Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Verfahrensgang
Tenor
Dem Justizministerium Baden-Württemberg wird aufgegeben, eine Anwaltsnotarstelle im Bezirk des Amtsgerichts Stuttgart bis zum Ablauf der Begründungsfrist für die vorab eingelegte Verfassungsbeschwerde frei zu halten.
Gründe
1. Der Beschwerdeführer bewarb sich im November 2001 auf eine von sechs für den Amtsgerichtsbezirk Stuttgart ausgeschriebenen Anwaltsnotarstellen. Seine Bewerbung blieb ohne Erfolg, da er unter den Bewerbern nur die neunte Rangstelle einnahm.
Das Oberlandesgericht Stuttgart wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Verpflichtung zur Neubescheidung seiner Bewerbung zurück. Der Bundesgerichtshof verkündete nach mündlicher Verhandlung am 31. März 2003 den Beschluss, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Eine Begründung der Entscheidung steht noch aus.
Mit Schreiben vom 3. April 2003 teilte der Beschwerdeführer dem Justizministerium Baden-Württemberg mit, dass er beabsichtige, Verfassungsbeschwerde einzulegen und eine einstweilige Anordnung zu beantragen; hiermit verband er die Bitte, bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Mitbewerber zu bestellen. Mit Schreiben vom 7. April 2003 informierte das Justizministerium Baden-Württemberg den Beschwerdeführer darüber, dass nach der nunmehr eingetretenen Rechtskraft nicht zugewartet werden würde, da die Bewerber bereits seit über einem Jahr auf ihre Bestellung warteten.
Mit Schriftsatz vom 9. April 2003 legte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zwar sei eine Begründung der Verfassungsbeschwerde im Einzelnen noch nicht möglich, da dem Beschwerdeführer die Gründe des Bundesgerichtshofs noch nicht bekannt seien. Ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung bestehe jedoch die Gefahr, dass zu seinen Lasten vollendete Tatsachen geschaffen würden.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den wegen Eilbedürftigkeit ohne Anhörung der Gegenseite entschieden werden kann (§ 32 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG), hat Erfolg. Bisher ist nicht überprüfbar, ob die Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Deshalb ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. hierzu BVerfGE 88, 169 ≪172≫; 91, 328 ≪332≫; stRpr).
Wie aus dem Schreiben des Justizministeriums vom 7. April 2003 zu entnehmen ist, steht eine Bestellung der Konkurrenten zu Notaren unmittelbar bevor. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist erforderlich, um dem Bundesverfassungsgericht eine Prüfung der Anträge zu ermöglichen und dem Beschwerdeführer die Wahrung seiner Rechte im Verfahren der Verfassungsbeschwerde offen zu halten.
Erginge keine einstweilige Anordnung, wäre eine Wahrung der Grundrechte des Beschwerdeführers selbst für den Fall nicht mehr möglich, dass seine Verfassungsbeschwerde in der Sache Erfolg hätte. Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts liefe durch eine Besetzung sämtlicher ausgeschriebener Notarstellen ins Leere. Das widerspräche dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. BVerfGE 78, 123 ≪126≫). Das gilt vor allem, weil eine Begründung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch nicht vorliegt und eine Überprüfung der Entscheidung somit noch nicht uneingeschränkt möglich ist.
Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist daher geboten. Die Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und die Verhinderung verfassungsgerichtlicher Kontrolle stellen schwere Nachteile im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG dar. Dieses Vorgehen hätte sich lediglich erübrigt, wenn das Justizministerium trotz der eingetretenen Rechtskraft dem Beschwerdeführer die Wahrung seiner Rechte vor dem Bundesverfassungsgericht durch weiteres Zuwarten ermöglicht hätte.
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 952233 |
NJW 2003, 3043 |