Verfahrensgang
OLG Hamburg (Beschluss vom 05.05.2010; Aktenzeichen 3 Vollz (Ws) 26/10) |
LG Hamburg (Beschluss vom 26.03.2010; Aktenzeichen 609 Vollz 110/08) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 26. März 2010 – 609 Vollz 110/08 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.
Der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 5. Mai 2010 – 3 Vollz (Ws) 26/10 – wird damit gegenstandslos.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verlegung eines Sicherungsverwahrten aus einer Station des Normalvollzugs auf eine Station für Sicherungsverwahrte.
I.
1. Der Beschwerdeführer befindet sich in Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel. Er war auf der dortigen Bewährungsstation untergebracht, bis er am 18. April 2008 gegen seinen Willen auf die Station für Sicherungsverwahrte verlegt wurde.
Den gegen die Verlegung erhobenen Widerspruch wies die Justizvollzugsanstalt zurück. Die getrennte Unterbringung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten sei gesetzlich vorgesehen. Diesbezüglich stehe Sicherungsverwahrten kein Wahlrecht zu; insbesondere hätten sie auch bei dahingehendem Wunsch kein Recht auf Unterbringung im Normalvollzug. Die Anstaltsbelegung und Haftraumzuteilung unterfielen der Organisationshoheit der Vollzugsanstalt, die lediglich verpflichtet sei, den Beschwerdeführer keinen unnötigen, sachlich grundlosen Belastungen auszusetzen und ihn nicht willkürlich zu verlegen. Für eine Verletzung dieser Pflicht sei nichts ersichtlich. Durch die Verlegung werde auch das Besserstellungsgebot umgesetzt, weil die Vollzugsbedingungen auf der Station für Sicherungsverwahrte diesem Gebot Rechnung trügen. Das Besserstellungsgebot könne die Justizvollzugsanstalt wegen seiner Eigenschaft als objektive gesetzliche Vorgabe in ihre Abwägung auch dann einstellen, wenn der Betroffene auf eine Besserstellung verzichten wolle. Die Besserstellung von Sicherungsverwahrten könne auf einer Station des Normalvollzugs nicht oder nur ganz eingeschränkt gewährleistet werden. Um den auf der Station für Sicherungsverwahrte Untergebrachten ausreichend soziale Kontakte zu ermöglichen, bestehe aus Resozialisierungsgründen ein erhebliches objektives Interesse an einer starken Belegung dieser Station. Der Verlegung des Beschwerdeführers entgegenstehende durchgreifende Gründe seien nicht ersichtlich. Die Verlegung beeinträchtige auch nicht die Möglichkeit des Beschwerdeführers, weiterhin seiner bisherigen Arbeitstätigkeit in der Anstalt nachzugehen.
2. Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung und begehrte, nachdem die Verlegung erfolgt war, die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit. Infolge der Verlegung sei er nicht besser, sondern schlechter gestellt. Er sei aus seinem sozialen Umfeld herausgerissen worden und kenne die auf der Station für Sicherungsverwahrte Untergebrachten nicht. Mit ihnen könne er keine Konversation betreiben, da sie aufgrund des langjährigen Freiheitsentzugs psychisch beeinträchtigt seien. Sie hätten sich aufgegeben und lebten ohne Perspektive in den Tag hinein. Die Station für Sicherungsverwahrte sei eine Isolierstation und genüge aus baulichen Gründen nicht dem Besserstellungsgebot. Die dortigen Hafträume seien die kleinsten in der Justizvollzugsanstalt, und die Fenster seien in einer Höhe von 1,80 m angebracht. Der Freistundenhof sei sehr klein. Zum Zeitpunkt der Verlegung habe es auf der Station für Sicherungsverwahrte keine Stationsbeamten oder Abteilungsleiter gegeben wie auf den Stationen für Strafgefangene. Freizeitaktivitäten würden den Sicherungsverwahrten nicht angeboten. Der vergleichsweise späte Einschluss stelle ihn nicht besser, da er sich gerne am frühen Abend in seine Zelle zurückziehe. Im Übrigen stehe eine ganze Station des Normalvollzugs leer. Der Gesetzgeber ordne zwar besondere Stationen für Sicherungsverwahrte an. Sicherungsverwahrte seien aber nicht verpflichtet, auf diese besonderen Stationen zu ziehen, und könnten auf eine dortige Unterbringung verzichten. Es sei zudem gleichheitswidrig, dass die Vollzugsanstalt zwei andere Sicherungsverwahrte im Normalvollzug belassen habe.
