Verfahrensgang
LG Kiel (Beschluss vom 18.01.1995; Aktenzeichen 37 Qs 142/94) |
LG Kiel (Beschluss vom 29.06.1994; Aktenzeichen 37 Qs 58/94) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde-Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Beschlüsse des Landgerichts Kiel vom 29. Juni 1994 – 37 Qs 58/94 – und vom 18. Januar 1995 – 37 Qs 142/94 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 beziehungsweise Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Kiel zurückverwiesen.
Das Land Schleswig-Holstein hat dem Beschwerdeführer die notwendigen
Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Anordnungen von Ordnungsgeld und Ordnungshaft zur Erzwingung der Zeugenaussage des Betroffenen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschussverfahren in Schleswig-Holstein.
I.
1. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1565/94
Der Schleswig-Holsteinische Landtag beschloss am 26. März 1993, einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung von Verbindungen zwischen P., der SPD, der SPD-geführten Landesregierung und ihren jeweiligen Mitarbeitern einzusetzen, der – zeitlich nachrangig – auch Erkenntnisse seit 1987 bezüglich des Wirkens des damaligen Ministerpräsidenten Dr. B., der damaligen Landesregierung, weiterer Repräsentanten anderer politischer Parteien sowie weiterer Personen untersuchen sollte, die gegebenenfalls ergänzende Beurteilungen der Ergebnisse des 1. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses erforderten. Dabei sollte Aufgabe des Untersuchungsausschusses auch sein aufzuklären, welche Kontakte jeglicher Art zwischen P. und dem Beschwerdeführer (als damaligem Pressesprecher der SPD) vor und nach der Landtagswahl 1987 bestanden und was deren Anlass, Inhalt und nähere Umstände waren.
Dem Beschwerdeführer wurde durch Beschluss des Untersuchungsausschusses vom 1. April 1993 die Rechtsstellung eines „Betroffenen” im Sinne von § 18 des Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsausschussgesetzes (UAG) vom 17. April 1993 (GVOBl 1993, S. 145) eingeräumt. Am 17. Februar 1994 beschloss der Untersuchungsausschuss mit der nach § 18 Abs. 3 UAG erforderlichen Stimmenzahl, den Beschwerdeführer, der als Betroffener bereits eine Stellungnahme zu dem Untersuchungsgegenstand abgegeben hatte, als Zeugen vor den Ausschuss zu laden. Der Beschwerdeführer folgte zwar der Ladung zu dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termin, weigerte sich aber, zur Sache auszusagen. Unter Mitwirkung des Ausschussvorsitzenden, den der Beschwerdeführer mit noch nicht zurückgewiesenem Gesuch vom 9. März 1994 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte, beschloss der Untersuchungsausschuss daraufhin, dass der Ausschussvorsitzende bei dem Amtsgericht Kiel die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 1.000 DM, ersatzweise 20 Tage Ordnungshaft, beantragen solle. Diesen vom Vorsitzenden gestellten Antrag wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 20. April 1994 zurück, weil dem Beschwerdeführer die generelle Aussagefreiheit eines Betroffenen zustehe und er deshalb nicht ohne gesetzlichen Grund die Aussage als Zeuge verweigert habe.
Auf die durch den Ausschussvorsitzenden eingelegte Beschwerde des Untersuchungsausschusses forderte das Landgericht Kiel den Untersuchungsausschuss mit Schreiben vom 8. Juni 1994 zu weiteren Angaben hinsichtlich der Erforderlichkeit der angestrebten weiteren Aussage des Beschwerdeführers auf. Daraufhin wies der Untersuchungsausschuss in seiner Antwort vom 13. Juni 1994 darauf hin, dass die Vernehmung des Beschwerdeführers als Auskunftsperson geeignet, zwingend erforderlich und darüber hinaus auch verhältnismäßig sei. Im Verlauf der Beweisaufnahme sei der Ausschuss durch Zeugenaussagen mit Tatsachen konfrontiert worden, auf die der Beschwerdeführer in seiner Darstellung als Betroffener entweder überhaupt nicht eingegangen sei oder die von seinen Angaben teilweise erheblich abwichen. Der Ausschuss habe daraufhin am 10. Dezember 1993 zu verschiedenen Sachverhaltskomplexen schriftlich Fragen an den Beschwerdeführer als Betroffenen gerichtet, die dieser bisher nicht beantwortet habe.
In seiner Erwiderung vom 22. Juni 1994 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass er zur Beantwortung weiterer Fragen als Betroffener bereit sei, soweit von seiner Vernehmung als Zeuge abgesehen werde. Er verpflichtete sich ausdrücklich dazu, als Betroffener ergänzend alle weiteren – verfahrensrechtlich zulässigen – Fragen der Mitglieder des Ausschusses wahrheitsgemäß zu beantworten.
Mit Beschluss vom 29. Juni 1994 hob sodann das Landgericht Kiel die angefochtene amtsgerichtliche Entscheidung auf und setzte die beantragten Zwangsmittel fest. Der Beschwerdeführer sei zur Aussage vor dem Untersuchungsausschuss als Zeuge verpflichtet, die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zur Erzwingung eines Zeugnisses sei auch nicht unverhältnismäßig. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer angeboten habe, durch Beantwortung weiterer Fragen zur Sachaufklärung beizutragen. Eine vom Beschwerdeführer erhobene Gegenvorstellung gab dem Landgericht keinen Anlass zur Abänderung seiner Entscheidung.
Gleichzeitig mit seiner Verfassungsbeschwerde stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 9. August 1994 zurückwies.
Am 23. August 1994 zahlte der Beschwerdeführer zur Abwendung von ersatzweise angeordneter Ordnungshaft das Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 DM.
2. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 173/95
Der Beschwerdeführer weigerte sich trotz Zahlung des Ordnungsgeldes weiter, als Zeuge zur Sache auszusagen. Daraufhin stellte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses auf entsprechenden Beschluss des Ausschusses beim Amtsgericht Kiel den Antrag, gegen den Beschwerdeführer wegen unberechtigter Verweigerung des Zeugnisses Ordnungshaft bis zu sechs Monaten nach § 16 Abs. 1 UAG festzusetzen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht zurück, da die Festsetzung von Ordnungshaft nach Verhängung von Ordnungsgeld unzulässig sei und die Anordnung von Beugehaft ausscheide, weil es hierfür im Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsausschussgesetz keine gesetzliche Grundlage gebe.
Auf die durch den Ausschussvorsitzenden eingelegte Beschwerde ordnete das Landgericht Kiel unter Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung mit Beschluss vom 18. Januar 1995 gegen den Beschwerdeführer Ordnungshaft bis zu sechs Wochen wegen unberechtigter Zeugnisverweigerung an; § 16 Abs. 1 UAG sei nicht als „Ersatzhaft”, die nur bei Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes angeordnet werden könnte, sondern als Beugehaft zu verstehen, deren Anordnung gegen den Beschwerdeführer im Hinblick auf die Bedeutung seiner Aussage auch nicht unverhältnismäßig sei.
Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein und beantragte zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung, durch die eine Vollziehung des angegriffenen Beschlusses des Landgerichts bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ausgesetzt werden sollte. Mit Beschlüssen vom 8. März und 6. September 1995 entsprach die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts diesem Antrag, weil die Nachteile durch einen Vollzug der Ordnungshaft im Falle eines späteren Obsiegens schwerer wögen als bei späterer Unbegründetheit der Hauptsache die Verzögerung der Durchsetzung einer Vernehmung des Beschwerdeführers vor dem Untersuchungsausschuss.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1565/94
a) Hinsichtlich der Auferlegung von Ordnungsgeld rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, aus Art. 103 Abs. 1 sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts verletze ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, weil sie die Reichweite des Schutzes vor Selbstbezichtigungen, der auch für einen Betroffenen im Untersuchungsausschussverfahren gewährleistet sein müsse, verkenne. Die Anordnung des Ordnungsgeldes verstoße gegen den durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Landgericht verkenne, dass eine Zwangsgeldfestsetzung nicht in Betracht gekommen sei. Die Erzwingung einer Zeugenaussage sei nicht erforderlich gewesen, da er als Betroffener aussagewillig gewesen wäre. Auch habe das Landgericht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne nicht vorgenommen; so seien die ihm aus einer Zeugenvernehmung erwachsenden Nachteile völlig unberücksichtigt geblieben. Schließlich verstoße das Landgericht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, wenn es § 7 UAG für eine abschließende Regelung über das Ausscheiden von Ausschussmitgliedern halte und darüber hinausgehend ein Ablehnungsrecht für nicht gegeben erachte. Auch verletze der angefochtene Beschluss sein Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG; das Landgericht habe offenbar nicht zur Kenntnis genommen, dass die Staatskanzlei ein Verfahren zur Beendigung seines Dienstverhältnisses eingeleitet habe; ansonsten hätte es ihm nach der eigenen Rechtsansicht ein umfassendes Schweigerecht einräumen müssen. Sei aber das arbeitsrechtliche Verfahren vom Landgericht nicht als ein dem Disziplinarverfahren vergleichbares Verfahren angesehen worden, das auf eine mit einer Disziplinarmaßnahme vergleichbare staatliche Sanktion, die Entfernung aus dem Dienst, abziele, so liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vor.
