Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 07.05.2010; Aktenzeichen III-4 Ws 211/10) |
LG Kleve (Beschluss vom 12.03.2010; Aktenzeichen 181 StVK 36/10) |
Tenor
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2010 – III-4 Ws 211/10 – und der Beschluss des Landgerichts Kleve vom 12. März 2010 – 181 StVK 36/10 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Kleve zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfahlen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen bei einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenkaus an die Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen zu stellen sind und welche Bedeutung der Einhaltung der Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB dabei zukommt.
I.
1. a) Mit Urteil vom 17. August 2007, rechtskräftig seit dem 6. Februar 2008, ordnete das Landgericht Essen gemäß § 63 StGB die Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem psychiatrischen Krankenhaus an, da bei ihr eine paranoid-halluzinatorische Psychose mit einer sekundären Polytoxikomanie diagnostiziert worden war. Die Beschwerdeführerin hatte im Zustand deswegen bestehender Schuldunfähigkeit rechtswidrig unter anderem die Tatbestände des Raubes, des versuchten schweren Raubes, des Diebstahls und des versuchten Diebstahls verwirklicht. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird seit dem 6. Februar 2008 vollzogen.
b) Anlässlich der ersten gemäß § 67d, § 67e StGB erforderlichen Überprüfungsentscheidung im Jahr 2009 gab das psychiatrische Krankenhaus am 10. Dezember 2008 eine Stellungnahme ab. Am 30. Januar 2009 beschloss die Strafvollstreckungskammer, die Anhörung der Beschwerdeführerin auf die Einzelrichterin zu übertragen. Nach der am 25. Februar 2009 durchgeführten Anhörung entschied die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 2. März 2009, dass die Unterbringung der Beschwerdeführerin fortdauere. Eine Begutachtung der Beschwerdeführerin durch einen externen Sachverständigen unterließ die Strafvollstreckungskammer ebenso wie die Beiziehung der Akten aus dem Erkenntnisverfahren. In diesen befand sich insbesondere das Gutachten der Sachverständigen Dr. B., das ausweislich des Urteils des Landgerichts Essen Grundlage für ihre Unterbringung gewesen war.
Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 16. April 2009 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft. In ihrer Stellungnahme vom 2. April 2009 führte die Generalstaatsanwaltschaft – unter anderem – wörtlich aus:
„Die weitere Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nicht bereits deswegen unzulässig, weil der Beschluss der Strafvollstreckungskammer mehr als ein Jahr nach Beginn der Unterbringung am 6. Februar 2008 ergangen ist. Nach § 67e Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 2. Alt., Abs. 4 Satz 2 StGB muss das Gericht bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vor Ablauf von einem Jahr nach Beginn der Unterbringung die Aussetzungsfrage entscheiden. Dabei schließt die rechtzeitige Prüfung die rechtzeitige Entscheidung ein. Der Kontrollzweck des § 67e StGB erfordert insoweit, dass die Strafvollstreckungskammer spätestens am Tag des Ablaufs der Prüfungsfrist über die Aussetzungsfrage zu entscheiden hat. Die Verurteilte befindet sich seit 6. Februar 2008 gemäß § 63 StGB [in der Unterbringung]. Die Jahresfrist war am Tag der angefochtenen Entscheidung somit bereits abgelaufen. Dieser Verstoß hat jedoch keine sachlich-rechtliche Wirkung. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, die versäumte Prüfung von Amts wegen unverzüglich nachzuholen. Nur die Missachtung der Fristvorschrift durch nicht mehr vertretbare Untätigkeit des Gerichts verletzt das Grundrecht der Verurteilten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.”
