Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsvorschriften im Gesetz zur Änderung des Radio-Bremen-Gesetzes vom 27. Oktober 1998. Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
Beteiligte
von Radio Bremen, Anstalt des öffentlichen Rechts, vertreten durch den Intendanten |
Rechtsanwalt Dr. Volker Kröning |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
Die Beschwerdeführerin, die vom Land Bremen errichtete Rundfunkanstalt Radio Bremen, wendet sich gegen Übergangsvorschriften im Gesetz zur Änderung des Radio-Bremen-Gesetzes vom 27. Oktober 1998, die die Beendigung der Amtszeit des nach der bisherigen Gesetzesfassung gewählten Direktoriums sowie die Wahl einer Intendantin oder eines Intendanten und eines neuen Direktoriums zum 30. April 1999 regeln.
I.
1. Das Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts – Radio Bremen – (Radio-Bremen-Gesetz – RBG) vom 22. Juni 1993 (Brem.GBl. S. 197), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. Februar 1998 (Brem.GBl. S. 27), regelt in Abschnitt 2 die Organe der Beschwerdeführerin. Danach ist für die Leitung der Anstalt nicht wie bei allen anderen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten eine Intendantenverfassung, sondern eine sogenannte Direktorialverfassung vorgesehen. Das Direktorium als Organ (§ 7 Nr. 3) leitet die Rundfunkanstalt (§ 16 Abs. 2 Satz 1) und trägt die Verantwortung für den gesamten Betrieb sowie für Inhalt und Gestaltung der Sendungen (§ 16 Abs. 3 und § 6 Abs. 1). Ferner hat das Direktorium den Wirtschaftsplan vorzulegen (§ 13 Abs. 1 Nr. 2) sowie den Organisationsplan festzulegen und Leitungsfunktionen im Programmbereich zu besetzen (§ 17). Entscheidungen trifft es durch Mehrheitsbeschluß (§ 16 Abs. 4 Satz 2). Mitglieder des Direktoriums sind die Intendantin oder der Intendant und die Direktorinnen oder Direktoren, deren Anzahl mindestens zwei und höchstens vier beträgt (§ 15 Abs. 1). Die Intendantin oder der Intendant führt den Vorsitz im Direktorium, vertritt die Anstalt gerichtlich und außergerichtlich und hat eine Eilentscheidungsbefugnis (§ 16 Abs. 1 und 5). Jedes Mitglied des Direktoriums leitet seinen Geschäftsbereich in eigener Verantwortung im Rahmen der von den Aufsichtsgremien und vom Direktorium gefaßten Beschlüsse (§ 16 Abs. 3). Die Mitglieder des Direktoriums werden vom Rundfunkrat auf fünf Jahre gewählt, wobei Wiederwahl zulässig ist (§ 15 Abs. 2). Aus wichtigem Grund können Mitglieder des Direktoriums mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Rundfunkrat abberufen werden (§ 15 Abs. 3). Derzeit besteht das Direktorium aus dem Intendanten und drei Direktoren. Die fünfjährige Amtszeit endet für den Intendanten im Juli 2000 und für die Direktoren im Dezember 1998, Februar 1999 sowie Februar 2002.