b) Die Parlamente der Bundesländer, die Landesregierungen sowie der Bundestag und die Bundesregierung hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Davon haben die Bundesregierung, der Bundestag, der Hessische Landtag, der Landtag des Saarlandes, die Bremische Bürgerschaft, der Landtag Nordrhein-Westfalen, der Bayerische Senat sowie die meisten Landesregierungen keinen Gebrauch gemacht.
Soweit die Länderparlamente zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen Stellung genommen haben, sind ihre Äußerungen im Wesentlichen auf die Darstellung der im eigenen Land geltenden Regelungen beschränkt (Sächsischer Landtag, Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Abgeordnetenhaus Berlin, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Thüringer Landtag, Landtag Brandenburg, Landtag Rheinland-Pfalz, der Niedersächsische Landtag und der Bayerische Landtag) und nehmen – abgesehen vom Schleswig-Holsteinischen Landtag – zu den Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde selbst nicht Stellung. Den genannten Stellungnahmen lässt sich – abgesehen von der Äußerung des Bayerischen Landtags, der es aus rechtsstaatlichen Gründen für sinnvoll hält, zwischen „Betroffenen” und „Zeugen” zu unterscheiden und dem „Betroffenen” ein Schweigerecht nach Art des strafrechtlich Beschuldigten einzuräumen – übereinstimmend entnehmen, dass das jeweilige Landesrecht bzw. die entsprechende Praxis der Untersuchungsausschüsse bei fehlenden gesetzlichen Regelungen einem „Betroffenen” eine grundsätzliche Aussageverpflichtung auferlegen. Meinungsverschiedenheiten bestehen lediglich darüber, in welchem Umfang dem „Betroffenen” Auskunftsverweigerungsrechte zustehen, die über die jedem Zeugen gegebenen Möglichkeiten, die Aussage zu verweigern, hinausgehen.
Der Schleswig-Holsteinische Landtag hält in seiner Stellungnahme die Vorschriften des Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsauschussgesetzes für verfassungsgemäß. So kollidiere die Heranziehung eines Betroffenen als Auskunftsperson jedenfalls dann nicht mit Grundrechten, wenn sich dies lediglich auf solche Teile des Untersuchungsauftrags beziehe, die den „Betroffenenstatus” nicht berührt. Erstrecke sich der Vernehmungsauftrag formell auf den gesamten Untersuchungsgegenstand und damit auch auf Bereiche, in denen der weiterhin bestehende Betroffenenstatus tangiert sei, müsse einem erhöhten Schutzbedürfnis nach § 14 Abs. 2 UAG durch Anerkennung eines erweiterten Auskunftsverweigerungsrechts bereits bei Verfehlungen persönlicher Art ohne mögliche strafrechtliche Konsequenzen Rechnung getragen werden. Im Rahmen einer derart begrenzten Aussagepflicht und bei strikter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei auch gegen den Einsatz von Zwangsmitteln von Verfassungs wegen nichts einzuwenden. Ob auf der Grundlage dieser verfassungskonformen Auslegung die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Beschwerdeführer verfassungsrechtlicher Überprüfung stand halte, könne der Landtag allerdings nicht abschließend beurteilen. Zwar spreche im Hinblick auf den außerordentlich weit gefassten Beweisantrag zur Heranziehung des Beschwerdeführers als Auskunftsperson vieles für die Annahme eines Aussageverweigerungsrechts und damit für die Verfassungswidrigkeit der angeordneten Zwangsmaßnahme, doch dürfe sich der Landtag im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 Satz 2 Schleswig-Holsteinische Landesverfassung, wonach die Beweiserhebung in die ausschließliche Zuständigkeit des Untersuchungsausschusses falle, kein definitives abschließendes Urteil über die Rechts- oder Verfassungsmäßigkeit der durchgeführten Beweiserhebung erlauben.
Der 1. Untersuchungsausschuss der 13. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtags hält die Verfassungsbeschwerde für nicht begründet. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden weder gegen die die Vernehmung eines Betroffenen als Auskunftsperson zulassenden Regelungen des Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsausschussgesetzes noch gegen ihre Anwendung im zu Grunde liegenden Fall. Die Entscheidung des Gesetzgebers in § 18 Abs. 3 UAG, eine Vernehmung des Betroffenen als Auskunftsperson zuzulassen und ihm in dieser Rolle ein generelles Schweigerecht nicht zuzugestehen, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelungen des Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsausschussgesetzes, die dem Betroffenen eine weit gehende Möglichkeit verschafften, auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen, würden dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Postulat gerecht, die konkurrierenden Zielsetzungen – Gewährleistungen einer wirksamen Aufgabenerfüllung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und Beachtung berechtigter Schutzinteressen der durch eine Untersuchung betroffenen Person – zu einem praktischen Ausgleich zu bringen. Dies gelte auch insoweit, als § 14 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz UAG eine Auskunftsverweigerung nur dann gestatte, wenn es um Fragen gehe, deren Beantwortung den Betroffenen oder einen seiner Angehörigen der Gefahr aussetzte, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Mit dieser Regelung habe ein Betroffener eine Rechtsposition, die sich nicht mehr erweitern ließe, wenn man die verfassungsrechtlich abgesicherte Funktion eines Untersuchungsausschusses ernst nehme. Die Anwendung des Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsausschussgesetzes durch den Untersuchungsausschuss und das die Zwangsmaßnahmen anordnende Gericht sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Insbesondere sei – wie dem Beschluss des Landgerichts zu entnehmen sei – die Heranziehung des Beschwerdeführers als Auskunftsperson erforderlich und deshalb verhältnismäßig.
2. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 173/95
a) Hinsichtlich der Anordnung von Ordnungshaft rügt der Beschwerdeführer abermals eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie darüber hinaus aus Art. 2 Abs. 2 sowie Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Auch diese Entscheidung des Landgerichts verkenne die Reichweite des Schutzes vor Selbstbezichtigungen, der auch für Betroffene im Untersuchungsausschussverfahren gelte, und verstoße ebenso wie die Verhängung des Ordnungsgeldes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG seien verletzt, weil das Landgericht unberücksichtigt gelassen habe, dass eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage fehle. Für eine den Wortlaut überschreitende Auslegung sei kein Raum, wenn es – wie hier – um die Normierung der tatbestandlichen Voraussetzungen freiheitsentziehender Maßnahmen gehe. Soweit das Landgericht es dabei ablehne, den Begriff der Ordnungshaft hinsichtlich Funktion und Voraussetzungen im Sinne der vom Untersuchungsausschussgesetz allein in Bezug genommenen Rechtsvorschriften der Strafprozessordnung und des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch zu bestimmen, werde dadurch die Grenze einer willkürfreien Rechtsanwendung eindeutig überschritten.
b) Der Bundestag, die Bundesregierung, der Bundesrat, die Länderparlamente sowie die Landesregierungen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Äußerungen sich überhaupt zur Sache verhalten, beschränken sie sich im Wesentlichen auf die Feststellung, dass sich im jeweiligen Bundesland das in Schleswig-Holstein aufgetretene Problem nicht stelle, weil entweder das entsprechende Landesrecht eine klare Unterscheidung von Ordnungs- und Beugehaft vorsehe oder die insoweit ebenfalls klar differenzierende Regelung in § 70 StPO entsprechend anwendbar sei.
Der erste Untersuchungsausschuss der 13. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtags hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet und macht sich dabei insbesondere die Begründung der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung zu Eigen.
III.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§§ 93b, 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerden sind in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer ergebenden Weise offensichtlich begründet; ihnen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden sind (vgl. BVerfGE 67, 100 ≪127 ff.≫; 76, 363 ≪381 ff.≫; 77, 1 ≪39 ff.≫). Die Festsetzung von Ordnungsgeld verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, die Anordnung von Ordnungshaft in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG.
1. Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
Das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers ist nicht dadurch entfallen, dass die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses beendet ist (vgl. BVerfGE 76, 363 ≪381≫; 77, 1 ≪38≫). Die Festsetzung von Ordnungsgeld gegen den Beschwerdeführer hat diesen – zur Abwendung von andernfalls drohender Ordnungshaft – veranlasst, das Ordnungsgeld zu bezahlen. Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschluss, mit dem das Ordnungsgeld verhängt worden war, hat daher weiterhin Wirkung gegen den Beschwerdeführer (vgl. BVerfGE 25, 296 ≪304≫). Dies gilt zwar nicht hinsichtlich der Anordnung von Ordnungshaft, die angesichts der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nicht vollzogen worden ist und deren Vollzug im Hinblick auf die Beendigung der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses auch nicht mehr droht. Es würde allerdings der Bedeutung des Schutzes der Freiheit durch das Grundgesetz (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht entsprechen, wenn das Recht auf verfassungsgerichtliche Klärung einer angeordneten Freiheitsentziehung nur entfiele, weil das Bundesverfassungsgericht nicht entschieden hat, solange seitens des Untersuchungsausschusses im Hinblick auf seinen Untersuchungsauftrag noch Interesse an dem Vollzug der Ordnungshaftmaßnahme bestanden hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht außer Stande ist, schwierige Fragen in kurzer Zeit zu entscheiden, nicht dazu führen, dass eine Verfassungsbeschwerde allein wegen des vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Zeitablaufs als unzulässig verworfen wird (vgl. BVerfGE 74, 163 ≪172 f.≫; 76, 1 ≪38≫; 81, 138 ≪140 f.≫).
2. Die Verfassungsbeschwerden sind begründet, soweit das Landgericht Ordnungsgeld festgesetzt bzw. Ordnungshaft verhängt hat, obwohl der Beschwerdeführer seine Bereitschaft erklärt hatte, für den Fall des Absehens von seiner Zeugeneinvernahme weitere wahrheitsgemäße Angaben als Betroffener zu machen. Insoweit ist der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG verletzt.
Auf die Klärung der weiteren mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen kommt es danach nicht mehr an.
a) Art. 18 der Landesverfassung des Landes Schleswig-Holstein sieht die Bildung von Untersuchungsausschüssen vor. Diese sind für das parlamentarische Regierungssystem, das grundlegend durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt wird, von einer Bedeutung, die es als folgerichtig erscheinen lässt, den Untersuchungsausschuss mit denjenigen Befugnissen auszustatten, derer er bedarf, um die ihm aufgegebene Klärung von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit von Regierungs- und Verwaltungshandeln wirksam vornehmen zu können (vgl. BVerfGE 67, 100 ≪130≫; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. September 1993 – 2 BvR 1666/93 u. a. –, NVwZ 1994, S. 54). Aus diesem Grund steht Untersuchungsausschüssen die Befugnis zur Beweiserhebung zu, so wie es auch Art. 18 der Landesverfassung Schleswig-Holstein für Untersuchungsausschüsse des Landtags von Schleswig-Holstein vorgesehen hat.
Dieses Beweiserhebungsrecht, das in Schleswig-Holstein seine weitere Konkretisierung in Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Schleswig-Holstein (Untersuchungsausschussgesetz) und – ergänzend – in Vorschriften der Strafprozessordnung findet (vgl. § 11 Abs. 4 UAG), umfasst auch Maßnahmen zur Sicherung der Beweiserhebung (§ 16 UAG), die Möglichkeiten zur Durchsetzung der Aussage einer Auskunftsperson (§ 16 Abs. 1 UAG), aber auch zur zwangsweisen Beschaffung sonstiger Beweismittel (vgl. § 16 Abs. 3 UAG). Die grundsätzliche Statthaftigkeit solcher Zwangsmaßnahmen im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, die zur effektiven Erfüllung der dem Untersuchungsausschuss obliegenden Kontrolle unentbehrlich sind, steht außer Frage. Dies hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich mit Blick auf die in § 70 StPO enthaltenen, im Rahmen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse des Bundestags gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG sinngemäß für anwendbar erklärten Maßnahmen der Anordnung von Ordnungsgeld und Beugehaft gegen einen grundlos das Zeugnis verweigernden Zeugen festgestellt (BVerfGE 76, 363 ≪383 ff.≫).
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse üben öffentliche Gewalt aus. Über die sich aus der Schleswig-Holsteinischen Verfassung, dem Gesetz zur Regelung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Schleswig-Holstein und der Strafprozessordnung ergebenden Grenzen hinaus haben Untersuchungsausschüsse in Schleswig-Holstein gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können insbesondere das Beweiserhebungsrecht einschränken (BVerfGE 67, 100 ≪142≫; 77, 1 ≪46≫). Der Untersuchungsausschuss hat bei der Prüfung einer Zeugnispflicht als Voraussetzung für die Anordnung einer Zwangsmaßnahme nicht nur das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu beachten, das seinen Trägern Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten verbürgt (BVerfGE 76, 363 ≪388≫); er hat auch den nemo tenetur-Grundsatz sowie – im Hinblick auf die angeordneten Zwangsmaßnahmen selbst – Reichweite und Bedeutung der durch sie berührten Grundrechte des Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in seine Prüfung einzubeziehen. Diese Rechte dürfen nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 77, 1 ≪47≫ mit Hinweis auf BVerfGE 65, 1 ≪44≫; 67, 100 ≪143≫). Nicht allein der Untersuchungsausschuss ist dabei gehalten, Voraussetzungen und Grenzen der Beweiserhebung und seiner möglichen zwangsweisen Durchsetzung zu überprüfen. Wird ein Gericht im parlamentarischen Untersuchungsverfahren in Anspruch genommen, so ist es ihm jedenfalls nicht verwehrt, die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen, die für die Wirksamkeit des Antrags und die Zulässigkeit der beabsichtigten Beweiserhebung von Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die beantragte Maßnahme sich als Eingriff in grundrechtlich geschützte Bereiche Dritter darstellt (vgl. BVerfGE 77, 1 ≪39≫).
b) Gemessen an diesem Maßstab zu Umfang und Grenzen der Beweiserhebung im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, begegnen die angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtlichen Bedenken.
aa) Die Ansicht des Landgerichts in seinem Beschluss vom 29. Oktober 1994, die Voraussetzungen der Festsetzung von Ordnungsgeld gegen den Beschwerdeführer hätten vorgelegen, verstößt gegen den auch im Untersuchungsausschussverfahren bedeutsamen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der die Beweiserhebung und eine damit zusammenhängende Zwangsmaßnahme davon abhängig macht, dass die Beweiserhebung und ihre zwangsweise Durchsetzung im Hinblick auf den Untersuchungsauftrag und das Beweisthema geeignet und erforderlich ist sowie zum Anlass der Sachverhaltsaufklärung nicht außer Verhältnis steht.
Die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 18 Abs. 3 UAG die Vernehmung eines Betroffenen als Auskunftsperson im Sinne von § 14 UAG schon dann zulässt, wenn der Untersuchungsausschuss mit den Stimmen eines Fünftels seiner Mitglieder dies für erforderlich hält. Die Ausgestaltung des Beweiserhebungsrechts nach § 18 Abs. 3 UAG als Minderheitsrecht entbindet nicht von der Beachtung verfassungsrechtlicher Grundprinzipien, insbesondere auch der Grundrechte, wie sie grundsätzlich jedem parlamentarischen Untersuchungsausschuss auferlegt ist.
Das Bundesverfassungsgericht prüft die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes grundsätzlich zwar nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nach, ob eine Abwägung der für die Maßnahme sprechenden Gründe mit den Rechten des Beschwerdeführers stattgefunden und hierbei ein der Verfassung entsprechender Bewertungsmaßstab zugrundegelegt worden ist (vgl. BVerfGE 76, 363 ≪389≫). Einer insoweit begrenzten Überprüfung aber hält der landgerichtliche Beschluss nicht stand.
Verfassungsrechtlich unangreifbar ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass weitere Angaben des Beschwerdeführers im Hinblick auf den durch den Beschluss zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses begrenzten Gegenstand des parlamentarischen Untersuchungsausschussverfahrens grundsätzlich zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und damit zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags geeignet waren.
