Leitsatz (amtlich)
Das gesetzliche Verbot, Impfstoffe an Ärzte zu versenden und hierfür zu werben, verletzt die Apotheker in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob Apotheker an Ärzte Impfstoffe versenden und ob sie hierfür werben dürfen.
I.
1. Im Jahr 1976 wurde das Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) vom 16. Mai 1961 (BGBl I S. 533; im Folgenden: AMG) dahin geändert, dass Impfstoffe, die an sich apothekenpflichtige Arzneimittel sind, unter bestimmten Voraussetzungen vom Hersteller auch unmittelbar an Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte abgegeben werden dürfen. Dieser Vertriebsweg wurde durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2071) wieder eingeschränkt. Seitdem müssen Impfstoffe, die nicht mehr unter § 47 Abs. 1 Nr. 3 AMG fallen (Impfstoffe für so genannte Vorsorgeimpfungen), wieder allein aus der Apotheke bezogen werden. Sie unterliegen aber nach § 1 Abs. 3 Nr. 3a der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) vom 14. November 1980 (BGBl I S. 2147), geändert durch Verordnung vom 15. April 1998 (BGBl I S. 721), nicht den Vorschriften über die Apothekenzuschläge für Fertigarzneimittel, die den Apothekern nach dieser Verordnung im Übrigen verbindlich vorgegeben werden. Die Rechtsänderung beruht auf der Erwägung, dass aus Gründen der Arzneimittelsicherheit zwar der Vertrieb über die Apotheke vorzuziehen sei (vgl. BRDrucks 565/93, S. 18), aber dennoch durch Preiswettbewerb eine Mehrbelastung der Krankenkassen vermieden werden solle (BTDrucks 12/7572, S. 4).
Im Übrigen bestimmt § 43 Abs. 1 AMG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1998 (BGBl I S. 3586), dass Arzneimittel für den Endverbrauch nur in Apotheken und nicht im Wege des Versandes in Verkehr gebracht werden dürfen. Als Ausnahme lässt § 47 Abs. 1 Nr. 3 AMG nur zu, dass pharmazeutische Unternehmer und Großhändler Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, unmittelbar an Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte abgeben dürfen, wenn es sich um Impfstoffe für unentgeltliche Schutzimpfungen handelt oder soweit eine Abgabe zur Abwendung von Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist. Impfstoffe für Vorsorgeimpfungen fallen nicht unter die Ausnahmeregelung. Die Vorschriften lauten:
§ 43
Apothekenpflicht, Inverkehrbringen durch Tierärzte
(1) Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1, die nicht durch die Vorschriften des § 44 oder der nach § 45 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen außer in den Fällen des § 47 berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden. Außerhalb der Apotheken darf außer in den Fällen des Absatzes 4 und des § 47 Abs. 1 mit den nach Satz 1 den Apotheken vorbehaltenen Arzeimitteln kein Handel getrieben werden.
(2) bis (5) …
§ 47
Vertriebsweg
(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an
1. bis 2. …
3. Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte, soweit es sich um Impfstoffe handelt, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 14 Abs. 1, 2 oder 4 des Bundes-Seuchengesetzes durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden oder soweit eine Abgabe von Impfstoffen zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist,
3.a. bis 9. …
(1a) bis (4) …
Das in § 43 AMG geregelte Verbot des Arzneimittelversandes ist im Gesetzgebungsverfahren damit begründet worden, dass im Hinblick auf die Beratung durch den Apotheker ein Versand solcher Arzneimittel keine adäquate Abgabeform sei (vgl. BTDrucks 13/9996, S. 16). Eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel, Impfstoffe weitergehend aus der Apothekenpflicht herauszunehmen (vgl. BTDrucks 14/8875; 14/8930, S. 2), ist gescheitert (vgl. BTDrucks 14/9342; 14/9431; BRDrucks 523/02).
2. Die Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO) vom 7. August 1968 (BGBl I S. 939) ließ in § 10 Abs. 1 Satz 2 ursprünglich uneingeschränkt die Versendung von Arzneimitteln aus der Apotheke zu. Das wurde durch die Verordnung vom 9. Februar 1987 (BGBl I S. 547) geändert. Die maßgeblichen Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 1995 (BGBl I S. 1195) lauten:
§ 17
Inverkehrbringen von Arzneimitteln und der apothekenüblichen Waren
(1) Arzneimittel … dürfen nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht werden. Arzneimittel dürfen nur durch pharmazeutisches Personal ausgehändigt werden.
(2) Die Versendung aus der Apotheke oder die Zustellung durch Boten ist im begründeten Einzelfall zulässig; …
(3) …
(4) Verschreibungen von Personen, die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigt sind, sind unverzüglich auszuführen.
(5) Die abgegebenen Arzneimittel müssen den Verschreibungen entsprechen. Enthält eine Verschreibung einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum, ist sie unleserlich oder ergeben sich sonstige Bedenken, so darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden, bevor die Unklarkeit beseitigt ist. …
(5a) bis (8) …
§ 20
Information und Beratung
(1) Der Apotheker hat Kunden und die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen zu informieren und zu beraten, soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist. Durch die Information und Beratung der Kunden darf die Therapie der zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen nicht beeinträchtigt werden. …
(2) …
3. Der Arzneimittelversand darf auch nicht beworben werden. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBl I S. 3068; im Folgenden: HWG) ist eine Werbung unzulässig, die darauf hinwirkt, Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, im Wege des Versandes zu beziehen. Das Verbot der Versandhandelwerbung gilt bereits seit 1965 und soll das “Institut der Apotheke” schützen (vgl. BTDrucks IV/3356, S. 3). Die Vorschrift lautet:
§ 8
(1) Unzulässig ist eine Werbung, die darauf hinwirkt, Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, im Wege des Versandes zu beziehen. Dieses Verbot gilt nicht für eine Werbung, die sich auf die Abgabe von Arzneimitteln in den Fällen des § 47 des Arzneimittelgesetzes bezieht.
(2) Unzulässig ist ferner die Werbung, bestimmte Arzneimittel im Wege der Einzeleinfuhr nach § 73 Abs. 2 Nr. 6a oder § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes zu beziehen.
II.
1. Der Beschwerdeführer zu I. ist Apotheker. Er hat seit 1994 überregional Impfstoffe sowie Preislisten und Bestellvordrucke für Impfstoffe an Ärzte versandt und mit diesem Versandhandel Jahresumsätze von 10 bis 12 Mio. DM erzielt. Im Ausgangsverfahren wurde er nach § 1 UWG zur Unterlassung dieses Verhaltens verurteilt; Berufung und Revision hatten keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof (NJW 2001, S. 896) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Beschwerdeführer habe gegen § 17 ApBetrO und gegen § 8 Abs. 1 HWG verstoßen, indem er Impfstoffe an Ärzte versandt und hierfür geworben habe. Sowohl das Versandverbot als auch das Werbeverbot dienten dem Gesundheitsschutz; die Verletzung solcher Normen enthalte regelmäßig zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG. Dem Verordnunggeber müsse es aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit grundsätzlich gestattet sein, generalisierende Regelungen zu treffen. Das Versandverbot gelte für die Apotheken uneingeschränkt; es mache keine Ausnahme zugunsten des Arzneimittelversands an Ärzte. Der Gesetzgeber habe das Versandverbot aus Gründen der Arzneimittelsicherheit für geboten erachtet, damit grundsätzlich die Beratung des Kunden gewährleistet sei. Dieses Bedürfnis könne auch bei Ärzten bestehen. Zwar obliege die Wahl des geeigneten Präparats in der Regel dem Arzt und nicht dem Apotheker; die vom Apotheker abgegebenen Arzneimittel müssten nach § 17 Abs. 5 Satz 1 ApBetrO den Verschreibungen des Arztes entsprechen. Dies entbinde den Apotheker aber nicht von der sich aus § 20 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO ergebenden Verpflichtung, auch die zur Ausübung der Heilkunde berechtigten Personen zu informieren und zu beraten, soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich sei. Diese Auslegung werde durch § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG verstärkt, der den Versand von Arzneimitteln, insbesondere von Impfstoffen für Vorsorgeimpfungen, nicht vom Versendungsverbot ausnehme. Der Beschwerdeführer habe auch gegen das in § 8 Abs. 1 HWG enthaltene Werbeverbot verstoßen, weil Preislisten und Bestellscheine für Impfstoffe, die überregional an Ärzte versandt würden, einen Werbeeffekt hätten.
2. Der Beschwerdeführer zu II. hat als Apotheker auf telefonische oder schriftliche Bestellung in großem Umfang Impfstoffe an niedergelassene Ärzte, arbeitsmedizinische Dienste, Gesundheitsämter, Technische Überwachungsvereine, Justizvollzugsanstalten und ähnliche Einrichtungen versandt. Er hat damit Jahresumsätze in Höhe von mehreren Millionen DM erzielt. Durch Ordnungsverfügung untersagte ihm der Oberkreisdirektor des Rheinisch-Bergischen Kreises unter Berufung auf § 17 Abs. 1 und 2 ApBetrO, apothekenpflichtige Arzneimittel im Wege des Versandes oder mittels Zustellung durch Boten – außer im begründeten Einzelfall – abzugeben. Vor dem Verwaltungsgericht hatte der Beschwerdeführer mit seiner nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat dagegen das Verbot im Wesentlichen bestätigt; dem ist das Bundesverwaltungsgericht beigetreten.
