Entscheidungsstichwort (Thema)
Höchstbetragsbeschränkung für Unterhaltsleistungen an die getrennt lebende Ehefrau
Leitsatz (redaktionell)
Daß § 33a Abs. 1 EStG die Abzugsfähigkeit der Unterhaltsleistungen an die getrennt lebende Ehefrau als außergewöhnliche Belastung auf einen Höchstbetrag beschränkt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a, 12 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
BFH (Entscheidung vom 02.08.1974; Aktenzeichen VI R 48/72) |
Gründe
(Redaktioneller Hinweis:
Die Verfassungsbeschwerde wurde „nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie, wie aus dem Belehrungsschreiben des Berichterstatters hervorgeht, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.”)
Aus dem Belehrungsschreiben:
Der Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 EStG 1965 bezweckt ebenso wie die bis 1974 gewährten Kinderfreibeträge (BVerfGE 6, 55 [70], BVerfGE 18, 97 [109]) nur eine angemessene Erhöhung des tariflichen Grundfreibetrags. Der Gesetzgeber trägt dadurch dem Umstand Rechnung, daß mehrere Personen ihren Lebensunterhalt aus ein und demselben Einkommen bestreiten müssen, ohne den Grundsatz zu beeinträchtigen, daß Unterhaltsleistungen an Angehörige bei der Einkommensermittlung nicht abgezogen werden dürfen (§ 12 Nr. 1 EStG). Dieser Grundsatz dürfte nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen, da sich aus dieser Vorschrift ein Anspruch auf jegliche finanzielle Entlastung des Unterhaltleistenden nicht herleiten läßt (BVerfGE 28, 104 [113f.]). Aus der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG mit dem Sozialstaatsprinzip läßt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Dies liegt vielmehr grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (BVerfGE 39, 316 [326] m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung des BVerfG).
Die Steuerreformkommission hatte in ihrem Gutachten 1971 (Schriftenreihe des Bundesministers der Finanzen H. 17, S. 157) vorgeschlagen, Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten zum Abzug von Einkommen zuzulassen und beim Unterhaltsberechtigten – entgegen § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG in der geltenden Fassung – zu besteuern. Dies würde in Höhe des geleisteten Unterhalts einen Splittingeffekt durch doppelte Gewährung des Grundfreibetrags und Milderung der Steuerprogression zur Folge haben. Das Bundesverfassungsgericht kann nicht nachprüfen, ob eine derartige Lösung vernünftiger, gerechter oder zweckmäßiger wäre, sondern nur, ob die vom Gesetzgeber getroffene Regelung Grundrechte verletzt (BVerfGE 3, 162 [182]). Das Ehegatten-Splitting beruht auf dem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Gedanken, daß bei zusammen lebenden Ehegatten die Einkünfte beider Ehegatten als gemeinsam erwirtschaftet gelten können, auch wenn nur ein Ehegatte durch Erwerbstätigkeit Einkünfte erzielt und der andere den gemeinsamen Haushalt führt. Diese Annahme trifft nicht zu, wenn die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft aufgehoben ist. Es dürfte daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein, wenn dauernd getrennt lebende Ehegatten vom Einkommensplitting ausgeschlossen sind.
Auch ein Vergleich des § 33 a Abs. 1 EStG mit § 33 EStG dürfte nicht zur Annahme eines Gleichheitsverstoßes führen. Die Aufwendungen, für die nach § 33 Abs. 1 ein Steuerfreibetrag erlangt werden kann, sind um die zumutbare Eigenbelastung zu kürzen und darüber hinaus nach § 33 Abs. 2 auf einen angemessenen Betrag zu begrenzen. Unter Berücksichtigung dieser Beschränkung dürfte die Regelung des § 33a Abs. 1 bei der Anhebung des Freibetrages im Einkommensteuergesetz 1962 auf monatlich 100 DM eine dem § 33 insgesamt gleichwertige Regelung dargestellt haben; insbesondere könnte der Gesetzgeber sich hierbei an die Kinderfreibeträge anlehnen.
Allerdings wurden die hier untereinander und mit § 33 zu vergleichenden Freibetragsregelungen (Grundfreibetrag, Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 2 EStG vor 1975, Unterhaltsfreibeträge nach § 33a Abs. 1) zwischen 1962 und 1974 nicht mehr an die steigenden Lebenshaltungskosten angepaßt. Während steigende außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art (§ 33 EStG) zu steigenden Steuerermäßigungen führen und der Gesetzgeber wegen der in den § 33 eingebauten „Dynamik” keine Anpassungen vorzunehmen braucht, ist bei § 33a Abs. 1 EStG eine Anpassung erforderlich, wenn die Vorschrift eine dem § 33 insgesamt gleichwertige Regelung darstellen soll. Der Gesetzgeber hat den Komplex der Familienabzüge bei der Einkommensteuer nach umfangreichen Vorarbeiten und langwierigen politischen Bemühungen im Zuge der 1975 wirksam gewordenen Einkommensteuerreform überprüft und neu geordnet. Es dürfte sich nicht mit der hinreichenden Evidenz feststellen lassen, daß bis zu diesem Zeitpunkt ein gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßender Rechtszustand im Bereich des Familienlastenausgleichs, verglichen mit den nach § 33 EStG zu erlangenden Steuervergünstigungen, eingetreten wäre.
Fundstellen