Die Justizvollzugsanstalt nahm unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid Stellung und führte ergänzend aus, dass die Darlegungen des Beschwerdeführers zur Lage der Fenster in den Hafträumen auf der Station für Sicherungsverwahrte zuträfen. Insoweit seien bauliche Maßnahmen vorgesehen, über deren zeitliche Realisierung sich allerdings noch keine näheren Angaben machen ließen. Es werde zudem geprüft, ob weitere Verbesserungen beispielsweise hinsichtlich der Haftraumgröße umsetzbar seien.
Das Landgericht wies den Antrag mit angegriffenem Beschluss zurück. Rechtsgrundlage für die Verlegung sei § 99 Abs. 4 HmbStVollzG in Verbindung mit § 93 Abs. 1 HmbStVollzG in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung. Über die Unterbringung, die grundsätzlich getrennt zu erfolgen habe, habe nach dem Wortlaut dieser Vorschriften allein die Vollzugsanstalt zu entscheiden; der Sicherungsverwahrte habe insoweit kein Wahlrecht.
Für dieses Normverständnis spreche auch der Wille des historischen Gesetzgebers. Die Unterbringung eines Sicherungsverwahrten im Normalvollzug stelle einen nach § 99 Abs. 4 Halbsatz 2 HmbStVollzG a.F. zustimmungspflichtigen Sonderfall dar, der das Vorliegen besonderer Gründe voraussetze. Die insoweit erforderliche Prüfung habe die Justizvollzugsanstalt rechtsfehlerfrei vorgenommen. Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Abbruch seiner sozialen Kontakte aus dem Normalvollzug berufe, sei dies kein besonderer Grund, weil die Sicherungsverwahrung immer nach Verbüßung der Freiheitsstrafe vollstreckt werde und wegen des Grundsatzes der getrennten Unterbringung Sozialkontakte, die im Normalvollzug aufgebaut worden seien, regelmäßig beeinträchtigt würden. Der Justizvollzugsanstalt habe es daher oblegen, zu prüfen, ob in der Person des Beschwerdeführers derart besondere Gründe vorgelegen hätten, dass, obwohl die Voraussetzungen des § 99 Abs. 2 Halbsatz 2 HmbStVollzG unstreitig nicht gegeben gewesen seien, gemäß § 99 Abs. 4 HmbStVollzG von der regelhaften Unterbringung auf der Station für Sicherungsverwahrte ausnahmsweise abzusehen gewesen sei.
Diese Prüfung sei ohne Ermessensfehler erfolgt. Da der Beschwerdeführer keine besonders enge Verbundenheit mit den Gefangenen aus der Bewährungsstation vortrage und sich abends gerne früh auf seine Zelle zurückziehe, habe die Justizvollzugsanstalt dem Trennungsgebot Vorrang gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers an der Pflege seiner Sozialkontakte einräumen dürfen. Weil der Beschwerdeführer in der Hofkolonne tätig sei, könne er im Rahmen dieser Tätigkeit den Kontakt zu anderen Strafgefangenen pflegen. Die Justizvollzugsanstalt habe auch berücksichtigen dürfen, dass die Station für Sicherungsverwahrte mit Insassen in angemessener Zahl belegt sein müsse, um den Sicherungsverwahrten Sozialkontaktmöglichkeiten in hinreichendem Umfang zu bieten. Dass der Beschwerdeführer mit den anderen Sicherungsverwahrten aufgrund deren psychischer Verfassung keine Konversation betreiben könne, müsse er als Sicherungsverwahrter hinnehmen. Eine eventuell unzureichende Beachtung des Besserstellungsgebotes begründe keinen Anspruch des Beschwerdeführers auf Rückverlegung in den Normalvollzug oder auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verlegung, weil vorrangig Sorge dafür zu tragen sei, dass dem Besserstellungsgebot durch entsprechende Veränderungen der Situation auf der Station für Sicherungsverwahrte Geltung verschafft werde. Die Vollzugsanstalt habe mitgeteilt, dass eine Veränderung der baulichen Gegebenheiten beabsichtigt sei. Die Frage, ob die vom Beschwerdeführer vorgetragene geringe Größe der Fenster, die von der Vollzugsanstalt eingeräumt werde, die geringe Größe der Zelle und des Freistundenhofes sowie die unzureichende personelle Ausstattung der Station zuträfen und eine Verletzung des Besserstellungsgebotes darstellten, sei daher ebensowenig zu entscheiden wie die Frage, ob die von der Vollzugsanstalt vorgetragenen Maßnahmen – wie unbeschränkte Telefoniermöglichkeiten, ständig offene Haftraumtüren, ein grundsätzlich freier Zugang zum Freistundenhof sowie die Erlaubnis, Ziervögel zu halten sowie Topfpflanzen und zusätzliche Möbelstücke zu besitzen – ausreichend seien, um dem Besserstellungsgebot gerecht zu werden. Denn bei der Beurteilung der Beachtung des Besserstellungsgebots sei zu berücksichtigen, dass das Trennungsprinzip wesentlicher Bestandteil dieses Gebots sei. Die Besserstellung von Sicherungsverwahrten gegenüber Strafgefangenen könne auf einer Normalstation nicht oder nur mit ganz erheblichen Einschränkungen gewährleistet werden.
3. Mit der hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerde (§ 116 Abs. 1 StVollzG) erhob der Beschwerdeführer die allgemeine Sach- und die Verfahrensrüge. Weil die Justizvollzugsanstalt andere Sicherungsverwahrte weiter im Normalvollzug untergebracht habe, verletze sie Art. 3 Abs. 1 GG. Die vollzuglichen Vorteile auf der Station für Sicherungsverwahrte würden dem Besserstellungsgebot nicht gerecht. Die Justizvollzugsanstalt habe es jahrelang versäumt, die Station für Sicherungsverwahrte entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben auszustatten. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers stelle sich als „verböserte Strafhaft” dar und beschränke sich auf dessen Verwahrung. Die Zellen auf der Station für Sicherungsverwahrte seien die kleinsten der Anstalt und befänden sich im Keller. Auf der Station halte sich allenfalls zehn Minuten pro Tag ein Stationsbeamter auf; in der übrigen Zeit seien die Sicherungsverwahrten sich selbst überlassen. Weil die Station eine Isolierstation sei, würden gewachsene bisherige soziale Kontakte der Sicherungsverwahrten aus dem Normalvollzug unterbunden. Die Behauptung, der Beschwerdeführer müsse die gemeinsame Unterbringung mit psychisch Auffälligen hinnehmen, sei Unsinn. Niemand könne „ein ständiges Einpferchen mit ‚Irren’ schadlos verkraften”. Die Unterbringung stelle Folter im Sinne von Art. 3 EMRK dar. Es gebe zudem genug freie Räume im Haus. Das Landgericht habe gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, weil es die Station für Sicherungsverwahrte nicht in Augenschein genommen habe. Das Landgericht hätte zudem sachverständig begutachten lassen müssen, dass die Unterbringung, das Umfeld sowie das Fehlen eines Vollzugskonzepts der Justizvollzugsanstalt zu psychischen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers geführt habe und weiterhin führen werde. Die Entscheidung verletze die Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 1, 2, 3 und Art. 19 Abs. 4 sowie Art. 20 GG.
4. Das Oberlandesgericht verwarf die Beschwerde mit angegriffenem Beschluss. Ein auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer behördlichen Maßnahme gerichteter Antrag auf gerichtliche Entscheidung setze grundsätzlich die Rücknahme oder eine sonstige Erledigung der angegriffenen Maßnahme voraus. Darüber hinaus komme eine Feststellungsklage in Betracht, wenn ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme oder deren Unterlassung anzunehmen sei, das mit der Anfechtungs- oder Leistungsklage nicht mehr durchgesetzt werden könne. Keine dieser Voraussetzungen sei hier gegeben. Die Unterbringung auf der Station für Sicherungsverwahrte dauere an und hätte weiterhin mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können. Eine Überprüfung des Beschlusses des Landgerichts sei dennoch nicht geboten, weil auch eine Anfechtungsklage wegen der zutreffend festgestellten Rechtmäßigkeit der Maßnahme erfolglos gewesen wäre.
5. Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 1, 2, 3, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 GG sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG). Er wiederholt sein Vorbringen aus dem fachgerichtlichen Verfahren und trägt ergänzend vor: Die angegriffenen Entscheidungen verstießen gegen das Willkürverbot, weil keine Sachaufklärung stattgefunden habe. Die Sicherungsverwahrung sei eine Strafe. Das Oberlandesgericht hätte die Rechtsbeschwerde nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Entgegen der Ausführungen im Beschluss sei die zwangsweise Verlegung des Beschwerdeführers abgeschlossen und daher einer gerichtlichen Feststellung zugänglich.
6. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93c Abs. 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (s. unter 2.). Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.
2. Die Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Die Sicherungsverwahrung dient allein präventiven Zwecken. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet den Staat, den Vollzug der Sicherungsverwahrung in deutlichem Abstand zum Strafvollzug auszugestalten (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪166 f.≫; 128, 326 ≪375≫). Das Ausmaß der Besserstellung hat sich am Gebot der Verhältnismäßigkeit zu orientieren (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪167≫). Zur Realisierung der Besserstellung bedarf es einer vom Strafvollzug getrennten Unterbringung in besonderen Gebäuden oder Abteilungen („Trennungsgebot”, vgl. BVerfGE 128, 326 ≪380≫). Die Gegebenheiten innerhalb der für den Vollzug der Sicherungsverwahrung vorgesehenen Einrichtung müssen dabei den therapeutischen Erfordernissen entsprechen und ausreichende Besuchsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung familiärer und sozialer Außenkontakte bereithalten. Ferner muss sichergestellt sein, dass ausreichende Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, um die Anforderungen eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung praktisch zu erfüllen (BVerfGE 128, 326 ≪381≫).
Den grundrechtlichen Anspruch von Sicherungsverwahrten auf einen demgemäß ausgestalteten Vollzug kann der Staat – unabhängig davon, dass dem Gesetzgeber für eine entsprechende Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung eine Übergangsfrist eingeräumt ist (vgl. BVerfGE 128, 326 ≪332≫) – bereits gegenwärtig nicht nach freiem Belieben verkürzen. Die Grundrechte setzen Maßstäbe für die notwendige Beschaffenheit staatlicher Einrichtungen. Der Staat ist verpflichtet, Vollzugsanstalten in der zur Wahrung der Grundrechte erforderlichen Weise auszustatten (vgl. BVerfGE 40, 276 ≪284≫; 45, 187 ≪240≫; BVerfGK 13, 163 ≪168 f.≫; 13, 487 ≪492 f.≫ m.w.N.). Sind vorhandene Vollzugseinrichtungen und deren Ausstattung so beschaffen, dass Rechte der Gefangenen nicht gewahrt werden können, ohne dass dadurch Rechte anderer Gefangener oder sonstige Belange von vergleichbarem Gewicht beeinträchtigt werden, so folgt auch hieraus nicht, dass die insoweit auf der einen oder anderen Seite unvermeidlichen Beeinträchtigungen ohne weiteres und unabhängig von laufenden Bemühungen um kurzfristige Abhilfe als rechtmäßig hinzunehmen wären (vgl. BVerfGK 13, 487 ≪493≫ m.w.N.). Die Frage, wie mit derartigen Notsituationen umzugehen ist, stellt sich im Übrigen erst, wenn feststeht, dass eine auch mit besonderem Einsatz nicht vermeidbare Notsituation tatsächlich vorliegt. Drohen aufgrund unzureichender Ausstattung von Haftanstalten Beeinträchtigungen, die normalerweise von Rechts wegen nicht hinnehmbar sind, so sind – unbeschadet der Pflicht der zuständigen Organe, für eine dauerhafte Verbesserung der Ausstattung zu sorgen – den zuständigen Anstalten und ihren Trägern besondere Anstrengungen zum Ausgleich des Mangels und zur zügigen Abhilfe abzuverlangen; das Niveau der „zumutbaren Anstrengungen” (vgl. BVerfGE 42, 95 ≪102≫) bemisst sich insoweit nach der staatlichen Verantwortung für die Ausstattung des Vollzuges mit den für die rechtmäßige Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Mitteln (vgl. BVerfGK 13, 487 ≪493≫).
b) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Landgerichts mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar.
Aus § 99 Abs. 4 HmbStVollzG in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung, wonach die Sicherungsverwahrung in einer getrennten Abteilung vollzogen wird, es sei denn, der Sicherungsverwahrte stimmt einer anderen Unterbringung zu, hat das Landgericht abgeleitet, dass die Unterbringung eines Sicherungsverwahrten im Normalvollzug das Vorliegen besonderer Gründe voraussetze. Das Vorliegen solcher besonderen Gründe hat es für den vorliegenden Fall verneint und angenommen, dass die Justizvollzugsanstalt zu Recht der Durchsetzung des Gebots der getrennten Unterbringung von Sicherungsverwahrten Vorrang gegenüber den vom Beschwerdeführer für seinen Verbleib auf der bisherigen Station angeführten Gesichtspunkten eingeräumt habe. Ob die zugrundegelegte, hohe Anforderungen an das Vorliegen besonderer Gründe stellende Auslegung des § 99 Abs. 4 HmbStVollzG angesichts des auf eine flexible Handhabung der Unterbringung von Sicherungsverwahrten zielenden Gesetzeszwecks nachvollziehbar ist (vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucks 18/6490, S. 49; zur Übereinstimmung des § 98 Abs. 4 HmbStVollzG in der seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung mit § 99 Abs. 4 HmbStVollzG a.F. vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucks 19/2533, S. 61), bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls beruht die wesentlich auf das verfassungsrechtliche Trennungsgebot abstellende Begründung, mit der das Landgericht die Rechtmäßigkeit der Verlegung des Beschwerdeführers auf die Station für Sicherungsverwahrte bestätigt hat, auf einer Verkennung der verfassungsrechtlich fundierten Zweckbestimmung dieses Gebots.
Das Trennungsgebot ist kein Selbstzweck, sondern dient der Besserstellung der Sicherungsverwahrten (vgl. BVerfGE 128, 326 ≪380≫). Der Beschwerdeführer hatte substantiiert geltend gemacht, dass die Verlegung auf die Station für Sicherungsverwahrte wegen der dortigen Haftraumbedingungen und sonstiger baulicher Gegebenheiten, der personellen Ausstattung sowie des Freizeitangebots objektiv und nach seinen persönlichen Bedürfnissen (zur Bedeutung des subjektiven Empfindens für die grundrechtliche Beurteilung der Schwere einer Beeinträchtigung vgl. BVerfGE 89, 315 ≪322 f.≫) eine erhebliche Verschlechterung der Vollzugsbedingungen darstelle. Angesichts dieses von der Justizvollzugsanstalt in tatsächlicher Hinsicht nicht in Abrede gestellten – hinsichtlich der Haftraumbedingungen vielmehr mit dem Hinweis auf beabsichtigte bauliche Veränderungen ausdrücklich bestätigten – Vorbringens verkehrt die Rechtfertigung der Verlegung unter Verweis auf das Gebot der getrennten Unterbringung von Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen den Sinn des Trennungsgebotes in sein Gegenteil.
Dass es der Vollzugsanstalt auch bei Aufbietung der nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu fordernden Anstrengungen nicht möglich war, den Beschwerdeführer seinem Wunsch entsprechend im Normalvollzug unterzubringen, solange die Station für Sicherungsverwahrte keine günstigeren Bedingungen bietet, hat das Gericht nicht festgestellt.
3. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschluss zumindest im Ergebnis alternativlos war und die Verfassungsbeschwerde daher nicht zur Entscheidung anzunehmen ist, weil der Beschwerdeführer auch im Fall einer stattgebenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit seinem Rechtsschutzbegehren vor den Fachgerichten letztlich keinen Erfolg haben könnte (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫). Von einer Aussichtslosigkeit der weiteren Rechtsverfolgung vor den Fachgerichten ist insbesondere nicht deshalb auszugehen, weil der Beschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer seinen zunächst gegen die anstaltsinterne Verlegung gerichteten Antrag nach erfolgter Verlegung auf einen Feststellungsantrag umgestellt hatte. Zwar mag dem Oberlandesgericht in der Annahme zu folgen sein, dass das Begehren des Beschwerdeführers sich durch die Verlegung nicht erledigt hatte und daher für eine Feststellungsentscheidung nach § 115 Abs. 3 StVollzG kein Raum war und ist. Bei der gebotenen am recht verstandenen Interesse des Rechtsschutzsuchenden ausgerichteten Antragsauslegung (vgl. BVerfGE 122, 190 ≪198≫) verbietet es sich jedoch, den anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdeführer ohne vorherigen sachdienlichen Hinweis an einer rechtsirrtümlich für notwendig gehaltenen, dem verfolgten Rechtsschutzziel offensichtlich zuwiderlaufenden Antragsumstellung festzuhalten.
Der Beschluss des Landgerichts ist nach alledem gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Damit wird der Beschluss des Oberlandesgerichts gegenstandslos.
III.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Lübbe-Wolff, Huber, Kessal-Wulf
Fundstellen
NStZ-RR 2013, 26 |
StV 2013, 221 |