c) Anlässlich der zweiten Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 gab das psychiatrische Krankenhaus am 27. Januar 2010 eine weitere Stellungnahme ab. Diese leitete der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer dem Verteidiger der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 11. Februar 2010 zu. Mit Beschluss vom 20. Februar 2010 übertrug die Strafvollstreckungskammer die Anhörung der Beschwerdeführerin erneut auf die Einzelrichterin. Die Anhörung fand am 3. März 2010 statt. Mit Beschluss vom 12. März 2010 entschied die Strafvollstreckungskammer, die Unterbringung der Beschwerdeführerin dauere fort. Wiederum zog die Strafvollstreckungskammer weder die Akten des Erkenntnisverfahrens bei noch holte sie – trotz entsprechender Anregung – das Gutachten eines externen Sachverständigen ein. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 7. Mai 2010 als unbegründet.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greift die Beschwerdeführerin die im Jahr 2010 ergangenen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts an. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Sie ist der Auffassung, die Gerichte hätten ihrer Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht Genüge getan. Die Einholung eines Prognosegutachtens eines externen Sachverständigen wäre erforderlich gewesen.
Mit ergänzendem Schriftsatz vom 19. Juli 2011 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. R. gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.
III.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfGE 35, 185 ≪190≫; 109, 133 ≪157≫). Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 ≪219≫; 45, 187 ≪223≫; 58, 208 ≪224 f.≫). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen. Das gilt entsprechend für die Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem zukünftig infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (BVerfGE 70, 297 ≪307≫).
Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen, die insbesondere deren Aussetzung zur Bewährung vorsehen, sobald verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2 StGB). Die Strafvollstreckungskammer kann die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres verpflichtet (§ 67e Abs. 1 und 2 StGB).
aa) Aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪275≫; 70, 297 ≪308≫), die nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten sind. Sie setzen unter anderem Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für eine hinreichende tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 ≪222≫; 70, 297 ≪308≫) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 ≪230≫; 70, 297 ≪308≫).
Nicht nur im sogenannten Strengbeweisverfahren, sondern auch in denjenigen Verfahren, die dem sogenannten Freibeweis unterliegen, gilt die richterliche Aufklärungspflicht, wie sie für die Hauptverhandlung in der Regelung des § 244 Abs. 2 StPO ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪277≫; 70, 297 ≪309≫).
Bei der Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hängt es von dem sich nach den Umständen des einzelnen Falles bestimmenden pflichtgemäßen Ermessen des Richters ab, in welcher Weise er die Aussetzungsreife prüft. Geht es um Prognoseentscheidungen, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stehen, besteht in der Regel die Pflicht, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dies gilt besonders dort, wo die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zu beurteilen ist; denn die Umstände, die diese bestimmen, sind für den Richter oft schwer erkennbar und abzuwägen. Zwar muss nicht bei jeder Überprüfung der Unterbringung der gleiche Aufwand veranlasst sein; immer ist jedoch eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten (BVerfGE 70, 297 ≪309≫).
bb) Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 2 und Abs. 6, § 67e StGB) dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 ≪181≫; 5, 67 ≪68≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 – 2 BvR 1615/07 –, juris). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht beruht, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫; 72, 105 ≪114 f.≫; 109, 133 ≪163≫; BVerfGK 4, 176 ≪181≫). Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs, die zu einer Überschreitung der Frist führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 ≪181≫). Es muss für solche Fälle jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist von einem Jahr seit der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum (vgl. BVerfGK 4, 176 ≪181≫). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen.
b) Diesen von Verfassungs wegen an Entscheidungen, welche die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, zu stellenden Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Das gilt sowohl für die richterliche Sachaufklärung im vorliegenden Fall (aa) als auch für die Überschreitung der Überprüfungsfristen durch die Strafvollstreckungskammer ohne Angabe von Gründen (bb).
aa) Die angegriffenen Entscheidungen genügen dem Gebot zureichender richterlicher Sachaufklärung nicht und verletzen die Beschwerdeführerin daher in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
§ 463 Abs. 4 StPO und § 16 Abs. 3 des Maßregelvollzugsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen beschränken das richterliche Ermessen im Hinblick darauf, zu welchem Zeitpunkt spätestens das Gutachten eines externen Sachverständigen im Rahmen der Prüfung der Aussetzungsreife einzuholen ist. Unabhängig davon gebietet Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, dass stets eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten ist (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪309 f.≫), so dass es in besonders gelagerten Einzelfällen geboten sein kann, das Gutachten eines externen Sachverständigen auch schon vor dem gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt einzuholen.
§ 246a StPO ordnet die Hinzuziehung eines Sachverständigen bereits im Erkenntnisverfahren zwingend an, so dass bei jeder Fortdauerentscheidung bereits das Gutachten eines (externen) Sachverständigen aus dem Erkenntnisverfahren vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund kann es jedenfalls dann von Verfassungs wegen geboten sein, die Akten des Erkenntnisverfahrens beizuziehen und das dort vorhandene Gutachten bei der Fortdauerentscheidung zu verwerten, wenn der Verteidiger des Untergebrachten, der Untergebrachte selbst oder ein sonst am Verfahren Beteiligter dies anregt und zugleich auf mögliche Besonderheiten im zu entscheidenden Einzelfall hinweist. In solchen Fällen darf die Strafvollstreckungskammer die ohne großen Aufwand zugängliche, zusätzliche Erkenntnisquelle des bereits vorhandenen Sachverständigengutachtens nicht unbeachtet lassen.
Hier hat die Strafvollstreckungskammer dies jedoch unterlassen und die Akten des Erkenntnisverfahrens nicht beigezogen, obwohl der Verteidiger der Beschwerdeführerin dies mehrfach schriftsätzlich angeregt und auf eine mögliche Lückenhaftigkeit der von den Fachgerichten herangezogenen Erkenntnisquellen hingewiesen hatte. Das im Erkenntnisverfahren eingeholte Sachverständigengutachten ist somit nicht zu den Vollstreckungsakten gelangt und konnte bei der Fortdauerentscheidung nicht herangezogen werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafvollstreckungskammer bei Kenntnis dieses Gutachtens und auf der Grundlage einer dadurch verbreiterten Entscheidungsgrundlage zu einer günstigeren Einschätzung für die Beschwerdeführerin gelangt wäre.
bb) Auch die Nichteinhaltung der Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG.
Die Strafvollstreckungskammer hat ihre richterliche Tätigkeit von vornherein auf ein Mindestmaß beschränkt. Sie hat die Anhörung der Beschwerdeführerin jeweils mit Formularbeschlüssen auf die Berichterstatterin als beauftragte Richterin übertragen. Während des Überprüfungsverfahrens wurden lediglich solche richterlichen Handlungen vorgenommen, die das Gesetz zwingend vorschreibt. Dennoch und obwohl die Stellungnahmen des psychiatrischen Krankenhauses jeweils rechtzeitig vorlagen, ist es der Strafvollstreckungskammer trotz des deutlichen Hinweises der Generalstaatsanwaltschaft auch bei der zweiten Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 nicht gelungen, die Jahresfrist zu wahren.
Nachdem bereits die Überprüfungsentscheidung im Jahr 2009 verspätet war, weil diese nicht spätestens am 6. Februar 2009, sondern erst am 2. März 2009 ergangen ist, erfolgte auch die Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 nicht fristgerecht, da sie nicht am 2. März 2010 (vgl. § 67e Abs. 4 StGB), sondern erst am 12. März 2010 erging.
Dabei lassen die angegriffenen Entscheidungen jede Auseinandersetzung mit dem Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft vermissen; ihnen lässt sich keine Begründung dafür entnehmen, warum die Überprüfungsfrist nicht gewahrt wurde.
Vor diesem Hintergrund drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Fachgerichte nicht eng an die Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB gebunden gefühlt und dass sie die grundrechtsschützende Funktion dieser Fristbestimmung nicht erkannt haben. In der Gesamtschau lässt dies den Schluss zu, dass den angegriffenen Entscheidungen eine nicht mehr vertretbare Gleichgültigkeit gegenüber dem grundrechtssichernden Verfahrensrecht zugrunde liegt und sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte der Beschwerdeführerin beruhen.
2. Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Damit erledigt sich der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. BVerfGE 105, 1 ≪17≫ m.w.N.).
Unterschriften
Lübbe-Wolff, Landau, Huber
Fundstellen
NJW 2012, 516 |
BtPrax 2012, 39 |
StV 2012, 292 |
R&P 2012, 53 |