Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Richterablehnung
Verfahrensgang
AG Gießen (Beschluss vom 28.01.2009; Aktenzeichen 5405 Ds - 501 Js 9351/04) |
LG Gießen (Beschluss vom 02.07.2008; Aktenzeichen Qs 132/08) |
AG Gießen (Beschluss vom 18.06.2008; Aktenzeichen 5405 Ds - 501 Js 9351/04) |
Tenor
Der Ablehnungsantrag gegen Richter Landau wird als unbegründet zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Auslagenentscheidungen, welche nach Einstellung des gegen ihn wegen Betrugs und Untreue geführten Ermittlungsverfahrens getroffen worden sind.
Er hat mit Schreiben vom 15. Februar 2009 beantragt, Richter Landau wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Dies stützte er zunächst darauf, dass der Richter in seiner früheren Funktion als Staatssekretär vor einem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags als Zeuge vernommen worden sei. Den Untersuchungsausschuss habe der im Ausgangsverfahren für den Beschwerdeführer tätige Rechtsanwalt K. angestoßen. Außerdem kenne der Richter Landau vor dem Untersuchungsausschuss gehörte und zugleich am Ausgangsverfahren beteiligte hessische Staatsanwälte.
In seiner dienstlichen Äußerung nach § 19 Abs. 2 BVerfGG legte Richter Landau dar, dass aus seiner Sicht ein Grund für die Selbstablehnung nach § 19 Abs. 3 BVerfGG nicht vorliege und außer der Person des im Ausgangsverfahren tätigen Verteidigers, den er nicht näher kenne, kein Bezug des Verfahrens vor dem Untersuchungsausschuss zur Verfassungsbeschwerde vorliege. Den Beschwerdeführer kenne er nicht.
Darauf führte der Beschwerdeführer am 17. März 2009 aus, er erneuere seinen Befangenheitsantrag. Er stütze ihn darauf, dass Richter Landau zu Unrecht behauptet habe, ihn nicht zu kennen. Er habe sich für den höheren Justizdienst beworben und sei beim damaligen Staatssekretär Landau zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Dabei sei es damals aufgrund insistierender Fragen des Staatssekretärs Landau nach einer CDU-Mitgliedschaft des Beschwerdeführers zur Eskalation des Gesprächs gekommen, woran sich auch dieser erinnern müsse. Seine Personalakte möge beigezogen werden. Da der frühere Staatssekretär im Bewerbungsgespräch nicht unvoreingenommen gewesen sei, bestehe kein Grund anzunehmen, dass er im Verfassungsbeschwerdeverfahren unvoreingenommen sein werde.
In einer weiteren dienstlichen Äußerung des Richters Landau vom 25. März 2009 teilte dieser mit, dass er während seiner Tätigkeit als Staatssekretär im Hessischen Justizministerium mit mehreren 100 Bewerbern für den höheren Justizdienst kurze Gespräche geführt habe. Ein solches Gespräch habe jedoch die Dauer von 10 bis 15 Minuten nicht überschritten, wobei ihm ein Gespräch mit dem Beschwerdeführer nicht erinnerlich sei. Längere Gespräche habe der Bewerber mit dem Personalreferenten und den jeweiligen Gleichstellungsbeauftragten geführt, welche hierüber ausführliche Vermerke anzufertigen hatten. Er habe sich lediglich einen persönlichen Eindruck von den jeweiligen Bewerbern verschafft, bevor sie dem hessischen Richterwahlausschuss vorgestellt wurden, der über die Einstellung zu entscheiden hatte.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Personalakten des Beschwerdeführers beim Hessischen Justizministerium beigezogen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Richter Landau ist nicht kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen.
Ein Richter des Bundesverfassungsgerichts ist von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen, wenn er in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG). Das Tatbestandsmerkmal „in derselben Sache” ist in einem konkreten, strikt verfahrensbezogenen Sinn auszulegen. Es genügt nicht, dass der Richter in seiner früheren amtlichen oder beruflichen Eigenschaft in einem mit dem anhängigen Verfahren in irgendeinem Zusammenhang stehenden Verfahren tätig geworden ist. Zu seinem Ausschluss kann vielmehr regelmäßig nur eine Tätigkeit in dem verfassungsrechtlichen Verfahren selbst oder in dem diesem unmittelbar vorausgegangenen und ihm sachlich zugeordneten Verfahren (Ausgangsverfahren) führen (BVerfGE 47, 105 ≪107 f.≫; 82, 30 ≪35 f.≫ m.w.N.).
Eine solche Tätigkeit liegt ersichtlich nicht vor.
2. Richter Landau ist auch nicht wegen Besorgnis der Befangenheit auszuschließen. Der Antrag auf seine Ablehnung gemäß § 19 Abs. 1 BVerfGG ist zulässig, aber unbegründet.
Besorgnis der Befangenheit ist gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 82, 30 ≪38≫; 98, 134 ≪137≫; 101, 46 ≪51≫; 102, 122 ≪125≫; stRspr). Die vom Beteiligten vorgebrachten Umstände sind dahin zu überprüfen, ob auch aus neutraler Sicht Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
a) Der Umstand, dass Richter Landau in seiner früheren Funktion als Staatssekretär des Hessischen Justizministeriums mit dem Beschwerdeführer vor Jahren ein kurzes Bewerbungsgespräch führte, ist jedoch, selbst wenn dieses, wie der Beschwerdeführer angibt, streitig verlaufen („eskaliert”) sein sollte, bei vernünftiger Würdigung nicht geeignet, Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit in dem neun Jahre später zur Entscheidung anstehenden Verfassungsbeschwerdeverfahren hervorzurufen. Erst recht liegt die Annahme völlig fern, der Richter könnte sich aufgrund eines neun Jahre zurückliegenden und für ihn naturgemäß belanglosen Vorgangs veranlasst sehen, zu seiner Kenntnis der Person des Beschwerdeführers bewusst unwahre Angaben zu machen, um diesem im Wege der Mitwirkung an der Entscheidung über seine Verfassungsbeschwerde in einer Auslagenerstattungssache zu schaden. Eben dies unterstellt der Beschwerdeführer, wenn er seinen Befangenheitsantrag darauf stützt, dass der Richter mit seiner Äußerung, ihn nicht zu kennen, die Unwahrheit gesagt habe.
Die beigezogene Akte hat im Übrigen schon für das damalige Verfahren keinerlei Hinweis auf eine voreingenommene Behandlung des Beschwerdeführers ergeben.
b) Die Tatsache, dass Richter Landau in seiner früheren Funktion vor einem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags als Zeuge befragt wurde, nachdem der im Ausgangsverfahren tätige Verteidiger gegen einen Hessischen Minister Anzeige wegen Parteiverrats erstattet hatte, bietet bei vernünftiger Würdigung keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Man müsste unterstellen, dass sich der frühere Staatssekretär bei der Behandlung einer Verfassungsbeschwerde eines – vom früheren politischen Gegner im Ausgangsverfahren vertretenen – Beschwerdeführers Jahre später von unsachlichen politisch motivierten Rachegedanken leiten lassen könnte. Für eine solche Unterstellung ist vernünftigerweise kein Raum, zumal dem früheren Verteidiger des Beschwerdeführers mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ohnehin keine Vor- oder Nachteile verschafft werden können.
c) Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei – ob aktiv wahrgenommen oder ruhend – für sich überdies niemals die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann (vgl. BVerfGE 11, 1 ≪3≫). Auch rechtfertigt die Kundgabe politischer Meinungen, die ein Richter zu einer Zeit geäußert hat, als er noch nicht Mitglied des Bundesverfassungsgerichts war und besonderen Anforderungen dieses Richteramts in seinem Verhalten nicht Rechnung tragen musste, grundsätzlich seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht. Den Bestimmungen über die Wahl von Richtern des Bundesverfassungsgerichts (Art. 94 Abs. 1 GG, §§ 3 ff. BVerfGG) liegt als selbstverständlich, sogar als erwünscht, zugrunde, dass auch solche Personen, die als Repräsentanten von Parteien politische Funktionen in den Parlamenten ausgeübt oder politische Ämter in den Regierungen bekleidet haben, zu Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts gewählt und ernannt werden können, um ihre politischen Erfahrungen für die Verfassungsrechtsprechung fruchtbar zu machen. Damit geht die Erwartung des Verfassungs- und Gesetzgebers einher, dass sie ihre neue Rolle als Richter unabhängig von früheren parteipolitischen Auseinandersetzungen ausüben werden (BVerfGE 99, 51 ≪56 f.≫).
Weshalb Richter Landau dieser Erwartung vorliegend nicht gerecht werden sollte, ist auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nicht erkennbar.
d) Noch weniger kommt der Tatsache, dass die angegriffenen Entscheidungen aus der Hessischen Justiz stammen und Richter Landau aufgrund seiner früheren Tätigkeit am vorangegangenen Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer beteiligte Staatsanwälte daher dienstlich bekannt sind, Bedeutung zu. Nicht einmal die ständige und enge dienstliche Zusammenarbeit mit einem von einer angefochtenen Entscheidung Begünstigten begründet einen Ablehnungsgrund (vgl. BVerfGE 43, 126 ≪128≫). Es ist daher bei vernünftiger Betrachtung erst recht nicht anzunehmen, dass die frühere Funktion des Richters Landau einer neutralen und der neuen Rolle als Richter des Bundesverfassungsgerichts entsprechenden Beurteilung von „hessischen Entscheidungen” entgegensteht.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Lübbe-Wolff
Fundstellen