Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage, ob der Ausschluß arbeitsloser Studenten vom Bezug des Arbeitslosengeldes mit dem Grundgesetz vereinbar ist
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, daß Studenten vom Bezug des Arbeitslosengeldes generell ausgeschlossen werden (AFG § 118a Abs 1).
2. Dieser Ausschluß wird auch durch das Leistungssystem des Bundesausbildungsförderungsgesetzes nicht ausgeglichen.
3. Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.
Normenkette
AFG § 118a Abs. 1, § 103; AFGÄndG 5 Art. 1 Nr. 40; GG Art. 3 Abs. 1; BAföG §§ 11, 17 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
§ 118a Absatz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), eingefügt durch Artikel 1 Nummer 40 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) von 1979-07-23 (Bundesgesetzblatt I S. 1189) ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit diese Vorschrift für Studenten einer Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld anordnet.
Gründe
A.
Gegenstand der Vorlagen ist die Frage, ob der Ausschluß arbeitsloser Studenten vom Bezug des Arbeitslosengeldes mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
1. In den §§ 100 ff. des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sind die Voraussetzungen für die Bewilligung des Arbeitslosengeldes geregelt. Das Gesetz bestimmt:
§ 100
(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat.
(2) …
Welcher Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, regelt § 103 AFG. In seiner für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl. I S. 1189) wird die Verfügbarkeit von objektiven und subjektiven Umständen abhängig gemacht. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
§ 103
(1) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer
1. eine zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2. bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf, sowie
3. das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist.
Nummer 1 gilt nicht hinsichtlich der Arbeitszeit; Lage und Verteilung der Arbeitszeit müssen jedoch den Bedingungen entsprechen, zu denen Beschäftigungen der in Betracht kommenden Art und Dauer üblicherweise ausgeübt werden. Der Arbeitsvermittlung steht nicht zur Verfügung, wer
1. nur kurzzeitige Beschäftigungen ausüben kann und darf, weil er
a) …
b) tatsächlich oder rechtlich gebunden ist,
2. wegen häuslicher Bindungen, die nicht in der Betreuung aufsichtsbedürftiger Kinder oder pflegebedürftiger Personen bestehen, Beschäftigungen nur zu bestimmten Arbeitszeiten ausüben kann,
3. …
(1 a) bis (5) …
2. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG) vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1536) beurteilte sich nach diesen allgemeinen Vorschriften auch, ob einem arbeitslosen Studenten, der die Anwartschaftszeit (§ 104 AFG) erfüllt hatte, Arbeitslosengeld zustand. Demnach war in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der beschäftigungslose Studierende die Anspruchsvoraussetzungen für diese Leistung erfüllte.
Durch § 5 Nr. 2 KVSG wurde der § 118 AFG, der bisher ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld lediglich in Fällen des Bezugs anderer Leistungen vorgesehen hatte, um einen Absatz 2 ergänzt (im folgenden: § 118 Abs. 2 AFG a. F.):
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während der Zeit, in welcher der Arbeitslose als ordentlicher Studierender eine Hochschule oder eine sonstige der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienende Schule besucht.
In dem Bericht des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dieser Änderung heißt es, der neue § 118 Abs. 2 stelle klar, daß „Studenten – wie nach geltendem Recht – während der Dauer ihres Studiums keine Leistungen der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe erhalten”. Ihr Lebensunterhalt werde durch die Leistungen, die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gewährt würden, gesichert (BTDrucks. 7/3640, S. 8).
Das Bundessozialgericht hat § 118 Abs. 2 AFG a. F. „verfassungskonform” dahin ausgelegt, die Vorschrift stelle eine gesetzliche Vermutung dafür auf, daß ein ordentlich Studierender durch den damit verbundenen Besuch der Hochschule der Arbeitsvermittlung nach § 103 AFG nicht zur Verfügung stehe mit der Folge, daß sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe. Der einzelne Antragsteller könne diese Vermutung widerlegen, indem er die Tatsache seiner gleichwohl vorhandenen Verfügbarkeit darlege und beweise (BSGE 46, 89).
3. Mit Wirkung vom 1. August 1979 wurde der bisherige § 118 Abs. 2 AFG ersetzt. Durch Art. 1 Nr. 40 des Fünften Änderungsgesetzes ist eine neue Vorschrift in das Arbeitsförderungsgesetz eingefügt worden:
§ 118 a
(1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während der Zeit, in der der Arbeitslose Schüler oder Student einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte ist, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten im allgemeinen voll in Anspruch nimmt.
(2) Absatz 1 ist auf Ansprüche auf Arbeitslosengeld, die vor dem 1. August 1979 entstanden sind, nicht anzuwenden.
Im Regierungsentwurf heißt es zu dieser Vorschrift, sie übernehme die bisherige Regelung des § 118 Abs. 2 AFG „in geänderter und erweiterter Fassung”. Sie stelle klar, daß Schüler und Studierende in einer schulischen Ausbildung, die ihre Arbeitskraft im allgemeinen voll in Anspruch nehme, während dieser Zeit nicht zum Kreise der durch die Arbeitslosenversicherung geschützten Arbeitnehmer gehörten und deshalb kein Arbeitslosengeld erhielten. Die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten werde durch die Ausbildung voll in Anspruch genommen, wenn nach den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen oder der allgemeinen Erfahrung die Ausbildung einschließlich der Vorbereitungszeit 40 Wochenstunden erfordere. Unerheblich sei, ob der Schüler oder Student in der Lage sei, daneben noch eine Arbeitnehmertätigkeit von mehr als kurzzeitiger Dauer auszuüben, etwa weil er wegen seiner besonderen Fähigkeiten nur eine überdurchschnittlich kurze Vorbereitungszeit benötige oder weil er die Ferien nicht für die Ausbildung oder für die Erholung nutzen wolle (BTDrucks. 8/2624, S. 28).
