Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Dauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§§ 63, 67d Abs. 2 StGB).
1. a) Der Beschwerdeführer ist am 4. Oktober 1967 geboren. Er wurde in den Jahren 1983 bis 1985 vier Mal wegen Diebstahls verurteilt. Am 27. Februar 1987 wurde er vom Amtsgericht Betzdorf wegen Diebstahls, schwerer Brandstiftung, Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr, schweren räuberischen Diebstahls und versuchten Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt, und es wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach den Feststellungen des Gerichts war der Beschwerdeführer schon in der Grundschulzeit durch Verhaltensstörungen aufgefallen. Sein Verhalten war durch Unterbringung in einem Heim und in einer Klinik für Jugend- und Kinderpsychiatrie nicht zu bessern. Er litt an einem hyperkinetischen Syndrom. Dadurch erschien er unberechenbar, kritiklos und unkontrolliert. Er war häufig aggressiv gegen Personen und zerstörte aus Wut Einrichtungsgegenstände. Im Elternhaus wirkte sein Verhalten tyrannisierend. In einen geregelten Arbeitsablauf konnte er nach Ende des Schulbesuchs nicht eingebunden werden. Der Beschwerdeführer konsumierte zunehmend Nikotin, Alkohol und schließlich auch verbotene Drogen. Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Verurteilung, von kurzen Unterbrechungen abgesehen, im Maßregelvollzug.
b) Am 4. Oktober 1990 verurteilte das Landgericht Koblenz den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Erwerbs in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln und wegen vorsätzlichen Vollrauschs – mit einem Einbruchsdiebstahl als Rauschtat – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat und ordnete erneut seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
2. Der Beschwerdeführer wurde aufgrund der Maßregelanordnung am 27. Februar 1987 in die Fachklinik A.… aufgenommen, wo er zunächst bis zum 8. Februar 2000 untergebracht war. Dort fiel er bei zwei Ausgängen auf, weil er zu spät zurückkehrte, einmal alkoholisiert, einmal mit Schnittverletzungen am Unterarm. Am 1. Februar 2000 beschloss die Strafvollstreckungskammer die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers mit der Weisung, dass er in einem Wohnheim wohnen solle. Dies geschah ab dem 8. Februar 2000. Am 18. Mai 2000 erließ das Strafvollstreckungsgericht einen Sicherungshaftbefehl und widerrief kurz darauf die Aussetzung der Maßregelvollziehung zur Bewährung, weil der Beschwerdeführer gröblich und beharrlich gegen Bewährungsauflagen verstoßen habe. Ihm wurde auch vorgeworfen, er habe am 9. Oktober 2000 einen Ladendiebstahl begangen. Zudem war er wegen einer am 25. April 2000 begangenen Körperverletzung beschuldigt worden.
3. a) In einem vorangegangenen Aussetzungsverfahren, in welchem die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung vom Landgericht mit Beschluss vom 7. Juni 2002 ebenfalls abgelehnt worden war, war ein externes Prognosegutachten eingeholt worden. Im gegenständlichen Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung bzw. die Feststellung ihrer Erledigung holte das Landgericht ein Prognosegutachten des psychiatrischen Krankenhauses ein. Darin wurden eine Borderline-Persönlichkeitsstörung, eine histrionische Persönlichkeitsstörung sowie fortbestehende Polytoxikomanie diagnostiziert. Es wurde festgestellt, dass die Einrichtung die Aufgabe der Sicherung erfüllen könne, eine Besserung in diesem Rahmen allerdings sehr fraglich sei und sich die Prognose mit zunehmender Hospitalisierung eher verschlechtere. Bei einer Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit weiteren schwerwiegenden Straftaten im Sinne der Anlassstraftaten zu rechnen.
b) Auf dieser Grundlage lehnte das Landgericht die Aussetzung der Vollziehung der Maßregel zur Bewährung oder die Feststellung ihrer Erledigung ab. Zur Begründung führte es aus: Persönlichkeitsstörung, dissoziales und delinquentes Verhalten sowie multipler Suchtmittelgenuss zeigten eine hohe Wahrscheinlichkeit von Rückfalltaten auf. Diese würden sich nicht auf den Bereich der Vermögensdelikte beschränken, sondern sich bei Eintreten von Drogenentzug auch auf Gewalttaten gegen Personen erstrecken. Wenngleich dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit fortschreitender Dauer des Maßregelvollzugs ein wachsendes Gewicht zukomme, sei die Fortdauer der Unterbringung im Maßregelvollzug nicht unverhältnismäßig. Ein Erledigungstatbestand für die Maßregel sei nicht eingetreten. Weder sei der Zweck erreicht noch der Grund für die Anordnung entfallen.