Nicht verfassungsrechtlich tragfähig hat allerdings das Landgericht angenommen, dass die Aussage des Beschwerdeführers als Auskunftsperson gemäß § 18 Abs. 3 UAG auch erforderlich gewesen sei. Zwar konnte das Landgericht auf der Grundlage der Mitteilungen des Untersuchungsausschusses vom 13. Juni 1994 davon ausgehen, dass zur Aufklärung von Widersprüchen in der Darstellung des Beschwerdeführers und anderer Zeugen sowie zur ergänzenden Beantwortung offen gebliebener Fragen die Einholung weiterer Angaben des Beschwerdeführers gerechtfertigt war. Auch durfte das Landgericht, ohne Verfassungsrecht zu verletzen, annehmen, dass Angaben des Beschwerdeführers nicht durch die Heranziehung anderer Beweismittel hinreichend hätten ersetzt werden können. Bei der Prüfung aber, ob andere Beweismittel in gleicher Weise wie Angaben des Beschwerdeführers zur Sachverhaltsaufklärung hätten beitragen können, hätte das Landgericht nicht bleiben dürfen. Es hätte vielmehr im Rahmen der Erörterungen zur Erforderlichkeit intensiv auf die Frage eingehen müssen, ob dem Untersuchungsausschuss andere, gleich geeignete, aber weniger einschneidende Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung gestanden hätten. Dabei hätte das Landgericht eingehend erörtern müssen, ob die im gerichtlichen Verfahren erklärte Bereitschaft des Beschwerdeführers, weitere Angaben als Betroffener zu machen, eine solche Möglichkeit darstellte. Die ohne Begründung getroffene Feststellung des Landgerichts, der Festsetzung des Ordnungsgeldes stünde die Aussagebereitschaft des Beschwerdeführers als Betroffener nicht entgegen, vermag die von Verfassungs wegen geforderte Prüfung, ob insoweit ein milderes Mittel gegeben ist, nicht zu ersetzen, zumal sich auch die vom Landgericht in Bezug genommenen Hinweise des Untersuchungsausschusses in seinem Schreiben vom 18. Juni 1994 zur Verhältnismäßigkeit der Heranziehung des Beschwerdeführers als Auskunftsperson mit diesem Gesichtspunkt nicht auseinander setzen.
Dabei liegt es auf der Hand, dass freiwillige Angaben eines Betroffenen gegenüber einer Vernehmung als Auskunftsperson gemäß § 18 Abs. 3 UAG und einer Anordnung von Ordnungsgeld zu ihrer Durchsetzung ein gleich geeignetes, aber weniger einschneidendes Mittel der Sachverhaltsaufklärung darstellen. Ausgangspunkt ist, dass die Heranziehung des Betroffenen als Auskunftsperson nach § 18 Abs. 3 UAG eine Reihe von Pflichten auslöst, die ihn im Rahmen seiner sich ansonsten nach § 18 Abs. 2 UAG richtenden Rechtsstellung nicht treffen. Der Betroffene ist zum Erscheinen und grundsätzlich auch zu einer wahrheitsgemäßen Angabe von Tatsachen verpflichtet (§ 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz UAG); das Erscheinen kann ebenso wie grundsätzlich die Aussage selbst erzwungen werden (§ 16 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz UAG).
Freiwillige Angaben eines Betroffenen stellen nicht nur ein weniger einschneidendes Mittel dar, sie sind auch – wie eine Überprüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt – grundsätzlich in gleicher Weise zur Sachverhaltsaufklärung geeignet wie die Einvernahme als Auskunftsperson. Fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene in der Vergangenheit wahrheitswidrige Auskünfte erteilt hat oder künftig der Wahrheit zuwiderlaufende Angaben machen wird, ist davon auszugehen, dass seine Sachdarstellung nach § 18 Abs. 2 UAG auch zu einer sachdienlichen, umfänglichen Sachverhaltsaufklärung führt, die weitere Aufklärungsschritte im Hinblick auf seine Person verzichtbar macht. Dies gilt umso mehr, wenn der Betroffene wie der Beschwerdeführer ausdrücklich und von sich aus versichert hat, wahrheitsgemäße Angaben machen zu wollen, und wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass dies gegebenenfalls unter dem Druck geschieht, ansonsten als Aussageperson aussagen zu müssen. Erklärt ein Betroffener seine Bereitschaft zu weiter gehenden Angaben, so muss ihm deshalb regelmäßig vor einer förmlichen Vernehmung gemäß § 18 Abs. 3 UAG die Gelegenheit zur Ergänzung, gegebenenfalls auch Richtigstellung seiner früheren Angaben gegeben werden.