Das Bundesverwaltungsgericht (NJW 2001, S. 1808) hat zur Begründung ausgeführt: Die vom Beschwerdeführer versandten Impfstoffe würden nicht von den Ausnahmeregelungen des § 47 AMG erfasst. Die Gesetzessystematik lasse keinen Raum für die vom Beschwerdeführer geforderte einschränkende Auslegung des § 43 AMG dahin, dass der Versand von Impfstoffen aus der Apotheke an Ärzte nicht erfasst werde. Nach den Gesetzgebungsmaterialien solle das Verbot des Arzneimittelversands der Verbesserung der Arzneimittelsicherheit dienen. Ein wesentliches Element der Arzneimittelsicherheit sei die dem Apotheker aufgetragene Beratung und Information über Anwendungsmöglichkeiten und Risiken von Arzneimitteln, die nicht nur gegenüber den Patienten, sondern auch gegenüber den zur Ausübung der Heilkunde berechtigten Personen stattfinde. Angesichts der kaum noch zu übersehenden Vielfalt des Arzneimittelangebots und der Schnelligkeit, mit der neue Erkenntnisse auf diesem Gebiet gewonnen und umgesetzt würden, sei die Einschätzung des Gesetzgebers, auch der Arzt könne auf die fachkundige Beratung durch den wissenschaftlich dafür vorgebildeten Apotheker nicht verzichten, nachvollziehbar und sachgerecht.
Außerdem werfe der Impfstoffversand unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit zusätzliche Probleme auf und schaffe Risiken. Der Versand über das ganze Bundesgebiet hinweg berge die Gefahr in sich, dass an irgendeiner Stelle des Transportweges die Vorkehrungen gegen einen Verderb der thermolabilen Impfstoffe nicht ausreichten. Demgegenüber bestehe zwar auch bei einer Einzelabgabe in der Apotheke die Gefahr einer Fehlbehandlung des Impfstoffs; bei ausreichender Beratung erscheine die Gefahr aber letztlich eher gering. Zudem könnten die Ärzte der Versuchung unterliegen, ohne ausreichende Vorkehrungen Arzneimitteldepots anzulegen. Schließlich sei der Versandhandel mit Arzneimitteln auch geeignet, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu gefährden, weil er einen übermäßigen Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auslöse und auf eine Konzentration der wenigen auf den Versand spezialisierten Apotheken abziele.
III.
Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG durch die gerichtlichen Entscheidungen, die schon einfachrechtlich bei der Auslegung der Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und der Apothekenbetriebsordnung der Rechtsentwicklung und der Systematik der Gesetze nicht genügend Rechnung trügen. In der von den Gerichten gefundenen Auslegung beschränkten § 17 Abs. 1 und 2 ApBetrO, § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG und § 8 Abs. 1 Satz 1 HWG die Beschwerdeführer in ihrer Berufsausübungsfreiheit unverhältnismäßig.
Ein an die Apotheker gerichtetes Verbot, Impfstoffe an Ärzte zu versenden, sei nicht geeignet, der Arzneimittelsicherheit zu dienen. Weder werde hierdurch die Beratung der Ärzte durch Apotheker gewährleistet noch entstünden im Falle eines Versandes besondere Transportgefahren. Letztere seien weitaus eher zu befürchten, wenn die Impfstoffe von den Patienten oder – wie üblich – von Boten der Ärzte in der Apotheke abgeholt würden. Sollte ein Arzt im Einzelfall Aufklärung und Beratung durch einen Apotheker im Hinblick auf einen verordneten Impfstoff benötigen, sei nicht ersichtlich, weshalb die Beratung in den Räumen der Apotheke erfolgen müsse und nicht auch telefonisch oder schriftlich möglich sei. Bei der Versendung an den Arzt könnten die Einspareffekte erzielt werden, von denen der Gesetzgeber als Folge des zugelassenen Preiswettbewerbs ausgegangen sei. Hingegen erscheine die Bildung von arzneimittelrechtlich bedenklichen Depots bei den Ärzten schon aus Kostengründen eher unwahrscheinlich.
IV.
Zu den Verfahren haben Stellung genommen das Bundesministerium für Gesundheit namens der Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung, das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof, die Bundesapothekerkammer, der Deutsche Apothekerverband und der Bundesverband Deutscher Apotheker, der Bundesverband der Betriebskrankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung sowie die Bundesärztekammer und der Hartmannbund; auch Beteiligte der Ausgangsverfahren haben Äußerungen abgegeben.
Ganz überwiegend werden die Verfassungsbeschwerden für unbegründet gehalten. Der Verband der privaten Krankenversicherung bezweifelt, ob die zur Begründung des Versandverbots herangezogenen Gesichtspunkte der Arzneimittelsicherheit sowie der Beratung der Ärzte hinlänglich gewichtig sind. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen, der seine Stellungnahme zugleich im Namen aller Träger der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben hat, hält die Verfassungsbeschwerden für begründet.
Die Apothekerverbände haben berichtet, bei der Zahl der Verordnungen von Arzneimitteln machten die Impfstoffe nur den unbedeutenden Anteil von 0,08 vom Hundert aus; bezogen auf den jährlichen Gesamtumsatz an Arzneimitteln von mehr als 36,7 Mrd. DM liege der Umsatz mit Impfstoffen bei gut 48 Mio. DM. Diese Impfstoffe werden der Bayerischen Staatsregierung zufolge über wenige Apotheken mit unterschiedlichen Herstellerrabatten je nach Endabnehmer ausgeliefert. Nach den Auskünften von Bundesärztekammer und Hartmannbund werden die Impfstoffe für Standardimpfungen über den Sprechstundenbedarf bezogen und im nötigen Umfang in den Praxen fachgerecht gelagert. Privatpatienten kauften die ihnen individuell verordneten Impfstoffe in der Apotheke. Dies geschehe teilweise auch, um dem Arzt nach einer Impfung mit vorrätig gehaltenen Impfstoffen diese wieder zur Verfügung zu stellen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind begründet.
Die angegriffenen Entscheidungen sowie die ihnen zugrunde liegenden Regelungen in § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ApBetrO und in § 8 Abs. 1 Satz 1 HWG mit dem an die Apotheker gerichteten Verbot, Ärzte mit Impfstoffen zu beliefern und hierfür zu werben, verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.
I.
Eine gesetzliche Beschränkung der freien Berufstätigkeit hält nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer Nachprüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nur stand, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 103, 1 ≪10≫; stRspr). Das ist hier nicht der Fall.
1. Zu den durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten berufsbezogenen Handlungen gehört bei den Apothekern die Abgabe der Arzneimittel. Die Reglementierung der Vertriebsformen und die hiermit verbundenen Pflichten, die sich in dem Arzneimittelgesetz, dem Heilmittelwerbegesetz und der Apothekenbetriebsordnung finden, stellen einen Eingriff in die selbst verantwortete Berufsausübung dar; sie müssen sich an Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen.
2. Die zahlreichen Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit, die sich auf die Abgabe von Arzneimitteln beziehen, dienen im weitesten Sinne der Gesundheit der Bevölkerung und damit einem Gemeinschaftsgut von hohem Rang, das selbst empfindliche Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen kann (vgl. BVerfGE 17, 269 ≪276≫). Mit vielen Vorschriften begegnet der Gesetzgeber allerdings nicht unmittelbar bestimmten Gesundheitsgefahren; er sucht vielmehr über die Gestaltung von Rahmenbedingungen die Arzneimittelsicherheit zu verbessern. Das kann durch Beratungs- und Informationspflichten, aber auch durch Vorgaben im Umgang mit Arzneimitteln geschehen.
Die Bedeutung solcher die Berufsfreiheit einschränkender Regelungen für die Gesundheit der Bevölkerung steht aber nicht ein für allemal fest. Nicht nur faktische Neuerungen in Produktion und Vertrieb von Arzneimitteln spielen insofern eine Rolle. Auch Rechtsänderungen in angrenzenden Sachgebieten und Erfahrungen mit anderen Regelungen sind bei der Definition und Gewichtung von Gemeinwohlbelangen zu berücksichtigen. Gefahreinschätzungen sind nicht schlüssig, wenn identischen Gefährdungen in denselben oder in anderen, aber dieselbe Materie betreffenden Gesetzen unterschiedliches Gewicht beigemessen wird. Die gesetzgeberische Einschätzung wird fraglich, wenn zur Begründung von Gesetzesänderungen Gefährdungspotentiale herangezogen werden, die eine intensivere Beschränkung der Berufsfreiheit plausibel machen sollen, obwohl dafür tatsächliche Erkenntnisse fehlen. Auch dürfen Erfahrungen mit einer älteren, die Berufsangehörigen weniger belastenden Gesetzeslage bei einer Novellierung nicht einfach unbeachtet bleiben.
Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG muss zwischen dem Nutzen für das Gemeinwohl und den die Berufstätigen belastenden Vorkehrungen noch sinnvoll abgewogen werden können. Diese Abwägung setzt voraus, dass der Bezug gesetzlich angeordneter Maßnahmen zum Gemeinschaftsgut hinreichend spezifisch ist. Auch zur Begründung von Eignung und Erforderlichkeit ist ein nachvollziehbarer Wirkungszusammenhang notwendig. Je enger der Bezug von Vorschriften zu einem Schutzgut ist, desto eher lassen sich Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich rechtfertigen. Steht dagegen die grundrechtliche Beschränkung nur in einem entfernten Zusammenhang zum Gemeinschaftsgut, so kann dieses nicht generell Vorrang vor der Berufsausübungsfreiheit beanspruchen (vgl. BVerfGE 85, 248 ≪261≫).
II.
Die angegriffenen Regelungen genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Sie sind nichtig, soweit sie dem Apotheker verbieten, Impfstoffe an Ärzte zu versenden und hierfür zu werben.
1. Es lässt sich nicht erkennen, wie und wodurch die Regelung dem Gemeinwohlbelang des Gesundheitsschutzes dienen kann. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, in welcher Weise das Versandhandelsverbot zwischen Apotheke und Arzt Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung bei Vorsorgeimpfungen begegnen könnte. Weder im Gesetzgebungsverfahren noch in den eingeholten Stellungnahmen ist deutlich geworden, weshalb § 47 Abs. 1 Nr. 3 AMG den Versand von Impfstoffen – in diesem Fall zwischen pharmazeutischen Unternehmen oder Großhändlern und den Krankenhäusern, Gesundheitsämtern oder Ärzten – nur für die dort bezeichneten Schutzimpfungen gestattet, nicht hingegen für Vorsorgeimpfungen; Unterschiede zwischen den Impfstoffgruppen hinsichtlich des Beratungsbedarfs oder der Transportsicherheit sind nicht ersichtlich. Bezüglich der Abgabe von Arzneimitteln an Endverbraucher macht § 17 ApBetrO die Abgabe in den Apothekenbetriebsräumen zur Regel; die Versendung aus der Apotheke oder die Zustellung durch Boten ist aber im Einzelfall ein zulässiger, also Gesundheitsbelange nicht gefährdender Vertriebsweg. Die Vorschrift unterscheidet ebenso wenig wie § 20 ApBetrO nach den jeweiligen Empfängern des Medikaments oder der Beratung.
2. Es ist auch nicht erkennbar, dass die gesetzlichen Maßnahmen den Gesundheitsschutz der Bevölkerung im Übrigen gewährleisten.
a) Die bei Wiedereinführung der Apothekenpflicht für Impfstoffe in den Gesetzesmaterialien genannte Arzneimittelsicherheit (vgl. BTDrucks 12/6480, S. 30; BTDrucks 12/7572, S. 4; vgl. BTDrucks 13/9996, S. 1, 12, 16; BTDrucks 13/11020, S. 23, 24) stellt zwar einen Gemeinwohlbelang dar. Es wurde dort aber zwischen ihm und dem Verbot des Impfstoffversandes kein hinreichender Zusammenhang hergestellt.
Bis 1994 konnten alle Impfstoffe von Herstellern oder Großhändlern direkt im Wege des Versandes an Ärzte abgegeben werden. Die dann mit der Einführung der Apothekenpflicht verbundene Verlängerung des Vertriebswegs und Verteuerung der Impfstoffe wurden im Gesetzgebungsverfahren zum Fünften Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes nicht gegen konkrete Sicherheitsbedenken abgewogen. Von sicherheitsrelevanten Zwischenfällen oder sonstigen Anlässen für die Einführung der Apothekenpflicht wird nicht berichtet. Die Auffassung, es handele sich bei der Direktabgabe um keine adäquate Abgabeform (BTDrucks 13/9996, S. 16), ist noch die konkreteste Aussage, bezieht sich jedoch nicht auf einen Gemeinwohlbelang. In gleicher Weise wurde die Arzneimittelsicherheit auch bei Einführung des Versandverbots für die Abgabe durch den Apotheker in § 17 Abs. 2 ApBetrO im Entwurf der Rechtsverordnung ohne nähere Begründung rechtfertigend ins Feld geführt (vgl. BRDrucks 498/86, S. 77). In diesem Zusammenhang wurde ergänzend die Gewährleistung von Information und Beratung genannt und in § 20 ApBetrO erstmals normiert.
aa) Auf die einzelnen Aspekte der Arzneimittelsicherheit wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht eingegangen.
Die Arzneimittelsicherheit wird in § 1 AMG gesetzlich durch die Kriterien “Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel” definiert. Diese Verkehrsvoraussetzungen für Arzneimittel dienen dem Schutz der Gesundheit und beziehen sich damit auf einen legitimen Gemeinwohlbelang. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel werden allerdings in erster Linie dadurch sichergestellt, dass das Arzneimittelgesetz im dritten und vierten Abschnitt bestimmte Anforderungen an die Arzneimittel festlegt und Vorgaben für Herstellung und Zulassung der Arzneimittel macht. Der Arzneimittelsicherheit dient ebenfalls der siebte Abschnitt des Arzneimittelgesetzes, der die Abgabe von Arzneimitteln, also insbesondere die grundsätzliche Apothekenpflicht nach § 43 AMG und den Vertriebsweg für Arzneimittel in § 47 AMG, festlegt. In dieser Vertriebskette stellt der Apotheker in der Regel das vorletzte Glied dar, bevor das Medikament dem Patienten verabreicht oder an ihn abgegeben wird. Wird das Medikament vom Arzt am Patienten angewendet, wie dies bei Impfungen regelmäßig der Fall ist, verlängert sich der Vertriebsweg noch einmal um die Abgabe zwischen Apotheker und Arzt, es sei denn, der Patient verschafft dem Arzt das Medikament, nachdem er es auf die Verordnung hin in der Apotheke erworben hat; dies kann vor oder – im Fall der Ersatzbeschaffung – nach der Impfung geschehen, wie von den Ärzteverbänden näher ausgeführt wurde. Von diesen Gegebenheiten ist auszugehen, wenn das Versandverbot für Impfstoffe auf seine Bedeutung für Verbesserung und Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit geprüft wird.
bb) Soweit das Verbot des Impfstoffversandes mit Transportrisiken begründet wird (so das Bundesverwaltungsgericht im angegriffenen Urteil; ebenso Haage, MedR 2001, S. 562 ≪563 f.≫), widersprechen die sonstigen gesetzlichen Regelungen zum Arzneimittelvertrieb der Maßgeblichkeit einer solchen Annahme. Soweit der Versand von Impfstoffen innerhalb des Bundesgebietes oder gar europaweit Gefahren birgt, weil es an irgendeiner Stelle des Transportweges infolge menschlichen oder technischen Versagens zu einer Unterbrechung der Kühlkette kommen kann, besteht zwar das Risiko, dass der Impfstoff seine Wirksamkeit einbüßt und eventuell sogar gesundheitliche Schäden beim Patienten verursacht. Diese Transportrisiken entstehen jedoch weder erstmals noch in besonderem Maße bei einer Versendung zwischen Apotheke und Arzt. Hersteller, Großhandel und Apotheken sind sowohl berufsrechtlich als auch zivilrechtlich dazu verpflichtet, die Impfstoffe für den Transport so zu verpacken, dass die erforderliche Kühlung sichergestellt ist. Die Einhaltung der Kühlkette ist durch entsprechend geeignete Vorkehrungen wie etwa die Verwendung versiegelter Kühlboxen oder den Einsatz von Kühltransportfahrzeugen zu gewährleisten. Insofern kommt es nicht darauf an, wer der Empfänger ist. Der Versand zwischen Apotheker und Arzt ist nicht risikoreicher als der zwischen Großhandel und Apotheker oder der zwischen Großhandel und Arzt.
Auch für Impfstoffe lässt das Arzneimittelgesetz den Versand als Vertriebsform zu. Das folgt aus § 43 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Nr. 3 AMG. Diese Normen erlauben den Versand von thermolabilen Impfstoffen vom Hersteller an den Großhändler und vom Großhändler an die Apotheke und schließlich auch – in den gesetzlich bestimmten Fällen – an Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte. Transportgefahren soll mit den Regelungen über unterschiedliche Vertriebsformen im Arzneimittelgesetz also ersichtlich nicht begegnet werden.
cc) Soweit nach § 17 ApBetrO auf der letzten Handelsstufe zwischen dem Apotheker und dem Endverbraucher seit 1987 die Abgabe in den Apothekenbetriebsräumen Vorrang genießt und der Versand grundsätzlich untersagt ist, dient dieses Verbot ersichtlich nicht der Vermeidung von Transportrisiken, sondern der Vermeidung solcher Risiken, die mit der Ver- oder Anwendung des Arzneimittels durch den Endverbraucher zusammenhängen. Bei Änderung der Apothekenbetriebsordnung wurde insoweit vor allem ein Zusammenhang mit den in § 20 ApBetrO zugleich eingeführten Beratungspflichten gesehen (vgl. BRDrucks 498/86, S. 77, 79). Besonderheiten bei der Abgabe thermolabiler Impfstoffe konnten insoweit schon deshalb nicht thematisiert werden, weil Impfstoffe seinerzeit noch nicht apothekenpflichtig waren.
Wollte man dennoch zwischen den Vorschriften über die Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken und den Ausnahmen, die § 17 Abs. 2 ApBetrO in begründeten Einzelfällen zugunsten des Versands zulässt, einen Zusammenhang mit den besonderen Risiken des Transports herstellen, wäre die Argumentation wenig überzeugend. Man könnte mit den Beschwerdeführern die Arzneimittelsicherheit – im Sinne von Unbedenklichkeit und Qualität – bei Abholung durch den Patienten für weit eher gefährdet halten als bei einer professionellen Lieferung durch die Apotheke, die selbst einen Boten oder ein spezialisiertes Transportunternehmen einsetzt. Es überzeugt wenig, dass der Transport durch einen Laien – es kann der Patient, aber auch irgendeine vom Arzt oder vom Patienten beauftragte Person sein – selbst nach Beratung durch den Apotheker die Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen zuverlässiger gewährleistet als der Transport durch ein spezialisiertes Unternehmen oder in Eigenregie durch den Apotheker. Auf diese Einzelheiten ist aber bei der verfassungsrechtlichen Abwägung deshalb nicht einzugehen, weil die Vermeidung eines spezifischen Transportrisikos nicht das Ziel des Gesetzes ist und als Rechtfertigungsgrund von vornherein ausscheidet. Mit der Arzneimittelsicherheit in diesem Sinn lässt sich das Versandverbot in § 17 ApBetrO nicht rechtfertigen.
b) Auch die Berufung auf die Beratungs- und Informationsaufgaben des Apothekers, die ihm in § 20 ApBetrO zugewiesen werden, kann das Versandverbot für Impfstoffe nicht rechtfertigen. Insofern fehlt der hinreichende Bezug zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die Beratungspflichten der Apotheker stellen allerdings eine nicht unwichtige gesetzliche Vorkehrung im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung dar. Die tatsächliche Bedeutung von Beratungs- und Informationspflichten ebenso wie ihr Gewicht bei der verfassungsrechtlichen Abwägung verändert sich aber je nach dem Informationsgefälle zwischen dem Ratgeber und dem Informationsbedürftigen.
aa) So entscheidet der Apotheker zwar nicht darüber, ob der Patient geimpft und welcher Impfstoff verwendet wird; die Verantwortung hierfür trägt der Arzt (vgl. § 17 Abs. 5 ApBetrO). Bei der Arzneimittelabgabe ist die ergänzende Patientenberatung und -information durch die Apotheker dennoch für viele Kunden wichtig (vgl. hierzu auch BVerfGE 17, 232 ≪239≫). Der Beratungsbedarf ist aber je nach Abnehmer und je nach Arzneimittel unterschiedlich. Das erkennt der Gesetzgeber auch an, wenn er für einige Arzneimittel Ausnahmen von der Apothekenpflicht macht. In diesen Fällen ist eine pharmazeutische Beratung aus seiner Sicht nicht erforderlich. Den Unterschieden trägt der Gesetzgeber auch Rechnung, soweit einige Arzneimittel apothekenpflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig sind. Denn ohne ärztliche Verschreibung vergrößert sich die pharmazeutische Verantwortung des Apothekers; der Beratungsbedarf steigt. Auch innerhalb der verschreibungspflichtigen Medikamente bestehen Unterschiede hinsichtlich des Bedarfs an und der Möglichkeit von Beratung durch den Apotheker. So ist, wenn der Arzt den Impfstoff seinem Praxisvorrat entnimmt und ihn selbst verabreicht, der geimpfte Patient, der anschließend in der Apotheke Ersatz beschafft, kein geeigneter Adressat mehr für Beratung und Information, die ihn selbst betreffen könnte. Er handelt nur noch für den Arzt.
Die Ärzte selbst aber, die für die Verschreibung und Anwendung der Arzneimittel im konkreten Einzelfall die volle Verantwortung tragen, müssen nach ihrer fachlichen Ausbildung in der Lage sein, die Wirkungen und Risiken von Arzneimitteln zu erkennen. Die ihnen gegenüber nach § 20 ApBetrO bestehende Beratungspflicht der Apotheker ist eingeschränkt auf die Fälle, in denen dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, sich also bei zugelassenen Fertigarzneimitteln Änderungen ergeben, die den Ärzten (noch) nicht bekannt sind. Das wird eher selten und nur bei besonderem Anlass der Fall sein.
bb) Soweit die Bundesapothekerkammer und der Deutsche Apothekerverband zur Begründung eines Beratungsbedarfs beim Arzt in ihren Stellungnahmen darauf hinweisen, dass der Arzneimittelmarkt sehr umfangreich und unübersichtlich ist, dass ständig Arzneimittel vom Markt genommen werden und neue Arzneimittel hinzukommen, wobei nicht jeder Arzt mit den Veränderungen Schritt halten könne, gilt dies möglicherweise auch für die Impfstoffe. Diese Tatsachen stehen jedoch in keiner Beziehung dazu, ob die Impfstoffe auf Rezept in der Apotheke abgegeben oder dem Arzt auf Bestellung in die Praxis gesandt werden. Impfstoffe, die vom Markt genommen sind, kann der Arzt nicht mehr verschreiben und auch nicht bestellen. Die Beratung des Arztes über Innovationen aber erfolgt regelmäßig nicht bei Abgabe des Medikaments durch den Apotheker.
