Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung und Vollzug der Auslieferungshaft
Beteiligte
Rechtsanwälte Prof. Dr. Klaus Hümmerich und Koll. |
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Zwischenurteil vom 23.01.2001; Aktenzeichen 2 Ausl. I 58/00) |
OLG Frankfurt am Main (Zwischenurteil vom 17.01.2001; Aktenzeichen 2 Ausl. I 58/00) |
OLG Frankfurt am Main (Zwischenurteil vom 02.01.2001; Aktenzeichen 2 Ausl. I 58/00) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigen sich die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung und den Vollzug der Auslieferungshaft gem. § 15 IRG i.V.m. Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 20. Juni 1978 – AuslV – (BGBl 1980 II S. 646, 1300) i.d.F. des Zusatzvertrags vom 21. Oktober 1986 (BGBl 1988 II S. 1087).
I.
Die Verfassungsbeschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Die mit der Verfassungsbeschwerde angesprochenen verfassungsrechtlichen Fragen betreffen die Anforderungen an die Rechtsordnung des ersuchenden Staates im Rahmen des Auslieferungsrechts, die Nachprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen über Völkervertragsrecht durch das Bundesverfassungsgericht und die Verhältnismäßigkeit der Auslieferungshaft. Diese Fragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt oder lassen sich ohne weiteres anhand der bisherigen Rechtsprechung lösen (vgl. BVerfGE 75, 1 ≪17 ff.≫; Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2000 – 2 BvR 1290/99 –, JURIS; BVerfGE 61, 28 ≪32≫).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat, auch soweit sie zulässig ist, keine Aussicht auf Erfolg.
3. Die Rüge der Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht zulässig. Die Rüge, das Oberlandesgericht hätte nach Erhalt des förmlichen Ersuchens prüfen müssen, ob ein hinreichender Tatverdacht bestehe, der U.S.-Staatsanwalt befangen gewesen sei oder eine unverhältnismäßige Strafe drohe, hat der Beschwerdeführer noch nicht vor dem Oberlandesgericht geltend gemacht, obwohl dies nach §§ 23 f. IRG, § 77 IRG i.V.m. § 33a StPO auch nach der Zulässigkeitsentscheidung möglich und wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch erforderlich ist (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Oktober 1990 – 2 BvR 303/89 –).
4. Die Rüge der Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist nicht begründet.
a) Die Anordnung der Auslieferungshaft stellt ebenso wie die von Untersuchungshaft einen staatlichen Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit dar, der gem. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 Satz 1 GG nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen darf und nur dann, wenn überwiegende Belange des Gemeinwohls dies zwingend gebieten (vgl. BVerfGE 53, 152 ≪158≫; 61, 28 ≪32≫). Die erforderliche gesetzliche Grundlage bietet § 15 IRG. Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG kann nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft dann angeordnet werden, wenn die Gefahr besteht, dass er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde. Die Auslieferung darf nicht von vornherein unzulässig erscheinen, § 15 Abs. 2 IRG. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen diese Norm nicht (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 1999 – 2 BvR 898/99 –, NJW 2000, S. 1252 f.). Die Auslieferung ist gem. § 10 Abs. 1 IRG nur zulässig, wenn wegen der Tat ein Haftbefehl oder eine Urkunde mit entsprechender Rechtswirkung vorgelegt worden ist. Es lässt keinen verfassungsrechtlichen Fehler erkennen, wenn das Oberlandesgericht § 10 Abs. 1 IRG dahin versteht, dass es für den Haftbefehl auf die Prozessvorschriften des ersuchenden Staates ankommt. Dies entspricht bereits dem Wortlaut der Vorschrift und der Wertentscheidung des Grundgesetzes für die Eingliederung des von ihm verfassten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft (vgl. BVerfGE 75, 1 ≪17≫). Auch die Anwendung von Rule 9b des Code of Criminal Procedure über das Haftbefehlsverfahren bei Anklagen vor der Grand Jury ist frei von verfassungsrechtlichen Bedenken. Die nicht näher substantiierte Behauptung des Beschwerdeführers, vorliegend hätte nach U.S.-Bundesverfassungsrecht ein Richter tätig werden müssen, erschüttert die den Beschlüssen vom 17. Januar 2001 und 23. Januar 2001 zu Grunde liegende Rechtsauffassung zur Rechtslage im ersuchenden Staat nicht.
Auch die Auslegung von Art. 14 Abs. 3 Buchstabe a AuslV, der gem. § 1 Abs. 3 IRG vorrangig anzuwenden ist, durch das Oberlandesgericht begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Völkervertragsrecht haben die Fachgerichte selbst anzuwenden und auszulegen (vgl. BVerfGE 15, 25 ≪32 f., 34 f.≫; 16, 27 ≪33≫; 18, 441 ≪450≫; 59, 63 ≪89≫; 99, 145 ≪160≫). Völkerrechtliche Verträge sind ausgehend von ihrem Wortlaut nach Sinn und Zweck unter Berücksichtigung des allgemeinen Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerfGE 40, 141 ≪167≫; 46, 342 ≪361≫; 96, 68 ≪87≫; Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2000 – 2 BvR 1290/99 –, JURIS; Art. 31 f. der Wiener Vertragsrechtskonvention). Die vom Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 17. Januar 2001 vorgenommene Auslegung und Anwendung von Art. 14 Abs. 3 Buchstabe a AuslV sind jedenfalls weder offensichtlich unhaltbar (vgl. BVerfGE 6, 45 ≪53≫) noch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und daher willkürlich (vgl. BVerfGE 3, 359 ≪364 f.≫). Es entspricht dem Sinn und Zweck des Auslieferungsvertrags als einem Instrument zwischenstaatlicher Kooperation, in Art. 14 AuslV nur eine Mindestpflicht des ersuchten Staates zu sehen, nicht aber den Ausschluss einer darüber hinausgehenden Berücksichtigung der innerstaatlichen Rechtslage des ersuchenden Staates. Eine Auslegung der Norm dahingehend, dass sie einen abstrakten Richtervorbehalt für das gesamte Haftbefehlsverfahren einschließlich der Ausstellung des Haftbefehls in dem ersuchenden Staat vorsieht, würde demgegenüber nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift im Rahmen des Auslieferungsrechts entsprechen. Ein völkerrechtlicher Vertrag muss typisierend auf das Recht beider Vertragspartner abstellen. Besonderheiten des Rechts einer Partei kann dabei nicht immer im Wortlaut selbst Rechnung getragen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Interesse der Bundesrepublik an zwischenstaatlicher Kooperation im Auslieferungsrecht eine Grenze erst in dem völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard, der nach Art. 25 GG von ihren Gerichten zu beachten ist, sowie in den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung findet (vgl. BVerfGE 75, 1 ≪19≫; § 73 IRG). Anhaltspunkte für die Verletzung dieses Standards, insbesondere der Mindestanforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren, durch Rule 9b Code of Criminal Procedure sind jedoch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.
b) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Haft sind gewahrt.
II.
Da die Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig ist, können die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben (stRspr; vgl. BVerfGE 66, 39 ≪56≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Jentsch, Di Fabio
Fundstellen
Haufe-Index 567617 |
NStZ 2001, 446 |
DVBl. 2001, 796 |