II.
Den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Vorlagen des Bundessozialgerichts liegen folgende Ausgangsverfahren zugrunde:
1. 1 BvL 29/83
Der im Jahre 1943 geborene Kläger war nach einer abgeschlossenen Fachhochschulausbildung der Sozialpädagogik seit 1972 als Heimleiter beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung beschäftigt. Diese Position gab er aus familiären und gesundheitlichen Gründen auf. Im Wintersemester 1979/80 begann er ein Studium der Sozialpädagogik. Dessen Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz wurde abgelehnt, weil der Kläger bereits die maßgebliche Altersgrenze von 30 Jahren überschritten habe. Schon vor Aufnahme des Studiums meldete er sich mit dem Antrag auf Zahlung von Arbeitslosengeld arbeitslos und gab an, wegen seines Studiums höchstens 20 Stunden in der Woche nachmittags arbeiten zu können.
Das Arbeitsamt lehnte die Bewilligung von Arbeitslosengeld unter Hinweis auf § 118 Abs. 2 AFG a. F. ab. Widerspruch und Klage blieben aufgrund des zwischenzeitlich in Kraft getretenen § 118 a Abs. 1 AFG erfolglos, die Berufung hatte aber Erfolg. Das Landessozialgericht führte aus, die Ruhensvorschrift des § 118 a AFG komme nicht zur Anwendung, weil die Schul- und Hochschulausbildung so ausgestaltet sei, daß sie berufsbegleitend durchgeführt werden könne; Studenten mit abgeschlossener Fachhochschulausbildung und Berufserfahrung könnten ihr Studium so einrichten, daß es sie nur bis zu 24 Stunden in der Woche beanspruche. Die Arbeitskraft solcher Studenten werde durch das Studium nicht voll in Anspruch genommen.
2. 1 BvL 30/83
Die 1952 geborene Klägerin war nach bestandener Prüfung versicherungspflichtig als Lehrer-Praktikantin beschäftigt. Aus dieser Stellung schied sie nach einem Jahr auf eigenen Wunsch aus, weil sie sich psychisch überlastet fühlte. Sie begann im Wintersemester 1979/80 das Studium der Romanistik und Anglistik und im Sommersemester 1980 das Studium der Rechtswissenschaft.
Kurz nach Beginn des Studiums meldete sie sich arbeitslos und erklärte, sie studiere, um sich weiterzubilden. Das Studium nehme ihre Arbeitskraft nicht vollständig in Anspruch, und sie werde es beenden, wenn eine Arbeit gefunden werde.
Das Arbeitsamt lehnte unter Berufung auf § 118 a AFG die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab, da die Klägerin nicht nur „formal” immatrikuliert sei. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht gab der Klage statt und führte aus, daß auch nach der Neuregelung des § 118 a Abs. 1 AFG die Immatrikulation allein nicht zum Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führe. Die Vorschrift sei dahin auszulegen, daß der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht ruhe, wenn aus der Art der Studiendurchführung unter Würdigung aller Umstände des konkreten Falles zu erkennen sei, daß die Arbeitskraft eines Studenten im allgemeinen durch ein Studium nicht voll in Anspruch genommen werde. Lasse sich ein Arbeitsloser immatrikulieren, um die Zeit seiner Arbeitslosigkeit sinnvoll zu nutzen, ohne ein regelförmiges Studium zu durchlaufen, so trete kein Ruhen des Leistungsanspruchs ein. So liege der Fall der Klägerin.
3. 1 BvL 33/83
Die 1950 geborene Klägerin war, nachdem sie 1975 das Sozialwirte- Diplom erworben hatte, arbeitslos. 1977 begann sie ein Medizinstudium. Sie blieb auch nach nicht bestandener Vorprüfung im Jahre 1979 immatrikuliert. Zwei Jahre später holte sie die Prüfung nach.
Während ihres Studiums arbeitete die Klägerin – auch zwecks Versorgung ihres Ehemanns und ihres Kindes – insgesamt 23 Monate als zur Arbeitslosenversicherung beitragspflichtige Verwaltungsangestellte ganztags in mehreren Beschäftigungsverhältnissen. Zwischenzeitlich bezog sie Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe.
Nach Ablauf des letzten befristeten Arbeitsverhältnisses beantragte die Klägerin im Juli 1980 das Arbeitslosengeld. Dabei erklärte sie, daß sie dem Arbeitsmarkt trotz der Immatrikulation voll zur Verfügung stehe. Die Bewilligung der Leistung lehnte das Arbeitsamt jedoch unter Berufung auf § 118 a AFG ab.
Vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht hatte die Klage Erfolg. § 118 a Abs. 1 AFG lasse Ausnahmen zu, auch wenn formal ein Studienverhältnis bestehe. Ein solcher Ausnahmefall liege vor, weil bei Medizinstudenten, die die Vorprüfung wiederholen müßten, der zwischen den Prüfungen liegende Studienabschnitt von üblichen Studiengängen abweiche. Es bestehe für solche Studenten keine Pflicht zum Besuch von Lehrveranstaltungen; auch könnten sie den zeitlichen Abstand zwischen den Prüfungen strecken. Es gebe daher für diesen Studienabschnitt keine Regel, nach welcher die Ausbildung im allgemeinen den Studenten in seiner Arbeitskraft voll in Anspruch nehme.
4. 1 BvL 34/83
Die 1949 geborene Klägerin war, nachdem sie aus familiären Gründen ein Studium aufgegeben hatte, seit 1975 bis Ende Dezember 1979 als Kontoristin beitragspflichtig beschäftigt, ab Anfang 1979 mit 21 Wochenstunden. Sie verlor die Arbeit aus Gründen betrieblicher Rationalisierung.
Schon vorher, ab Sommersemester 1978, war die Klägerin an einer Hochschule mit dem Ziel immatrikuliert, die Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I zu erwerben, wobei ihr auf die Mindeststudienzeit Vorstudienzeiten angerechnet wurden. Im Wintersemester 1979/80 hatte sie 18 Wochenstunden belegt.
Anläßlich ihrer Arbeitslosmeldung, bei der die Klägerin die Zahlung von Arbeitslosengeld ab Januar 1980 beantragte, gab sie an, sie könne neben ihrem Studium an drei bestimmten Wochentagen jeweils zwischen 9 und 17 Uhr, höchstens aber 21 Stunden wöchentlich, arbeiten. Das Arbeitsamt lehnte die Leistungsgewährung ab, weil bei den beschränkten zeitlichen Möglichkeiten der Klägerin eine Arbeitsvermittlung von vornherein ausgeschlossen sei; sie stehe so der Arbeitsvermittlung im Sinne des § 103 AFG nicht zur Verfügung. Im Widerspruchsverfahren erklärte die Klägerin, sie könne sich mit einer täglichen Arbeitszeit von 8 bis 12 Uhr der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen. Das Arbeitsamt lehnte den Antrag nunmehr nach § 118 a AFG ab.
Mit der Klage hatte die Klägerin vor dem Sozialgericht und in der Berufungsinstanz Erfolg. Das Landessozialgericht führte aus, § 118 a AFG lasse Ausnahmen bei Studenten zu, deren Ausbildung solche Besonderheiten aufweise, daß ihr Studium mit einem Regelstudium unvergleichbar sei und eine ständige versicherungspflichtige Beschäftigung zulasse. Ein derartiger Ausnahmefall liege bei der Klägerin vor. Hierfür spreche auch, daß sie trotz des Studiums seit März 1980 wiederum beschäftigt gewesen sei.
5. 1 BvL 36/83
Der 1950 geborene Kläger studierte seit dem Wintersemester 1972/73 Rechtswissenschaft. Sein Studium finanzierte er überwiegend durch Lohnarbeit, seit Oktober 1976 als Kraftfahrer mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 25 Wochenstunden. Als ihm – inzwischen studierte er im 17. Fachsemester – zum Jahreswechsel 1980 wegen Arbeitsmangels gekündigt wurde, beantragte er von diesem Zeitpunkt an die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Für ihn komme eine Teilarbeitszeit zwischen 15 und 21 Uhr in Betracht.
Das Arbeitsamt sah den Kläger als nicht verfügbar im Sinne des § 103 AFG an, da Arbeitsplätze mit den für ihn möglichen Arbeitszeiten in nennenswertem Umfang nicht vorhanden seien. Nachdem der Kläger im Klageverfahren erklärt hatte, er sei bereit, nachmittags oder nachts bis zu acht Stunden oder mehr zu arbeiten, gab das Sozialgericht seinem Begehren statt. Der Kläger habe die Vermutung des § 118 a Abs. 1 AFG, er sei nicht verfügbar, widerlegt. Das Landessozialgericht bestätigte das Urteil mit der Maßgabe, daß der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Tage des Zugangs der Klagebegründung an bestehe, weil der Kläger nunmehr nach seinen Angaben im Sinne des § 103 AFG verfügbar gewesen sei. § 118 a Abs. 1 AFG stehe dem Leistungsanspruch nicht entgegen. Nach allgemeiner Erfahrung übe eine nicht unerhebliche Zahl von Studenten eine dauerhafte Beschäftigung aus und entrichte während dieser Zeit Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Die Regelung müsse in besonderen Fällen eine Widerlegung zulassen, zumal es bedenklich erscheine, wenn ein nach Art. 14 GG geschützter Leistungsanspruch durch eine fiskalisch motivierte Gesetzesänderung zum Ruhen gebracht werden könne. Ein solcher besonderer Fall sei beim Kläger gegeben.
III.
Die Bundesanstalt für Arbeit hat in allen Ausgangsverfahren die jeweils zugelassene Revision eingelegt. Durch im Tenor gleichlautende und in den Gründen im wesentlichen übereinstimmende Beschlüsse hat das Bundessozialgericht die Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 118 a Abs. 1 AFG in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
Diese Frage sei entscheidungserheblich. Für alle Kläger der Ausgangsverfahren sei grundsätzlich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld begründet, da sie die Anwartschaftszeit erfüllt, sich arbeitslos gemeldet und das Arbeitslosengeld beantragt hätten. Auch in ihrer Verfügbarkeit im Sinne des § 103 AFG bestehe kein Zweifel. Wenn § 118 a Abs. 1 AFG geltendes Recht sei, wären jedoch alle Kläger vom Bezug des Arbeitslosengeldes ausgeschlossen. Nach Wortlaut und Zweck dieser Vorschrift erscheine eine dem § 118 Abs. 2 AFG a. F. entsprechende – verfassungskonforme – Auslegung nicht möglich. Insbesondere sei es nach der Neuregelung unmöglich, ordentliche Studierende danach unterschiedlich zu beurteilen, wie sie ihr Studium im Einzelfall gestalteten.
Die Vorschrift des § 118 a Abs. 1 AFG sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Nur bei Studenten und Schülern werde die Erfüllung bestehender Arbeitslosengeldansprüche von der Nichtzugehörigkeit zu einer allein vom Status her bestimmten Gruppe abhängig gemacht. Bei allen anderen Arbeitslosen komme es für die Beurteilung ihrer Verfügbarkeit ausschließlich auf die Umstände des Einzelfalles an. Tatsächliche und rechtliche Bindungen schlössen, wenn der Versicherte eine marktübliche Tätigkeit ausüben könne, den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht aus. Für diese Differenzierung durch § 118 a Abs. 1 AFG lasse sich ein vernünftiger, der Natur der Sache entsprechender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden.
