Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 27.07.2009; Aktenzeichen 5 LA 165/08) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Ersetzung der freien Heilfürsorge durch ein Wahlrecht zwischen Beihilfegewährung und Heilfürsorge gegen Kostenbeteiligung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
Der Beschwerdeführer steht als Feuerwehrbeamter im Dienst einer niedersächsischen Stadt, die ihm seit 1988 freie Heilfürsorge gewährte. In der Folgezeit änderten sich die einschlägigen landesrechtlichen Rechtsgrundlagen. Nach § 230 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes in der Fassung vom 19. Februar 2001, die bis zum 31. März 2009 gültig war (NBG a.F.), wurde Beamten des Feuerwehrdienstes, die im Einsatzdienst stehen, freie Heilfürsorge gewährt. Allerdings konnte die oberste Dienstbehörde aufgrund der Öffnungsklausel des § 230 Abs. 2 Satz 1 NBG a.F. für kommunale Feuerwehrbeamte die Anwendung des – für Polizeivollzugsbeamten geltenden – § 224 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und Abs. 4 NBG a.F. beschließen. Danach hatten heilfürsorgeberechtigte Beamte die Wahl zwischen der Gewährung von Heilfürsorge unter Anrechnung eines monatlichen Betrages in Höhe von 1,6 % des jeweiligen Grundgehalts auf ihre Besoldung und der Gewährung von Beihilfe im Falle der Ablehnung der Heilfürsorge. Entsprechend dieser Ermächtigung entschied die Stadt, dass auf Feuerwehrbeamte bis zum Einstellungsdatum 1. Oktober 2005 – und damit auf den Beschwerdeführer – die Regelung des § 224 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und Abs. 4 NBG a.F. Anwendung finden solle. Widerspruch, Klage und Antrag auf Zulassung der Berufung des – für das Heilfürsorgemodell optierenden – Beschwerdeführers blieben erfolglos.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer unmittelbar gegen den Nichtzulassungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts sowie mittelbar gegen § 230 Abs. 2 Satz 1 NBG a.F. in Verbindung mit § 224 Abs. 2 Satz 2 NBG a.F. Er rügt insbesondere eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG. Die „entschädigungslose Gehaltskürzung” verstoße gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in Gestalt der Fürsorgepflicht und des Alimentationsprinzips. Gegen Art. 3 Abs. 1 GG werde zum einen durch die Ungleichbehandlung zwischen den niedersächsischen Landesbeamten und den niedersächsischen Kommunalbeamten im Feuerwehreinsatzdienst sowie zum anderen durch die Gleichbehandlung mit den Polizeivollzugsbeamten verstoßen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
I.
Die Ersetzung der freien Heilfürsorge durch ein Wahlrecht zwischen Beihilfegewährung und Heilfürsorge gegen Kostenbeteiligung verstößt nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG ist der Kernbestand von Strukturprinzipien gemeint, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (vgl. BVerfGE 8, 323 ≪343≫; 117, 330 ≪344 f.≫; 121, 205 ≪219≫). Hierzu gehören die Fürsorgepflicht (vgl. BVerfGE 43, 154 ≪165 f.≫; 46, 97 ≪117≫; 83, 89 ≪100≫) und das Alimentationsprinzip (vgl. BVerfGE 8, 1 ≪14 ff.≫; 117, 330 ≪349≫).
1. Die als Sachleistungsanspruch ausgestaltete freie Heilfürsorge gehört ebenso wie die in der Zweckrichtung verwandte Beihilfe nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (vgl. zur Beihilfe BVerfGE 83, 89 ≪98≫; 106, 225 ≪232≫). Zwar wurde den Polizeivollzugsbeamten seit der Weimarer Republik freie Heilfürsorge gewährt, doch bestand bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reichs kein Rechtsanspruch darauf (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. November 2003 – 2 C 37/02 –, NVwZ-RR 2004, S. 508 ≪508≫). Der Grundsatz, dass das System der Beihilfe jederzeit ohne Berührung von Art. 33 Abs. 5 GG geändert werden kann (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪98≫; 106, 225 ≪232≫), gilt daher für die freie Heilfürsorge entsprechend (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. November 2003 – 2 C 37/02 –, NVwZ-RR 2004, S. 508 ≪508≫).
2. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, welche die Grundlage für die Gewährung der freien Heilfürsorge ebenso wie für die Beihilfegewährung (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪99≫, 106, 225 ≪232≫) bildet, ist nicht verletzt. Aufgrund seiner Fürsorgepflicht muss der Dienstherr Vorkehrungen treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Pflege-, Geburts- oder Todesfälle nicht gefährdet wird. Ob er diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen. Daher kann in Konkretisierung der Fürsorgepflicht und innerhalb der Grenzen des Vertrauensschutzes die bisher gewährte freie Heilfürsorge durch ein Wahlrecht zwischen Beihilfe und Heilfürsorge mit Kostenbeteiligung ersetzt werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine zumutbare Eigenvorsorge durch Abschluss einer angemessenen Krankenversicherung nicht decken kann (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪101 f.≫; 106, 225 ≪232 f.≫). Dies ist vorliegend durch die Eröffnung eines Optionsrechts für die Gewährung von Heilfürsorge mit einer der Höhe nach moderaten Kostenbeteiligung erfolgt. Dem erhöhten Dienstunfallrisiko der Vollzugspolizei- und Feuerwehrbeamten tragen die Vorschriften über die Unfallfürsorge, insbesondere über das unentgeltliche Heilverfahren (vgl. §§ 30 ff. BeamtVG), Rechnung. Eine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen verlangt die Fürsorgepflicht nicht (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪100 f.≫; 106, 225 ≪233≫).
3. Die Neuregelung verstößt auch nicht gegen das Alimentationsprinzip, das den Dienstherrn verpflichtet, für den amtsangemessenen Unterhalt der Beamten und ihrer Familie zu sorgen (vgl. BVerfGE 8, 1 ≪14≫; 117, 330 ≪351≫; 119, 247 ≪269≫). Die Heilfürsorge ist ebenso wie das gegenwärtige Beihilfesystem (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪98≫; 106, 225 ≪233≫) nicht Bestandteil der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation des Beamten. Bei Wahl der Heilfürsorge mit Eigenanteil tritt die Kostenbeteiligung wirtschaftlich gesehen an die Stelle des vom beihilfeberechtigten Beamten aus seiner Besoldung aufzubringenden Beitrages zu einer privaten Krankenversicherung, die dieser zur Absicherung desjenigen Vorsorgerisikos abschließt, das nicht aufgrund der Fürsorgepflicht durch Leistung des Dienstherrn ausgeglichen wird (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪98≫; 106, 225 ≪233≫; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. November 2003 – 2 C 37/02 –, NVwZ-RR 2004, S. 508 ≪508 f.≫). Die daraus erwachsende Belastung kann der Beamte nicht seinem Dienstherrn unter Berufung auf das Alimentationsprinzip „in Rechnung stellen” (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪99≫; 106, 225 ≪238≫). Die Heilfürsorge gegen Kostenbeteiligung stellt somit keine „entschädigungslose Gehaltskürzung” dar; vielmehr ist die Auszahlung eines geringeren Grundgehalts das rechnerische Ergebnis einer bloßen Einbehaltung des Betrages, den der Beamte im Rahmen des von ihm gewählten Heilfürsorgemodells entrichtet.
4. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes, der im Beamtenrecht seine eigene Ausprägung erfahren hat (vgl. BVerfGE 106, 225 ≪241 f.≫; stRspr), ist ebenfalls nicht verletzt. Der Beamte darf nicht ohne Weiteres auf den unveränderten Fortbestand einer ihm günstigen Regelung vertrauen. Dies gilt nicht nur für die Beihilfe (vgl. BVerfGE 106, 225 ≪242≫), sondern auch für die ihr zweckverwandte freie Heilfürsorge (so auch BVerwG, Urteil vom 27. November 2003 – 2 C 37/02 –, NVwZ-RR 2004, S. 508 ≪509≫). Der verhältnismäßig geringfügige Eingriff in das Vertrauensinteresse des Beschwerdeführers am Fortbestand der bisherigen Regelung der freien Heilfürsorge ist vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
II.
Die Einführung eines Wahlrechts zwischen Heilfürsorge mit Selbstbeteiligung und Beihilfegewährung ist ferner mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
1. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 116, 164 ≪180≫; stRspr). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfGE 110, 412 ≪431≫; 116, 164 ≪180≫). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 112, 164 ≪174≫; 116, 164 ≪180≫; stRspr). Bei den Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (vgl. BVerfGE 105, 73 ≪111≫; 107, 27 ≪45 f.≫; 112, 268 ≪279≫). Ein weiter Spielraum politischen Ermessens kommt dem Gesetzgeber insbesondere im Bereich des Besoldungsrechts zu (vgl. BVerfGE 56, 146 ≪161 f.≫; 103, 310 ≪318 ff.≫), das auch die Beihilfe und die freie Heilfürsorge umfasst (vgl. BVerfGE 62, 354 ≪368≫; 106, 225 ≪243≫).
2. Hieran gemessen ist eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere hinsichtlich der beiden vom Beschwerdeführer benannten Vergleichsgruppen – den niedersächsischen Landesbeamten im Feuerwehreinsatzdienst einerseits und den Polizeivollzugsbeamten andererseits – zu verneinen.
a) Der Beschwerdeführer rügt zunächst die Ungleichbehandlung zwischen den Landesbeamten im Feuerwehreinsatzdienst, denen nach wie vor freie Heilfürsorge gewährt wird, und den – der Neuregelung unterfallenden – Kommunalbeamten im Feuerwehreinsatzdienst. Art. 3 Abs. 1 GG wird hierdurch jedoch nicht verletzt. Anhaltspunkte für die Verfassungswidrigkeit der Öffnungsklausel, die den Kommunen als Dienstherren eine eigenständige Regelung ermöglicht, sind nicht ersichtlich. Der Anspruch aus der Fürsorgepflicht richtet sich gegen den jeweiligen Dienstherrn, dem die Konkretisierung seiner Fürsorgepflicht obliegt. Die Gemeinde ist als Dienstherr und Normgeber nur verpflichtet, in ihrem Regelungsbereich den Gleichheitssatz zu wahren (vgl. BVerfGE 21, 54 ≪68≫). Eine Gleichbehandlung durch voneinander unabhängige juristische Personen verlangt Art. 3 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfGE 79, 127 ≪158≫).
b) Der Beschwerdeführer rügt des Weiteren eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung zwischen den Kommunalbeamten im Feuerwehreinsatzdienst und den Polizeivollzugsbeamten. Allein der Umstand, dass diese nach dem Vortrag des Beschwerdeführers im gehobenen Dienst, jene hingegen im mittleren Dienst tätig sind, schließt es jedoch nicht aus, hinsichtlich der Heilfürsorge eine parallele Regelung zu treffen, zumal die prozentuale Anknüpfung der Eigenbeteiligung an das Grundgehalt zu einer zwar nicht relativ, wohl aber absolut unterschiedlichen Belastung der Besoldungsgruppen führt. Angesichts des durchaus ähnlichen Maßes an körperlichem Einsatz und gesundheitlichen Gefahren im Polizeivollzugs- und Feuerwehreinsatzdienst lässt die parallele Ausgestaltung der Heilfürsorge keine sachwidrigen Erwägungen erkennen.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Voßkuhle, Mellinghoff, Lübbe-Wolff
Fundstellen