Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit des Grundsteuerbescheids. Bindung an Grundlagenbescheid
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Erhebung der Grundsteuer ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, auch nicht dass siegrundsätzlich ohne Rücksicht auf die familiären Verhältnisse des Grundbesitzers erhoben wird.
2. Behauptete Mängel im System der Grundstücksbewertung können im Rahmen der allein gegen den Grundsteuerbescheid der Gemeinde und die ihn bestätigenden Gerichtsentscheidungen erhobenenVerfassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden.
3. Die Gemeinde ist beim Erlass des Grundsteuerbescheides an den Inhalt der Grundlagenbescheide, die die Grundstücksbewertung abschließend regeln, gebunden.
4. Aus der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Wohnraummiete können keine Rückschlüsse auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Erhebung von Grundsteuer von mit Wohnraum vermietetem Grundbesitz gezogen werden.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 106 Abs. 6; GrStG §§ 1-2, 25, 27, 33-34; AO § 182 Abs. 1, § 184 Abs. 1; UStG § 4 Nr. 12 Buchst. a
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 25.04.2007; Aktenzeichen 14 A 661/06) |
VG Düsseldorf (Urteil vom 23.01.2006; Aktenzeichen 25 K 2643/05) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer.
I.
2
Die Beschwerdeführer, Eltern dreier Kinder, werden für ihr selbst genutztes Hausgrundstück zur Zahlung von Grundsteuer herangezogen. Der von der beklagten Kommune des Ausgangsverfahrens erlassene Grundsteuerbescheid für das Jahr 2005 beruht auf dem zuvor ergangenen Einheitswertbescheid und dem Grundsteuermessbescheid des Finanzamts, die von den Beschwerdeführern nicht mit Erfolg angefochten wurden. Widerspruch und Anfechtungsklage der Beschwerdeführer gegen den Grundsteuerbescheid blieben ohne Erfolg. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht als unbegründet ab. Es könne dahinstehen, ob die Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer überhaupt im Verfahren gegen den Grundsteuerbescheid geltend gemacht werden könne oder dieser Einwand nicht vielmehr gegen die Grundlagenbescheide vorzubringen gewesen wäre. Jedenfalls liege die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht vor. Die Grundsteuer verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes sei davon auszugehen, dass aus dem Vermögensteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts keine Schlussfolgerungen zur Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer zu ziehen seien.
Entscheidungsgründe
II.
3
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Rechts aus Art. 3 Abs. 1 GG.
4
Im Vermögensteuerbeschluss habe das Bundesverfassungsgericht Art. 3 Abs. 1 GG den Grundsatz entnommen, dass die Bürger je nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der Staatsaufgaben herangezogen würden. Dieser Grundsatz werde durch die Grundsteuer verletzt, weil sie die Bürger unabhängig von ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit erfasse. Eine fünfköpfige Familie werde genauso wie kinderlose Personen herangezogen. Der besondere Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) fordere insoweit aber eine Ungleichbehandlung. Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Gesetzgeber die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung von einer Sollertragsteuer ausnehmen müsse. Dieser Grundsatz werde insbesondere bei Mietern verletzt, auf die die Grundsteuer durch die Vermieter abgewälzt werde. Aus der Abwälzung der Grundsteuer auf die Mieter folge auch insoweit eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG, als Wohnen zur Miete von der Umsatzsteuer befreit sei. Es sei gleichheitswidrig, dass diese „Vorgabe” des Umsatzsteuerrechts durch das Grundsteuerrecht nicht „aufgenommen” werde. Ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss sei zudem darin zu erblicken, dass bewegliche Vermögenswerte – wie Segelyachten oder Wertpapiere – nicht besteuert würden. Zudem lägen erhebliche Wertverzerrungen vor. So würden altersbedingte Wertunterschiede von Immobilien nicht berücksichtigt. Ein 1964 errichtetes und seitdem nur notdürftig instand gehaltenes Haus werde mit demselben Vervielfältiger angesetzt wie ein im Jahr 2002 errichteter Neubau. Die Einheitsbewertung verstoße gegen den Gleichheitssatz, weil das Ausbleiben turnusmäßiger Anpassungen der Einheitswerte zu erheblichen Wertverzerrungen geführt habe, so dass die Gleichmäßigkeit der Besteuerung in Frage gestellt sei. Der Gesetzgeber müsse Wertverschiebungen innerhalb des Grundvermögens berücksichtigen. Aus § 33 GrStG folge zudem, dass das Realsteuerprinzip bei der Grundsteuer durchbrochen werde, weswegen gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit verstoßen werde, wenn die in § 33 GrStG gewährte Steuervergünstigung im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG nicht auf Familien erstreckt werde. Schließlich widerspreche die Grundsteuer mit ihrer Brutto-Bemessungsgrundlage dem steuerlichen Nettoprinzip und verstoße auch insoweit gegen den Gleichheitssatz, weil Belastungen der Immobilie keine Berücksichtigung fänden. Die Grundsteuer könne daher auch nicht aufgrund ihrer ausdrücklichen Erwähnung als Verteilungsnorm in Art. 106 GG als verfassungsgemäß eingestuft werden.
III.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt.
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Die Erhebung der Grundsteuer entspricht jedenfalls dem Grunde nach und in ihrer wesentlichen Struktur der Verfassung, wie sich bereits aus der mehrfachen ausdrücklichen Erwähnung der Grundsteuer in den Bestimmungen des Grundgesetzes über die Ertragshoheit der Finanzmonopole und Steuern in Art. 106 Abs. 6 GG ergibt (vgl. die entsprechende Argumentation zur Gewerbesteuer in BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. Januar 2008 – 1 BvL 2/04 –, NVwZ 2008, S. 1102 ≪1103 f.≫). Das steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das sich in der Vergangenheit mehrfach – teils unmittelbar (vgl. BVerfGE 10, 372), teils inzident (vgl. BVerfGE 3, 407 ≪437≫; 26, 1 ≪13≫; 41, 269 ≪281, 288 f.≫; 46, 224 ≪237≫; 49, 343 ≪355 ff.≫; 65, 325 ≪353≫; 86, 148 ≪225≫) – mit der Grundsteuer befasst hat, ohne dabei verfassungsrechtliche Zweifel an der Grundsteuer als solcher zu äußern.
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Soweit sich die Beschwerdeführer gegen bestimmte Modalitäten der Bestimmung und Festsetzung der Grundsteuer wenden, können sie damit im Rahmen der allein gegen den Grundsteuerbescheid und die ihn bestätigenden Gerichtsentscheidungen erhobenen Verfassungsbeschwerde in dem Umfang nicht gehört werden, als diese Rügen auf Feststellungen und Festlegungen zielen, die bereits in den vorangegangenen von ihnen nicht mit Erfolg angegriffenen Grundlagenbescheiden des Finanzamts erfolgt sind. Dies gilt vor allem für die Angriffe gegen Mängel im System der Grundstücksbewertung, die nach Auffassung der Beschwerdeführer zu einer gleichheitswidrigen Belastung der Grundstückseigentümer führt (zur Kritik an den Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung vgl. Drosdzol, DStZ 1999, S. 831 ≪832≫; ders., in: DStZ, 2001, S. 689 ≪691≫; Dötsch, in: Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, Stand Januar 2007, BewG Einf. Rn. 110; Thöne, in: Lange, Reform der Gemeindesteuern, 2006, S. 173 ≪175 f.≫; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl. 2005, § 13 Rn. 210; Kühnold/Stöckel, NWB 2007, S. 3873 ff. ≪3878 ff.≫; Balke, ZSteu 2005, S. 322 andererseits aber auch Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Februar 2005 – II R 36/03 –, BFHE 209, 138). Denn im Rahmen des Erlasses des Grundsteuerbescheides ist die Gemeinde an den Inhalt der Grundlagenbescheide gebunden (§ 13 Abs. 1, § 15, § 16 Abs. 1, § 25 Abs. 1 GrStG i. V. m. § 182 Abs. 1, § 184 Abs. 1 AO). Sie hat folglich hinsichtlich des Inhalts des durch das Finanzamt erlassenen Einheitswertbescheides und des Grundsteuermessbescheides weder eine Prüfungspflicht noch ein Prüfungsrecht. Die Gemeinde errechnet lediglich die konkrete Steuerschuld durch Anwendung des für das Gemeindegebiet geltenden Steuerhebesatzes auf den im Steuermessbescheid ausgewiesenen Messbetrag (§ 25 Abs. 1, § 27 Abs. 1 GrStG). Danach kann offen bleiben, ob die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Rügen zur Verfassungsmäßigkeit des Einheitswertverfahrens Einwendungen gegen den Einheitswertbescheid oder den Grundsteuermessbescheid betreffen. Denn jedenfalls die Grundstücksbewertung ist durch die Grundlagenbescheide abschließend entschieden.
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Ob die Einwände der Beschwerdeführer gegen die Nichtberücksichtigung ihrer familiären Verhältnisse und damit ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit ebenso bereits die Grundlagenbescheide berührende Fragen betreffen, bedarf hier gleichfalls keiner Entscheidung. Es ist dem Charakter der Grundsteuer als Objektsteuer geschuldet und daher als solches verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sie grundsätzlich ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Grundbesitzers erhoben wird (vgl. BVerfGE 46, 224 ≪237≫; 65, 325 ≪353≫).
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Verfehlt ist die Berufung der Beschwerdeführer auf die Umsatzsteuerbefreiung der Grundstücksvermietung (§ 4 Nr. 12 Buchstabe a UStG). Die Grundsteuer soll den Grundbesitz besteuern und ist nicht auf Abwälzung auf den Wohnungsmieter hin angelegt, unabhängig von der privatrechtlichen Zulässigkeit dieses Vorgangs. Schon deshalb können aus der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Wohnraummiete keine Rückschlüsse auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Erhebung von Grundsteuer von mit Wohnraum vermietetem Grundbesitz gezogen werden.
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An einer den Anforderungen von § 23 Abs. 2 Satz 1, § 92 BVerfGG genügenden Begründung fehlt es der Verfassungsbeschwerde bereits, soweit sie die Erhebung der Grundsteuer unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1995 zum sogenannten Halbteilungsgrundsatz (vgl. BVerfGE 93, 121 ≪136 ff.≫) angreift. Die Beschwerdeführer erkennen zwar, dass der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts zwischenzeitlich festgestellt hat, dass sich den Ausführungen jenes Beschlusses vom 22. Juni 1995 keine Belastungsobergrenze entnehmen lässt, die unabhängig von der dort streitgegenständlichen Steuerart der Vermögensteuer Geltung beanspruchen könnte (vgl. BVerfGE 115, 97 ≪108≫). Sie lassen jedoch jegliche substantiierte Ausführung dazu vermissen, weshalb insoweit anderes für die Grundsteuer gelten sollte und insbesondere dass die in jenem Beschluss umschriebene Belastungsobergrenze bei der Grundsteuer im Zusammentreffen mit anderen Ertragsteuern strukturell oder jedenfalls in ihrem Fall generell überschritten würde.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
12
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Eichberger, Masing
Fundstellen
Haufe-Index 2144163 |
BFH/NV 2009, 880 |
DB 2009, 773 |
HFR 2009, 611 |
NJW 2009, 1868 |
NWB 2009, 1062 |
NWB 2009, 1146 |
DWW 2009, 272 |
WM 2009, 1010 |
ZAP 2009, 444 |
ZKF 2009, 114 |
ZKF 2009, 237 |
DVBl. 2009, 667 |
GV/RP 2009, 375 |
KommJur 2009, 399 |
NWB direkt 2009, 348 |
NWB direkt 2009, 378 |
StBW 2009, 7 |
FuBW 2009, 409 |
FuHe 2009, 520 |
GK 2009, 201 |
SJ 2009, 25 |