Beteiligte
der G… mbH, vertreten durch die Geschäftsführer |
Rechtsanwälte Bernd Michael Rosenberger und Partner |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Mitbestimmung des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz bei der Festlegung des Arbeitszeitbeginns von Mitarbeitern eines Presseunternehmens.
I.
1. Die Beschwerdeführerin gibt die Tageszeitung „Berliner Kurier” heraus, die an sieben Tagen in der Woche erscheint. Sie beschäftigt etwa 150 Arbeitnehmer. Nachdem die Beschwerdeführerin sich für die Einführung eines Nachthandels entschlossen hatte und deshalb die bisher auf 23.00 Uhr festgelegte Sollandruckzeit für einen Teil der Auflage auf 21.00 Uhr vorverlegt worden war, ordnete sie ohne Beteiligung des Betriebsrats die Vorverlegung des Arbeitszeitbeginns der Spätdienste um 1,5 Stunden an. Betroffen waren hiervon Produktionsassistentinnen, Botinnen, eine Korrektorin und eine Sekretärin. Der normale Spätdienst wurde hierbei auf die Zeit von 13.30 Uhr bis 22.00 Uhr (zuvor: 15.00 Uhr bis 23.30 Uhr) festgesetzt, der Spätdienst auf die Zeit von 15.30 Uhr bis 24.00 Uhr (zuvor: 17.00 Uhr bis 1.30 Uhr). Hierdurch reduzierten sich die von den Arbeitnehmern zu erzielenden Nachtzuschläge.
Daraufhin beantragte der Betriebsrat der Beschwerdeführerin beim Arbeitsgericht die Feststellung, daß die Anordnung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Vorverlegung des Arbeitszeitbeginns der Spätdienste rechtswidrig ist. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Beschwerdeführerin habe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hinsichtlich des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit nicht beachtet. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG stehe dem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen. Durch diese Vorschrift werde das Mitbestimmungsrecht nur dann ausgeschlossen, wenn es sich um eine tendenzbezogene Maßnahme handele und die geistig-ideelle Zielsetzung des Unternehmens und deren Verwirklichung durch die Beteiligung des Betriebsrats ernstlich beeinträchtigt werden könne. Dies gelte auch für den Bereich der Presseunternehmen. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats müßten nur insoweit zurücktreten, wie durch ihre Ausübung die Freiheit des Verlegers zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigt und damit das Grundrecht auf Pressefreiheit verletzt werden könne. Da es bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten zunächst um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebs gehe, komme eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts nur in Ausnahmefällen in Betracht (Bezugnahme auf BAGE 69, 187).
Zwar müsse es dem Verleger bei der Arbeitszeitgestaltung von Tendenzträgern, insbesondere von Redakteuren, vorbehalten bleiben, die Entscheidungen, durch die die Aktualität der Berichterstattung berührt werde, unbeeinflußt vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu treffen, jedoch verbleibe ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, soweit – wie hier – im Rahmen der tendenzbezogenen Zeitvorgaben die Arbeitszeiten technisch-organisatorisch umgesetzt würden.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin berufe sich zu Unrecht auf § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Danach fänden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes auf die dort genannten Unternehmen und Betriebe keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegenstehe. Die Formulierung „soweit” belege, daß der Tendenzschutz inhaltlich ausgelotet und abgegrenzt werden müsse.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließe, stehe die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem Beteiligungsrecht des Betriebsrats überhaupt nur dann entgegen, wenn die Maßnahme Arbeitnehmer betreffe, für deren Tätigkeit die Bestimmungen und Zwecke der in § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG genannten Unternehmen und Betriebe prägend seien, die sogenannten Tendenzträger. Auch für diese würden die Mitbestimmungsrechte aber nur insoweit ausgeschlossen, wie ihnen die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs entgegenstehe, was nicht bei allen Maßnahmen der Fall sei, von denen Tendenzträger betroffen seien. Vielmehr müsse es sich jeweils um eine tendenzbezogene Maßnahme handeln.
Bezogen auf den vorliegenden Fall sei zunächst festzustellen, daß keiner der von der streitbefangenen Arbeitszeitfestlegung in den Spätschichten betroffenen Mitarbeiter zu den Tendenzträgern gehöre. Zweck der Berichterstattung oder Meinungsäußerung seien hiernach ersichtlich nicht prägend für die Tätigkeit dieser Mitarbeiter, was unter den Beteiligten nicht im Streit sei. Dann könne aber an diesem Punkt bereits festgestellt werden, daß mangels betroffener Tendenzträger das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festsetzung der Arbeitszeiten für die beiden Spätschichten weder zurückgedrängt werde noch gar entfalle.
Zwar treffe es zu, daß der gesamte technisch-organisatorische Ablauf einer Zeitungsproduktion der erstrebten Aktualität der Berichterstattung diene. Dies reiche allerdings nicht aus, um die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in diesem technisch-organisatorischen Bereich bereits entfallen zu lassen. Vorliegend könne die Frage unentschieden bleiben, ob im Fall einer zwingenden Arbeitszeitgestaltung aus Gründen der Aktualität der Berichterstattung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch für Nichttendenzträger zurückgedrängt werden oder entfallen könne. Denn die Beschwerdeführerin habe dies für die von ihr einseitig festgesetzten Arbeitszeiten der beiden Spätschichten schon in tatsächlicher Hinsicht nicht schlüssig dargelegt. Gerade weil der Festsetzung dieser Zeiten ein kalkulatorisches Element innewohne, sei die Mitbeurteilung des Betriebsrats aus seiner Kenntnis der Produktionsabläufe und schließlich seine Mitbestimmung gefragt. Dabei habe er die tendenzbezogenen Vorgaben der Beschwerdeführerin wie den Redaktionsschluß, den frühen Andrucktermin und den Fortdrucktermin selbstverständlich zu beachten.
Schließlich könne die Beschwerdeführerin auch nicht wegen des zeitlichen Aufwands, der für dieses Mitbestimmungsverfahren, gegebenenfalls unter Einschaltung einer Einigungsstelle, benötigt werde, den Tendenzschutz für die Aktualität der Berichterstattung reklamieren. Es sei Sache der Unternehmensleitung, den Betriebsrat über geplante Veränderungen rechtzeitig zu unterrichten und ihm Gelegenheit zur Mitbestimmung zu geben. Auch für künftige Änderungen von tendenzbedingten Zeitvorgaben könne unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats Vorsorge getroffen werden. Es gebe durchaus Möglichkeiten, im Rahmen einer Betriebsvereinbarung hierfür vorab generelle Regeln aufzustellen, wie hinsichtlich des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats verfahren werden solle, sei es, daß für eine bestimmte Anzahl von kurzfristigen Veränderungen pro Monat oder während eines anderen Zeitraums der Unternehmer freie Hand bekomme, diese anzuordnen und den Betriebsrat im nachhinein zu unterrichten, oder sei es, daß eine andere Form der Flexibilität bereits für bestimmte Fälle vereinbart werde. Gerade weil mit einer derartigen in Ruhe und unabhängig von aktuellen Veränderungen ausgehandelten Betriebsvereinbarung für den konkreten Eilfall selbst Zeit gespart werde, stelle der Hinweis auf die Dauer eines Einigungsstellenverfahrens kein Argument für den Wegfall des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats aus Gründen des Tendenzschutzes dar.
Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen der allein auf Divergenz gestützten Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorlägen.
2. Mit ihrer fristgerecht zunächst gegen die Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts eingelegten und später auf den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts erweiterten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und macht im wesentlichen geltend:
Soweit die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts im Sinn von § 87 Abs. 1 BetrVG Tendenzbezug habe, sei regelmäßig auch eine „erhebliche” Beeinträchtigung der Tendenzverwirklichung und damit ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben. Wenn die Umsetzung einer tendenzbedingten Unternehmerentscheidung erst nach Ermöglichung der Mitbestimmung des Betriebsrats rechtswirksam wäre, liege allein in der Eröffnung des Mitbestimmungsrechts für den Betriebsrat eine Beeinträchtigung der Tendenzautonomie, die als solche stets erheblich sei. Die Tendenzbeeinträchtigung werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß entsprechend der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Januar 1990 (= BAGE 64, 103) der Tendenzschutz in dem Verfahren vor der Einigungsstelle hinreichende Berücksichtigung finden solle. Bei der Verlagerung der Entscheidung auf die Einigungsstelle werde die Tendenzautonomie des Verlegers ebenso fremden Einflüssen ausgesetzt wie bei der Mitbestimmung des Betriebsrats. Im übrigen könne die Einigungsstelle einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schon deshalb nicht mehr verhindern, weil das Einigungsstellenverfahren erst beginne, nachdem die Pressefreiheit des tendenzgeschützten Arbeitgebers, nämlich die unmittelbare Umsetzung der tendenzbedingten Unternehmerentscheidung, bereits beeinträchtigt sei.
Die Möglichkeit der Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Tendenzautonomie werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß nach dem Leitbild des Gesetzgebers bei der Mitbestimmung des Betriebsrats die Betriebsparteien vertrauensvoll zusammenarbeiten sollten. Der diesem Leitbild zugrunde liegende Idealfall könne nicht generalisierend für jeden Fall der Umsetzung einer Tendenzentscheidung im Pressebetrieb zugrunde gelegt werden. Insoweit berücksichtige das Landesarbeitsgericht nicht die grundsätzlich stets bestehende Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Aktualität der Berichterstattung einer Zeitung bei Anerkennung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats trotz der Notwendigkeit unmittelbarer und kurzfristiger Umsetzung von Tendenzentscheidungen. Gerade weil hier eine Beeinträchtigung der Tendenzautonomie durch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden könne, bleibe nur ein abstrakt-genereller Ausschluß der Mitbestimmung bei der hier fraglichen Maßnahme im Arbeitszeitbereich, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.
Die Gerichte hätten zudem verkannt, daß bei Umsetzung von Tendenzentscheidungen durch Arbeitszeitmaßnahmen im Presseunternehmen nicht zwischen rein organisatorischen und tendenzbezogenen Maßnahmen unterschieden werden könne. Der Verleger und die redaktionellen Mitarbeiter des Verlags seien bei der Veröffentlichung der redaktionellen Beiträge auf die Mitarbeiter im technisch-organisatorischen Produktionsablauf und auf die Einhaltung von Zeitvorgaben auch durch die dort tätigen Mitarbeiter notwendig angewiesen. Insoweit seien der Mitbestimmung des Betriebsrats im sozialen Bereich verfassungsrechtliche Grenzen bei Arbeitszeitregelungen sowohl für Tendenzträger als auch für Mitarbeiter bei der Produktion der Zeitung in gleicher Weise gesetzt.
Zu Unrecht habe das Landesarbeitsgericht auf das kalkulatorische Element von Arbeitszeitvorgaben abgehoben. Da sämtliche Arbeitszeitvorgaben ein solches Element aufwiesen, werde die Mitbestimmungsfreiheit von Arbeitszeitvorgaben im Tendenzbereich auf praktisch ausgeschlossene Fallgestaltungen beschränkt. Das verletze das Grundrecht der Pressefreiheit ebenso wie die generelle Anerkennung von Mitbestimmungsrechten im Tendenzbetrieb.
Das Bundesarbeitsgericht habe mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde aus formalen Gründen die Verletzung verfassungsmäßiger Rechte der Beschwerdeführerin durch die vorangegangenen instanzgerichtlichen Entscheidungen perpetuiert und damit ebenfalls das Grundrecht auf Pressefreiheit verletzt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. insbesondere BVerfGE 52, 283).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin auf Pressefreiheit angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
a) Soweit die Beschwerdeführerin die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts angreift, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil bereits die Möglichkeit der Verletzung des Grundrechts auf Pressefreiheit nicht in Betracht kommt. Das Bundesarbeitsgericht hat lediglich über die Frage der Zulassung der Revision entschieden und diese mangels Vorliegens des allein geltend gemachten und im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a Abs. 1 ArbGG ausschließlich möglichen Revisionszulassungsgrundes der Divergenz verneint. Es ist nicht ersichtlich und von der Beschwerdeführerin auch nicht geltend gemacht, daß die Rechtsanwendung des Bundesarbeitsgerichts einfachrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.
b) Die hinsichtlich der Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Sie verstoßen nicht gegen das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
aa) Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit, die sich nach Vorschriften des Arbeitsrechts, namentlich § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, beurteilt, deren Auslegung und Anwendung Sache der dafür zuständigen Arbeitsgerichte ist. Das Bundesverfassungsgericht prüft lediglich nach, ob dabei die grundrechtlichen Normen und Maßstäbe beachtet worden sind (vgl. BVerfGE 42, 143 ≪148≫). Der verfassungsrechtlichen Überprüfung unterliegt daher nur die Frage, ob die vom Bundesarbeitsgericht gefundene Auslegung mit den verfassungsrechtlichen Geboten der insoweit als Prüfungsmaßstab allein in Betracht kommenden Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) im Einklang steht, auf die die Beschwerdeführerin sich als Verlegerin berufen kann (vgl. BVerfGE 52, 283 ≪295≫).
bb) Das Grundrecht der Pressefreiheit umfaßt die Freiheit, die Tendenz einer Zeitung festzulegen, beizubehalten, zu ändern und diese Tendenz zu verwirklichen; dies ist eine Grundbedingung freier Presse, wie sie durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet wird. Aufgabe der Presse ist es, umfassende Information zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten. Das setzt die Existenz einer relativ großen Zahl selbständiger, vom Staat unabhängiger und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierender Presseerzeugnisse voraus, die ihrerseits davon abhängt, daß die Grundrichtung einer Zeitung unbeeinflußt bestimmt und verwirklicht werden kann. Dem Staat sind insoweit nicht nur unmittelbare Eingriffe, vor allem in Gestalt eigener Einflußnahme auf die Tendenz von Zeitungen, verwehrt; er darf auch nicht durch rechtliche Regelungen die Presse fremden – nicht-staatlichen – Einflüssen unterwerfen oder öffnen, die mit dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründeten Postulat unvereinbar wären, der Freiheit der Presse Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 52, 283 ≪296≫).
Demgemäß steht auch dem Betriebsrat unter verfassungsrechtlichen Aspekten ein Einfluß auf die Tendenz der Zeitung nicht zu. Ein solcher Einfluß wäre ein „fremder”; seine Begründung würde zu einer Einschränkung der Pressefreiheit des Verlegers führen (vgl. BVerfGE 52, 283 ≪296 ff.≫). Eine solche Einschränkung erlaubt § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aber nicht. Denn diese Vorschrift beschränkt die Pressefreiheit nicht, vielmehr schirmt sie sie gerade – im Rahmen der Reichweite der Norm – vor einer Beeinträchtigung durch betriebliche Mitbestimmungsrechte ab (vgl. BVerfGE 46, 73 ≪95≫). Die Anwendung von Mitbestimmungsrechten ist, soweit durch sie die Pressefreiheit eingeschränkt würde, durch § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 52, 283 ≪299≫).
§ 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist mithin keine grundrechtsbegrenzende, sondern eine grundrechtsausgestaltende Regelung, bei deren Auslegung und Anwendung es nicht auf das Gewicht der durch die in Frage stehenden Mitbestimmungsrechte geschützten Belange der Arbeitnehmer ankommt. Soweit für die Auslegung grundrechtsgestaltender Regelungen auch das Sozialstaatsprinzip heranzuziehen ist, darf dies nicht in eine Beschränkung des Grundrechts auf Pressefreiheit umschlagen (vgl. BVerfGE 52, 283 ≪299≫).
cc) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts. Die ihnen zugrunde liegende Auslegung des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eröffnet dem Betriebsrat nicht einen mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbaren Einfluß auf die Tendenz der Zeitung.
Die Gerichte sind im Ansatz davon ausgegangen, daß Beteiligungsrechte des Betriebsrats nur insoweit zurücktreten müßten, wie durch ihre Ausübung die Freiheit des Verlegers zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigt und damit das Grundrecht der Pressefreiheit verletzt werden könne. Hiergegen bestehen verfassungsrechtliche Bedenken nicht. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt, daß der Verleger seine Tendenzentscheidungen unbeeinflußt fassen und verwirklichen kann. Nur soweit eine Einschränkung dieser Freiheit zu besorgen ist, müssen Beteiligungsrechte von Verfassungs wegen ausgeschlossen bleiben. Eine solche Gefahr ist nicht schon generell bei jeder Beteiligung an der Umsetzung einer tendenzbedingten Unternehmerentscheidung gegeben. Allein der Umstand, daß eine Maßnahme der Umsetzung einer Tendenzentscheidung dient, besagt noch nichts darüber, ob mit einer Einflußnahme auf die Ausgestaltung der Maßnahme eine Einschränkung der Verwirklichung der Tendenzentscheidung einhergeht. Vielmehr hängt dies im Einzelfall von der jeweiligen Maßnahme und deren konkreten Auswirkungen für die Tendenzverwirklichung ab.
Vorliegend haben die Gerichte eine Einschränkung der Tendenzverwirklichung verneint, weil sich das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht lediglich auf die technisch-organisatorische Umsetzung der mitbestimmungsfreien tendenzbezogenen Zeitvorgaben hinsichtlich der (veränderten) Sollandruckzeiten beschränkt. Auch hiergegen bestehen verfassungsrechtliche Bedenken nicht.
Eine unmittelbare Einflußnahme auf die dem Tendenzschutz unterliegende Entscheidung zur Einführung eines Nachthandels und die demgemäß erfolgte Festlegung geänderter Sollandruckzeiten ist damit ausgeschlossen. Auch eine Beeinträchtigung der Verwirklichung dieser Tendenzentscheidung ist mit der Anerkennung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats hinsichtlich der hier in Rede stehenden betriebsorganisatorischen Umsetzung dieser Zeitvorgaben nicht verbunden.
Eine solche Beeinträchtigung ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht daraus, daß die Kalkulation von Arbeitszeitvorgaben infolge einer Vorverlegung des Erscheinungstermins der Zeitung stets eine unmittelbare Folge der Tendenzentscheidung ist. Denn nicht die Kalkulation, sondern nur das Ziel der ungehinderten Verwirklichung der Tendenzentscheidung muß mitbestimmungsfrei bleiben.
Es kommt auch nicht darauf an, ob im Falle der Notwendigkeit einer unmittelbaren und kurzfristigen Umsetzung einer Tendenzentscheidung das Mitbestimmungsrecht zurückzutreten hat, weil eine Beteiligung des Betriebsrats eine die Tendenzverwirklichung beeinträchtigende Zeitverzögerung mit sich brächte. Denn hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Es ist weder dargelegt noch ergibt sich dies aus den angegriffenen Entscheidungen, daß die Beschwerdeführerin sich kurzfristig für die Einführung eines Nachthandels entschieden hätte und die Beteiligung des Betriebsrats deshalb einer fristgerechten Umsetzung entgegengestanden haben könnte.
Soweit zukünftig kurzfristige Änderungen des Arbeitszeitbeginns zum Zweck der betriebsorganisatorischen Umsetzung von Tendenzentscheidungen notwendig werden könnten, kann hierfür nach den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts Vorsorge etwa im Rahmen einer Betriebsvereinbarung getroffen werden. Damit kann hinreichend sichergestellt werden, daß die Verwirklichung von Tendenzentscheidungen auch in Eilfällen ohne Verzögerung erfolgen kann.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Grimm, Hömig
Fundstellen
Haufe-Index 543488 |
ARST 2000, 91 |
NZA 2000, 264 |
AP, 0 |
AfP 2000, 86 |
AuA 2000, 548 |
AUR 2000, 143 |