Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinsverbot
Beteiligte
des Kurdistan-Komitee e.V |
Rechtsanwälte Hans-Eberhard Schultz und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts werden zurückgewiesen.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Beide Verfassungsbeschwerden betreffen dasselbe Vereinsverbot. Das beschwerdeführende Kurdistan-Komitee e.V. ist durch Verfügung des Bundesministeriums des Innern verboten und aufgelöst worden. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Der dagegen gerichtete Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung blieb erfolglos. Die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist Gegenstand des ersten Verfassungsbeschwerdeverfahrens (1 BvR 1539/94). Inzwischen ist auch das Hauptsacheverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden. Gegen die darin ergangene Entscheidung richtet sich die zweite Verfassungsbeschwerde (1 BvR 373/98).
I.
1. Der Beschwerdeführer ist ein eingetragener Verein mit dem satzungsmäßigen Zweck, den Unabhängigkeits- und Freiheitskampf des Volkes von Kurdistan vor der europäischen Öffentlichkeit bekannt zu machen. Einziges Vorstandsmitglied war seit der Gründung der Vereinigung im Jahre 1984 und auch im Zeitpunkt der Auflösungsverfügung die deutsche Staatsangehörige L. Die überwiegende Zahl der Mitglieder sind Ausländer. Der Verein unterhielt ein Büro in Köln.
2. Mit Verfügung vom 22. November 1993 verhängte das Bundesministerium des Innern gegen den Beschwerdeführer ein Verbot, das mit einer Auflösungsanordnung verbunden war, und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers laufe den Strafgesetzen zuwider, richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, gefährde die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland.
3. Mit Beschluss vom 15. Juli 1994 lehnte das – erstinstanzlich zuständige – Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. Auch in der Hauptsache hatte der Beschwerdeführer keinen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht wies seine gegen die Verbotsverfügung gerichtete Klage zuerst durch Gerichtsbescheid und sodann, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, durch das angegriffene Urteil ab.
4. Mit seinen Verfassungsbeschwerden rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 VereinsG und Art. 11 Abs. 1 EMRK, aus Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie aus Art. 103 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde gegen den im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss (1 BvR 1539/94) ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Hauptsache gegenstandslos geworden ist. Die Vollzugsanordnung entfaltet nur bis zur Rechtskraft des Vereinsverbots Wirkungen. Auch die gegen die Entscheidung im Hauptsacheverfahren gerichtete Verfassungsbeschwerde 1 BvR 373/98 (im Folgenden: Verfassungsbeschwerde) ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Anträge auf Prozesskostenhilfe sind mangels Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerden zurückzuweisen.
1. Die Sache hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung.
a) Die Verfassungsmäßigkeit des § 14 VereinsG in der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht wirft keine klärungsbedürftigen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen auf. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Einwände gegenüber dem Begriff des Ausländervereins in der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht schlagen nicht durch.
aa) Der Beschwerdeführer vertritt dazu die Auffassung, dass über Art. 1 Abs. 1 GG auch Bürgerrechte wie die Vereinsfreiheit auf Ausländer anzuwenden seien. Dieses Argument hat das Bundesverfassungsgericht jedoch für das ebenfalls Deutschen vorbehaltene Grundrecht der Berufsfreiheit bereits mit dem Hinweis zurückgewiesen, die Selbstverständlichkeit, dass Ausländer Träger von Menschenrechten seien, könne nicht zu einer – wenn auch eingeschränkten – Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG auf diesen Personenkreis führen, weil damit die ausdrückliche Entscheidung des Grundgesetzes unterlaufen würde, die Berufsfreiheit nur deutschen Staatsbürgern zu gewähren (BVerfGE 78, 179 ≪196≫). Für Art. 9 Abs. 1 GG kann nichts anderes gelten.
bb) Weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung werden ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken dagegen erhoben, dass Ausländervereine den Schutz des Art. 9 Abs. 1 und 2 GG nicht in Anspruch nehmen können, und dass auch Vereine mit gemischter Mitgliedschaft (Mischvereine) unter bestimmten Voraussetzungen Ausländervereine sein können. Durchschlagende Einwände sind dagegen nicht zu erkennen. So wenig es hingenommen werden könnte, dass ein Verein nur deswegen den durch Art. 9 Abs. 2 GG gesicherten Status verliert, weil ihm ein Ausländer beitritt, so wenig kann es zutreffen, dass ein aus Ausländern bestehender Verein durch die Mitgliedschaft eines Deutschen diesen Status erhält.
cc) Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann sich damit allein die Frage stellen, ob das in § 14 VereinsG gewählte Abgrenzungskriterium („Vereine, deren Mitglieder oder Leiter … überwiegend Ausländer sind”) vor Art. 9 Abs. 1 GG standhält. Dagegen wird eingewandt, allein auf das Zahlenverhältnis von Ausländern und Deutschen könne es nicht ankommen; dieses Kriterium sei insofern sachwidrig, als es eine materielle Würdigung des Gesamtcharakters des Vereins, insbesondere seiner Ziele, ausschließe (von Feldmann, DÖV, 1965, S. 29 ≪34≫; vgl. auch ders., Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, 1972, S. 114 f.). Diese Kritik stellt aber die Gültigkeit der Norm insgesamt nicht in Frage, da den Bedenken durch verfassungskonforme Auslegung begegnet werden kann. Der Wortlaut des § 14 VereinsG schließt eine über das reine Zahlenverhältnis hinausgehende Analyse des Gesamtcharakters des Vereins nicht aus. Dem Begriff des „Überwiegens” kann durchaus auch materieller Gehalt beigemessen werden. Besteht aber die Möglichkeit einer solchen Auslegung, dann kann § 14 VereinsG nicht allein deshalb insgesamt nichtig sein. Vorliegend braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden, da der Beschwerdeführer nach allen denkbaren materiellen Kriterien ein Ausländerverein ist. Seine Ziele beschränken sich ausschließlich auf Probleme von Ausländern im Ausland.
b) Die Auslegung und Anwendung der Norm durch das Bundesverwaltungsgericht wirft grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen ebenfalls nicht auf. Dass das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer allein mit Rücksicht auf das zahlenmäßige Überwiegen der Ausländer in Mitgliedschaft und Leitung als Ausländerverein angesehen hat, ist schon deswegen unbedenklich, weil der Beschwerdeführer, wie dargelegt, auch nach seinem Gesamtcharakter zweifelsfrei als Ausländerverein einzustufen ist.
Grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Klärungsbedarf besteht auch nicht im Hinblick auf die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es im Hinblick auf den Begriff der „Leitung” nicht auf den zahlenmäßigen Anteil der Ausländer im Vorstand ankomme, sondern dass maßgeblich sei, ob Ausländer das Vereinsgeschehen von außen oder innen maßgeblich beeinflussten und für den Verein maßgebliche Funktionen ausübten. Mit dieser Auslegung trägt das Bundesverwaltungsgericht dem Sinn des § 14 VereinsG sachgerecht Rechnung, indem es eine nahe liegende Umgehungsmöglichkeit des Verbotstatbestandes des § 14 VereinsG ausschließt. Der Begriff der Leitung kann einfachrechtlich ohne weiteres dahin ausgelegt werden, dass es nicht allein auf die personelle Besetzung des Vorstandes ankommt, sondern dass die materielle Leitungsfunktion maßgeblich ist. Art. 9 Abs. 1 GG steht einer solchen Auslegung nicht entgegen.
2. Eine Annahme aus anderen Gründen ist nicht angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt keine Grundrechte des Beschwerdeführers. Auf die ebenfalls angegriffene Verbotsverfügung braucht daher nicht eingegangen zu werden.
a) Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht hinreichend dargelegt. Er rügt, das Gericht habe es unterlassen, ein tragendes Argument der Antragsbegründung, nämlich die Einstellung des konkret abgemahnten Verhaltens in den vergangenen Jahren, bei der Überprüfung der Anordnung des Sofortvollzuges zu berücksichtigen, und somit insbesondere gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Diese Rüge ist jedoch nicht begründet. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Umstand, dass der Beschwerdeführer konkrete Abmahnungen befolgt hat, gewürdigt, allerdings mit dem Ergebnis, dass des ungeachtet weniger einschneidende Maßnahmen als das Vereinsverbot nicht in Betracht gekommen seien.
b) Art. 9 Abs. 1 GG steht dem Beschwerdeführer als Ausländerverein nicht zu Gebote. Dass er in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise in diese Kategorie eingestuft worden ist, ergibt sich bereits aus dem zuvor Gesagten.
c) Auch eine Prüfung am Maßstab des Art. 5 Abs. 1 GG führt nicht zur Feststellung einer Grundrechtsverletzung. Die Meinungsfreiheit steht gemäß Art. 19 Abs. 3 GG juristischen Personen mit Sitz im Inland unabhängig von der Staatsbürgerschaft ihrer Mitglieder zu (h.L.; vgl. etwa H. Dreier, in: H. Dreier ≪Hrsg.≫, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 1996, Art. 19 Abs. 3 Rn. 32 m.w.N.).
Soweit das Bundesverwaltungsgericht Meinungsäußerungen des Beschwerdeführers als Grund für ein Vereinsverbot ansieht, greift es in dessen Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG ein. In dieses Grundrecht kann durch jegliche Sanktion eingegriffen werden, die an eine Meinungsäußerung anknüpft (vgl. BVerfGE 86, 122 ≪128≫). Es kann auf Grund allgemeiner Gesetze eingeschränkt werden (Art. 5 Abs. 2 GG). Um ein solches Gesetz handelt es sich bei § 14 VereinsG. Das Gesetz muss im Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist zu beachten. An diesen Maßstäben gemessen hält das angegriffene Urteil einer Überprüfung stand.
Generell rügt der Beschwerdeführer, dass Äußerungen, auf die sich die angegriffene Entscheidung stützt, einseitig und tendenziös ausgelegt worden seien. Diese Einwände betreffen zwar die Würdigung tatsächlicher Umstände, doch prüft das Bundesverfassungsgericht bei seiner Kontrolle eines Urteils am Maßstab von Art. 5 Abs. 1 GG die fachgerichtliche Feststellung der Bedeutung einer Meinungsäußerung daraufhin nach, ob sie der Bedeutung dieses Grundrechts gerecht wird. Das ist nicht der Fall, wenn eine Äußerung mehrere Deutungen zulässt, der Richter sich aber ohne hinreichende Gründe für die den sich Äußernden belastende entscheidet (BVerfGE 82, 43 ≪50 ff.≫).
aa) Das Bundesverwaltungsgericht gelangt zu der Feststellung, der Beschwerdeführer unterstütze die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) und die Volksbefreiungsarmee Kurdistan (ARGK), unter anderem auf Grund einer Verlautbarung des Beschwerdeführers, in der es heißt: „Die PKK ist das Volk, wir sind die PKK”. Außerdem habe er zu einer Protestkundgebung gegen PKK-Prozesse und zu einer Spendenaktion „Für ein Freies Kurdistan” aufgerufen sowie auf Veranlassung der ERNK alle Reisebüros in der Bundesrepublik auf die Erteilung von Visa für Kurdistan aufmerksam gemacht.
Hierzu führt der Beschwerdeführer lediglich aus, seine Tätigkeit zur Unterstützung des legitimen nationalen Befreiungskampfes unter Führung der PKK sei zulässig und gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nicht. Für eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 GG lässt sich aus diesem Vorbringen nichts entnehmen.
bb) Weiterhin lastet das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer an, er habe sich mit gewalttätigen Aktionen von PKK und ERNK solidarisiert. Dazu stützt es sich
- auf eine Stellungnahme der Redaktion des unter anderem vom Beschwerdeführer herausgegebenen „Kurdistan-Rundbriefs” zu einer zwischen Mitgliedervereinen bestehenden Meinungsverschiedenheit in der Bewertung einer Geiselnahme im türkischen Generalkonsulat am 24. Juni 1993. Sie lautet: „Die bürgerliche Presse versuchte damals, die rechtlich völlig legalen und zulässigen kurdischen Protestaktionen in ganz Europa zu illegalisieren durch bösartige Interpretation der Münchner Aktion als „geplante Geiselnahme” und als neue allgemeine Linie der PKK in Europa.” Der Beschwerdeführer habe maßgeblichen Einfluss auf die Redaktion des Kurdistan-Rundbriefs gehabt. Ihm sei ausweislich der Vorbemerkung die Befugnis zu Einwänden eingeräumt gewesen. Bestimmte Veröffentlichungen seien von seiner Zustimmung abhängig gewesen. Der Text sei ihm daher zuzurechnen;
- auf die Äußerung eines vom Kölner Stadtanzeiger zitierten Sprechers des Beschwerdeführers, in der dieser sich von den Gewaltaktionen vom 24. Juni 1993 nicht distanziert, sondern erklärt habe, dass die Proteste sich nur gegen türkische Einrichtungen und nicht gegen Menschen gerichtet hätten. Derselbe Sprecher habe in einem Interview mit dem ZDF die Gewaltakte nicht verurteilt, sondern als eine Reaktion der kurdischen Bevölkerung auf die Angriffe des türkischen Staates in Kurdistan bezeichnet und sich im Übrigen mit der Behauptung begnügt, die Beteiligten seien nicht bewaffnet gewesen;
- auf eine Presseerklärung des Beschwerdeführers vom 11. November 1993, in der die Gewaltaktion vom 4. November 1993 ebenfalls nicht verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich seine Beteiligung an der Organisation und Planung in Abrede gestellt und im Übrigen ausgeführt: „Solange die Gründe, die die kurdische Bevölkerung zu den Aktionen getrieben haben, von der deutschen Bundesregierung ignoriert und Wege der Dialogbereitschaft der kurdischen Seite blockiert werden, scheint eine Lösung der Frage nicht in Aussicht. Die Tatsache, dass Deutschland einer der wichtigsten Waffenlieferanten und Wirtschaftsmagnaten der Türkei ist, erschwert dies umso mehr.”
aaa) Als Auslegungsfehler beanstandet der Beschwerdeführer, dass das Bundesverwaltungsgericht die seiner Auffassung nach friedliche Besetzung des türkischen Konsulats in München als „Gewaltaktion” gewürdigt hat. Durch diese Auslegung könnte in die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers insoweit eingegriffen worden sein, wenn damit an seine Äußerungen zu den betreffenden Vorgängen zu strenge Maßstäbe angelegt werden.
Im Einzelnen trägt der Beschwerdeführer dazu vor: Bei der symbolischen Besetzung von türkischen Einrichtungen und bei Demonstrationen handele es sich um friedliche Protestaktionen. Die Münchener Konsulatsbesetzer seien unbewaffnet eingedrungen, hätten dann aber im Konsulat ein ganzes Waffenarsenal gefunden. Die symbolische Besetzung des türkischen Generalkonsulats in Marseille sei nach Abgabe einer öffentlichen Erklärung wenige Stunden später friedlich beendet worden. Bei einer Demonstration vor der türkischen Botschaft in Zürich seien aus der Botschaft heraus ein Demonstrant erschossen sowie Polizisten gefährdet und verletzt worden. Lasse man friedliche, nicht gegen Menschen gerichtete und diese auch nicht gefährdende Protestaktionen als Gefährdung der inneren Sicherheit im Sinne von § 14 VereinsG ausreichen, so verstoße das gegen zwingendes Völkerrecht. Das ergebe sich aus einem (nicht vorgelegten) Gutachten von Professor P.
Die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es sich bei der Konsulatsbesetzung um eine gewalttätige Aktion gehandelt habe, die die innere Sicherheit in solchem Maße gefährdete, dass eine Gruppe, die diese Aktion unterstütze, ihrerseits eine Gefahr für dieses Rechtsgut bedeute, wird durch die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht entkräftet. Dass, wie der Beschwerdeführer geltend macht, die Aktion sich nur gegen die Einrichtung, nicht aber gegen Menschen gerichtet habe, und dass die Besetzer keine Waffen mit sich geführt hätten, besagt nichts über ihren gewalttätigen Charakter, allenfalls über ihre Gefährlichkeit. Die behauptete Waffenlosigkeit der Eindringlinge ist kein Beleg für Gewaltlosigkeit. Bei entsprechender Überzahl kann körperliche Gewalt auch ohne Waffen erfolgreich ausgeübt werden. Schließlich ergibt sich auch aus der behaupteten völkerrechtlichen Legitimität des Freiheitskampfes der Kurden nichts für die Gewaltlosigkeit der Aktion auf deutschem Boden.
Einzelheiten über den Ablauf der Konsulatsbesetzung, die auf Gewaltlosigkeit hindeuten könnten, trägt der Beschwerdeführer nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde lässt sich nur in Umrissen entnehmen, worum es in München überhaupt gegangen ist. Aus der Verbotsverfügung, die allerdings pauschal die Aktionen vom 4. November 1993 in England, Frankreich, der Schweiz und 30 deutschen Städten beschreibt, ergibt sich, dass es zu etwa 60 überfallartigen, „gewalttätigen Übergriffen gegen türkische Einrichtungen wie Generalkonsulate, Reisebüros, Banken, Büros der ‚Turkish Airlines’ und auch Privathäuser” kam, an denen in der Regel zwischen drei und zehn Täter beteiligt waren, die mittels mitgeführter Schlagwerkzeuge Scheiben und Einrichtungsgegenstände zerstörten und/oder die angegriffenen Objekte mit Hilfe von Brandbeschleunigern in Brand setzten. Dabei seien überwiegend so genannte Molotowcocktails verwandt worden. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Bundesverwaltungsgericht darin gewalttätige Aktionen erblickt hat.
bbb) Der Inhalt der dem Kurdistan-Rundbrief entnommenen Passage sei, so wendet der Beschwerdeführer ein, vom Bundesverwaltungsgericht missdeutet worden. Darin werde gerade ein Unterschied gemacht zwischen der zulässigen Protestaktion und ihrer bösartigen Interpretation als geplante Geiselnahme. Aus der Vorbemerkung ergebe sich zudem zwangsläufig, dass die inkriminierte Formulierung dem Beschwerdeführer nicht zugerechnet werden könne. Schließlich habe das Bundesverwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass in derselben Vorbemerkung mitgeteilt werde, der Beschwerdeführer habe der vorangegangenen Veröffentlichung eines Beschlusses einer anderen Kurdenorganisation (KOMKAR) ausdrücklich zugestimmt, in dem diese Organisation sich von der Geiselnahme distanziert habe. Auch daraus folge, dass weder die Redaktion des Kurdistan-Rundbriefs noch der Beschwerdeführer die Münchner „Geiselnahme” unterstützt habe.
Dass auch die Redaktion des Kurdistan-Rundbriefs deutlich zwischen friedlichen Konsulatsbesetzungen und Gewaltaktionen unterscheide, zeige der Abdruck einer weiteren Stellungnahme von „Komala-Kurdistan” vom 13. August 1993 in demselben Rundbrief. Darin heiße es unter anderem: „In unserer Einschätzung der Konsulatsaktion haben wir uns nicht an die Kriterien ‚gut’ oder ‚böse’ gehalten, sondern an die Haltung der ERNK und der PKK, die sich im kurdischen Befreiungskampf an die Genfer Konvention halten und dies auch öffentlich vertreten und fordern, dass sich auch die TR an diese Konvention zu halten habe. In der Genfer Konvention steht aber nichts von ‚Geiselnahme’ als legitimem Mittel der Kriegsführung, und soweit wir wissen, haben weder die PKK noch die ARGK jemals Geiselnahmen durchgeführt.”
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Äußerung im Kurdistan-Rundbrief könne ihm nicht zugerechnet werden, ist sein Einwand sachlich nicht überzeugend. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass er als Mitherausgeber Einfluss auf die redaktionellen Stellungnahmen ausüben könne und diesen Einfluss im Zusammenhang mit der Stellungnahme zur Münchner Konsulatsbesetzung auch genutzt habe. Was der Beschwerdeführer dagegen in tatsächlicher Hinsicht einwendet, ist nahezu unverständlich und jedenfalls nicht geeignet, die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu entkräften.
ccc) Außerdem wendet der Beschwerdeführer ein, das Bundesverwaltungsgericht habe den angeführten Erklärungen zu Unrecht entnommen, dass er sich mit Gewaltaktionen solidarisiert habe. Dass er sich von ihnen nicht distanziert habe, könne nicht ausreichen, um ihn als Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu kennzeichnen.
Dieser Einwand geht am angegriffenen Urteil vorbei. Das Bundesverwaltungsgericht räumt ein, dass sich der Beschwerdeführer von der Münchner Geiselnahme als einer „geplanten Geiselnahme” distanziert habe. Es schließt jedoch aus seiner Rechtfertigung der Aktion als einer „rechtlich völlig legalen und zulässigen Protestaktion” auf eine Grundeinstellung, die gewaltsame Aktionen billige, sofern sie nicht unter Einsatz von Waffen erfolgten und sich nicht gegen Personen richteten. Bereits dies sieht es als eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland an. Diese Beurteilung steht mit Bedeutung und Tragweite des Art. 5 Abs. 1 GG im Einklang.
ddd) Auch die Äußerungen des Mitarbeiters des Beschwerdeführers D. gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger könnten, so wendet der Beschwerdeführer ein, nicht als Unterstützung der Münchener Aktion gewertet werden, ganz abgesehen davon, dass es keine Äußerungen eines maßgeblichen Organs des Beschwerdeführers seien. Bei beiden Äußerungen handele es sich um aus dem Zusammenhang gerissene, nicht autorisierte Auszüge aus Gesprächen oder Interviews. Die meisten Medien legten es immer wieder darauf an, Äußerungen von vermeintlich PKK-nahen Organisationen und Einzelpersonen aus dem Zusammenhang zu reißen und als eine Befürwortung von Gewaltanwendung in der Bundesrepublik Deutschland erscheinen zu lassen.
Dieser Einwand ist nicht hinreichend substantiiert. Der Zusammenhang, den der Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde herstellt, ist aus sich heraus nicht verständlich. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht daraus nicht gefolgert, der Beschwerdeführer befürworte Gewaltanwendung. Vielmehr lastet es ihm in diesem Zusammenhang nur an, dass er sich von der Konsulatsbesetzung als einer gewalttätigen Aktion nicht distanziert habe.
eee) Zur Würdigung des ZDF-Interviews durch das Bundesverwaltungsgericht wendet der Beschwerdeführer ein: Gegenüber dem ZDF habe D. lediglich festgestellt: „Diese Aktionen sind eine Reaktion der kurdischen Bevölkerung, hier eben auf die Angriffe des türkischen Staates in Kurdistan.” Auf den Vorhalt, die Kurden seien bewaffnet gewesen, habe D. klargestellt, dass dies nach seinen Informationen nicht zutreffe. Die Frage nach einer Beteiligung des Beschwerdeführers habe er dahin beantwortet, es sei die kurdische Bevölkerung in Deutschland und Europa gewesen. Bei dem Interview handele es sich offensichtlich um einen – übrigens nicht autorisierten – Ausschnitt aus einem längeren Gespräch. Insgesamt sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer keine Gewaltaktionen, sondern allenfalls eine symbolische Besetzungsaktion unterstützt habe.
Diese Einwände lassen eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 GG nicht erkennen. Inwiefern der Ausschnitt aus dem Gesamtzusammenhang heraus anders zu verstehen ist, trägt der Beschwerdeführer nicht vor. Der Hinweis auf die mangelnde Autorisierung führt nicht weiter, weil der Beschwerdeführer es versäumt, eine eigene abweichende Meinung vorzutragen.
d) Auch in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) wird der Beschwerdeführer durch das angegriffene Urteil nicht verletzt. Dieses Grundrecht steht dem Beschwerdeführer auch als Ausländerverein unbestritten zu. Das angegriffene Urteil bestätigt das gegen den Beschwerdeführer verhängte Verbot und greift damit nachhaltig in seine allgemeine Handlungsfreiheit ein. Der Eingriff ist aber gerechtfertigt, da er auf einem formell und materiell verfassungsmäßigen Gesetz – hier § 14 VereinsG – beruht und nicht unverhältnismäßig ist.
aa) Der Beschwerdeführer beanstandet die Auslegung der Eingriffsnorm als unverhältnismäßig, weil das Bundesverwaltungsgericht von einem zu weiten Gefahrenbegriff ausgehe. Zu Unrecht sehe das Gericht eine Gefahr für die innere Sicherheit bereits darin, dass er sich von gewalttätigen Aktionen der PKK nicht distanziert habe.
Dieser Einwand wird dem angegriffenen Urteil nicht gerecht. Das Bundesverwaltungsgericht leitet die Gefahr, die der Beschwerdeführer durch seine Existenz für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt, aus einer komplexen Würdigung ab, in die seine Entstehung (auf Initiative der PKK), sein Selbstverständnis (als Unterstützer der PKK), seine allgemeinen publizistischen und sonstigen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der PKK (Pressearbeit, Visum für Kurdistan, Spendenaufruf) sowie schließlich auch der Umstand einbezogen werden, dass der Beschwerdeführer sich von der Konsulatsbesetzung nicht distanziert habe. Ausgangspunkt dieser Würdigung ist die auf umfassende (und nicht angegriffene) Feststellungen gegründete Überzeugung, dass es sich bei der PKK um eine auch in Deutschland gewalttätig und terroristisch arbeitende Gruppe handele.
Mit dieser dem angegriffenen Urteil zu Grunde liegenden Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken sind auch nicht erkennbar. Ein Verein, der – sei es auch mit legalen Mitteln – eine terroristische Organisation in der dargelegten Weise unterstützt, erhöht das von dieser Organisation ausgehende Sicherheitsrisiko. Er schafft ein Umfeld von Sympathie und Wohlwollen und verstärkt den durch Gewalteinsätze verfolgten propagandistischen Effekt. Mit der Erhöhung der politischen Wirksamkeit terroristischer Einsätze wächst zugleich der Anreiz, solche Einsätze zu inszenieren. Die vom Bundesverwaltungsgericht gewürdigten Äußerungen des Beschwerdeführers fügen sich in das Bild einer solchen Unterstützung. Sie vermeiden zwar eine ausdrückliche Billigung des Einsatzes gewalttätiger Mittel, betonen aber die Legitimität der Aktionen und verharmlosen den Rechtsbruch. Indem der Beschwerdeführer die Aktionen als zulässige politische Demonstrationen propagiert, schafft er die Voraussetzungen für eine Akzeptanz der Gewalttätigkeit auch unter rechtstreuen Angehörigen der kurdischen Volksgruppe.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschwerdeführer insbesondere nicht, wie dieser vorträgt, allein deswegen als Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland angesehen, weil er sich von gewaltsamen Aktionen der PKK und der ERNK nicht distanziert habe. Vielmehr leitet es aus seinen diesbezüglichen Äußerungen eine Grundeinstellung ab, die gewaltsame rechtswidrige Aktionen billigt, soweit sie nicht unter Waffen erfolgen und sich nicht gegen Personen richten. Wenn es aus einer solchen Grundeinstellung folgert, der Beschwerdeführer sei eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, so liegt dies im Rahmen einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsanwendung und Tatsachenwürdigung. Bedeutung und Tragweite der allgemeinen Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers werden damit nicht verkannt.
bb) Das angegriffene Urteil beruht auf der Feststellung, dass die PKK und die ERNK den bewaffneten Kampf gegen die türkischen Armee- und Sicherheitskräfte führen und dabei auch in Deutschland Gewalttaten begehen oder jedenfalls decken. Diese Ausführungen greift der Beschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht nicht an. Er führt vielmehr unter Anführung eines Gutachtens von Professor P. aus, dass der türkisch-kurdische Krieg in Südostanatolien ein völkerrechtlich legitimer Konflikt sei.
Verfassungsrechtlich relevante Einwände gegen die Feststellung der Gewalttätigkeit der genannten Organisationen ergeben sich daraus nicht. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die innere Sicherheit durch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen sowie durch die Propagierung solcher Gewaltanwendung gefährdet werde, ist nicht zu beanstanden. Der Frage nach der völkerrechtlichen Legitimität der Auseinandersetzung des kurdischen Bevölkerungsteils mit der türkischen Regierung ist es mit Recht nicht nachgegangen. Der deutsche Staat, der die Sicherheit aller Bewohner zu gewährleisten hat, kann es nicht hinnehmen, dass auf seinem Territorium, aus welchem Grunde auch immer, Kämpfe mit unfriedlichen Mitteln ausgetragen werden.
cc) Schließlich hält der Beschwerdeführer das angegriffene Urteil für unverhältnismäßig, weil es verkannt habe, dass Abmahnungen zur Beseitigung der behaupteten Gefahr ausgereicht hätten. Er führt dazu aus, dass er auf eine Abmahnung hinsichtlich der Visa-Aktion positiv reagiert und die Aktion eingestellt habe.
Auch aus diesem Vorbringen ergibt sich keine Grundrechtsverletzung. Das Bundesverwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass die Gefahr nicht von einzelnen Betätigungen ausgehe, denen mit Abmahnungen begegnet werden könne, sondern dass die Gefährdung in der Zielsetzung und Organisation des Beschwerdeführers begründet sei und daher nur ein Verbot als geeignetes Mittel der Gefahrenbeseitigung in Betracht komme.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Hömig
Fundstellen