Mit dem von der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) beschlossenen Gesetz zur Änderung des Radio-Bremen-Gesetzes vom 27. Oktober 1998 (Brem.GBl. S. 267; nachfolgend: ÄndG) wird die Organisationsstruktur der Beschwerdeführerin geändert. Artikel 1 dieses Gesetzes regelt die Änderungen des RBG. Danach ist der Intendant, der nach der alten Rechtslage nur Teil des Direktoriums war, nunmehr neben Rundfunkrat, Verwaltungsrat und Direktorium ein eigenes Organ der Anstalt (§ 7 n.F.), leitet sie und trägt die Verantwortung für den Betrieb und die Programmgestaltung (§ 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 n.F.). Er legt den Organisationsplan, den Wirtschaftsplan und den neu vorgesehenen Entwicklungsbericht vor (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 n.F. und § 17 Abs. 2 und 3 n.F.). Er vertritt unverändert die Anstalt gerichtlich und außergerichtlich und führt weiterhin den Vorsitz im Direktorium (§ 16 Abs. 1 Satz 3 und 4 n.F.). Das Direktorium, dessen Mitgliederzahl einschließlich des Intendanten oder der Intendantin auf höchstens vier begrenzt wird (§ 15 Abs. 6 n.F.), ist unter Beachtung der Gesamtverantwortung des Intendanten oder der Intendantin zuständig für im einzelnen aufgeführte Angelegenheiten, die für die Anstalt von Bedeutung sind, sowie für Meinungsverschiedenheiten über Angelegenheiten, die mehrere Geschäftsbereiche berühren (§ 16 Abs. 2 n.F.). Jedes Mitglied des Direktoriums leitet weiterhin seinen Geschäftsbereich selbständig und in eigener Verantwortung, künftig allerdings unter Beachtung der Gesamtverantwortung des Intendanten (§ 16 Abs. 3 n.F.). Der Intendant oder die Intendantin wird vom Rundfunkrat auf fünf Jahre gewählt, wobei Wiederwahl zulässig ist (§ 15 Abs. 1 n.F.). Zur Vorbereitung der Wahl bildet der Rundfunkrat eine Findungskommission unter Beteiligung des Verwaltungsrats (§ 15 Abs. 2 n.F.). Die Direktoren oder Direktorinnen werden vom Rundfunkrat auf Vorschlag des Intendanten oder der Intendantin auf fünf Jahre gewählt, wobei eine Wiederwahl ebenfalls zulässig ist (§ 15 Abs. 3 n.F.). Der Intendant und die Direktoren können aus wichtigem Grund mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Rundfunkrat abberufen werden, die Direktoren auf Vorschlag des Intendanten auch mit einfacher Mehrheit (§ 15 Abs. 4 und 5 n.F.).
Artikel 2 ÄndG enthält Übergangs- und Schlußvorschriften und hat folgenden Wortlaut:
(1) Dieses Gesetz tritt nach Maßgabe dieses Artikels am 30. April 1999 in Kraft.
(2) Die Amtszeit des nach dem Radio-Bremen-Gesetz vom 22. Juni 1993 (Brem.GBl. S. 197 - 225-b-1), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. Februar 1998 (Brem.GBl. S. 27) geändert worden ist, gewählten Direktoriums endet mit Inkrafttreten dieses Gesetzes.
(3) Der Rundfunkrat wählt nach Artikel 1 Nr. 9 den Intendanten oder die Intendantin und danach auf Vorschlag dieses Intendanten oder dieser Intendantin die Direktoren oder Direktorinnen spätestens bis zum 30. April 1999. Der Intendant oder die Intendantin kann das Vorschlagsrecht nach Artikel 1 Nr. 9, soweit § 15 Abs. 3 Satz 1 anzuwenden ist, auch vor dem Amtsantritt ausüben.
Soweit die nach Satz 1 Gewählten ihr Amt nicht bis zum 1. Mai 1999 antreten können, kann der Vorsitzende des Verwaltungsrats erforderlichenfalls mit einzelnen der nach Absatz 2 oder 4 bis 30. April 1999 amtierenden Amtsinhabern eine Verlängerung ihrer Amtsführung über den 30. April 1999 hinaus bis zum Amtseintritt vereinbaren.
(4) Soweit der Vertrag eines Mitglieds des Direktoriums vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ausläuft, kann der Verwaltungsrat dessen Vertrag bis längstens zum 30. April 1999 verlängern.
(5) Betreffend Absätze 3 und 4 tritt das Gesetz am Tage nach der Verkündung in Kraft. Damit tritt § 15 Abs. 2 des in Absatz 2 genannten Gesetzes außer Kraft.
Die Novellierung des RBG basiert auf einem von den Koalitionsfraktionen der SPD und der CDU im Juli 1998 eingebrachten Gesetzentwurf (Bremische Bürgerschaft, Drucksache 14/1070 vom 7. Juli 1998), der nach Änderungen und Ergänzungen im Rahmen der Beratungen des Ausschusses „Medienpolitik” der Bremischen Bürgerschaft wie folgt begründet worden ist (vgl. Bericht des Ausschusses „Medienpolitik”, Bremische Bürgerschaft, Drucksache 14/1145 vom 15. Oktober 1998, S. 2 f.):
Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen strebt eine tiefgreifende Änderung der Organverfassung der Anstalt an, um durch Straffung und Effektivierung der Leitungsstruktur die Bewältigung der offenkundigen, primär von außen bewirkten Existenzkrise Radio Bremens zu ermöglichen. Die geltende Anstaltsverfassung – eingeführt durch Gesetz im Jahre 1979 – hat entgegen den Erwartungen des damaligen Gesetzgebers keine Nachahmung in der ARD gefunden. Alle ARD-Anstalten haben eine sogenannte Intendantenverfassung. Im Hinblick darauf und insbesondere auch deswegen, weil sich die geltende Organverfassung hinsichtlich straffer und effizienter Führung der Anstalt in der Praxis, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen, nicht bewährt hat, soll durch Gesetz eine „modifizierte Intendantenverfassung” eingeführt werden.
Der Gesetzentwurf ersetzt das bisher einzige Leitungsorgan Direktorium durch den mit der Leitung der Anstalt beauftragten Intendanten als neues selbständiges Organ und weist dem Direktorium eine wesentlich veränderte Aufgabenstellung zu unter der Gesamtverantwortung des Intendanten, der seinerseits das ausschließliche Vorschlagsrecht für die Direktorenwahl des Rundfunkrats erhält.
Da somit die Organverfassung der Anstalt grundlegend verändert und insbesondere Status sowie Funktion des Direktoriums wesentlich neu bestimmt werden, bedarf es einer gesetzlichen Regelung des Übergangs von der alten zur neuen Struktur, um einerseits die mit dem Gesetzentwurf angestrebte, notwendige Effektivierung umgehend praktisch wirksam werden zu lassen und andererseits Vakanzen in der Übergangszeit möglichst zu vermeiden. Hinsichtlich der zeitlichen Arbeitsaufnahme der neuen Organe, insbesondere des neuen Leitungsorgans Intendant, muß die Amtszeit des bisherigen Leitungsorgans Direktorium, für dessen einzelne Mitglieder zur Zeit unterschiedliche Vertragslaufzeiten bestehen, einheitlich für das Organ – und damit auch hinsichtlich der organrechtlichen Stellung seiner einzelnen Mitglieder – geschlossen festgelegt bzw. beendet werden, so daß ein zeitgleicher Übergang der Leitungsfunktion vom bisherigen Direktorium auf das neue Organ Intendant erreicht wird.
Deswegen ermöglichen die im Entwurf enthaltenen flexiblen Übergangsregelungen, die die individualrechtlichen Arbeitsverträge der bisherigen Direktoriumsmitglieder nicht (direkt) ansprechen, den zuständigen Anstaltsgremien eine verantwortungsbewußte Gestaltung des Übergangs, insbesondere dem Rundfunkrat, der mit einem Vorlauf von sechs Monaten (vom Inkrafttreten des Gesetzes insoweit zu Anfang November 1998 bis Ende April 1999) die neuen Organwalter auf der Basis des neuen Rechts wählen wird.
Diese durch den Gesetzgeber getroffene Übergangsregelung respektiert somit die verfassungsrechtlich gebotene Staatsferne der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und deren Personalhoheit, die uneingeschränkt von den zuständigen Anstaltsgremien wahrzunehmen ist. Zusammengefaßt leistet der Gesetzentwurf einen notwendigen Beitrag, um entsprechend der Garantenpflicht des Landes die Existenz und Lebensfähigkeit der Anstalt sowie ihre Arbeitsplätze langfristig und zukunftsfähig zu sichern.
