Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Verfahrensgang
OLG Köln (Beschluss vom 20.11.2009; Aktenzeichen 25 UF 126/09) |
AG Köln (Beschluss vom 26.05.2009; Aktenzeichen 313 F 49/08) |
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde und im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Zurückweisung seines Antrags auf erweiterten Umgang mit seinem Sohn.
1. Der Beschwerdeführer ist der Vater des aus einer kurzen Beziehung mit der Kindesmutter stammenden, im April 2006 geborenen J. Die Kindesmutter setzte den Jungen unmittelbar nach der Geburt aus. Er kam an seinem 12. Lebenstag in eine Pflegefamilie, in der er seither lebt. Die Kindesmutter ist alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, das dem Jugendamt übertragen wurde.
Im Juli 2006 beantragte der Beschwerdeführer, ihm jeden Sonntagnachmittag Umgang mit J. zu gewähren. In der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2006 vertrat das Gericht die Auffassung, dass je nach Möglichkeit des Trägers ein- bis zweimal im Monat ein begleiteter Umgang stattfinden solle. Sodann ordnete es das Ruhen des Verfahrens an. Ab Januar 2007 fanden begleitete Umgangskontakte statt.
Der Beschwerdeführer beantragte im Februar 2008 die Durchführung eines unbegleiteten Umgangs jeweils samstags von 10.00 bis 18.00 Uhr sowie eine Feiertagsregelung. Den zugleich gestellten Eilantrag wies das Amtsgericht mit – nicht angefochtenem – Beschluss vom 25. April 2008 zurück.
Nach Einholung schriftlicher Stellungnahmen des Jugendamtes und der Pflegeeltern fand am 2. Dezember 2008 vor dem Familiengericht eine mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer, der Pflegevater, das Jugendamt und die Leiterin des Pflegekinderdienstes, die die Umgangstermine begleitet, angehört wurden. Am Ende der Verhandlung verkündete das Amtsgericht einen – nicht begründeten – Beschluss, wonach der Umgang künftig alle sechs Wochen, begleitet durch den Pflegekinderdienst, stattfinde. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wurde dieser Beschluss am 24. Februar 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Beschlussfassung an das Familiengericht zurückverwiesen.
a) Nach erneuter mündlicher Verhandlung entschied das Amtsgericht mit – angegriffenem – Beschluss vom 26. Mai 2009, dass der Beschwerdeführer ein Recht auf durch den Pflegekinderdienst begleiteten Umgang einmal im Monat nachmittags in Anwesenheit des Pflegevaters habe. Den weitergehenden Umgangsantrag wies es zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass einerseits das intensive Interesse des Beschwerdeführers an seinem Kind und andererseits der Umstand zu bedenken sei, dass der Junge in einer Pflegefamilie aufwachse und seine Integration in dieses Umfeld nicht gestört werden dürfe. Bei dieser Sachlage sei ein „normaler” Umgang jedes Wochenende und an Feiertagen ohne jede Begleitung derzeit nicht zu befürworten, weil dieser der Situation des Kindes nicht gerecht werde und dieses überfordern würde, wenngleich die Fähigkeit des Beschwerdeführers zum angemessenen Eingehen auf die kindlichen Bedürfnisse nicht in Zweifel gezogen worden sei. Auch im Hinblick darauf, dass der Umgang ursprünglich alle vier Wochen stattgefunden habe, halte das Gericht es für dem Kindeswohl förderlich, entsprechend dem Vorschlag des Jugendamtes einen begleiteten Umgangskontakt einmal im Monat vorzusehen.
b) Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht mit – angegriffenem – Beschluss vom 20. November 2009 zurück. Das Hereinwachsen des noch kleinen Kindes in die Pflegefamilie, das von beiden Elternteilen befürwortet werde, verlange zum Wohle des Kindes eine behutsame Gestaltung des Umgangsrechts. Es müsse für das Kind deutlich bleiben, dass sein Lebensschwerpunkt in der Pflegefamilie sei. Da derzeit nur die Pflegeeltern als seine wesentlichen Bezugspersonen anzusehen seien und der Junge noch nicht zwischen Pflegevater und leiblichem Vater differenzieren könne, sei eine behutsame Ausgestaltung des Umgangs erforderlich. Ein intensiverer Umgang würde die für ihn notwendige Stabilität in seinem persönlichen Umfeld gefährden. Dies gelte unabhängig davon, dass es keine Bedenken dagegen gebe, dass der Beschwerdeführer geeignet sei, das Kind zu betreuen.
2. Der Beschwerdeführer, der mit seiner Verfassungsbeschwerde eine Verletzung seines Elternrechts rügt, beantragt, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung unbegleiteten Umgang mit seinem Sohn alle zwei Wochen für drei Stunden zu gestatten.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet, weil die erforderliche Folgenabwägung zuungunsten des Beschwerdeführers ausfällt.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, das in der Hauptsache zu verfolgende Begehren, hier also die Verfassungsbeschwerde, erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 88, 185 ≪186≫; 103, 41 ≪42≫; stRspr). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 185 ≪186≫; stRspr). Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 87, 107 ≪111≫; stRspr). Im Zuge der nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gebotenen Folgenabwägung legt das Bundesverfassungsgericht seiner Entscheidung in aller Regel die Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen in den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde (vgl. BVerfGE 34, 211 ≪216≫; 36, 37 ≪40≫).
2. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die gebotene Folgenabwägung führt allerdings dazu, dass eine einstweiligen Anordnung nicht zu erlassen ist.
Bei der Folgenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nicht lediglich die Aufrechterhaltung eines bestehenden Zustandes anstrebt, sondern eine Intensivierung der bislang praktizierten Umgangskontakte begehrt.
Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht, so würde es zunächst bei der bisher praktizierten Regelung eines begleiteten Umgangs alle vier Wochen bleiben. Der Beschwerdeführer wäre im gleichen Umfang wie bisher in der Lage, sein Kind zu sehen und sich auf diese Weise von seinen Entwicklungsschritten und seinem Wohlergehen selbst ein Bild zu machen. Die von ihm gewünschte Intensivierung des Umgangs sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch dergestalt, dass er sich mit seinem Sohn ohne Begleitung beschäftigen kann, würde sich allerdings – sofern sich die Verfassungsbeschwerde nachfolgend als begründet erwiese und das zuständige Gericht nach erneuter Prüfung eine ihm günstige Entscheidung erließe – verzögern.
Erginge die einstweilige Anordnung, so würde das Kind über die bisher praktizierte Umgangsregelung hinaus intensiveren und gegebenenfalls unbegleiteten Kontakten mit dem Beschwerdeführer ausgesetzt, ohne dass eine abschließende gerichtliche Prüfung erfolgt wäre, inwieweit eine solche Ausweitung des Umgangs dem Wohl des Kindes tatsächlich entspricht.
Im Rahmen der gebotenen Abwägung erweisen sich daher die Nachteile, die dem Beschwerdeführer im Falle der Versagung des Erlasses der einstweiligen Anordnung drohen, weniger schwerwiegend als die mögliche Gefährdung des Kindeswohls, die im Falle deren Erlasses nicht ausgeschlossen werden könnte. Den im vorliegenden Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht abschließend aufklärbaren Kindeswohlinteressen gebührt der Vorrang vor dem möglicherweise zeitweise eingeschränkten Elternrecht des Beschwerdeführers.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen