Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage, wann Vertrauensschutz einer Bilanzberichtigung entgegensteht
Leitsatz (redaktionell)
Die Anwendung der zur Korrektur einer von vornherein rechtlich unzulässigen Bilanzierung entwickelten Grundsätze auf eine Rückstellung, deren Bilanzausweis durch Prognose zukünftiger Entwicklungen bestimmt wird (hier: Verpflichtungen des Arbeitgebers zur Lohnfortzahlung), ist an dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen. Vertrauensschutz setzt jedoch regelmäßig voraus, daß der Betroffene sich in seinem Verhalten auf die Vertrauensbasis eingerichtet hat.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; EStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden haben keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Im Rechtsstaatsprinzip sind die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verfassungskräftig verankert (BVerfGE 59, 128 ≪164≫ m.w.N.). Der Bürger soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können; er muß darauf vertrauen können, daß sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen erhalten bleibt (BVerfGE 13, 261 ≪271≫). Das Rechtsstaatsgebot und das aus ihm folgende Prinzip der Beachtung des Vertrauensschutzes führt jedoch nicht in jedem Fall zu dem Ergebnis, daß jegliche einmal erworbene Position ungeachtet der wirklichen Rechtslage Bestand haben muß; es verlangt aber die nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit vorzunehmende Prüfung, ob jeweils die Belange des Allgemeinwohls, insbesondere die Wiederherstellung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, oder die Interessen des Einzelnen am Fortbestand einer Rechtslage, auf die er sich eingerichtet hat und auf deren Fortbestand er vertraute, den Vorrang verdienen (BVerfGE 59, 128 ≪166≫).
2. Der Bundesfinanzhof hat die in der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1972 ausgewiesene Rückstellung für Verpflichtungen des Arbeitgebers zur Lohnfortzahlung nicht aus rechtlichen Gründen von vornherein fur unzulässig gehalten, sondern mit der Begründung abgelehnt, daß die Vermutung der Gleichwertigkeit der künftigen beiderseitigen Verpflichtungen aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis im konkreten Fall nicht widerlegt worden sei. Der Bundesfinanzhof hat damit die Zukunftsprognose, die an jedem Bilanzstichtag für jedes einzelne am Stichtag bestehende Arbeitsverhältnis zu stellen ist, für die Jahresabschlüsse, die bereits Grundlage bestandskräftiger Veranlagungen waren, nachträglich anders gestellt und daraus die Unzulässigkeit der Rückstellung abgeleitet.
Die Anwendung der zur Korrektur einer von vornherein rechtlich unzulässigen Bilanzierung entwickelten Grundsätze auf eine Rückstellung, deren Bilanzausweis durch Prognose zukünftiger Entwicklungen bestimmt wird, ist an dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen. Dabei ist zu bedenken, daß ein zutreffender Totalgewinn, den die zur Korrektur von Bilanzierungsfehlern entwickelten Prinzipien gewährleisten sollen, auch im Falle der Fortführung einer Rückstellung ermittelt werden würde. Voraussetzung fur einen Vertrauensschutz ist jedoch regelmäßig, daß der Betroffene sein Vertrauen betätigt, d.h. sich in seinem Verhalten auf die Vertrauensbasis eingerichtet hat (vgl. BVerfG, Kammer-Beschluß vom 25. Januar 1989 – 2 BvR 2058/83 –, HFR 1989, 395; BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1983 – 8 C 91/82 –, NVwZ 1984, 716 ≪717≫ m.w.N.). Gesichtspunkte, die auf eine Betätigung des Vertrauens schließen lassen, haben die Beschwerdeführer indessen nicht vorgetragen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen