Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Beschluss vom 18.11.2002; Aktenzeichen L 5 RJ 5/02) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein sozialgerichtliches Berufungsverfahren.
I.
1. Der Beschwerdeführer begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Das Sozialgericht Dresden hat seine Klage mit Urteil vom 26. November 2001 abgewiesen. Sowohl in dem Verfahren vor dem Sozialgericht als auch bei der Einlegung der Berufung mit Schriftsatz vom 9. Januar 2002 war der Beschwerdeführer durch Rechtssekretäre einer Gewerkschaft vertreten, deren Mitglied er war.
Während des anhängigen Berufungsverfahrens beauftragte er seine jetzigen Bevollmächtigten, die Rechtsanwälte sind, mit seiner weiteren Vertretung und entzog den Rechtssekretären das Mandat. Die neuen Bevollmächtigten beantragten daraufhin die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Auf die Anfrage des Landessozialgerichts, weshalb der Bevollmächtigtenwechsel erfolgt sei, verwahrte sich der Beschwerdeführer gegen Nachfragen nach den Gründen des Wechsels. Er berief sich auf sein Recht der freien Anwaltswahl und teilte mit, dass er seine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft zum 31. März 2002 gekündigt habe.
2. Das Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 18. November 2002 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Beschwerdeführer sei in der Lage, die Kosten der Prozessführung aus seinem Vermögen aufzubringen. Zu diesem Vermögen gehöre ein satzungsgemäßer Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch eine Gewerkschaft. Der Austritt aus der Gewerkschaft ändere daran nichts. Eine im Entscheidungszeitpunkt vorliegende Bedürftigkeit sei unbeachtlich, wenn sich der Betroffene erst nach Anhängigkeit des Verfahrens durch den Austritt unvermögend gemacht habe.
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts der negativen Koalitionsfreiheit aus Art. 9 GG. Er sei aus der Gewerkschaft ausgetreten, weil er sich mit deren Zielen nicht mehr identifizieren könne und am Berufsleben nicht mehr teilnehmen werde.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist – unbeschadet ihrer Zulässigkeit – nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen von § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg. Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.
1. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass nach § 73a Abs. 2 SGG die Gewährung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen ist, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG vertreten ist. Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe ist es zu verhindern, dass eine Partei lediglich aus wirtschaftlichen Gründen darin gehindert wird, ihr Recht vor Gericht zu suchen. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip eine weit gehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 92, 122 ≪124≫; stRspr). Damit steht es nicht in Widerspruch, wenn der Unbemittelte auf die die Staatskasse entlastende Möglichkeit einer rechtlichen Vertretung nach § 73a Abs. 6 Satz 3 SGG verwiesen wird, solange jedenfalls einer solchen Vertretung keine berechtigten sachlichen oder persönlichen Gründe entgegen stehen. Ein solcher Grund kann in einer wesentlichen Vertrauensstörung bestehen; die bloße Behauptung einer Vertrauensstörung ohne Angabe nachvollziehbarer Gründe ist allerdings nicht ausreichend (vgl. BSG SozR 3-1500 § 73a SGG Nr. 4).
Das Landessozialgericht hat in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise festgestellt, dass der Beschwerdeführer keine derartigen ausreichenden Gründe für seinen Bevollmächtigtenwechsel angegeben hat. Die vom Beschwerdeführer im Verfahren der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Gründe, er könne sich nicht mehr mit den Zielen seiner Gewerkschaft identifizieren und werde am Berufsleben nicht mehr teilnehmen, hat er nicht schon gegenüber dem Landessozialgericht vorgebracht.
2. Die angefochtene Entscheidung des Landessozialgerichts verletzt auch nicht die Koalitionsfreiheit des Beschwerdeführers aus Art. 9 Abs. 3 GG, die das Recht zum Austritt aus einer Koalition umfasst (vgl. BVerfGE 73, 261 ≪270≫; stRspr). Eine Verletzung dieses Grundrechts liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Kläger – wie der Beschwerdeführer –, nachdem er mit Hilfe der Rechtssekretäre einer Gewerkschaft ein Rechtsmittel eingelegt hatte, von seinem Recht zum Austritt aus der Gewerkschaft Gebrauch gemacht und den damit verbundenen Verlust seiner bisherigen Vertretung in Kauf genommen hat, ohne dass nachvollziehbare und sachliche Gründe vorgetragen werden und vorliegen, die ihn gerade zu diesem Zeitpunkt zum Gewerkschaftsaustritt bewogen haben. Die vom Landessozialgericht gegebene Begründung ist insofern verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hohmann-Dennhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1334027 |
NVwZ-RR 2005, 441 |