Entscheidungsstichwort (Thema)
Sitzungsprotokoll
Beteiligte
Rechtsanwalt Dr. Ulrich Busch |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
1. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs, das Sitzungsprotokoll bilde eine Einheit, so dass die gemäß §§ 272 Nrn. 2 und 4, 273 Abs. 1 StPO vorgeschriebene Angabe bestimmter Verfahrensbeteiligter bei Unterbrechung und Fortsetzung der Verhandlung an einem anderen Tag nicht wiederholt werden müsse, sondern bis zu einem abweichenden Protokollvermerk fortgelte, beruht auf dem Wortlaut des § 271 Abs. 1 StPO. Danach ist „über die Hauptverhandlung … ein Protokoll” aufzunehmen, also nicht etwa für jeden Sitzungstag eine gesonderte Niederschrift zu erstellen. Die vom Bundesgerichtshof aus der Einheitlichkeit des Hauptverhandlungsprotokolls gezogene Schlussfolgerung, das Schweigen des Protokolls begründe selbst dann keinen Beweis für die Abwesenheit einer dieser Personen, wenn (unnötigerweise) die Anwesenheit anderer Verfahrensbeteiligter ausdrücklich erneut vermerkt oder – wie im Ausgangsverfahren – in Niederschriften zu anderen Fortsetzungsterminen alle Verfahrensbeteiligten vollständig aufgeführt würden, ist zwar nicht zwingend. Ob eine solche Protokollauslegung einfach-rechtlich „bedenklich” ist (wie Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Auflage, § 274 Rn. 7 meint), kann dahinstehen. Denn jedenfalls sind die vorstehende wie auch die daran anknüpfende weitere Argumentation des Bundesgerichtshofs, der Protokollinhalt sei in den geschilderten Fällen unklar, wenn die Person des an einem Terminstag nicht erneut genannten notwendigen Verfahrensbeteiligten mehrfach gewechselt habe, sachbezogen und nachvollziehbar. Dafür, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen, etwa auf eine bloße Arbeitserleichterung abzielen könnten, ist nichts ersichtlich. Dagegen spricht bereits, dass der Bundesgerichtshof den Revisionsführer, der auf Grund der vorstehenden Protokollauslegung einen Verfahrensverstoß im Sinne des § 338 Nr. 5 StPO nicht gemäß § 274 Satz 1 StPO nachweisen kann, nicht beweislos stellt, sondern ihm die gegenüber § 274 StPO weiter gehenden Beweismöglichkeiten des Freibeweises eröffnet.
2. Soweit sich der Beschwerdeführer auch gegen die Durchführung eines solchen Freibeweisverfahrens durch den Bundesgerichtshof wendet, verkennt er, dass er insoweit nicht beschwert ist. Denn ohne die Zulassung des Freibeweises wäre – mangels Beweiskraft des Protokolls – der von ihm geltend gemachte Verfahrensfehler (fehlende Anwesenheit eines Dolmetschers) nicht nachweisbar gewesen. Damit hätte die Revision des Beschwerdeführers keinen Erfolg haben können, weil er die Beweislast für das Vorliegen der seine Revisionsrüge begründenden Tatsachen trug (der Grundsatz „in dubio pro reo” gilt insoweit nicht, vgl. Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1982 – 2 BvR 178/82 –). Durch die Zulassung des Freibeweisverfahrens hat der Bundesgerichtshof die Beweisposition des Beschwerdeführers also nicht beeinträchtigt, sondern verbessert. Damit hat er zugleich dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes im Rechtsmittelverfahren (vgl. dazu BVerfGE 78, 88 ≪98 ff.≫) Rechnung getragen.
Von einer weiter gehenden Begründung der Entscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Hassemer, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 660106 |
StV 2002, 521 |