Anders als § 118 a Abs. 1 AFG durchbrächen die sonstigen Ruhensvorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes nicht die diesem Gesetz innewohnende Systematik. Bei der Schaffung des § 118 Abs. 2 AFG a. F. habe dem Gesetzgeber noch die eigentliche Funktion des § 118 AFG – die Vermeidung von Doppelleistungen – vorgeschwebt, weil er davon ausgegangen sei, daß der Lebensunterhalt der Studenten nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gesichert werde. Diese Absicht aber sei mit dem § 118 a Abs. 1 AFG aufgegeben worden. Er habe klargestellt, daß Studenten nicht mehr zum Kreis der von der Arbeitslosenversicherung geschützten Arbeitnehmer gehören könnten. Die Systematik des Arbeitsförderungsgesetzes könne jedoch bei Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG allenfalls eine Regelung rechtfertigen, die das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs vom tatsächlichen Leistungsbezug nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz abhängig mache.
Die Tatsache der Immatrikulation allein stehe der Arbeitnehmereigenschaft eines Studenten nicht entgegen. Er könne während des Studiums eine abhängige entgeltliche Tätigkeit ausüben. Auch lasse sich die Annahme nicht rechtfertigen, daß ein Studium in allen Fällen die Verfügbarkeit des Studenten im Sinne des § 103 AFG beeinträchtige oder ausschließe.
Die Ungleichbehandlung lasse sich nicht durch ausreichende Sacherwägungen rechtfertigen. Auch sei zu berücksichtigen, daß es sich bei den betroffenen Studenten um eine verhältnismäßig kleine Zahl handele, da ein Anspruch auf Arbeitslosengeld eine nicht unbeachtliche Zeit beitragspflichtiger Beschäftigung voraussetze. Für diesen Kreis aber sei es typisch, daß er wegen der besonderen Lebenslage vor und während des Studiums auf Arbeitseinkommen angewiesen gewesen sei. Solchen Anspruchsinhabern eine Lohnersatzleistung nur wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe „Student” zu versagen, sei schwerlich mit dem Sozialstaatsprinzip zu vereinbaren.
Auch habe es zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung nicht der generellen Sanktion des § 118 a Abs. 1 AFG bedurft. Der alte § 118 Abs. 2 AFG in der Auslegung durch die Rechtsprechung habe dem hinreichend Rechnung getragen. Ein etwaiger höherer Verwaltungsaufwand zur Vermeidung von Mißbrauch sei kein ausreichendes Sachargument.
Schließlich erscheine der Ausschluß der Studenten vom Schutz der Arbeitslosenversicherung noch deswegen schwer verständlich, weil diese bei bestimmten Gestaltungen von Beschäftigungsverhältnissen auch während ihres Studiums in allen Sparten der Sozialversicherung beitragspflichtig seien. Die Bundesanstalt für Arbeit fördere sogar selbst solche Arbeitsmöglichkeiten durch die Einrichtung spezieller Vermittlungsstellen.
IV.
Zu den Vorlagebeschlüssen haben der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung sowie die Bundesanstalt für Arbeit Stellung genommen.
1. Der Bundesminister ist der Auffassung, § 118 a Abs. 1 AFG verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
Die zur Prüfung gestellte Norm sei mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes abgestimmt. Nach diesem Gesetz werde – beim Vorliegen seiner Voraussetzungen – für Studenten Ausbildungsförderung geleistet, wenn die Ausbildung sie voll in Anspruch nehme. Dies werde beim Besuch von Hochschulen grundsätzlich unterstellt. Dementsprechend ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn es sich um eine Ausbildung handele, bei der dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Ausbildungsförderung vorlägen.
Die Norm habe den Charakter eines Risikoausschlusses auf Zeit für die Arbeitslosenversicherung. Diese sei stärker als das Recht anderer Sozialversicherungen durch Regelungen gekennzeichnet, die das Risiko begrenzten. Das Risiko der Arbeitslosenversicherung hänge von der Entwicklung der Wirtschaft, der Arbeitsmarktlage sowie vom subjektiven Verhalten der Versicherten ab. Daher komme auch solchen Vorschriften – zu denen der § 118 a Abs. 1 AFG gehöre – besondere Bedeutung zu, welche die Möglichkeit einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Leistungen verhindern sollten.
Bis 1975 habe das Recht der Arbeitslosenversicherung keinen speziell auf Studenten bezogenen Ruhenstatbestand gekannt, da Studenten bis dahin nur in Ausnahmefällen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt hätten. Das sei in den siebziger Jahren anders geworden, da die Zahl der Studenten, die vor Aufnahme eines Studiums beitragspflichtig beschäftigt gewesen seien, auf etwa ein Viertel der Gesamtzahl aller Studenten angewachsen sei. Unmittelbarer Anlaß für die Schaffung des Ruhenstatbestandes des § 118 Abs. 2 AFG a. F. sei sodann die Einschränkung der Krankenversicherungsfreiheit nach § 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO und damit auch der Beitragsfreiheit zur Arbeitslosenversicherung nach dem Gesetz über die Krankenversicherung der Studenten gewesen. Mit diesem Gesetz habe der Gesetzgeber 1975 für den Bereich der Arbeitsförderung die Folgerungen aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gezogen. Dieses habe die Krankenversicherungsfreiheit und zugleich die Arbeitslosenversicherungsfreiheit der Studenten eingeengt und damit den Kreis der Personen, die während ihres Studiums Ansprüche auf Arbeitslosengeld hätten geltend machen können, erheblich erweitert.