c) Gegen diesen Beschluss wandte sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde. Das Oberlandesgericht verwarf das Rechtsmittel als unbegründet. Es begründete dies damit, dass die Legalprognose aus den vom Landgericht angeführten Gründen negativ ausfalle. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit weiteren schwer wiegenden Straftaten im Sinne der Anlasstaten zu rechnen. Besonderes Gewicht messe das Gericht dem Misslingen des Erprobungsversuchs im Februar 2000 bei. Bereits wenige Tage nach seiner Entlassung sei der Beschwerdeführer aufgefallen; zwei stationäre Aufenthalte seien die Folge gewesen. Am 24. Februar 2000 sei er untergetaucht, woraufhin am 18. Mai 2000 Sicherungshaftbefehl erlassen worden sei. Am 9. Oktober 2000 sei der Beschwerdeführer in angetrunkenem Zustand beim Ladendiebstahl festgenommen worden. Nach eigenem Bekunden bei der Haftvorführung habe er alles an Drogen und Alkohol konsumiert, was er habe erlangen können; er sei mit Drogen “total drauf wie ein Schwein”. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2000 habe das Strafvollstreckungsgericht daher die Bewährungsentscheidung widerrufen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertige kein anderes Entscheidungsergebnis. Insbesondere könne kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angenommen werden. Wenn diesem Grundsatz auch mit fortschreitendem Vollzug wachsendes Gewicht zukomme, so stoße er dort an seine Grenzen, wo es im Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten sowie auf deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheine, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen. Der Beschwerdeführer habe sich, wie insbesondere das Urteil des Amtsgerichts Betzdorf ausweise, in der Vergangenheit neben weniger bedeutenderen Delikten auch schwer wiegender Straftaten schuldig gemacht. Dass vergleichbare Taten in Zukunft zu befürchten seien, belege das Misslingen des Erprobungsversuchs. Ein unerträgliches Missverhältnis zwischen den zu schützenden Belangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers sei derzeit noch nicht zu erkennen. Fehlende Heilungsaussichten und das Ausbleiben messbarer Therapieerfolge würden der weiteren Unterbringung grundsätzlich nicht entgegenstehen, da die Maßregel in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit diene.
Entscheidungsgründe
II.
Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GG verletzt. Er habe alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft. Die weitere Freiheitsentziehung sei im Hinblick auf deren bisherige Dauer auch bei Gewichtung der Anlasstaten unverhältnismäßig, zumal ein Behandlungserfolg auch nach der Stellungnahme der behandelnden Ärzte nicht zu erwarten sei. Unklar sei, ob eine Heilung der Persönlichkeitsstörung therapeutisch überhaupt möglich sei und ob eine Behandlung der Politoxikomanie ausreiche, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Jedenfalls sei eine zunehmende Verschlechterung seines Zustands infolge Hospitalisierung mit dem Zweck der Maßregel unvereinbar. Diese laufe auf eine zeitlich unbegrenzte Freiheitsentziehung ohne Hoffnung auf Entlassung hinaus. Insoweit werde das Freiheitsrecht übermäßig beschränkt. Eine Reduzierung des Maßregelzwecks auf die bloße Sicherungsfunktion sei mit § 63 StGB nicht vereinbar. Die Beeinträchtigung seiner psychischen Gesundheitslage durch Hospitalisierung verletze auch sein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Schließlich sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten, dass ihm die Möglichkeit einer Entziehungskur nicht gewährt worden sei.
III.
Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz ist angehört worden. Sie hat von einer Stellungnahme abgesehen.
IV.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die zulässige Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Der verfassungsrechtliche Maßstab zur Überprüfung von Prognoseentscheidungen im Maßregelvollzug anhand des Freiheitsrechts ist verfassungsgerichtlich geklärt (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪307 ff.≫). Danach gilt Folgendes:
a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (Art. 2 Abs. 2, 104 Abs. 1 GG). Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit; zugleich haben diese gesetzlichen Eingriffstatbestände aber auch freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen. Das gilt auch für die Maßregel der Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem zukünftig infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB). Der Gesetzgeber hat mit Blick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten auch für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen (vgl. § 67d Abs. 2 StGB), die insbesondere deren Aussetzung zur Bewährung vorsehen, sobald verantwortet werden kann zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (BVerfGE 70, 297 ≪307 f.≫).
b) Bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung ist der mit Verfassungsrang ausgestattete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit muss zur Dauer des erlittenen Freiheitsentzugs in Beziehung gesetzt werden (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪311 f.≫).
aa) Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Maßregeln der Besserung und Sicherung in § 62 StGB gesetzlich festgelegt. Überdies ist das Verhältnismäßigkeitserfordernis konkretisiert in den Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Diese erfordern einen Zustand des Täters, der in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten erwarten lässt. Ausgeschieden werden dadurch jedenfalls geringfügige – nicht in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinragende (vgl. BGH, NStZ 1995, S. 228) – Taten als Anlass der Maßregelanordnung. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz muss in die Prüfung der so genannten Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB einbezogen werden (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪312≫).
bb) Die dem Richter auferlegte Prognose erfordert eine wertende Entscheidung. Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Verurteilten ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen. Die Klausel von der “Verantwortbarkeit der Erprobung” schließt es ein, dass mit der Aussetzung ein vertretbares Risiko eingegangen wird, zumal bei lang andauerndem Freiheitsentzug mit völligem Wohlverhalten nach der bedingten Entlassung kaum jemals zu rechnen ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 67d Rn. 6c). Die Entlassungsprognose erfordert also nicht etwa die sichere Erwartung zukünftigen Wohlverhaltens des Untergebrachten. In die Prognose fließen unterschiedliche Gesichtspunkte ein. Stets aber bleibt die Fortdauer der Unterbringung an ihren Zweck gebunden. Daraus folgt unter anderem, dass nur auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten abzustellen ist, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen würden, auch eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB zu tragen. Insoweit ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr vom Strafvollstreckungsgericht bei der Entscheidung gemäß § 67d Abs. 2 StGB hinreichend zu konkretisieren. Der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist vor allem aber auf die seit der Anordnung der Maßregel gegebenenfalls veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪313 f.≫).
cc) Die danach unter Würdigung vielfältiger Umstände zu treffende Entscheidung obliegt dem zuständigen Fachgericht (vgl. BVerfGE 95, 96 ≪128≫). Das Bundesverfassungsgericht wacht nur darüber, dass die Fachgerichte der verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantie des Untergebrachten bei ihrer Entscheidungsfindung hinreichendes Gewicht beilegen; es hat aber einzuschreiten, wenn sich feststellen lässt, dass dies nicht der Fall war (BVerfGE 70, 297 ≪314≫).
(1) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, die Unterbringung eines Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur solange zu vollstrecken, wie der Zweck dieser Maßregel es unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen. Die Gesamtwürdigung der für die Frage der Aussetzung (§ 67d Abs. 2 StGB) maßgeblichen Umstände im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat eingriffsbegrenzende Funktion. Da es sich um eine wertende Entscheidung handelt, die nach ausfüllungsbedürftigen Kriterien und unter Prognosegesichtspunkten fällt, kann das Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen (BVerfGE 70, 297 ≪315≫).
(2) Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs sein. Das Freiheitsgrundrecht gewinnt wegen des sich verschärfenden Eingriffs immer stärkeres Gewicht für die Wertungsentscheidung des Strafvollstreckungsrichters. Die besondere Bedeutung, die dem Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkt hier zukommt, folgt bei lang andauernden Unterbringungen nach § 63 StGB nicht zuletzt daraus, dass der Gesetzgeber für diese Maßregel eine absolute zeitliche Höchstgrenze ihrer Vollstreckung nicht vorgesehen hat. Der im Einzelfall unter Umständen nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs wird jedoch dort an Grenzen stoßen, wo es im Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪315≫).
(3) Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs wirkt sich bei lang andauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus auch auf die an die Begründung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪316≫).
2. Das Oberlandesgericht hat diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen in hinreichender Weise Rechnung getragen.
a) Gegen den Beschwerdeführer wurde in zwei Strafverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die gesetzlich angeordnete Erledigung einer früheren Maßregelanordnung durch eine erneute Unterbringung beschränkt sich auf die gemäß § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB zeitlich befristete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (vgl. § 67f StGB). Im gegenständlichen Zusammenhang haben daher noch beide unbefristeten Unterbringungsanordnungen Bestand.
b) Das Oberlandesgericht hat sich unter Berücksichtigung der gesteigerten Begründungsanforderungen nicht darauf beschränkt, wegen der Prognose auf das eingeholte Prognosegutachten Bezug zu nehmen und sich im Übrigen die landgerichtliche Begründung der Ablehnung der Aussetzung des Maßregelvollzugs zu Eigen zu machen; es hat seine Entscheidung mit ergänzenden Erwägungen begründet und sich nicht mit knappen, formelhaften Wendungen begnügt (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪316≫). In die Begründung sind insbesondere die Bewertung von Vorfällen während des früheren Erprobungsversuches und darauf bezogene Einlassungen des Beschwerdeführers eingeflossen.
