Verfahrensgang
Tenor
Die Verfahren 2 BvR 1369/02 und 2 BvQ 42/02 werden verbunden.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Tatbestand
Die Verfahren betreffen eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Beschwerdeführers gemäß § 111a StPO.
I.
Der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht entzog dem Antragsteller vorläufig die Fahrerlaubnis, weil der dringende Verdacht des Führens eines Kraftfahrzeugs im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit bestehe. Im Hauptverfahren verurteilte der Strafrichter ihn wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und entzog ihm die Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB. Der Antragsteller habe zwar die Trunkenheitsfahrt nach einem Besuch der „Städtlefastnacht” bestritten und angegeben, der Zeuge M. habe auf der Rückfahrt das Fahrzeug bis zu seiner Wohnung geführt, um dann auf sein eigenes Fahrzeug umzusteigen und von dort nach Hause zu fahren. Dies sei aber bei einer Gesamtwürdigung aller Beweise widerlegt. Der anwaltlich beratene Beschwerdeführer habe die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bis zur Hauptverhandlung ohne Rechtsmitteleinlegung hingenommen. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass ein Unschuldiger dies monatelang dulde und erst dann den wahren Fahrzeugführer benenne. Abgesehen davon sei der Aussageinhalt nicht glaubhaft. Seine anfängliche Einlassung, er sei sich über die Person des Fahrzeugführers nicht im Klaren gewesen, sei unvereinbar damit, dass er angeblich schon öfter mit M. einen Wechsel beim Führen des Autos nach Alkoholgenuss vereinbart habe. Die Zeugen M. hätten als Zeitungsausträger das Fahrzeug des Antragstellers gesehen; Herr M. sei von dem Führer dieses Fahrzeugs gefährdet worden. Zwar hätten die Zeugen den Fahrer nicht erkannt. Jedoch wäre es ihnen aufgefallen gewesen, wenn vom Anwesen des Beschwerdeführers entsprechend seiner Sachdarstellung kurz darauf ein anderes Auto weggefahren wäre. Zur Tatzeit um 04.16 Uhr wäre dies akustisch gut wahrnehmbar gewesen und nicht überhört worden. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers selbst hätten die Zeugen M. dann vor dessen Wohnung stehen gesehen.
Der Beschwerdeführer hat das Strafurteil mit der Revision angefochten; darüber ist noch nicht entschieden. Zugleich mit der Revision gegen das Urteil legte er Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ein.
Das Landgericht verwarf diese Beschwerde als unbegründet. Die Überprüfung der Tragfähigkeit der Beweisgrundlage für die Hauptsacheentscheidung obliege dem Revisionsgericht; das Beschwerdegericht dürfe bei der Bewertung der parallel gelagerten Verdachtsgründe für die Eilmaßnahme in dessen Entscheidungsbereich nicht eingreifen. Es könne die Eilmaßnahme nur aufheben, wenn die Voraussetzungen für die Maßregelanordnung gemäß § 69 StGB offensichtlich fehlten. Dies sei jedoch nicht der Fall.
Entscheidungsgründe
II.
Der Beschwerdeführer sieht sich durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die angegriffenen Entscheidungen seien willkürlich. Es fehle nach der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung endgültig an tragfähigen Beweisen dafür, dass er das Fahrzeug zur Tatzeit geführt habe. Daher könne die vorläufige Maßnahme gemäß § 111a StPO nicht aufrechterhalten werden. Das Amtsgericht habe letztlich allein aus seiner Eigenschaft als Fahrzeughalter auf seine Täterschaft beim Trunkenheitsverkehrsdelikt geschlossen.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG); denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Ermittlungsrichter beruht auf einem Freibeweisverfahren. Dass dabei allein die Haltereigenschaft des Beschwerdeführers der Annahme zu Grunde gelegt wurde, es bestehe dingender Verdacht seiner Täterschaft bei dem Trunkenheitsverkehrsdelikt, lässt sich den angegriffenen Entscheidungen nicht entnehmen.
2. Die Annahme des Beschwerdegerichts, es habe nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz und die begrenzte Prüfung führe nicht zur Aufhebung der Eilmaßnahme, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Allerdings darf ein Rechtsmittelgericht eine im Gesetz vorgesehene Rechtsschutzmöglichkeit nicht leer laufen lassen (vgl. BVerfGE 96, 27 ≪39≫). Insoweit können zu weit gehende Einschränkungen der Überprüfung des Beschwerdegerichts nach Revisionseinlegung gegen die Hauptsacheentscheidung Bedenken begegnen (gegen jede Beschwerdemöglichkeit Brandenburgisches OLG, VRS 91 [1996], S. 181; OLG Düsseldorf, VRS 80 [1991], S. 214 ≪215≫; 90 [1996], S. 45 f.; OLG Hamm, VRS 92 [1997], S. 23 ≪24≫; für eine eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeit OLG Karlsruhe VRS 96 [1999], S. 205 ≪206 f.≫; OLG Köln, VRS 93 [1997], S. 348 f.; KG, VRS 100 [2001], S. 443 ≪444≫; für eine volle Anfechtungsmöglichkeit OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 1996, S. 205 f.). Im vorliegenden Fall greifen diese Bedenken aber nicht durch. Der Beschwerdeführer hatte beanstandet, es fehle überhaupt an tragfähigen Beweisen für eine – vorläufige und endgültige – Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Straftat im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen. Darüber hatte das Beschwerdegericht auch von seinem Standpunkt zur eingeschränkten Kontrollbefugnis des Beschwerdegerichts nach Revisionseinlegung aus zu entscheiden. Es hat eine Entscheidung getroffen und dem Beschwerdeführer insoweit den von Art. 19 Abs. 4 GG geforderten gerichtlichen Rechtsschutz nicht versagt.
3. Die Annahme des Beschwerdegerichts, die im Urteil genannten Beweisgrundlagen seien tragfähig, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist weder willkürlich, noch lässt sie besorgen, das Gericht habe Bedeutung und Tragweite des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG grundlegend verkannt. Eine weiter gehende Nachprüfung der Beweiswürdigung ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 95, 96 ≪128≫).
Zwar begegnen die vom Landgericht nachvollzogenen Urteilsgründe des Amtsgerichts zur Würdigung des Prozessverhaltens des Antragstellers Bedenken. Das Amtsgericht hat jedoch darüber hinaus angenommen, die Einlassung des Beschwerdeführers zum Geschehen am Tattag sei „abgesehen von diesem Umstand” auch inhaltlich nicht schlüssig.
Allein auf der Haltereigenschaft des Beschwerdeführers beruhte die Annahme der Täterschaft jedenfalls nicht. Insoweit ist der Fall mit dem im Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 31. August 1993 – 2 BvR 843/93 – (StV 1994, S. 3 f.) entschiedenen Fall nicht vergleichbar.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1267251 |
NStZ-RR 2002, 377 |