Der Rundfunkrat hat inzwischen die Ausschreibung der Intendantenstelle mit einer Bewerbungsfrist zum 31. Januar 1999 beschlossen und eine Findungskommission eingesetzt.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die den Intendanten und die Direktoren betreffenden Bestimmungen der Übergangs- und Schlußvorschriften in Art. 2 Abs. 2 bis 5 ÄndG und rügt deren Unvereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie macht im wesentlichen geltend:
Der Gesetzgeber habe bei der Formulierung der Übergangs- und Schlußvorschriften im ÄndG in mißbräuchlicher Weise die Grenzen seiner Gestaltungsmacht überschritten. Die Koalition habe zunächst erwartet, daß der Rundfunkrat den derzeitigen Intendanten Klostermeier ablöse. Nachdem dies nicht geschehen sei, sei der Weg der Gesetzgebung eingeschlagen worden. Dies gehe aus einem Gespräch vom 24. September 1998 zwischen dem Intendanten und Bürgermeister Dr. Scherf über die vorzeitige Beendigung der Amtszeit des Intendanten hervor. In diesem Gespräch habe Dr. Scherf dem Intendanten mitgeteilt, die Fortsetzung der Koalition habe politisch für ihn Priorität. In der Koalition sei beschlossen worden, die Nachfolge des Intendanten unbedingt vor der Bürgerschaftswahl am 6. Juli 1999 zu regeln; er habe versprochen, dieses durchzusetzen. Ferner ergebe sich die personalpolitische Motivation der angegriffenen Regelungen auch aus Interviews des CDU-Landesvorsitzenden, in denen dieser erklärt habe, es werde einen neuen Intendanten geben.
Diese aus dem Kreis der Koalition offenbar gewordenen Motive seien angesichts des Fehlens einer Gesetzesbegründung entscheidungsrelevant. Damit habe der Gesetzgeber sich faktisch an die Stelle des Rundfunkrates gesetzt, ohne dessen rechtliche Stellung zu verändern. Es handele sich um einen verschleierten personalpolitischen Durchgriff, um eine „lex Klostermeier”. Da die auf den derzeitigen Intendanten bezogene Einzelfallregelung in eine Form gekleidet werde, die das gesamte Direktorium betreffe, erfasse das Gesetz wie ein mutwillig in Kauf genommener Nebeneffekt auch die anderen Mitglieder des Direktoriums.
Der Gesetzgeber habe ferner die Voraussetzungen für eine Abberufung des Direktoriums nach dem RBG mißachtet und sich damit von Bindungen befreit, die er selbst dem Rundfunkrat auferlegt und die er aus verfassungsrechtlichen Gründen zu beachten habe. Die Weisungsfreiheit des Rundfunkrates sei in ihrem Kernbereich, nämlich der Personalautonomie, faktisch aufgehoben. Während das Gesetz vorgebe, es lasse – bis auf das Verhältnis von Intendant und Direktoren – die Organstruktur des Senders unangetastet, schrieben die Übergangs- und Schlußvorschriften dem Rundfunkrat ein bestimmtes Handeln vor und schalteten zugleich den Verwaltungsrat von diesem Prozeß aus.
Der Eingriff des Gesetzgebers sanktioniere unverhohlen besonders die Amtsführung der beiden Direktoriumsmitglieder, die im Außenverhältnis von Radio Bremen eine Schlüsselrolle spielten, obwohl ihnen von der Koalition eine erfolgreiche Tätigkeit attestiert werde. Das begründe den Verdacht, daß sachfremde Motive, etwa personalpolitische Ambitionen oder koalitionspolitische Raison, maßgebend seien. Dieser Verdacht werde dadurch belegt, daß es an einem akuten und zwingenden Änderungsbedarf fehle. Die Verantwortlichen in der Politik hätten vielmehr stets die Interessenvertretung des Senders durch das Direktorium im Außenverhältnis unterstützt. Außerdem sei die allgemeine rundfunkpolitische Entwicklung, nämlich die Debatte über die Neuordnung des Finanzausgleichs in der ARD, schon zur Zeit der Einbringung des Gesetzentwurfs im Sommer 1998 absehbar gewesen. Damals habe man indessen noch keine vorzeitige Ablösung des Direktoriums im Zuge der Einführung der (unechten) Intendantenverfassung betrieben. Schließlich paralysiere die komplette Auswechselung des Direktoriums den Sender schlagartig, da sich kein Direktoriumsmitglied zu einer Verlängerung seines Vertrages bereit finden dürfte.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde verbindet die Beschwerdeführerin den Antrag, im Wege einstweiliger Anordnung die Geltung des Art. 2 Abs. 2 bis 5 ÄndG bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen.
4. Der Bremischen Bürgerschaft und dem Senat der Freien Hansestadt Bremen ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Der Senat hat von seinem Äußerungsrecht Gebrauch gemacht. Er hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Übergangsvorschriften hätten allein deklaratorische Bedeutung. Der Gesetzgeber habe eine grundsätzlich zulässige, seiner Ausgestaltungsbefugnis unterliegende und von der Verfassungsbeschwerde auch nicht angegriffene Veränderung des Organisationsgefüges in Art. 1 ÄndG vorgenommen. Er habe sich dabei entschieden, das Leitungsorgan „Direktorium” abzuschaffen und mit „dem Intendanten/der Intendantin” ein neues Leitungsorgan zu installieren. Mit Inkrafttreten des Gesetzes verliere das Leitungsorgan „Direktorium” seine rechtliche Existenz. Da die Funktion der gegenwärtigen Mitglieder des Direktoriums als Organwalter an die rechtliche Existenz des Leitungsorgans „Direktorium” geknüpft sei, könne es auch keinen Fortbestand dieser Organwalterschaft geben. Den Übergangsvorschriften komme daher allein die Funktion zu, zur Sicherung der Funktionsfähigkeit und der Führungskontinuität des Senders den Termin des Inkrafttretens der geänderten Organverfassung klarzustellen.
Da der in Art. 1 ÄndG enthaltene Eingriff des Gesetzgebers für ein rechtlich existentes Organ in einer laufenden Amtsperiode, nämlich das Ersetzen des Leitungsorgans „Direktorium” durch das Leitungsorgan „Intendant/Intendantin”, nicht angegriffen werde, bedürfe es keiner Prüfung, ob diese Änderungen dazu dienen sollten, verdeckt das Verhalten der Amtsführer zu sanktionieren. Der bloße Vollzug einer verfassungsrechtlich nicht beanstandeten Umstrukturierungsentscheidung könne keinen Mißbrauchstatbestand begründen.
Unabhängig hiervon liege ein verhaltenssteuernder Formenmißbrauch des Gesetzgebers weder objektiv vor noch sei er beabsichtigt gewesen. Es sprächen alle greifbaren Indizien gegen ein verdecktes Sanktionsgesetz. Es habe einen unaufschiebbaren Änderungsbedarf für die organisatorische Führungsstruktur bestanden. Bereits in der Protokollerklärung zum 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 17. Dezember 1996 habe sich die Freie Hansestadt Bremen zu einer Prüfung und Verbesserung der Strukturen von Radio Bremen verpflichtet. Die Beschwerdeführerin befinde sich in einer akuten und ausgesprochen bedrohlichen Gefährdungslage. Der medienpolitische Widerstand gegen eine Fortexistenz von Radio Bremen sei in den Ländern und innerhalb der ARD außerordentlich groß. Bestrebungen in der seit 1997 intensiv geführten Diskussion über die geplante ARD-Strukturreform und hinsichtlich einer radikalen Kürzung oder gar Abschaffung des ARD-Finanzaus-gleichs führten zu einer Existenzbedrohung der Beschwerdeführerin. Die anstaltsinterne und öffentliche Kritik an ineffizienten Führungsstrukturen und daraus resultierenden ineffizienten Programmleistungen von Radio Bremen habe ebenfalls zugenommen.
Eine Perpetuierung der Direktorialverfassung bis zum Auslaufen der ursprünglich vorgesehenen Amtszeit des Intendanten oder gar des bis Februar 2002 gewählten Direktoriumsmitglieds würde die notwendige Reform ad absurdum führen. Zu diesem Zeitpunkt würden die Würfel über die wirtschaftliche und publizistische Existenz Radio Bremens als eigenständige Anstalt öffentlichen Rechts gefallen sein. Gegen ein verdecktes Sanktionsgesetz spreche auch, daß das ÄndG die Wahl eines bisherigen Direktoriumsmitglieds nicht ausschließe.