Mit der Regelung des § 118 Abs. 2 AFG a. F. sei beabsichtigt worden, die Studenten während ihres Vollstudiums vom Bezug von Arbeitslosengeld auszuschließen, weil die Sicherung des Lebensunterhalts der Studenten zum Aufgabenbereich der Ausbildungsförderung und nicht zu den Aufgaben der Arbeitslosenversicherung gehöre. Insoweit habe die Vorschrift den Anwendungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes und den des Bundesausbildungsförderungsgesetzes gegeneinander abgegrenzt.
Das Bundessozialgericht habe aus der Fassung und systematischen Stellung des § 118 Abs. 2 AFG a. F. geschlossen, die Vorschrift stelle nur eine widerlegbare Vermutung dafür auf, daß ein Student wegen des Besuchs der Hochschule der Arbeitsvermittlung im Sinne des § 103 AFG nicht zur Verfügung stehe. Wegen dieser einschränkenden Auslegung sei die Vorschrift dann neu gefaßt und als § 118 a Abs. 1 in das Arbeitsförderungsgesetz eingefügt worden.
Die Übernahme des Risikos der Arbeitslosigkeit eines Studenten während seines Vollstudiums würde die Versichertengemeinschaft überdurchschnittlich belasten. Der Kreis der für Studenten während ihres Studiums geeigneten Beschäftigungen sei erheblich eingeengt. Es kämen nur Beschäftigungen in Betracht, die neben einem Vollstudium ausgeübt werden könnten und bei denen der Arbeitgeber die mit dem Studium verbundene Belastung in Kauf nehme. Solche Beschäftigungen würden selten angeboten.
Auch sei die Gefahr einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme der Leistungen der Arbeitslosenversicherung durch Studenten überdurchschnittlich groß. Studenten wären in erster Linie an der Durchführung ihres Studiums und nicht an der Aufnahme von Arbeit interessiert. Deswegen bringe die Zuerkennung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung den Studenten auch in einen unvertretbaren Interessenkonflikt, weil es das Interesse am Studium gebiete, sich diesem ohne die mit einer zumutbaren Arbeitnehmertätigkeit verbundene Belastung zu widmen.
Die zur Prüfung gestellte Regelung sei nicht willkürlich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Zwei verschiedene Gruppen von Arbeitnehmern würden verschieden behandelt. Die ungleiche Behandlung ergebe sich aus dem Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Anknüpfungsmerkmale. Arbeitnehmer, die zugleich Studenten seien, hätten bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, seien durch ihr Studium außerhalb des Arbeitsmarktes rechtlich und tatsächlich gebunden und seien vor allem an der Fortsetzung und an dem Abschluß ihres Studiums interessiert. Arbeitnehmer, die keine Studenten seien, fielen nicht in den Bereich eines anderen, nur für sie bestimmten Gesetzes, das ihren Lebensunterhalt sichere; sie hätten keine entsprechenden rechtlichen oder tatsächlichen Bindungen außerhalb des Arbeitsmarktes und seien vor allem an der Aufnahme einer neuen Beschäftigung interessiert. Diese Unterschiede seien von solcher Art und solchem Gewicht, daß sie eine differenzierende Behandlung der beiden Gruppen im Rahmen der Arbeitslosenversicherung erlaubten. Der Gesetzgeber habe hierbei die Eigenart dieser Versicherung und die Interessen der Versichertengemeinschaft nicht außer Betracht lassen dürfen.
2. Die Bundesanstalt für Arbeit hält die zur Prüfung gestellte Vorschrift für unverzichtbar. Mildere Bekämpfungsmittel gegen Mißbrauch, wie die Umkehrung der Beweislast, seien nahezu wirkungslos. Eine Beseitigung der zur Prüfung gestellten Regelung würde bei Studenten, die Arbeitslosengeld beantragten, eine Feststellung der maßgeblichen Tatsachen für die „Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung” im Einzelfall erfordern, die sich in einem solchen Umfang auf nicht nachprüfbare Angaben der Studierenden stützen müßte, daß Mindestanforderungen an die Gleichbehandlung nicht mehr erfüllt würden. Das würde dazu führen, daß in großer Zahl Leistungen unberechtigterweise bezogen werden könnten. Nach Untersuchungsergebnissen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung seien von rd. 150 000 Studienanfängern etwa 30 000 vor dem Studium erwerbstätig und weitere 30 000 leisteten Wehr- oder Zivildienst, der einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe begründe. Bei einer Beseitigung des § 118 a AFG sei mit einem zusätzlichen Aufwand von 2,4 Milliarden DM jährlich zu rechnen.
Die „akademische Freiheit” gestatte es zudem dem Studenten, seine Ausbildung so zu gestalten, daß daneben noch eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung möglich sei. Die unbegrenzte Studiendauer schließe es aus, daß in der verbleibenden Anzahl von Wochenstunden der angestrebte Lernerfolg nicht erzielbar sei. Für Studierende an Hochschulen bestehe mithin eine ähnliche Situation wie für Selbständige und mithelfende Familienangehörige, für die § 101 AFG bestimme, daß Arbeitslosigkeit nicht mehr anzunehmen sei, wenn die Tätigkeit als Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger die Kurzzeitigkeitsgrenze erreiche.
Entgegengetreten werden müsse der Auffassung des Bundessozialgerichts, die Beseitigung des § 118 a AFG und die dann individuell durch die Arbeitsämter vorzunehmende Prüfung der Arbeitslosigkeit und Verfügbarkeit eines Studierenden bereite keine besonderen Schwierigkeiten. Der Wahrheitsgehalt der Erklärung eines Studenten, er stehe zur Arbeit zur Verfügung, könne im allgemeinen nur durch Arbeitsangebote überprüft werden; solche aber seien bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage insbesondere für die in Betracht kommenden Teilzeitarbeitsplätze nur in sehr begrenztem Umfange möglich.
B.
