Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus GG Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 durch Pflicht zur Offenlegung einer Entmündigung bei Anmieten einer Wohnung
Leitsatz (redaktionell)
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Entmündigten wird verletzt, wenn ein Gericht ohne hinreichende Abwägung der betroffenen Belange davon ausgeht, er sei bei Abschluß eines Mietvertrages verpflichtet gewesen, seine Entmündigung zu offenbaren.
Orientierungssatz
1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus GG Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 umfaßt die Befugnis des einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten, zu denen auch Akt und Status der Entmündigung gehören, selbst zu bestimmen (vgl BVerfG, 1988-03-09, 1 BvL 49/86, BVerfGE 78, 77 ≪84≫).
2. Der Schutzbereich dieses Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wird dabei nicht nur durch direkte staatliche Eingriffe, sondern auch durch eine richterliche Entscheidung berührt, die auf der Außerachtlassung des verfassungsrechtlichen Einflusses auf das Privatrecht beruht (vgl BVerfG, 1958-01-15, 1 BvR 400/51, BVerfGE, 7, 198 ≪206f≫).
3. Nicht nur die öffentliche Bekanntmachung einer Entmündigung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein (vgl BVerfGE 78, 77), sondern auch die Pflicht zur Offenbarung gegenüber einem Vertragspartner.
4. Geht es - wie hier - um die Offenlegung einer Entmündigung bei Abschluß eines Mietvertrages über Wohnraum, ist eine Abwägung der betroffenen Belange erforderlich.
a) Auf seiten des Mieters ist dabei das Interesse an einer Geheimhaltung der Entmündigung zu berücksichtigen. Denn deren Bekanntwerden birgt die Gefahr der sozialen Abstempelung in sich und kann die Wiedereingliederung erschweren; sie macht es dem Betroffenen auch nahezu unmöglich, eine Wohnung zu finden.
b) Die Belange des Vermieters überwiegen insbesondere dann nicht gegenüber denen des Mieters, wenn - wie hier - keine besonderen Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Entmündigte seine mietvertraglichen Pflichten nicht erfüllen wird, der Vormund den Mietvertrag mitunterzeichnet hat und der Mieter wegen Geistesschwäche entmündigt ist, mithin nicht geschäftsunfähig, sondern in der Geschäftsfähigkeit nur beschränkt ist.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, 3, Art. 14 Abs. 1; BGB §§ 114, 104 Nr. 3, § 564b Abs. 1
Verfahrensgang
LG Regensburg (Entscheidung vom 23.01.1990; Aktenzeichen S 377/89) |
Fundstellen
Haufe-Index 543646 |
BVerfGE, 192 |
NJW 1991, 2411 |
DVBl. 1991, 1159 |