Die von der Beschwerdeführerin herangezogenen Äußerungen einzelner Beteiligter hätten keine Indizwirkung und erst recht keinen Beweiswert für eine mißbräuchliche Ausübung der gesetzgeberischen Gestaltungsmacht. Gerade die seit über einem Jahr andauernde intensive Diskussion in den parlamentarischen Gremien der Bürgerschaft belege, daß es dem Gesetzgeber nicht ansatzweise um die Bewältigung eines – nicht vorhandenen – „Problems Klostermeier”, sondern um ein Grundsatzproblem der Organisationsstruktur von Radio Bremen gegangen sei.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die Beschwerdeführerin sieht einen Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit in der in Art. 2 Abs. 2 ÄndG festgelegten Beendigung der Amtszeit des bisherigen Direktoriums und der in Art. 2 Abs. 3 ÄndG vorgesehenen Wahl eines Intendanten sowie anschließend von Direktoren zum 30. April 1999. Diese Rüge läßt sich anhand der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zum Charakter der Rundfunkfreiheit und den daraus abgeleiteten Erfordernissen und Begrenzungen für die Verwirklichung der Rundfunkfreiheit in organisatorischer Hinsicht beantworten (vgl. BVerfGE 57, 295 ≪319 f.≫; 83, 238 ≪296≫; 90, 60 ≪88 f.≫; BVerfG, Kammerbeschluß, DVBl 1996, S. 97 ff.).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Normen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
a) Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt die Rundfunkfreiheit im Interesse der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung (vgl. BVerfGE 57, 295 ≪319≫; stRspr). Dieses Ziel läßt sich nur erreichen, wenn der Rundfunk nach Aufgabe und Struktur so beschaffen ist, daß er seine Funktion unbeeinflußt von außerpublizistischen Interessen erfüllen kann (vgl. BVerfGE 57, 295 ≪320≫). Die Voraussetzungen dafür hat der Gesetzgeber zu sichern. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt daher von ihm eine positive Ordnung des Rundfunks, die geeignet ist, die Zielvorgaben des Grundrechts zu verwirklichen (vgl. BVerfGE 57, 295 ≪320≫). Zu den Fragen, die er dabei von Verfassungs wegen regeln muß, gehört insbesondere die Organisationsstruktur des Rundfunks.
Bei der Ausgestaltung dieser Ordnung genießt der Gesetzgeber aber weitgehende Freiheit. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG legt ihn nicht auf bestimmte Modelle oder Vorkehrungen fest (vgl. BVerfGE 83, 238 ≪296≫). Es kommt allein darauf an, daß die Freiheit des Rundfunks in dem von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gemeinten Sinn gewahrt bleibt. Innerhalb des ihm zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraums kann der Gesetzgeber die Organisation des Rundfunks daher auch ändern. Mit der einmal gewählten Form bindet er sich nicht für alle Zukunft. Grundsätzlich ist er an einer Änderung auch nicht dadurch gehindert, daß sie in die Amtsperiode individueller Organwalter eingreift und sie vorzeitig beendet. Die Organwalterschaft ist an die Existenz des Organs gebunden, nicht umgekehrt. Andernfalls würde die Aufgabe des Gesetzgebers, wechselnden Anforderungen oder besseren Einsichten Rechnung zu tragen, empfindlich gestört (vgl. BVerfG, Kammerbeschluß, DVBl 1996, S. 98).
Allerdings darf die Organisationsstruktur, die stets auf das materielle Ziel der Rundfunkfreiheit bezogen bleibt, nicht zur Einflußnahme auf die publizistische Tätigkeit des Rundfunks verwendet werden, die nach dem Willen des Grundgesetzes gerade von politischer Bestimmung freigehalten werden soll (vgl. BVerfGE 90, 60 ≪87≫; stRspr). Dieses Verbot bezieht sich nicht nur auf das Programm, das im Zentrum der Rundfunkfreiheit steht, sondern auch auf die Personen, die das Programm gestalten oder veranworten. Der Gesetzgeber ist nicht berechtigt, ihre Amtsführung verdeckt zu sanktionieren oder sie wegen ihrer Amtsführung zu ersetzen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluß, DVBl 1996, S. 98). Damit verstößt zwar nicht jede organisatorische Vorkehrung, die personelle Konsequenzen hat, gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, wohl aber diejenige, welche organisatorische Veränderungen in der Absicht vornimmt, personelle Veränderungen herbeizuführen.