Die Vorlagen sind zulässig. Die Vorlagefrage umfaßt allerdings auch die in § 118 a Abs. 1 AFG genannten Schüler. Insoweit ist diese Frage nicht entscheidungserheblich; denn die Ausgangsfälle betreffen nur Studenten. Auf diese ist die Vorlagefrage zu beschränken.
C.
Die zur Prüfung gestellte Regelung ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
I.
1. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleichzubehandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72 (88); 70, 230 (239 f.); 71, 146 (154 f.)). Berührt die nach Art. 3 Abs. 1 GG zu beurteilende Regelung zugleich andere grundrechtlich verbürgte Positionen, so sind dem Gestaltungsraum des Gesetzgebers engere Grenzen gezogen (vgl. BVerfGE 37, 342 (353 f.); 60, 123 (134); 62, 256 (274)).
2. Die zur Prüfung gestellte Norm behandelt in der Arbeitslosenversicherung Versicherte ungleich, die in gleicher Weise alle Voraussetzungen für einen – grundsätzlich dem Schutz der Eigentumsgarantie unterfallenden (vgl. BVerfGE 72, 9 (19)) – Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllen. Während andere Arbeitslose, welche die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, insbesondere der Arbeitsvermittlung im Sinne des § 103 AFG zur Verfügung stehen, Arbeitslosengeld beziehen können, ist dies bei Studenten unter gleichen Voraussetzungen nicht der Fall. Obwohl sie mit gleichen Pflichten demselben Sozialversicherungssystem zugeordnet waren, werden sie hinsichtlich ihrer Leistungsansprüche anderen Bedingungen unterworfen. Bei Zugrundelegung des dargelegten Maßstabs sind die zwischen beiden Gruppen bestehenden Unterschiede nicht von solcher Art und solchem Gewicht, daß sie den gesetzlichen Ausschluß aller Studenten vom Bezug des Arbeitslosengeldes ohne Rücksicht darauf rechtfertigen können, ob diese im Hinblick auf ihr Studium verfügbar im Sinne des § 103 AFG sind.
3. Ein ausreichender Grund für die Ungleichbehandlung wäre dann gegeben, wenn die zur Prüfung gestellte Norm einen Ausschluß der Studenten vom Arbeitslosengeldbezug mit Rücksicht darauf vorgesehen hätte, daß für diesen Personenkreis mit dem Bundesausbildungsförderungsgesetz eine anderweitige – der Arbeitslosenversicherung adäquate – soziale Absicherung bestehe (vgl. BVerfGE 28, 324 (359); 29, 71 (82)). Die Entlastung der Arbeitslosenversicherung von Leistungen an Studenten wäre in diesem Fall nicht zu beanstanden.
Indessen liegen diese Voraussetzungen gerade nicht vor. Zwar mag es Fälle geben, in denen die Leistungen, die Studenten nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten, den Ansprüchen auf Arbeitslosengeld wirtschaftlich gleichwertig sind. Im allgemeinen aber ist das nicht der Fall. Während der Anspruch auf Arbeitslosengeld als Lohnersatzleistung ohne Rücksicht auf Bedürftigkeit des Berechtigten gewährt wird, kann Ausbildungshilfe nur bei Bedürftigkeit des Studenten geleistet werden (§§ 11 ff. BAföG). Ein grundlegender Unterschied zwischen den beiden Sozialleistungen liegt darüber hinaus darin, daß Ausbildungsförderung in Fällen des Besuchs von Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen in aller Regel nur in Form von Darlehen gewährt werden kann (§ 17 Abs. 2 BAföG). Auch wird diese Hilfe für die Förderung einer zweiten Ausbildung nur in sehr eingeschränktem Maße vorgesehen (§ 7 Abs. 2 BAföG). Schließlich wird der Anspruch auf Ausbildungsförderung gerade bei solchen Studenten, welche die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld erfüllen, oft daran scheitern, daß nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz Leistungen nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres nicht mehr gewährt werden (§ 10 Abs. 3 BAföG).
Die Verweisung auf ein derartiges System rechtfertigt den ausnahmslosen Ausschluß der Studenten von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld nicht. Selbst wenn man berücksichtigt, daß die Arbeitslosenversicherung eine Risikoversicherung ist, deren Leistungen in besonderem Maße von der Entwicklung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage abhängen, stellt das keinen hinreichenden Grund dar, die Versichertengemeinschaft von Leistungsansprüchen gegenüber solchen Personen zu befreien, die wie alle anderen Arbeitnehmer durch ihre Beiträge Ansprüche erworben haben, die grundsätzlich der Eigentumsgarantie unterfallen (BVerfGE 72, 9 (19)).
4. Auch die weiteren Gründe, die nach Auffassung des Bundesministers und der Bundesanstalt für Arbeit § 118 a Abs. 1 AFG vor den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen, sind nach Art und Gewicht nicht derart, daß studierende Arbeitnehmer mit Anspruch auf Arbeitslosengeld ausnahmslos vom Leistungsbezug ausgeschlossen werden könnten.
a) Es dürfte zutreffen, daß Studenten neben ihrem Studium dem Arbeitsmarkt oft nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Doch ist das bei anderen Arbeitslosen nicht anders, die – wie die detaillierten Regelungen des § 103 AFG zeigen – auch nicht nur dann der „Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen”, wenn ihre Verfügbarkeit ohne jede Einschränkung besteht. Der Umstand, daß in Zeiten größerer Arbeitslosigkeit der Wille des Studenten, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen, nicht ohne weiteres dadurch auf die Probe gestellt werden kann, daß man ihm geeignete Arbeitsplätze nachweist, trifft auch für andere Arbeitslose zu. Bei diesen dürfte ein solcher Nachweis in Zeiten größerer Arbeitslosigkeit ebenfalls vielfach schwierig sein.
b) Namentlich die Bundesanstalt für Arbeit besorgt, daß Studenten ohne die zur Prüfung gestellte Regelung besonders häufig mißbräuchlich Leistungen beziehen könnten. Es ist nicht einfach festzustellen, ob bei Studenten diese Gefahr besonders typisch ist. Der Umstand, daß gerade Studenten, die ihr Studium ernst nehmen, dazu tendieren könnten, der Aufnahme von Beschäftigungen auszuweichen, läßt das nicht ganz unwahrscheinlich erscheinen. Andererseits ginge die Annahme zu weit, daß Studenten, welche die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld erfüllen und oft schon im höheren Alter stehen, in der Regel geneigt seien, jenes mißbräuchlich zu beanspruchen. Zudem würde die Vorenthaltung des Arbeitslosengeldes es erschweren, die Zeit der Arbeitslosigkeit sinnvoll durch eine Ausbildung zu überbrücken.