Dies wird vorliegend auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beschwerdeführer seine Aussagebereitschaft als Betroffener nur für den Fall erklärt hat, dass der Untersuchungsausschuss von seiner Vernehmung als Zeuge absehe. Der Untersuchungsausschuss wäre – ohne dass er dadurch die Erfüllung seines Untersuchungsauftrags in Frage gestellt hätte – nicht gehindert gewesen, diese Bedingung des Beschwerdeführers zu erfüllen. Hätte der Beschwerdeführer – wie in Aussicht gestellt – wahrheitsgemäße Angaben gemacht, wäre kein weiterer Anlass gewesen, eine Vernehmung des Beschwerdeführers gemäß § 18 Abs. 3 UAG herbeizuführen. Soweit der Beschwerdeführer allerdings entgegen seiner Versicherung eine erkennbar wahrheitswidrige Sachverhaltsdarstellung gegeben hätte, wäre der Untersuchungsausschuss insoweit an seine im Vertrauen auf die Zusicherung wahrheitsgemäßer Angaben im Vorhinein abgegebene Erklärung nicht mehr gebunden gewesen. Der Untersuchungsausschuss hätte deshalb zunächst auf diesem Weg den Versuch unternehmen müssen, Angaben des Beschwerdeführers auf Grund einer freiwilligen Aussage zu erlangen.
Waren damit die Angaben des Beschwerdeführers als Betroffener zur Sachverhaltsaufklärung gleich geeignet, erweist sich seine Zeugeneinvernahme nach § 18 Abs. 3 UAG als nicht erforderlich und damit als nicht verhältnismäßig. Das Landgericht wäre deshalb vor der Verhängung von Zwangsmaßnahmen zur Erzwingung einer Zeugenaussage gehalten gewesen, den Untersuchungsausschuss darauf zu verweisen, die erstrebte Sachverhaltsaufklärung zunächst durch die Befragung des Beschwerdeführers als Betroffener zu suchen.
bb) Auch der Beschluss des Landgerichts, mit dem dieses gegen den Beschwerdeführer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angeordnet hat, verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG, die die persönliche Bewegungsfreiheit besonders absichern (vgl. BVerfGE 65, 317 ≪322 f.≫; 70, 297 ≪307 f.≫) und deren Bedeutung und Tragweite auch in einem Verfahren, in dem eine Zeugenaussage mit Hilfe einer Haftanordnung erzwungen werden soll, zu beachten ist (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1998 – 2 BvR 510/96 –, NJW 1999, S. 779 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. August 2000 – 2 BvR 1372/00 –, StV 2001, S. 257).
Es kann offen bleiben, ob für die Anordnung von Ordnungshaft zur Erzwingung einer Aussage nach Verhängung von Ordnungsgeld im Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsausschussgesetz eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage fehlt und schon deshalb die vom Landgericht getroffene Anordnung nicht hätte ergehen können. Selbst wenn sich – wie das Landgericht annimmt – die Anordnung von als Beugehaft verstandener Ordnungshaft auf § 16 Abs. 1 UAG grundsätzlich stützen ließe, käme die Anordnung gegen den Beschwerdeführer nicht in Betracht. So wie die Verhängung von Ordnungsgeld wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausscheidet, so liegen auch die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft gegen den Beschwerdeführer nicht vor, weil im Hinblick auf die Vernehmung als Auskunftsperson, die damit erzwungen werden sollte, ein gleich geeignetes, weniger einschneidendes Mittel der Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung stand und diese Beweiserhebung deshalb nicht erforderlich war. Die Haftanordnung des Landgerichts, die sich zur Begründung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ausschließlich auf die Ausführungen des Ordnungsgeldbeschlusses bezieht, leidet damit an den gleichen verfassungsrechtlichen Mängeln wie der in Bezug genommene Beschluss selbst.
Die angegriffenen Beschlüsse waren aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen, das nach Abschluss des parlamentarischen Untersuchungsausschussverfahrens lediglich noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden hat.
Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (vgl. § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Hassemer, Mellinghoff
Fundstellen