Organisatorische Änderungen, die eine vorzeitige Beendigung von Amtsperioden zur Folge haben, sind dem Verdacht versteckten Einflusses auf die Personalpolitik des Rundfunks in besonderem Maß ausgesetzt. Deswegen müssen hier zur Verhütung von Mißbräuchen an den Änderungsbedarf hohe Anforderungen gestellt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluß, DVBl 1996, S. 97 ff.). Regelmäßig wird ein Mißbrauch dann ausscheiden, wenn die Änderung einen gewichtigen sachlichen Anlaß hat, in die bisherige Organisation intensiv eingreift und so dringlich ist, daß das Ende der Amtsperiode nicht ohne Gefährdung des sachlichen Reformanliegens abgewartet werden kann. Bei unterschiedlich langen Amtsperioden verschiedener Organwalter ist für diese Erwägung die entfernteste Amtsperiode maßgeblich. Dagegen können geringfügige Veränderungen der Organisationsstruktur, wenn sie mit einer vorzeitigen Beendigung von Amtsperioden einhergehen, ein Indiz für eine verkappte Personalentscheidung sein.
b) Gemessen hieran bieten die angegriffenen Normen für ein rechtsmißbräuchliches Verhalten des Gesetzgebers, das die Rundfunkfreiheit verletzte, keinen hinreichenden Anhalt.
Den in Art. 1 ÄndG geregelten Änderungen der Organisationsstruktur lag ein gewichtiger sachlicher Anlaß zugrunde. Mit der Gesetzgebungsinitiative reagierte die Bürgerschaft auf die sich abzeichnende Existenzbedrohung der Beschwerdeführerin, die von dem medienpolitischen Widerstand gegen den Bestand von Radio Bremen im Rahmen der geplanten ARD-Strukturreform sowie von den Bestrebungen zur Abschaffung oder Veränderung des ARD-Finanzausgleichs ausgeht. So bezweckte bereits der dem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und CDU vorausgegangene Antrag die Überprüfung der Notwendigkeit gesetzlicher Änderungen zur Zukunftssicherung der Beschwerdeführerin (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucksache 14/940 vom 29. Januar 1998). Auch der schon Ende 1997 eingebrachte Gesetzentwurf der Fraktion der AFB verwies zur Begründung darauf, daß es für die Zukunft des Senders in schwieriger Zeit notwendig sei, klare Verantwortungen zu schaffen und die Position des Intendanten zu stärken (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucksache 14/907 vom 15. Dezember 1997). Schließlich wird auch in der Begründung zum später verabschiedeten Gesetzentwurf die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Änderung der Organverfassung hervorgehoben, damit durch Straffung und Effektivierung der Leitungsstruktur die offenkundige, primär von außen ausgelöste Existenzkrise Radio Bremens besser bewältigt werden könne (vgl. Bericht des Ausschusses „Medienpolitik”, Bremische Bürgerschaft, Drucksache 14/1145 vom 15. Oktober 1998, S. 2 f.).
Die aus Anlaß der Existenzbedrohung der Beschwerdeführerin vorgenommene Gesetzesänderung führt auch zu einer derart tiefgreifenden Veränderung der Organstruktur, daß insgesamt nicht mehr von einer Organkontinuität ausgegangen werden kann. Zwar hat der Bremische Gesetzgeber mit der Novellierung des RBG weder das Amt des Intendanten noch das Direktorium als Anstaltsorgan abgeschafft. Nach § 7 Nr. 4 RBG n.F. behält das Direktorium weiterhin eine Organstellung. Jedoch ist der Intendant nach dem Vorbild der übrigen Rundfunkanstalten vom bloßen Vorsitzenden des Direktoriums in ein eigenständiges Organ der Anstalt umgewandelt. Damit korrespondierend hat sich auch die Funktion des Direktoriums grundlegend geändert. Seine Leitungsfunktion ist auf das neu geschaffene Organ Intendant übertragen worden. Damit geht nicht nur eine Beschneidung des Aufgabenbereichs des bisherigen Organs Direktorium einher. Vielmehr ändert sich damit auch seine Stellung im Organisationsgefüge tiefgreifend. Zwar ist das Direktorium weiterhin gemäß § 16 Abs. 2 RBG n.F. für Angelegenheiten zuständig, die für die Anstalt von Bedeutung sind. Jedoch ist es nunmehr dem Organ Intendant nachgeordnet und steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm. Dies kommt zum einen darin zum Ausdruck, daß das Direktorium gemäß § 16 Abs. 2 RBG n.F. im Rahmen seiner Befugnisse zur Beachtung der Gesamtverantwortung des neuen Organs Intendant verpflichtet ist. Zum anderen zeigt sich die hierarchische Struktur in den Regelungen über die Wahl und Abwahl der Mitglieder des Direktoriums. Der Rundfunkrat ist künftig gemäß § 15 Abs. 3 RBG n.F. bei der Wahl an die Vorschläge des Intendanten gebunden. Desgleichen wird die Abwahl erleichtert, wenn sie auf seinen Vorschlag zurückgeht. In diesem Fall genügt die einfache Mehrheit, während das Gesetz die Abwahl im übrigen – wie bislang durchgängig – an eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Rundfunkrates knüpft.
Angesichts der sachlich veranlaßten, tiefgreifenden Änderung der Organisation der Beschwerdeführerin sind die angegriffenen Normen des Art. 2 Abs. 2 und 3 ÄndG, die das Amtszeitende des bisherigen Direktoriums festlegen und die Besetzung des neu geschaffenen Organs Intendant und des veränderten Organs Direktorium regeln, nicht zu beanstanden. Vielmehr führt bereits die Intensität der Strukturveränderung zur Notwendigkeit der Organneubesetzung. Mangels Organkontinuität erscheint es ausgeschlossen, daß die für das frühere Direktorium gewählten Organwalter nunmehr zu Organwaltern des neu geschaffenen Organs Intendant bzw. des grundlegend veränderten Organs Direktorium werden. Den bisherigen Organwaltern fehlt eine Wahl, die sie für die Organwalterschaft in den neuen Organen legitimiert. Eine Regelung dergestalt, daß der bislang unter der Bezeichnung Intendant gewählte Vorsitzende des Direktoriums in die Stellung des neuen Leitungsorgans Intendant und die bisherigen Direktoren in das grundlegend veränderte Organ Direktorium überwechseln, enthält das ÄndG nicht. Sie hätte im übrigen zu einer Ausschaltung des für die Besetzung der Organe zuständigen Wahlgremiums geführt und wäre deswegen ihrerseits verfassungsrechtlich bedenklich gewesen. Das von der Beschwerdeführerin angeführte Gespräch zwischen dem bisherigen Intendanten und dem Bürgermeister Dr. Scherf sowie die verschiedenen Äußerungen der an der Reform beteiligten Politiker geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlaß.
Schließlich ergibt sich auch aus der Festlegung des konkreten Zeitpunktes des Inkrafttretens der Novellierung des RBG kein greifbarer Anhaltspunkt für eine insoweit mißbräuchliche Ausübung der gesetzgeberischen Gestaltungsmacht. Der Gesetzgeber wäre an einer zeitnahen Umsetzung seiner tiefgreifenden Organisationsveränderung gehindert, wenn er den Ablauf der Amtszeit sämtlicher bisheriger Direktoriumsmitglieder abwarten müßte. Der sachliche Anlaß der Strukturveränderung rechtfertigt eine zügige Umsetzung. Die Existenzbedrohung der Beschwerdeführerin ist gegenwärtig. Der Gesetzgeber durfte daher davon ausgehen, daß eine bis ins Jahr 2002 aufgeschobene Reform die mit ihr beabsichtigte Wirkung nicht mehr erzielen würde.
3. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Grimm, Hömig
Fundstellen
Haufe-Index 543455 |
EuGRZ 1999, 161 |
NVwZ-RR 1999, 376 |
AfP 1999, 61 |
ZUM 1999, 327 |
MMR 1999, 277 |
NordÖR 1999, 98 |