Unter diesen Umständen ist die Mißbrauchsgefahr kein den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechender hinreichender Grund für den ausnahmslosen Ausschluß von Studenten vom Bezug des Arbeitslosengeldes. Gründe der Verwaltungspraktikabilität vermögen diese Vorschrift nicht zu rechtfertigen.
5. Das bedeutet allerdings nicht, daß es von Verfassungs wegen ausgeschlossen wäre, an den Nachweis der Verfügbarkeit immatrikulierter Studenten strengere Anforderungen zu stellen als bei Arbeitslosen, die nicht immatrikuliert sind und bei denen eine Verfügbarkeit näher liegen wird. So würde eine Regelung, wie sie in § 118 Abs. 2 AFG a. F. enthalten war, in der Auslegung, die sie durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 46, 89) erfahren hat, allen Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechen. Danach mußten Studenten die Vermutung widerlegen, daß sie während eines Vollstudiums der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen. Hingegen ist eine Regelung wie die zur Prüfung gestellte, die Studenten ausnahmslos vom Bezug von Arbeitslosengeld ausschließt, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
II.
Die zur Prüfung gestellte Norm ist für nichtig zu erklären. Zwar ist dann, wenn eine Norm den Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, dem Gesetzgeber grundsätzlich die Entscheidung zu überlassen, in welcher Weise er den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügen will. In vorliegendem Falle ist aber auszuschließen, daß der Gesetzgeber die übrigen Arbeitslosen gleichen Regelungen unterwirft wie derzeit die arbeitslosen Studenten in § 118 a Abs. 1 AFG. Infolgedessen kann den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG nur durch Beseitigung der zur Prüfung gestellten Norm entsprochen werden.
Sondervotum
Ich teile die Ansicht des Senats, daß die zur Prüfung gestellte Norm zu beanstanden ist. Die Beanstandung hätte jedoch nicht nach Art. 3 Abs. 1 GG, sondern aufgrund des Art. 14 GG erfolgen müssen. Dem kommt Bedeutung zu. Die Entscheidung der Mehrheit beeinträchtigt die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers für die Zukunft, die Beanstandung nach Art. 14 GG würde nur zur Folge gehabt haben, daß der Gesetzgeber schonende Übergangslösungen hätte treffen müssen.
I.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegen Ansprüche auf Arbeitslosengeld und solche Rechtspositionen, wie sie den Klägern der Ausgangsverfahren beim Inkrafttreten des § 118 a AFG zustanden, dem Eigentumsschutz (BVerfGE 72, 9 (19)). Daraus folgt, daß der Gesetzgeber für Eingriffe in die in der Vergangenheit entstandenen Rechtspositionen legitimierende Gründe haben muß. Solche Eingriffe müssen durch überwiegende öffentliche Interessen geboten sein; sie dürfen die Betroffenen, die auf den Fortbestand der Rechtslage vertrauen, nicht übermäßig belasten (vgl. a.a.O., S. 22). Nach solchen Grundsätzen genügte es nicht, daß der Gesetzgeber die Anwendung der erst am 23. Juli 1979 verkündeten Norm lediglich für solche Ansprüche ausschloß, die bis zum 1. August 1979 entstanden waren. Das Vertrauen der durch das alsbaldige Inkrafttreten betroffenen Studenten, ihren Lebensunterhalt während des Studiums teilweise durch den Bezug des Arbeitslosengeldes finanzieren zu können, verlangte eine großzügige Übergangsfrist.
II.
Während die Beanstandung nach Art. 14 GG nur solche Studenten betroffen hätte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 118 a AFG bereits die für den Bezug von Arbeitslosengeld erforderlichen Anwartschaftszeiten beitragspflichtiger Beschäftigung erfüllt hatten – ohne durch § 118 Abs. 2 AFG a. F. vom Arbeitslosengeld ausgeschlossen gewesen zu sein –, bewirkt die Nichtigerklärung der Norm nach Art. 3 Abs. 1 GG eine erhebliche Einschränkung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers für die Zukunft. Sie ist verfassungsrechtlich nicht geboten.
1. Der Senat geht nach der neueren ständigen Rechtsprechung davon aus, daß Art. 3 Abs. 1 GG verletzt wird, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Im Verhältnis zur früheren „Willkürklausel” (BVerfGE 1, 14 (52)) bedeutet das die Ausdehnung verfassungsgerichtlicher Kontrolle auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerfGE 70, 230 (240 f.); 71, 146 (156)). Der darin liegenden erhöhten Kontrolldichte korrespondiert eine Einschränkung der vom Bundesverfassungsgericht ständig betonten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 17, 319 (330) m. w. N.; 50, 177 (191)).
2. Die Auffassung der Mehrheit beschränkt die Gestaltungsfreiheit aber mehr als geboten. Der vorliegend betroffene Bereich der vornehmlich durch Gesetze vollzogenen Sozialpolitik ist gegenüber Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers empfindlich; die sich im Bereich der Sozialpolitik ständig wandelnden Verhältnisse erfordern es, dem einfachen Gesetzgeber möglichst viel Freiheit zu belassen (vgl. BVerfGE 39, 302 (315)). So hat das Bundesverfassungsgericht stets darauf zu achten, daß seine Rechtsprechung dem Gesetzgeber die Anpassung des Rechts an die Veränderungen der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 69, 272 (304)).
