Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird mangels Erfolgsaussicht der einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung, die Wirksamkeit der Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Vater ihrer zwei Töchter einstweilen auszusetzen und das vorläufige Verbleiben der Kinder bei ihr anzuordnen. Darüber hinaus beantragt sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten.
1. Die Antragstellerin ist Mutter zweier im Juni 1999 und Oktober 2000 ehelich geborener Mädchen. Beide besuchen die Sprachförderschule in W. Die Ehe der Antragstellerin mit dem Kindesvater wurde im November 2008 geschieden. Seit dem Auszug des Vaters aus der Ehewohnung in P. leben die Kinder bei der Mutter. Im September 2009 zogen sie mit ihr zu ihrem neuen Lebensgefährten nach K.
Der Kindesvater hat wieder geheiratet und lebt in G. Seine neue Frau hat drei Kinder in die Ehe eingebracht. Außerdem haben sie einen im Januar 2009 geborenen gemeinsamen Sohn. Umgangskontakte des Kindesvaters mit den Mädchen fanden zunächst nicht statt.
In einem von dem Kindesvater angestrengten Umgangsverfahren traf das Amtsgericht am 12. März 2009 auf der Grundlage einer Vereinbarung der Kindeseltern die Regelung, dass der Kindesvater zunächst in durch den Kinderschutzbund betreuter Form mit den beiden Kindern Umgang haben solle. Im Anschluss fanden zwei Umgangskontakte am 20. März und 3. April 2009 statt.
Das Gericht bestellte in dem Sorgerechtsverfahren, in dem beide Elternteile jeweils das alleinige Sorgerecht beantragten, eine Verfahrenspflegerin für die Kinder und hörte die Mädchen am 14. Mai 2009 persönlich an.
a) Mit Beschluss vom 16. Juni 2009 übertrug das Amtsgericht dem Kindesvater das alleinige Recht der elterlichen Sorge für die beiden Mädchen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Antragstellerin massiv versuche, die Kinder dem Vater zu entfremden und einen Umgang mit ihm zu unterbinden. Dabei stützte es sich im Wesentlichen auf die Berichte der Umgangsbegleiterin des Kinderschutzbundes, der Verfahrenspflegerin und des Jugendamtes T.
b) Nach Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens wies das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurück.
Zusammengefasst führte es aus, dass gegen die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Antragstellerin und die Beibehaltung des Lebensmittelpunkts der Kinder bei ihr spreche, dass es ihr nicht gelungen sei, ihre negativen Erfahrungen aus der gescheiterten Ehe mit dem Kindesvater zu verarbeiten und sie die Kinder mit diesem Konflikt erheblich belaste. Demgegenüber sei der Kindesvater nach Einschätzung der Sachverständigen besser geeignet, die emotionalen Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Dem Wechsel zum Vater stünden weder der besondere schulische Förderbedarf der Kinder noch die derzeitige therapeutische Behandlung der älteren Tochter entgegen, da die Kontinuität der bisherigen Strukturen durch den Umzug der Antragstellerin zu ihrem neuen Lebensgefährten ohnehin in Frage stehe. Sprachheilschulen und die Möglichkeit einer weiteren therapeutischen Behandlung gebe es auch im Umkreis des Wohnorts des Kindesvaters. Dem von den Kindern geäußerten Wunsch, bei der Mutter bleiben zu wollen, könne in Anbetracht des von der Antragstellerin hervorgerufenen Loyalitätskonflikts kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Auch könne das Sorgerecht nicht, wie im Gutachten angeregt, zunächst auf das Jugendamt übertragen werden, weil hierdurch der zu einer Instabilisierung der Kinder führende Zustand auf längere Zeit perpetuiert würde.
Nachdem das für den Wohnort des Kindesvaters zuständige Landratsamt nach der Entscheidung des Familiengerichts bereits im Juli 2009 einen vorläufigen Hilfeplan aufgestellt und sozialpädagogische Familienhilfe in Aussicht gestellt habe, sei davon auszugehen, dass der Wechsel mit Unterstützung des Jugendamtes zeitnah kindeswohlverträglich organisiert werden könne.
2. Mit ihrem Eilantrag, die Wirksamkeit der vorgenannten Beschlüsse einstweilen auszusetzen, macht die Antragstellerin eine Verletzung ihres Elternrechts aus Art. 6 GG durch die vorgenannten Entscheidungen geltend.
Die Fachgerichte hätten nicht nachvollziehbar begründet, aus welchen Gründen die Entziehung der elterlichen Sorge der Antragstellerin zum Wohl der beiden Töchter erforderlich sein solle. Sie hätten verkannt, dass Maßstab und Ziel einer Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht der Ausgleich persönlicher Defizite zwischen den Eltern sein dürfe, sondern allein das Kindeswohl. Mit der Frage, ob es dem Kindeswohl abträglich wäre, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht und in der Konsequenz den Aufenthalt und den Lebensmittelpunkt der beiden Kinder unmittelbar zu ändern, habe sich das Oberlandesgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt.
Das Oberlandesgericht habe sich gegen die eindeutige Empfehlung der Sachverständigen gestellt, die Kinder bis auf weiteres nicht von der Antragstellerin zu trennen. Es habe der Antragstellerin zum Vorwurf gemacht, ihre negativen Erfahrungen aus der gescheiterten Ehe mit dem Kindesvater nicht verarbeitet zu haben, ohne jedoch die Ursache der durch den Kindesvater während der Ehe ausgeübten Gewalt miteinzubeziehen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG vorliegen, sind die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin angekündigten Verfassungsbeschwerde insoweit relevant, als dem Eilrechtsschutzbegehren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nicht entsprochen werden kann, wenn die angekündigte Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Maßgebend für die Beurteilung ist der Verfahrensstand im Zeitpunkt der Entscheidung (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2001 – 1 BvQ 35/01 –, NJW 2002, S. 356).
Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Denn die angekündigte Verfassungsbeschwerde ist bei derzeitigem Verfahrensstand nach Aktenlage teilweise unzulässig und im Übrigen offensichtlich unbegründet.
a) Soweit die Antragstellerin eine Verletzung ihres Elternrechts durch die Entscheidung des Amtsgerichts vom 16. Juni 2009 geltend macht, fehlt eine hinreichende Begründung, § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.
Das Begründungserfordernis verlangt neben der Bezeichnung des angeblich verletzten Grundrechts auch die substantiierte Darlegung des die Verletzung enthaltenden Vorgangs (vgl. BVerfGE 81, 208 ≪214≫). Dieser muss in einer Weise vorgetragen sein, dass das Bundesverfassungsgericht ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens allein aufgrund der Beschwerdeschrift sowie der ihr beigefügten Anlagen in der Lage ist, zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfassungsverstoß zumindest möglich erscheint. Zu einer ordnungsgemäßen Begründung in diesem Sinne gehört, dass der Beschwerdeführer sich mit Grundlagen und Inhalt gerichtlicher Entscheidungen auseinandersetzt (vgl. BVerfGE 93, 266 ≪288≫; 99, 84 ≪87≫). Der angegriffene Hoheitsakt sowie die zu seinem Verständnis notwendigen Unterlagen müssen in Ablichtung vorgelegt oder zumindest ihrem Inhalt nach so dargestellt werden, dass eine verantwortbare verfassungsrechtliche Beurteilung möglich ist (vgl. BVerfGE 78, 320 ≪327≫; 88, 40 ≪45≫; 93, 266 ≪288≫). Daran fehlt es hier.
Das Amtsgericht stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf die Berichte der Umgangsbegleiterin des Kinderschutzbundes, der Verfahrenspflegerin und des Jugendamtes T. Diese sind daher zur Überprüfung der von dem Amtsgericht dargelegten Einschätzungen unabdingbar erforderlich, werden aber von der Antragstellerin weder vorgelegt noch inhaltlich wiedergegeben. Eine Überprüfung der amtsgerichtlichen Beurteilung ist daher nicht möglich.
b) Nach dem derzeitigen Aktenstand sind des Weiteren keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 15. Februar 2010 in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden ist.
Art. 6 Abs. 2 GG schützt die Eltern-Kind-Beziehung und sichert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung (vgl. BVerfGE 31, 194 ≪204≫). Dieses den Eltern verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 61, 358 ≪371 f.≫; 75, 201 ≪218≫). Allerdings bedarf das Elternrecht, das den Eltern gemeinsam zusteht, insbesondere auch für den Fall der gesetzlichen Ausgestaltung, dass die Eltern sich bei der Ausübung ihres Rechts nicht einigen können (vgl. BVerfGE 92, 158 ≪178 f.≫; 107, 150 ≪169≫). Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Bei der Anwendung dieser Vorschrift haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (vgl. BVerfGE 64, 180 ≪188≫). Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Februar 1993 – 1 BvR 692/92 –, NJW 1993, S. 2671).
Zwar erscheinen vorliegend auf der Grundlage der sachverständigen Feststellungen eine stärkere Gewichtung des Kontinuitätsgedankens und damit auch eine andere Entscheidung in der Sache möglich. Gleichwohl ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts die sich aus Art. 6 Abs. 2 GG ergebenden Grenzen überschreitet.
Das Oberlandesgericht hat die Besonderheiten des Falles im Einzelnen berücksichtigt und ihnen im Rahmen seiner Abwägung Rechnung getragen. Es hat, gestützt auf das eingeholte Sachverständigengutachten, die Erziehungskompetenzen beider Eltern gewürdigt und ist in sachlich verständlicher Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kindesvater für eine Förderung und Erziehung der Kinder besser geeignet sei. Dies wird von der Antragstellerin im Grunde auch nicht in Frage gestellt. Das Oberlandesgericht hat sich des Weiteren eingehend damit auseinandergesetzt, weshalb es entgegen der Empfehlung der Sachverständigen eine sofortige Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Kindesvater und den damit einhergehenden Aufenthaltswechsel der Kinder für erforderlich erachte. Dabei hat es insbesondere nachvollziehbar dargelegt, dass das von der Sachverständigen vor allem im Hinblick auf die ältere Tochter betonte Bedürfnis nach schulischer und therapeutischer Konstanz sowie der besondere Förderbedarf der jüngeren Tochter einem Wechsel in den väterlichen Haushalt nicht entscheidend entgegenstehe. Dass es in diesem Zusammenhang der aufgrund des bisherigen Aufenthalts der Töchter engeren Bindung an die Mutter weniger Gewicht beigemessen hat als den negativen Folgen für die psychische Entwicklung der Kinder, die aus der unstreitig auch ihnen vermittelten heftigen Abneigung der Antragstellerin gegen den Kindesvater resultieren, ist nach dem bisherigen Verfahrensstand in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass das Oberlandesgericht im Rahmen dieser Abwägung die Bedeutung und Tragweite des Elternrechts der Antragstellerin verkannt hätte, bestehen nicht.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, das Oberlandesgericht habe den Grund ihrer Ablehnung des Kindesvaters, nämlich die in der Ehe erlebte Gewalt, nicht berücksichtigt, ermangelt ihr Vorbringen jeglicher näherer Ausführungen zu Umfang, Anlass und Umständen der behaupteten Gewalthandlungen. Allein die Vorlage des Strafbefehls vom 22. April 2008 ohne konkrete Erläuterungen der darin enthaltenen Vorwürfe vermag keine entsprechende Begründung zu ersetzen. Darüber hinaus ist dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung auch nicht zu entnehmen, inwieweit die Gewaltvorwürfe den Fachgerichten bekannt gemacht worden sind und welche Einlassung der beschuldigte Kindesvater hierzu abgegeben hat.
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist mangels Erfolgsaussicht der einstweiligen Anordnung abzulehnen (§ 114 ZPO analog).
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen