Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 22.03.1996; Aktenzeichen 1 S 236/95) |
BGH (Beschluss vom 07.03.1996; Aktenzeichen V ZR 194/95) |
OLG Naumburg (Urteil vom 06.06.1995; Aktenzeichen 7 U 179/94) |
LG Halle (Saale) (Urteil vom 08.07.1994; Aktenzeichen 3 O 662/93) |
LG Halle (Saale) (Urteil vom 12.04.1994; Aktenzeichen 3 O 662/93) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Verpflichtung zur unentgeltlichen Auflassung von Grundstücken aus der Bodenreform an den Berechtigten nach Art. 233 § 11 Abs. 3 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 und 3 EGBGB.
I.
Die Beschwerdeführer sind Erben früherer Eigentümer von land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken aus der Bodenreform. Die 1950 und 1976 verstorbenen Erblasser waren 1946 aufgrund der Verordnung über die Bodenreform der Provinz Sachsen vom 3. September 1945 (Verordnungsblatt für die Provinz Sachsen S. 28) als Eigentümer dieser Grundstücke in das Grundbuch eingetragen worden. Die Beschwerdeführer waren weder bei Ablauf des 15. März 1990 in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft noch vor diesem Zeitpunkt insgesamt mindestens zehn Jahre lang in einem der genannten Bereiche in der Deutschen Demokratischen Republik tätig.
In den zivilgerichtlichen Ausgangsverfahren wurden die Ansprüche auf unentgeltliche Auflassung der Bodenreformgrundstücke, die das klagende Land gegen die Beschwerdeführer geltend gemacht hatte, gemäß Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EGBGB bejaht.
Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und 3 und Art. 20 Abs. 3 GG. Sie sind der Auffassung, daß die Bodenreformgrundstücke mit dem Tod der Erblasser auf sie übergegangen seien. Diese hätten das Bodenreformland als persönlich vererbbares Eigentum erhalten. Beschränkungen seien insoweit durch die erst nach Übertragung des Bodenreformeigentums und zudem – im Verfahren 1 BvR 839/96 – erst nach dem Erbfall erlassenen Besitzwechselverordnungen nicht eingetreten. In ihre danach erlangten Rechtspositionen greife Art. 233 § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2 und 3 EGBGB ein.
II.
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerden nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
Die Verfassungsbeschwerden haben keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt bezeichneten Rechte angezeigt.
Es läßt sich ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten, daß Art. 233 § 11 Abs. 3 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 EGBGB in den hier interessierenden Fällen weder gegen Art. 14 GG noch gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG) verstößt. Die genannten Rechtsvorschriften sind auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluß der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Oktober 1995, DtZ 1996, S. 14). Der Umstand, daß ein Bodenreformeigentümer – wie in dem dem Verfahren 1 BvR 839/96 zugrunde liegenden Fall – noch vor dem Inkrafttreten der Verordnung über die Auseinandersetzung bei Besitzwechsel von Bauernwirtschaften aus der Bodenreform vom 21. Juni 1951 (GBl I S. 629) verstorben ist, führt zu keiner anderen Beurteilung.
Das ergibt sich schon daraus, daß sich der rechtliche Inhalt des Bodenreformeigentums vor Inkrafttreten der erwähnten Besitzwechselverordnung von demjenigen nach dem Erlaß dieser Verordnung und der später ergangenen weiteren Besitzwechselverordnungen nicht wesentlich unterschieden hat. Dies ist den einschlägigen Bestimmungen der damaligen Länder und Provinzen der sowjetischen Besatzungszone und (später) der Deutschen Demokratischen Republik zu entnehmen, wie sie in der seinerzeitigen Rechtspraxis verstanden und gehandhabt worden sind.
Das Urteil des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. März 1953 (NJ 1953, S. 498 f.) hat dazu unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung (NJ 1951, S. 508 f.) ausgeführt, daß Inhalt und Schranken des Neubauerneigentums nach der jeweiligen Bodenreformverordnung und deren gesellschaftlich-politischem Zweck zu bestimmen seien. Einen eindeutigen Hinweis auf die Stellung des Neubauern in der Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik und auf dessen Pflichten ihr gegenüber enthalte – für den damals entschiedenen Fall – Art. 6 der Bodenreformverordnung des Landes Sachsen, wonach die Neubauernwirtschaft weder geteilt noch ganz oder teilweise verkauft, verpachtet oder verpfändet werden dürfe (diese Regelung entspricht Art. VI Abs. 1 der in den vorliegenden Ausgangsverfahren maßgeblichen Verordnung über die Bodenreform der Provinz Sachsen). Der Neubauer sei Träger der Ernährungswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik und darüber hinaus ein wichtiger Repräsentant der werktätigen Bevölkerung auf dem Lande. Damit er die ihm gesetzte gesellschaftliche Aufgabe erfüllen könne, müsse er bestimmte persönliche, fachliche wie politische Eigenschaften haben. Schon deshalb dürfe – selbst wenn die Bestimmung des Art. 6 der Bodenreformverordnung nicht vorliegen würde – die Auswahl eines Besitznachfolgers nicht dem freien Belieben des einzelnen Neubauern überlassen werden. Freie rechtsgeschäftliche Verfügungen zuzulassen, würde zu Schuldenlasten, zu Bodenspekulationen und zur Umgehung des im Wesen des Neubauerneigentums liegenden Verfügungsverbots, überhaupt zur Vereitelung, zur Auflösung der Bodenreform führen.
Weiter hat das Oberste Gericht ausgeführt, daß das Grundeigentum des Neubauern durch einen Hoheitsakt des Staates in Form eines Beschlusses der zuständigen Bodenkommission begründet worden sei. Aus der Stellung des Neubauern in der Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik und besonders dem Erfordernis der persönlichen und politischen Eignung, wie überhaupt dem Inhalt des Neubauerneigentums, ergebe sich als unmittelbare Folge, daß eine Übertragung von Todes wegen kraft gesetzlicher und testamentarischer Erbfolge auch noch eines staatlichen Aktes bedürfe, nämlich durch einen solchen bekräftigt werden müsse. Die Bestätigung sei zu versagen, wenn der Erbe den gestellten Anforderungen nicht entsprechen sollte. Weiter ergebe sich als Folge, daß die Übertragung nur an einen Erben möglich sei.
Nach alldem war auch vor Erlaß der Besitzwechselverordnungen mit dem Tod des Bodenreformeigentümers das Bodenreformeigentum nicht automatisch im Wege der Erbfolge auf den Erben übergegangen. Dies galt nach der seinerzeitigen Rechtslage und Rechtspraxis auch dann, wenn der Boden nach der Bodenreform-Besitzurkunde an den Neubauern zum “persönlich vererbbaren Eigentum” übergeben worden war. Auch wenn eine Vererbung des Bodenreformeigentums nach den Verordnungen über die Bodenreform nicht ausgeschlossen war, so gehörte es doch nicht zum allgemeinen Nachlaß des Bodenreformeigentümers. Zunächst konnte es nach der seinerzeitigen Rechtslage nur auf einen Erben übertragen werden. Des weiteren bedurfte die Übertragung der Genehmigung durch die zuständige Bodenkommission, die schließlich nur erteilt werden konnte, wenn die Übertragung den Grundsätzen der Bodenreform nicht widersprach (vgl. Oberstes Gericht, NJ 1953, S. 498 ≪499≫). Im Hinblick darauf gilt all das, was in dem Beschluß der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Oktober 1995 (a.a.O.) zur Verfassungsmäßigkeit des Art. 233 § 11 Abs. 3 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 EGBGB ausgeführt worden ist, auch für Fälle der hier vorliegenden Art.
Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Seidl, Hömig, Steiner
Fundstellen