3. Für den Bereich der Arbeitslosenversicherung gilt das besonders. Ihre Funktionsfähigkeit hängt von den Entwicklungen der Wirtschaft und der Arbeitsmarktlage, aber auch von der Einsicht und dem subjektiven Verhalten der Versicherten ab. Bei Veränderungen solcher Bedingungen muß der Gesetzgeber schnell reagieren können. Zudem ist eine weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers erforderlich, weil die Leistungen der Arbeitslosenversicherung anders als die in der Rentenversicherung nicht im Verhältnis zur Beitragsleistung stehen (vgl. BVerfGE 51, 115 (124); 72, 9 (20)). Es fehlt für die Beurteilung der gebotenen Leistung damit das Regulativ der Beitragsäquivalenz, so daß der Gesetzgeber andere Möglichkeiten haben muß, um notwendige Ausgleiche herbeizuführen.
4. Vor allem dieser Umstand rechtfertigt die zur Prüfung gestellte Regelung vor den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG. Studenten, die einen Anspruch auf den Bezug auf Arbeitslosengeld erworben haben, werden in typischen Fällen in einem Alter sein, in welchem sie nur über verhältnismäßig geringe Zeitabschnitte Beiträge geleistet haben. Daher ist in der Regel das Arbeitslosengeld bei ihnen, gemessen an der Beitragsleistung, verhältnismäßig hoch. Aufgebracht wird es von der gesamten Solidargemeinschaft. Sie besteht vorwiegend aus Arbeitnehmern, die – ohne je Aussicht zu haben, studieren zu können – über lange Zeiten Beiträge zahlen, ohne selbst überhaupt oder nur in verhältnismäßig geringem Umfang die Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch zu nehmen. Demgemäß führte die Rechtslage – jedenfalls vor dem Inkrafttreten des § 118 Abs. 2 AFG a. F. – dazu, daß der normale Arbeitnehmer das Studium derjenigen mitfinanzierte, die weniger zur Solidargemeinschaft beigetragen hatten als er selber. Auch bildet der Umstand, daß der Student nach Abschluß seines Studiums höheres Entgelt – mit der Folge höherer Beitragszahlungen – beziehen wird, schwerlich einen angemessenen Ausgleich für die Solidargemeinschaft. Soweit Studenten nach Abschluß ihres Studiums Beamtenstellungen erreichen, tragen sie zukünftig zur Arbeitslosenversicherung nichts mehr bei, in anderen Fällen nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze.
5. Unter solchen Umständen ist es nicht unverhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber das Risiko der Solidargemeinschaft dadurch verringerte, daß er Studenten auf das Leistungssystem des Bundesausbildungsförderungsgesetzes verwies, dessen Leistungen aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden. Mit Recht weist die Mehrheit allerdings darauf hin, daß dieses Leistungssystem keine adäquate soziale Sicherung bedeute. Es ist zutreffend, daß Leistungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes im allgemeinen für Studenten ungünstiger sein dürften als die Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes. Für solche Studenten, die bereits beim Inkrafttreten der Regelung des § 118 Abs. 2 AFG a. F., später des § 118 a AFG, schon Ansprüche hatten, wird das allerdings durch Art. 14 GG gemildert (vgl. I). Im übrigen liegt es im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, wenn er auch Studenten mit Arbeitslosengeldanspruch auf das speziell für Studierende zugeschnittene Leistungssystem des Bundesausbildungsförderungsgesetzes verweist. Nur muß er auch ihnen ermöglichen, eine ihrer Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung zu erhalten, wenn ihnen die für ihren Lebensunterhalt und ihre Ausbildung erforderlichen Mittel nach dem Inkrafttreten des § 118 a AFG nicht mehr zur Verfügung stehen (vgl. § 1 BAföG). Es mag allerdings sein, daß als Folge der Verweisung der Studenten mit Anspruch auf Arbeitslosengeld auf das Leistungssystem der Ausbildungsförderung Ungleichheiten oder Lücken entstehen, die es verfassungsrechtlich oder jedenfalls sozialpolitisch geboten erscheinen lassen, das Gesetz zu ergänzen. Zum Beispiel könnte zu überlegen sein, ob die Altersgrenzen aufzuheben sind, die den Bezug von Ausbildungshilfe ausschließen.
III.
Entgegen der Mehrheitsauffassung bin ich schließlich angesichts der bisherigen Rechtsprechung der Fachgerichte nicht der Auffassung, daß dem Grundanliegen des Gesetzgebers durch ein Wiederaufleben des § 118 Abs. 2 AFG a. F. sinnvoll Genüge getan werden könnte.
Fundstellen
BVerfGE 74, 9-32 (LT) |
BB 1987, 412-412 (T) |
NJW 1987, 2001-2003 (LT1-2) |
EuGRZ 1987, 86-92 (LT1-2) |
FamRZ 1987, 455-456 (LT1-2) |
AP GG Art. 3, Nr. 160 (L1-2) |
DVBl 1987, 358-360 (LT1-2) |
JZ 1987, 405-407 (LT1-2) |
JuS 1987, 740-740 (LT1-2) |
MDR 1987, 464-465 (LT1-2) |
RdJB 1987, 231-234 (LT1-2) |
RiA 1987, 231-232 (T) |
SozR, 4100 § 118a Nr. 1 (LT1-2) |
SozVers 1987, 192-195 (LT1-2) |
VR 1987, 251-251 (L1-2) |
ZfSH/SGB 1987, 265-266 (LT1-2) |