Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Beschluss vom 27.05.2005; Aktenzeichen 1 Ss 181/05)

AG Ludwigsburg (Urteil vom 10.01.2005; Aktenzeichen 7 Ds 5 Js 102392/03)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Sie ist unbegründet, weshalb ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt.

Die vom Amtsgericht vorgenommene und durch das Oberlandesgericht gebilligte Auslegung des Begriffs der „Gewalt” in § 113 StGB ist mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Auch Handlungen, wie das Festhalten an Gegenständen (vgl. OLG Köln, VRS 71, S. 183, 186; v. Bubnoff, in: Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 11. Aufl., § 113 Rn. 15) und das Stemmen der Füße gegen den Boden (vgl. OLG Köln, a.a.O., S. 185 und bereits RGSt 2, 411 ≪412≫), mit denen eine Person ihr Verbringen an einen anderen Ort verhindern will, sind Widerstandshandlungen mittels Gewalt. Ebenso wie der unmittelbar gegen den Körper des Amtsträgers gerichtete tätliche Angriff, der in § 113 Abs. 1 StGB gesondert unter Strafe gestellt ist, sind derartige Verhaltensweisen durch den oftmals nicht unerheblichen Einsatz von Körperkraft gekennzeichnet und müssen durch ebenfalls nicht unerheblichen Krafteinsatz überwunden werden. Auch für den Adressaten der Strafnorm unterscheiden sie sich damit von rein passiven Widerstandshandlungen, weshalb dem Bestimmtheitsgebot Genüge getan ist. Die Auslegung im amtsgerichtlichen Urteil widerspricht auch nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gewaltbegriff. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht entschieden, dass Gewalt mit Gewalttätigkeiten gegen eine andere Person gleichzusetzen sei. Es hat lediglich im Zusammenhang mit Sitzblockaden festgestellt, dass die bloße physische Anwesenheit an einem Ort, die ohne weitere Kraftentfaltung auf die Psyche anderer Personen Zwang ausübt, keine Gewaltanwendung ist (vgl. BVerfGE 92, 1 ≪16 ff.≫; 104, 92 ≪101 f.≫).

Da die Interpretation des Amtsgerichts nicht von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abweicht, war der Strafrichter auch nicht gehalten, seine Rechtsauffassung im Urteil ausführlicher als geschehen zu begründen.

Auch die Revisionsentscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten. Der Strafsenat durfte in seinem Beschluss von einer Entscheidungsbegründung absehen. Die Praxis der Revisionsgerichte, Verwerfungsbeschlüsse nach § 349 Abs. 2 StPO nicht zu begründen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Revision eines Angeklagten kann nur auf begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft hin verworfen werden. Der Antrag ist dem Angeklagten mitzuteilen, der die Möglichkeit der Stellungnahme besitzt (§ 349 Abs. 3 StPO). Durch dieses Verfahren ist ausgeschlossen, dass die Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel auf Gründen beruht, zu denen der Angeklagte sich nicht äußern konnte (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ≪Vorprüfungsausschuss≫ vom 22. Januar 1982 – 2 BvR 1506/81 –, NJW 1982, S. 925). Dies gilt umso mehr, als § 356 a StPO die Möglichkeit eröffnet, auch bei dem Revisionsgericht um Gewährung nachträglichen rechtlichen Gehörs anzutragen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hassemer, Osterloh, Mellinghoff

 

Fundstellen

Haufe-Index 1436093

NJW 2006, 136

NVwZ 2006, 447

LL 2006, 330

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