Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsbeschwerdebefugnis. Umsatzsteuerbefreiung für Besamungsstationen
Leitsatz (amtlich)
Ein Steuerpflichtiger kann nicht einen gegen ein Konkurrenzunternehmen gerichteten Steuerbescheid mit der Verfassungsbeschwerde angreifen.
Leitsatz (redaktionell)
Ein Einzelkaufmann, der eine Besamungshauptstelle betreibt und bei dem auf die von ihm durchgeführten künstlichen Besamungen die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Ziffer 21 UStG keine Anwendung findet, kann nicht mit seiner Verfassungsbeschwerde die Umsatzsteuerbescheide mit dem Ziel anfechten, die nach dem 1. September 1961 gegen seine Konkurrentin, eine Besamungsgenossenschaft, ergangenen Bescheide aufzuheben und das zuständige Finanzamt zu verpflichten, diese Besamungsgenossenschaft hinsichtlich ihrer Umsätze aus der künstlichen Tierbesamung ohne Anwendung des § 4 Ziffer 21 UStG erneut zur Umsatzsteuer zu veranlagen.
Normenkette
BVerfGG § 90; UStG § 4 Ziff. 21; GG Art. 3 Abs. 1
Gründe
I.
Nach § 4 Ziffer 21 des Umsatzsteuergesetzes – UStG – in der Fassung des Elften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 16. August 1961 (BGBl. I S. 1330) sind von den unter § 1 UStG fallenden Umsätzen u.a. steuerfrei:
„die Umsätze von Vereinigungen, deren satzungsgemäßer Zweck…
die künstliche Tierbesamung … ist, soweit die Umsätze unmittelbar
den Zwecken der bezeichneten Vereinigungen dienen…”
§ 46a der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDV) in der Fassung der Achten Änderungsverordnung vom 7. Februar 1957 (BGBl. I S. 6) umschreibt den Kreis der „Vereinigungen”, denen die Vergünstigung des § 4 Ziffer 21 UStG gewährt wird. Danach können einzelne natürliche Personen nicht „Vereinigungen” im Sinne des § 4 Ziffer 21 UStG sein.
II.
Der Beschwerdeführer betreibt als Einzelkaufmann in Niederbayern eine Besamungshauptstelle. Auf die von ihm durchgeführten künstlichen Besamungen findet die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Ziffer 21 UStG keine Anwendung. Mit seiner Verfassungsbeschwerde ficht er die Umsatzsteuerbescheide an, die nach dem 1. September 1961 gegen seine Konkurrentin, eine niederbayerische Besamungsgenossenschaft, ergangen sind. Er beantragt, diese Bescheide aufzuheben und das zuständige Finanzamt zu verpflichten, diese Besamungsgenossenschaft hinsichtlich ihrer Umsätze aus der künstlichen Tierbesamung ohne Anwendung des § 4 Ziffer 21 UStG erneut zur Umsatzsteuer zu veranlagen. Für den Fall, daß die Veranlagung zur Umsatzsteuer noch nicht durchgeführt sein sollte, beantragt er hilfsweise, dem Finanzamt aufzugeben, die Besamungsgenossenschaft zu den vollen Sätzen des Umsatzsteuergesetzes zu veranlagen. Der Beschwerdeführer sieht in der Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Ziffer 21 UStG eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Bevorzugung der Vereinigungen gegenüber den „privaten” Besamungsstationen. Ferner rügt er die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 GG.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
Es kann allerdings Fälle geben, in denen jemand wegen seiner besonderen Beziehung zum Sachverhalt durch den gegen einen anderen gerichteten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen wird und deshalb ausnahmsweise selbst zur Verfassungsbeschwerde gegen diesen Akt legitimiert ist (BVerfGE 4, 96 [101]; Beschluß vom 16. Januar 1963 – 1 BvR 316/60 – S. 10; Beschluß vom 19. Februar 1963 – 1 BvR 371/60 – S. 5). Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor. Zwar ergeben sich aus der Umsatzsteuerfreiheit des Konkurrenzunternehmens wirtschaftliche Wirkungen auf den Beschwerdeführer, die das Problem der Wahrung des Gleichheitssatzes durch die gesetzliche Regelung aufwerfen mögen. Trotzdem kann der Beschwerdeführer Steuerbescheide, die gegen ein Konkurrenzunternehmen ergangen sind, nicht mit der Verfassungsbeschwerde angreifen. Das ergibt sich schon aus der Bedeutung, die diesen Steuerbescheiden im Verhältnis des Konkurrenzunternehmens zum Steuerfiskus zukommt. Entsprechendes gilt, wenn der Beschwerdeführer offenläßt, ob bereits Steuerbescheide gegen das Konkurrenzunternehmen ergangen sind, aber für diesen Fall das Steuerverhältnis seines Konkurrenzunternehmens überprüft wissen will mit dem Ziel, gegen dieses einen dem Gleichheitssatz entsprechenden Steuerbescheid herbeizuführen.
Fundstellen
BVerfGE, 25 |
NJW 1963, 1195 |
DVBl. 1963, 869 |