c) Das Oberlandesgericht hat auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Dauer des Maßregelvollzugs nicht verkannt, dass mit der Aussetzung ein vertretbares Risiko eingegangen wird und die Entlassungsprognose keine Erwartung zukünftigen Wohlverhaltens erfordert. Die Annahme, es sei nach einer Entlassung mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer weiteren Delinquenz auszugehen, steht unter anderem in Einklang mit dem eingeholten Prognosegutachten und dem vom Oberlandesgericht berücksichtigten Verhalten des Beschwerdeführers während des vorangegangenen und gescheiterten Erprobungsversuchs. Von Bedeutung ist insoweit, dass neben weiteren Auffälligkeiten nicht nur der Drogenmissbrauch des Beschwerdeführers sowie der Rückfall in die Delinquenz (u.a. auch eine Beschuldigung wegen einer Körperverletzung), sondern auch eine den Drogenkonsum betreffende negative Selbsteinschätzung des Beschwerdeführers dokumentiert sind.
d) Das Oberlandesgericht hat auch nicht das aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz resultierende Erfordernis verkannt, dass der Zustand des Beschwerdeführers künftig erhebliche Straftaten erwarten lassen muss. Das Oberlandesgericht ist dem eingeholten Prognosegutachten insoweit gefolgt, als künftig mit weiteren schwerwiegenden Straftaten im Sinne der Anlassstraftaten zu rechnen sei. Bei den in Bezug genommenen Straftaten (unter anderem schwerer räuberischer Diebstahl sowie versuchter Raub) handelt es sich jedenfalls nicht um lediglich “lästige Taten”, die aus dem Anwendungsbereich der Anordnung der Maßregel ausgeschieden werden (vgl. Hanack in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., § 63 Rn. 48 ff.). Das Oberlandesgericht hat – soweit es auf die gegenständlichen Verurteilungen Bezug nahm – auch zu erkennen gegeben, dass zwischen weniger bedeutenden Delikten und den schwer wiegenden Anlassstraftaten zu unterscheiden ist. Auf dieser Grundlage ist in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise der für die Prognose relevante und die Entscheidung tragende Deliktstypus der zu erwartenden erheblichen rechtswidrigen Taten konkretisiert worden (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪316≫).
e) Die angegriffene Entscheidung hält auch der mit der Dauer des Maßregelvollzugs wachsenden verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte stand. Das Oberlandesgericht hat sich unter Berücksichtigung eines vorangegangenen Erprobungsversuches um einen angemessenen Ausgleich zwischen dem stärker werdenden Freiheitseingriff einerseits und dem staatlichen Schutzauftrag andererseits bemüht. Das Oberlandesgericht hat insbesondere zu erkennen gegeben, dass die vorgenommene Abwägung bei einem weiteren Zeitablauf zugunsten des Beschwerdeführers ausfallen kann.
3. Für den weiteren Fortgang der Unterbringung des Beschwerdeführers wird zu berücksichtigen sein, dass neben dem verlängerten Zeitablauf insbesondere auch eine gegebenenfalls sich weiter verschlechternde Besserungsprognose bei der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung gewichtet werden muss. Von der gegenständlichen Maßregelanordnung sind zwar nicht Täter von vornherein ausgeschlossen, bei denen die Aussicht auf Besserung zweifelhaft erscheint (vgl. BGH, NStZ 1990, S. 122 ≪123≫). Dem Verblassen des Besserungszwecks mag auch eine nur begrenzte Bedeutung zukommen (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪316≫), insbesondere mag die Besserung als Nebenzweck nachrangig sein (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪318≫). Wenn sich jedoch die Besserungsprognose weiterhin verschlechtert und die Besserung gegebenenfalls sogar ausgeschlossen sein sollte, nähert sich die Unterbringung gemäß § 63 StGB dem Vollzug einer gegenständlich nicht angeordneten Sicherungsverwahrung an. Die beiden Maßregeln, die grundsätzlich gemäß § 72 Abs. 2 StGB auch nebeneinander angeordnet werden können, sind jedoch voneinander zu unterscheiden. Sie stehen nicht in einem Stufenverhältnis zueinander, sondern unterscheiden sich qualitativ. Die Unterbringung ist im Verhältnis zur Sicherungsverwahrung kein geringeres, sondern ein anderes Übel (vgl. BGH, NStZ 2002, S. 533 ≪534≫). Gegebenenfalls mag im weiteren Fortgang der Unterbringung zur Förderung der Resozialisierung auch erwogen werden, ob eine Überweisung in eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt (vgl. § 67a Abs. 1 StGB i.V.m. § 64 StGB). Dies würde jedoch voraussetzen, dass insoweit eine hinreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ≪31≫).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1067462 |
NPA 2005, 0 |