahmen einer vom Beschwerdeführer angemeldeten Versammlung untersagte.
I.
1. Nachdem ein für den 22. Mai 2004 vorgesehenes Konzert der Musikrichtung „Rechtsrock” in Hamburg untersagt worden war, meldete der Beschwerdeführer als Versammlungsleiter für den Fall, dass das Konzert nicht stattfinden könne, für den 22. Mai 2004 von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr bei der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg eine Demonstration zu dem Thema „Musikfreiheit ist Meinungsfreiheit” mit dreihundert bis fünfhundert Teilnehmern an. Als integraler Bestandteil der Demonstration wurde der Auftritt der Musikgruppen „G.” aus Italien und „S.” aus Großbritannien angekündigt.
In ihrer mit Auflagen versehenen Anmeldebestätigung vom 21. Mai 2004 untersagte die Behörde für Inneres musikalische Darbietungen jeglicher Art durch Musikgruppen und ordnete die sofortige Vollziehung an. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Widerspruch und beantragte beim Verwaltungsgericht Hamburg die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
Zur Begründung der Untersagung der Musikdarbietungen führte die Versammlungsbehörde aus, es komme nicht darauf an, ob einzelne Titel der vom Beschwerdeführer angekündigten Musikgruppen strafbar oder indiziert seien. Vielmehr bauten Inhalte der dem rechten Spektrum nahestehenden Musikgruppen grundsätzlich tendenziell Feindbilder auf und würden deshalb von weiten Teilen der Bevölkerung als bedrohlich wahrgenommen. Lieder mit aggressivem Inhalt seien geeignet, Ängste in der Bevölkerung hervorzurufen. Es sollten Hass und Wut der Zuhörer angesprochen und Gewalthandlungen ausgelöst werden. Gefährdet sei auch die öffentliche Ordnung, weil Musik rechtsgerichteter Gruppen der Versammlung ein Gepräge gebe, das bei weiten Teilen der Bevölkerung die Assoziation an eine Verherrlichung nationalsozialistischen Gedankenguts hervorrufe. Das Thema der Veranstaltung „Musikfreiheit ist Meinungsfreiheit” mache Musikbeiträge nicht unbedingt erforderlich. Die generelle Untersagung sei nötig, um sicherzustellen, dass Liedtexte strafbaren Inhalts nicht dargeboten würden.
2. Mit Beschluss vom 22. Mai 2004 stellte das Verwaltungsgericht Hamburg die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit der Maßgabe wieder her, dass auf der Versammlung die Texte „I.”, „J.”, „V.”, „S.” und „F.” nicht dargeboten werden durften.
Nachdem die Freie und Hansestadt Hamburg gegen diesen Beschluss Beschwerde zum Hamburgischen Oberverwaltungsgericht eingelegt hatte, teilte der Beschwerdeführer dem Führungs- und Lagedienst der Polizei Hamburg und dem Oberverwaltungsgericht mit, dass geringeres Interesse an der Veranstaltung bestehe, als zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung erwartet. Die Absicht, die Demonstration durchzuführen, bestehe nicht mehr.
3. Mit Schreiben vom 23. Mai 2004 erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht Hamburg Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Antrag festzustellen, dass die Auflage, mit der ihm musikalische Darbietungen jeglicher Art durch Musikgruppen untersagt worden seien, rechtswidrig gewesen sei.
Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, es bestehe Wiederholungsgefahr, weil das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung nur teilweise wiederhergestellt und die Freie und Hansestadt Hamburg zudem dagegen Beschwerde eingelegt habe. Außerdem habe er ein Rehabilitationsinteresse. Die Untersagung von Musikdarbietungen sei auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf die vom Verwaltungsgericht Hamburg untersagten Texte beziehe.
In ihrer Klageerwiderung räumte die Freie und Hansestadt Hamburg ein, dass die angegriffene Auflage nicht frei von Rechtsfehlern sei, weil sie mit der Untersagung musikalischer Darbietungen jeder Art nicht hinreichend deutlich mache, dass Kern der Auflage die Untersagung der Darbietungen zweier sogenannter Skinbands gewesen sei. Die Musikdarbietungen der vom Beschwerdeführer für die Versammlung avisierten Bands seien jedoch zu Recht untersagt worden. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts, der nur die Darbietung bestimmter Texte untersage, greife zu kurz. Schon die Teilnahme der betreffenden Bands als solche stehe wegen der Gewaltorientierung einiger Liedtexte mit der öffentlichen Ordnung nicht im Einklang.
4. Mit Urteil vom 14. Oktober 2004 wies das Verwaltungsgericht die Klage mangels Feststellungsinteresses ab. Wiederholungsgefahr bestehe schon deshalb nicht, weil die Freie und Hansestadt Hamburg zugestanden habe, dass die Auflage nicht frei von Rechtsfehlern, insbesondere nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Es sei deshalb nicht zu erwarten, dass in einer vergleichbaren Situation wieder eine Auflage dieses Inhalts gemacht werde. Wie eine rechtmäßige Auflage auszusehen habe, sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Auch ein Rehabilitationsinteresse bestehe nicht.
5. Seinen gegen dieses Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung begründete der Beschwerdeführer insbesondere damit, dass die Auflage keineswegs zu unbestimmt sei und weiterhin von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden müsse. Insoweit bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Es sei klar erkennbar, dass musikalische Darbietungen jeder Art durch Musikgruppen hätten verboten werden sollen. Es sei irrig, dass mit einer Wiederholung der Auflage nicht zu rechnen sei. Vielmehr bestehe weiterhin Wiederholungsgefahr, weil nicht auszuschließen sei, dass eine derartige Auflage künftig mit dem Ergebnis erneut erlassen werde, dass Musikgruppen in Demonstrationen des Beschwerdeführers generell nicht auftreten dürften. Die Freie und Hansestadt Hamburg habe bei einer vom Beschwerdeführer veranstalteten Demonstration im September 2004 erneut versucht, mit einer Auflage den Auftritt einer Musikgruppe zu verhindern.
6. Mit Beschluss vom 28. Juni 2006 lehnte das Hamburgische Oberverwaltungsgericht den Berufungszulassungsantrag des Beschwerdeführers ab.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestünden nicht. Hinsichtlich der Wiederholungsgefahr habe das Verwaltungsgericht zu Recht berücksichtigt, dass die Freie und Hansestadt Hamburg unmissverständlich erklärt habe, dass der Tenor ihrer Auflage nicht frei von Rechtsfehlern gewesen sei. Soweit das Gericht daraus geschlossen habe, eine Verfügung desselben Inhalts in einer vergleichbaren Situation werde nicht ergehen, würden dagegen mit dem Zulassungsantrag durchgreifende Gründe nicht vorgebracht. Gegenstand einer Fortsetzungsfeststellungsklage könne nicht die allgemeine Feststellung sein, dass die Versammlungsbehörde in der Vergangenheit rechtswidrig gehandelt habe. Die Fortsetzungsfeststellungsklage beziehe sich vielmehr ausschließlich auf den erledigten Verwaltungsakt. Auch sei die Frage, wie eine rechtmäßige Auflage zur Untersagung verbotswidriger musikalischer Darbietungen im Einzelnen beschaffen sein müsse, nicht Gegenstand der anhängigen Fortsetzungsfeststellungsklage. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils bestünden auch nicht, soweit das Verwaltungsgericht ein Rehabilitationsinteresse verneint habe. Schließlich sei die Berufung auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
7. Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 14. Oktober 2004 und der Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2006 verletzten ihn in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
Die Untersagung wesentlicher Programmpunkte der von ihm angemeldeten Demonstration habe ihn beschwert. Die später von der Freien und Hansestadt Hamburg abgegebene Erklärung sei als rein prozesstaktisch zu werten. Die Auflage sei tatsächlich nicht unbestimmt gewesen. Sie habe vielmehr sehr bestimmt musikalische Darbietungen jeglicher Art durch Musikgruppen anlässlich der Demonstration verboten. Dass das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht dies anders sähen und folglich die Klage abgewiesen und den Berufungszulassungsantrag abgelehnt hätten, verletze den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Denn es habe evident Wiederholungsgefahr bestanden. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Behörde für Inneres mit Verfügung vom 25. August 2004 für eine spätere Demonstration des Beschwerdeführers musikalische Darbietungen der Musikgruppe „O.” untersagt habe. Dabei sei unerheblich, dass mit dieser Verfügung speziell der Auftritt einer Musikgruppe und nicht der Auftritt aller Musikgruppen untersagt worden sei. Denn es sei für diese Demonstration nur diese eine Musikgruppe angemeldet gewesen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts seien aufzuheben, damit die Fachgerichte in der Sache entschieden.
8. Zu der Verfassungsbeschwerde hat der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg Stellung genommen.
Er hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet und verweist auf die angegriffenen Entscheidungen. Ergänzend führt er aus, die Freie und Hansestadt Hamburg habe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeräumt, dass die Auflage mit dem Verbot jeglicher Musikdarbietungen nicht frei von Rechtsfehlern sei, weil sie nicht hinreichend deutlich mache, dass musikalische Darbietungen der beiden konkret angekündigten Musikgruppen hätten untersagt werden sollen. Dementsprechend sei die Auflage in der Anmeldebestätigung vom 25. August 2004 auch so gefasst worden, dass nur Darbietungen der vom Beschwerdeführer angemeldeten konkreten Musikgruppe, nicht Musikdarbietungen jeglicher Art untersagt worden seien. Die Versammlungsbehörde habe also bereits bei der nächsten derartigen Versammlung nach der gegenüber dem Verwaltungsgericht abgegebenen Erklärung gehandelt. Dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen diese Auflage teilweise wiederhergestellt habe, könne nicht als Beleg für eine Wiederholungsgefahr herangezogen werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (vgl. § 93b Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 110, 77 ≪89 ff.≫). Die Kammer kann deshalb nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG der Verfassungsbeschwerde stattgeben, weil sie offensichtlich begründet ist.
1. Die angegriffenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert, die wie mit der vom Beschwerdeführer in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage Vorkehrungen dafür treffen, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne die Möglichkeit fachgerichtlicher Prüfung zu tragen hat (vgl. BVerfGE 96, 27 ≪39≫; 110, 77 ≪85≫). Die Zulässigkeit eines Rechtsschutzbegehrens ist dabei allerdings vom Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses bei der Verfolgung eines subjektiven Rechts abhängig. Damit der Rechtsschutz nicht unzumutbar beschränkt wird, dürfen aber an ein solches Rechtsschutzbedürfnis keine aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Anforderungen gestellt werden (vgl. BVerfGE 78, 88 ≪99≫; 110, 77 ≪85≫).
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert den Rechtsweg nicht nur bei aktuell anhaltenden, sondern auch bei in der Vergangenheit erfolgten Rechtsverletzungen, wenn ein darauf bezogenes Rechtsschutzbedürfnis besteht (vgl. BVerfGE 104, 220 ≪232 f.≫; 110, 77 ≪85≫). Darüber hinaus gewährt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nach Maßgabe der Sachentscheidungsvoraussetzungen auch einen Anspruch auf Rechtsschutz in einem Hauptsache- und nicht nur in einem Eilverfahren (vgl. BVerfGE 110, 77 ≪86≫).
In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die Anforderungen, die bei einer insoweit als Hauptsacherechtsbehelf in Betracht kommenden Fortsetzungsfeststellungsklage für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses gelten, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit anzuwenden. Zwar begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht aber dann, wenn die Gefahr einer Wiederholung des Eingriffs besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann (vgl. BVerfGE 110, 77 ≪89≫). Stets anzunehmen ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (vgl. BVerfGE 110, 77 ≪90≫). Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt dabei zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Betroffenen voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfGE 110, 77 ≪90≫).
Dabei reicht es aus, dass der Wille des Betroffenen erkennbar ist, in Zukunft Versammlungen abzuhalten, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können. Angesichts des verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Veranstalters, über das Ziel sowie die Art und Weise der Durchführung einer Versammlung selbst zu bestimmen, darf für die Bejahung des Feststellungsinteresses nicht verlangt werden, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfGE 110, 77 ≪90 f.≫). Jedoch sind Anhaltspunkte dafür zu fordern, dass die Behörde das Verbot solcher weiteren Versammlungen oder die Beschränkung ihrer Durchführung voraussichtlich wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird. Ist gerichtlicher Eilrechtsschutz erlangt worden, bestehen aber Anhaltspunkte dafür, dass eine Behörde sich nicht an den im vorangegangenen Eilverfahren vorgenommenen gerichtlichen Bewertungen ausrichten wird, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, es sei denn die konkret betroffene Behörde hat eindeutig erkennen lassen, in Zukunft von einer Wiederholung der Beschränkung unter Verwendung der von ihr ursprünglich gegebenen Begründung absehen zu wollen (vgl. BVerfGE 110, 77 ≪91≫).
b) Nach diesen Maßstäben verletzen die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Denn danach hätten die Gerichte das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr nicht verneinen dürfen.
aa) Entgegen der vom Oberverwaltungsgericht bestätigten Auffassung des Verwaltungsgerichts ließ sich aus der Erklärung der Freien und Hansestadt Hamburg in ihrer Klageerwiderung, die vom Beschwerdeführer mit der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffene Auflage sei nicht frei von Rechtsfehlern, nicht schließen, dass in einer vergleichbaren Situation nicht erneut eine Auflage gleichen Inhalts erlassen werde.
Zwar wurde mit dieser Erklärung eingeräumt, dass die jegliche Musikdarbietungen von Musikgruppen untersagende Auflage nicht frei von Rechtsfehlern gewesen sei. Diese Fehler wurden aber nur darin gesehen, dass die Auflage nicht hinreichend deutlich mache, dass ihr Kern die Untersagung von musikalischen Darbietungen der beiden vom Beschwerdeführer angekündigten Skinheadbands gewesen sei, weil sie ihrem Wortlaut nach jegliche Musikdarbietung untersage. Nur insoweit hat die Freie und Hansestadt Hamburg auch den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Im Übrigen hat sie jedoch ausdrücklich daran festgehalten, dass Auftritte der vom Beschwerdeführer engagierten Bands zu Recht vollständig untersagt worden seien. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat damit aber deutlich gemacht, dass nach ihrer Auffassung die mit der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffene Auflage, auch wenn sie ihrem Wortlaut nach zu weit gefasst ist, den Auftritt der vom Beschwerdeführer angekündigten Musikgruppen in rechtmäßiger Weise untersagt hat.
Dabei lässt die Klageerwiderung vom 17. Juni 2004 auch nicht erkennen, dass die Versammlungsbehörde an der Begründung für die Auflage nicht mehr festhält, die Inhalte der dem rechten Spektrum nahestehenden Musikgruppen bauten, selbst wenn sie weder strafbar noch indiziert seien, tendenziell Feindbilder auf, würden von weiten Teilen der Bevölkerung als aggressiv wahrgenommen, sollten Gewalthandlungen auslösen und gefährdeten die öffentliche Ordnung, weil sie bei weiten Teilen der Bevölkerung die Assoziation einer Verherrlichung nationalsozialistischen Gedankenguts hervorriefen. Dementsprechend hat die Versammlungsbehörde die Untersagung des Auftritts einer anderen Musikgruppe bei einer vom Beschwerdeführer für den 4. September 2004 zum selben Thema angemeldeten Demonstration in der Anmeldebestätigung vom 25. August 2004 auch wiederum auf diese Argumentation gestützt.
Räumt die Versammlungsbehörde zwar ein, dass die Formulierung einer Auflage nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei sei, bleibt sie aber gleichzeitig dabei, dass die Auflage in ihrem Kern, dem Verbot des vom Beschwerdeführer angekündigten Auftritts zweier Musikgruppen, rechtmäßig gewesen sei, ohne sich von der dem Verbot zugrundeliegenden und auf andere Musikgruppen übertragbaren Begründung zu distanzieren, so liegen darin hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sie an ihrer Rechtsauffassung festhalten und deshalb vergleichbare Versammlungen des Beschwerdeführers aus den gleichen Gründen wie bisher durch eine Untersagung des Auftritts von Musikgruppen, die vergleichbare Musikinhalte vertreten, beschränken wird. Verneinen die Gerichte in einem solchen Fall die Wiederholungsgefahr und damit das für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse, so verletzt dies den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
bb) Die Wiederholungsgefahr ist auch nicht durch das vorangegangene Eilverfahren, in dem der Beschwerdeführer in weitem Umfang Erfolg gehabt hat, entfallen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die betroffene Behörde in Anschluß hieran eindeutig erkennen ließe, in Zukunft der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen und von einer Wiederholung vergleichbarer Versammlungsbeschränkungen mit der von ihr ursprünglich gegebenen Begründung absehen zu wollen (vgl. BVerfGE 110, 77 ≪91≫). Davon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
Mit Beschluss vom 22. Mai 2004 hat das Verwaltungsgericht Hamburg die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beschwerdeführers gegen die jegliche Musikdarbietungen untersagende Auflage mit der Maßgabe wieder hergestellt, dass auf der Versammlung lediglich bestimmte Texte nicht dargeboten werden durften. Es hat dies damit begründet, dass eine generelle Untersagung musikalischer Darbietungen rechtsgerichteter Musikgruppen zur Gefahrenabwehr nicht erforderlich sei. Weder erfülle jeder aggressive, militante oder sonst überzogene Text einen Straftatbestand noch sei die öffentliche Ordnung stets betroffen. Lediglich ein Teil der Texte rufe deutlich zur Anwendung von Gewalt auf. Nur ein auf diese Texte beschränktes Verbot sei daher notwendig und verhältnismäßig.
Die Versammlungsbehörde hat demgegenüber stets zu erkennen gegeben, dass sie diese Rechtsauffassung nicht teilt und sich folglich auch in Zukunft nicht an dieser ausrichten will. Sie hatte bereits gegen die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg Beschwerde eingelegt – über die dann aus prozessualen Gründen nicht mehr entschieden werden musste – und auch in ihrer Klageerwiderung ausdrücklich betont, dass ihrer Ansicht nach die Darbietungen der vom Beschwerdeführer angekündigten Musikgruppen zu Recht untersagt worden seien und der das Verbot der Musikdarbietungen beschränkende Beschluss des Verwaltungsgerichts zu kurz greife, weil schon die Teilnahme der Bands als solche wegen der Gewaltorientierung einiger Liedtexte mit der öffentlichen Ordnung nicht in Einklang zu bringen sei. Die Versammlungsbehörde hat also keineswegs eindeutig erkennen lassen, in Zukunft von einer Wiederholung der angegriffenen Auflage mit der gleichen Begründung absehen zu wollen, sondern im Gegenteil ausdrücklich an ihrer abweichenden Rechtsauffassung festgehalten.
cc) An der Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ändert auch der Hinweis des Verwaltungsgerichts darauf nichts, dass es, nachdem die Versammlungsbehörde die Fehlerhaftigkeit ihrer Entscheidung eingeräumt habe, nicht Gegenstand des Verfahrens sei, wie eine rechtmäßige Auflage auszusehen habe.
Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage war die damit angegriffene Auflage. Diese verbot zwar ihrem Wortlaut nach jegliche Musikdarbietung von Musikgruppen. Sie zielte aber, wie die Freie und Hansestadt Hamburg selbst dargelegt hat, im Kern darauf ab, den vom Beschwerdeführer angekündigten Auftritt zweier rechtsgerichteter Musikgruppen zu untersagen. Da die Auflagenbegründung ausdrücklich an die Anmeldung dieser Musikgruppen anknüpfte, war dies auch für den Adressaten der Auflage ohne weiteres erkennbar. Die Untersagung jeglicher Musikdarbietungen von Musikgruppen war damit vor allem als Verbot des Auftritts der vom Beschwerdeführer angekündigten Bands aus dem rechten Spektrum zu verstehen und daher als solches auch Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage. Es ging deshalb bei der Entscheidung über diese Klage nicht um die abstrakte Klärung der Voraussetzungen, unter denen ein Verbot von Musikdarbietungen in rechtmäßiger Weise hätte erlassen werden dürfen, sondern um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines konkreten Verbots des Auftritts zweier bestimmter Musikgruppen um zu klären, ob der Beschwerdeführer künftig in einer vergleichbaren Situation das generelle Verbot des Auftritts im Wesentlichen gleichartiger Musikgruppen hinnehmen muss. Da die Versammlungsbehörde erklärtermaßen weiterhin in vollem Umfang von der Rechtmäßigkeit dieses Verbots ausging, konnten die Gerichte insoweit die Wiederholungsgefahr aber nicht ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verneinen. Es war vielmehr zu erwarten, dass die Behörde an ihrer Rechtsauffassung festhalten und ein vergleichbares Verbot mit gleicher Begründung bei vergleichbaren Versammlungen des Beschwerdeführers erneut erlassen würde.
2. Der Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen steht auch nicht entgegen, dass eine Annahme zur Entscheidung dann nicht angezeigt ist, wenn die Verfassungsbeschwerde auch bei einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben könnte (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫). Dies käme zwar dann in Betracht, wenn es an der weiteren für die Annahme einer Wiederholungsgefahr erforderlichen Voraussetzung der Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Beschwerdeführer fehlen würde (vgl. BVerfGE 110, 77 ≪90≫). Jedoch kann davon nicht ausgegangen werden. Denn diese Möglichkeit kann hier nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Immerhin hatte der Beschwerdeführer bereits für den 4. September 2004 erneut eine Demonstration in Hamburg unter dem Motto „Musikfreiheit ist Meinungsfreiheit” angemeldet, in deren Rahmen wiederum eine Musikgruppe auftreten sollte.
3. Ist damit der Verfassungsbeschwerde stattzugeben, so ist nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzen. Außerdem hebt das Bundesverfassungsgericht nach § 95 Abs. 2 BVerfGG die Entscheidungen auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht Hamburg als zuständiges Gericht zurück.
4. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Verfassungsbeschwerdeverfahren nach § 34a Abs. 2 BVerfGG zu erstatten.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Masing
Fundstellen
Haufe-Index 2765031 |
NVwZ-RR 2011, 405 |
BayVBl. 2011, 405 |
NPA 2012 |
LL 2011, 815 |