Bestellt der Arzt Arzneimittel oder Impfstoffe für seinen Praxisbedarf, kann eine pharmazeutische Beratung im Zusammenhang mit der Arzneimittelsicherheit ebenfalls kaum stattfinden. Denn die Wirksamkeit für einen bestimmten Krankheitsfall entzieht sich der Beobachtung des Apothekers. In erster Linie wird die Unbedenklichkeit der Impfstoffe durch das Zulassungsverfahren für Medikamente in Verbindung mit der entsprechenden Verfahrensweise der Hersteller gewährleistet. Auf die Beachtung von Verfallsdaten und Kühlung müssen Ärzte nicht erst hingewiesen werden. Diese Kenntnisse werden bei ihnen angesichts ihrer herausgehobenen Verantwortung für die Medikation des Patienten vorausgesetzt. Dementsprechend hat es für eine Gefährdung dieses Belangs auch keine Erkenntnisse gegeben, weder solange in den Jahren 1968 bis 1987 das Versandverbot für Apotheker nicht galt, noch in der Zeit von 1976 bis 1994, als Ärzte alle Impfstoffe unmittelbar beim Großhandel bestellen konnten. Im Hinblick auf die derzeit im Arzneimittelgesetz zugelassenen Ausnahmen wird von solchen Gefährdungen infolge von Beratungsdefiziten ebenfalls nichts berichtet.
cc) Es kommt hinzu, dass die Versendung von Impfstoffen an den bestellenden Arzt die Beratung und Information nicht erschwert. Gerade bei einem regelmäßigen Bestellkontakt zwischen einem Arzt und der versendenden Apotheke können Apotheker alle von ihnen für notwendig erachteten Informationen ohne besonderen Aufwand telefonisch oder der Ware schriftlich beigepackt dem Arzt unmittelbar zukommen lassen. Die Abgabe im Versand unterstützt insofern die Beratung in keinem Fall schlechter als die etwaige Beratung des Patienten oder des vom Arzt beauftragten Abholers, weil eine Weitergabe der Informationen durch diese Personen nicht sichergestellt ist. Da die Apothekenbetriebsordnung die Aushändigung von Arzneien nicht davon abhängig macht, dass vor ihrer Anwendung nur der Patient selbst oder der Arzt persönlich das Medikament abholt, vermindert der Versand die Chance pharmazeutischer Beratung nicht.
c) Auch eine Beeinträchtigung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung als Folge des Impfstoffversandes ist nicht zu besorgen.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung ausgeführt hat, der Versandhandel mit Arzneimitteln sei geeignet, durch Wettbewerbsverzerrung die ausreichende Apothekendichte zu gefährden, vermag dies nicht zu überzeugen. Hinsichtlich der Umsätze mit Impfstoffen, einem sehr schmalen Sektor, hat der Gesetzgeber Preiswettbewerb zugelassen, den es bei den sonstigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln nicht gibt. Die Bestellung in größeren Chargen soll die Kosten bei Vorsorgeimpfungen in Gesundheitsämtern, Justizvollzugsanstalten, aber auch bei einzelnen Ärzten vermindern. Solange die Zahl der Verordnungen im Impfstoffbereich bei weniger als 0,1 vom Hundert und ihr Umsatzanteil unter 0,2 vom Hundert liegen, ist nicht ersichtlich, inwieweit durch einen gesonderten Vertriebsweg für dieses Segment im Arzneimittelhandel Apotheken die wirtschaftliche Grundlage entzogen werden könnte. Die tatsächlich erfolgte Konzentration des Impfstoffversandes auf wenige Apotheken, die – wie die der Beschwerdeführer – mit diesen Arzneimitteln große Umsätze machen, berührt den Gesamtmarkt der Apotheker nicht mehr als die weitestgehende Freistellung der Impfstoffe von der Apothekenpflicht in der Zeit von 1976 bis 1994.
3. Da keine Gemeinwohlbelange ersichtlich sind, deren Förderung durch das Verbot des Impfstoffversandes an Ärzte zu erwarten wäre, verstößt auch das umfassende Verbot des § 8 Abs. 1 Satz 1 HWG, für diese Vertriebsform zu werben, gegen Art. 12 Abs. 1 GG; insoweit ist die Vorschrift für nichtig zu erklären.
III.
Die auf den verfassungswidrigen Normen beruhenden Urteile der Zivilgerichte und die die angegriffenen Bescheide bestätigenden Urteile der Verwaltungsgerichte verstoßen ebenfalls gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die Verurteilung wegen unlauteren Wettbewerbs, die Ordnungsverfügung und die dazu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts greifen in verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise in die freie Berufsausübung der Beschwerdeführer ein.
Unterschriften
Papier, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 905972 |
NJW 2003, 1027 |
NVwZ 2003, 703 |
NVwZ 2003, 980 |
JuS 2003, 704 |
MedR 2003, 289 |
WRP 2003, 491 |
BayVBl. 2004, 369 |
AusR 2004, 110 |
BGBl. I 2003, 455 |